Читать книгу Tango unterm Regenbogen - Tilo Braun-Wangrin - Страница 8
3. Part(ner) Nummer Vier
ОглавлениеDas erste Treffen wurde vereinbart. Denis und ich sollten uns am dritten Aprilwochenende treffen. Die Anspannung wuchs mit jedem Tag.
Denis: „Am Wochenende vom 18./19.04. habe ich frei und bin ausgeruhter, als wenn ich arbeiten müsste. Ich werde Dir vorab einen Gruß auf dem Anrufbeantworter hinterlassen{10} und hoffe, dass meine Stimme Dich nicht abschreckt.“
Er hatte sich bereits mit einer Nachricht auf meinem Anrufbeantworter (AB) verewigt und seine Stimme klang anders als vermutet. Sie schreckte mich aber nicht ab. Umgehend hinterließ ich auch meinen Gruß auf seinem AB.
Da Denis geschrieben hatte, dass er nicht unbedingt ein Kochgenie sei, hatte ich versprochen, zu kochen. Damit ich mich nicht blamieren würde, bestellte ich meine befreundete Sparkassenkollegin Elfi und deren Freundin Doreen zu mir, um die Gerichte schon einmal zur Probe zu kochen. So bereiteten wir die Speisen schon einmal zu und testeten sie im Anschluss.
Ich schlug Denis ein Candle Light Dinner vor. Zu der Idee schrieb er: „Wenn wir unser gemeinsames Essen einnehmen, wird gefüßelt. Die Idee mit den Kerzen ist wirklich ganz süß, weil ich auf so romantische Sachen stehe. Im Hintergrund läuft, leise langsame Musik, um die Atmosphäre so angenehm wie möglich zu gestalten. Ein Glas Wein, ein tolles Essen und der Abend wird einfach wunderbar.“
18. April 1998. Obwohl es der erste Morgen des Wochenendes war, hievte ich meinen schlaftrunkenen Körper aus dem Bett. Ich musste pünktlich bei Familie P. sein, denn der ORB{11} drehte heute in Eggersdorf einen Beitrag der Sendereihe des Rasenden Reporters, der allmonatlich einen Brandenburger des Monats kürte.
Attila Weidemann und sein Team waren bereits auf dem Grundstück, als ich dazu stieß. Birgit P., meine ehemalige Deutschlehrerin, schien in ihrem Element. Von ihr bekamen die Macher der Sendung die nötigen Informationen über die alte Bäckermeisterfrau, die mit ihren 94 Jahren immer noch im Laden stand und die berühmten Ost-Brötchen verkaufte. Das Backen übernahm inzwischen ihr Sohn.
Sie sollte dafür geehrt werden und zur Brandenburgerin des Monats April 1998 gekürt werden.
Den Tipp dazu gab unsere Freundin Annette, die nach der letzten Sendung bei der Volontärin angerufen und die bewundernswerte Frau Kuhnow vorgeschlagen hatte. Die Produzenten waren entzückt und kamen direkt vor Ort, um den Beitrag zu drehen.
Nachdem ich von den Dreharbeiten zurückgekehrt war, bereitete ich alles für mein erstes Date mit Denis vor. Das Ergebnis waren ein frischer Salat und Pasta. Jetzt begann eine lange Zeit des Wartens. Ich sah Melrose Place. Im Anschluss stylte ich meine Frisur und hüllte meinen Körper in edle Klamotten.
Es klingelte. Meine Aufregung war so gut wie verflogen. Ich hörte seinen Atem, seine Fußstapfen und doch konnte ich ihn noch nicht sehen. Seine ersten Worte „Diese Treppen…“, werde ich nie vergessen.
Dann stand er in seiner jugendlichen Person vor mir. Ein süßer Kerl. Viel hübscher noch als auf dem Foto, welches er mir vor einigen Wochen bei einem unserer ersten Briefwechsel mitgeschickt hatte. Mir rutschte das Herz quasi in die Hose – jener Augenblick, in dem man glaubt, die Welt würde stehen bleiben. Jenem Bruchteil der Sekunde, der dem eigenen Leben die entscheidende Wendung gibt. Und letztlich heißt er dann doch Liebe auf den ersten Blick.
