Читать книгу Tango unterm Regenbogen - Tilo Braun-Wangrin - Страница 14
9. Aus heiterem Himmel
Оглавление„Jetzt wird es ernst. Als Zeichen unserer Liebe, der Zusammengehörigkeit und der Treue tauschen wir nun diese Ringe“, sagte ich feierlich und fühlte mich wie mein eigener Standesbeamter. So setzte jeder dem anderen seinen Ring an den Finger. Dann folgte ein langer und leidenschaftlicher Kuss.
Die Ringe hatten wir ein paar Tage zuvor ausgesucht. Nun wollten wir sie am Ringfinger der linken Hand tragen – als Symbol, das wir eine feste, monogame Beziehung führen.
Nach mehr als 18 Monaten hatte es Denis endlich einmal geschafft, all seine Freunde heran zu trommeln, um sein neues Zuhause in Neuenhagen zu feiern. Mit seinen Eltern war er vor knapp zwei Jahren aus Berlin dorthin gezogen.
Ich erinnerte mich an eine Passage in Denis Briefen: „Bevor ich nach Neuenhagen gezogen bin, habe ich in Hohenschönhausen gewohnt. In dem Bezirk, wo die meisten PDSler{32}gewohnt haben und unzählige Asylanten zu finden waren. Mit einer Regelmäßigkeit wurden die Kfz-Kennzeichen geklaut und nachts Randale gemacht. Das soziale Umfeld hat uns nach Neuenhagen getrieben, wo meine Eltern ein Grundstück hatten und gebaut haben.“
Dort war schon alles für die geplante Einweihungsparty vorbereitet. Denis Eltern hatten uns Haus und Grundstück überlassen und sich mit Freunden verabredet. Wir gaben uns das erste Mal gemeinsam vor all seinen Leuten die Ehre. Einige kannte ich bis Dato auch noch nicht. Seinen Lieblingsmenschen{33} gegenüber hatte er sich inzwischen geoutet und war mir damit einen Schritt voraus.
Der Abend verlief sehr harmonisch. Ich hatte aus den ersten Erfahrungen gelernt, mich etwas zurückzuhalten und mich nicht ganz so albern zu verhalten. Denis signalisierte dies mit bester Laune.
Endlich war es soweit. Über eine Woche würde ich mit meinem Schatz in unserem ersten Urlaub zusammen sein.
Abreisetag, 5:42 Uhr. Ich hatte verschlafen. Das fing ja gut an. Nach einer Katzenwäsche und schnellen Erledigungen raste ich über die Landstraßen nach Neuenhagen. Nachdem ich das Auto vor seinem Haus geparkt hatte, kam er mir schon entgegen. Ich war nun zehn Minuten später vor Ort als verabredet. Ich entschuldigte meine Verspätung.
Während der gesamten Fahrt, die sich über sechs Stunden hinzog, hörten wir Kassettenbänder aus meinem Archiv. Über den Familienportraet-Soundtrack bis zu Modern Talking und deutschem Schlager war alles vertreten.
In Göhren angekommen, spazierten wir zunächst an der Strandpromenade entlang, um einen ersten Eindruck von unserem Urlaubsort zu bekommen. 1988/89 war ich im Nachbarort Lobbe zweimal im Ferienlager. Seit jener Zeit hatte sich eine ganze Menge verändert.
Das Inselhotel Rügen entsprach unseren Ansprüchen. Während Denis sein umfangreiches Gepäck verstaute, nahm ich eine Dusche. Frisch gestylt, bummelten wir durch die City. Dort aßen wir gemütlich ein Fischbrötchen und durchstöberten die Läden nach SSV{34}-Angeboten. Wir lästerten über die Leute und genossen unsere Zweisamkeit. Wir konnten viele Gemeinsamkeiten feststellen. Auch körperlich hatten wir sehr viel Vergnügen miteinander.
Am Findling bei Lobbe und im Sassnitzer Hafen, drehten wir die ersten Szenen für ein mögliches Coming Out-Video im Familienportraet. Dazu ritzte ich im grünen Sockel des Sassnitzer Leuchtturmes unsere Initialen D&T, umrahmt von einem Herzen, ein.
An den folgenden Tagen unternahmen wir Ausflüge zur Seepromenade nach Binz, zur neuen Seebrücke nach Sellin, zum Jagdschloss Granitz, nach Puttbus und nach Stralsund.
In Stralsund lernte ich abermals eine dunkle Seite an Denis kennen. Dieser Tag war grau und trist. Denis war ruhiger als sonst. Bedrückte ihn irgendetwas?
Als wir durch die Stadt schlenderten, fing es an zu regnen. Obwohl in meinem Auto mehrere Schirme im Kofferraum lagen, hatten wir keinen mitgenommen. Die Betonung lag auf wir. Denn Denis machte mir genau in dem Augenblick, als die ersten Tropfen fielen, den Vorwurf, nicht an einen Schirm gedacht zu haben. Ich dachte, ich hörte nicht richtig, als er die Kritik verbal zum Ausdruck brachte.
Ich motzte zurück, dass er selbst daran hätte denken können. Außerdem könne er sich ja von seinem Geld auch einen billigen Schirm in der Drogerie kaufen. Mich störte der Niesel nicht. Ich musste aber nun seine schlechte Laune ertragen und nahm es persönlich. Wie konnte man sich derart über etwas aufregen, was er selbst hätte ändern können. Und mir gab er dafür die Schuld. Das war befremdlich.
So war es wieder einmal, dass das Bild da war aber der Ton weg. Denn wir sprachen wieder nicht. Natürlich beruhigte er sich wieder und ich mich auch. Aber der Streit war unnötig und belastete einen ganzen Tag lang, in unserem insgesamt doch recht schönem ersten gemeinsamen Urlaub, die Stimmung.
Denis am Strand von Binz (Insel Rügen).
Auf der Rückfahrt war meine Stimmung abermals getrübt, weil ich die Nachricht bekommen hatte, dass mein Vater ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Er hatte Herzrhythmusstörungen, die beobachtet werden mussten. Das machte mir Sorgen, denn ich hatte meinen Vater niemals krank oder kränkelnd erlebt und nun lag er im Krankenhaus.
Ein paar Tage später erfuhren wir dann auch noch, dass bei meinem Opa, väterlicherseits, im ganzen Körper Krebs diagnostiziert wurde. Das waren schlimme Nachrichten.