Nachdem er seine Sachen abgelegt hatte, machten wir einen Wohnungsrundgang. Sie schien ihm zu gefallen.
Danach nahmen wir im Wohnzimmer auf dem Dreisitzer Platz. „Darf ich Dir was zu trinken anbieten?“, fragte ich ihn. Es sollte ein Kirschsaft sein, den ich immer im Hause hatte.
Beim Essen blieb mir vor Aufregung der Appetit weg. Denis aß alles auf. Und dass, obwohl sich in der Pasta Rindfleisch{12} befand. Es schien ihm dennoch geschmeckt zu haben. Oder es war Freundlichkeit? Oder Liebe?
Wir sprachen darüber, warum gerade wir schwul geworden waren und ob es genetisch bedingt sei oder andere Einflüsse schuld daran seien.
Nach dem Essen zogen wir uns ins Wohnzimmer auf die Couch zurück. Denis hatte einen Stapel Fotografien mitgebracht, um mir seine Welt näher zu bringen. Sein Vater, der oft auf den Bildern zu sehen war, wirkte wie Denis älterer Bruder. Ich hatte es oft schwer, ihn von Denis zu unterscheiden. Zwischendurch war er näher an mich herangerückt und hatte seinen Arm hinter mich gelegt.
Als die Bilderschau vorbei war, spürte ich plötzlich Denis Lippen auf meinem Mund. Sie fühlten sich so warm, bestimmt und gekonnt an. Er entschuldigte sich für den spontanen Überfall und ich staunte, wie schnell ich mich auf ihn einlassen konnte und wie schnell ich ihn begehren würde. Denis küsste zärtlich meinen Hals und saugte sanft daran. Das Gefühl war so überwältigend. Auf beiden Seiten entstanden saftige Knutschflecke.
Es wurde immer später und ich hatte von Minute zu Minute das Gefühl nur noch Belanglosigkeiten zu erzählen. Irgendwann war ich so verunsichert, dass ich Denis mit den Worten „ich beende das Ganze jetzt hier“ zum Gehen aufforderte. Ohne Abschiedskuss oder andere Nettigkeiten beförderte ich ihn aus meiner Wohnung.
Bereits in den Minuten danach bereute ich meinen Auftritt. Dabei wollte ich mir meine Unsicherheit nur nicht anmerken lassen. Vielleicht hatte ich ihn nun verloren? Das wäre das Dümmste, was mir hätte passieren können, da dieser Mann einfach großartig war.
Am Folgetag hörte und las ich nichts von Denis und meine Nervosität stieg. Die Anspannung sollte sich erst am darauffolgenden Morgen lösen.
Bevor ich zu meinem Dienst in die Bundeswehrkaserne fahren wollte, entdeckte ich folgendes Fax in der Ablage:
Diese Zeilen signalisieren den Beginn unserer Beziehung, die damit offiziell am 20. April 1998 ihren Anfang nahm. Für mich war es die erste Beziehung, für Denis die Vierte. Mit den Männern vor mir war er jedoch nur maximal drei Monate zusammen, wie er mir sagte.
Ich war happy und aufgeregt zugleich. Von meinen Freunden, den Bundeswehrkameraden und den Sparkassenkollegen musste ich mir ironische Anspielungen auf die Rötungen an meinem Hals gefallen lassen. Die Rechnungsführerin der Bundeswehr fragte mich sogar ernsthaft, wer mich denn da gewürgt hatte. Ich konnte ein Lächeln kaum unterdrücken und verwies auf einen wilden Abend mit meiner Freundin.
Zehn Tage waren wir nun zusammen. Wir hatten es sogar schon ins Kino geschafft. Es war die Fortsetzung des Horrorfilms SCREAM, aber auch ein guter Vorwand um sich schützend an den Partner zu lehnen. Dennoch mit Vorsicht, denn in der Öffentlichkeit waren wir (nicht) geoutet und wahrten eine gewisse Distanz.
Ein leidenschaftlicher Kuss läutete einen Abend ein. Sein süßes Lächeln verriet mir seine Begierde, doch so weit war ich noch nicht. Kuschelnd sahen wir uns Gute Zeiten, schlechte Zeiten an. Dabei streichelten wir uns sanft.
Familie Braun (Familienporträt 1998)