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Die Weisheit erkennen

Was ist Weisheit?

1. Januar

Dies sind die Sprüche Salomos; er war der Sohn Davids und König von Israel … Wer das Buch der Sprüche gelesen hat, versteht Sprichwörter und Gleichnisse, die Worte der Weisen und ihre Rätsel. (1,1.6)

Was ist ein Spruch? Ein Spruch (hebräisch masal) ist ein poetisch gestalteter, knapper und bündiger, zum Nachdenken anregender Satz, der mit wenigen Worten eine Wahrheit zum Ausdruck bringt. Es ist eine literarische Gattung, die dem modernen Menschen unbekannt ist. Sprüche sind weder absolute Befehle noch Versprechen, und oft sind sie unvollständig, in dem Sinne, dass man sie neben andere Sprüche zu dem gleichen Thema stellen muss, um ein vollständiges Bild zu bekommen. Sie sind Beobachtungen über das reale Leben; ein Spruch ist dazu da, dass der Hörer durch konsequentes Nachdenken die richtige Beziehung zur Realität bekommt. Ein Spruch ist ein wenig wie ein Bonbon: Wenn man hineinbeißt, hat man wenig davon (außer womöglich einen abgebrochenen Zahn). Man muss über den Spruch meditieren, damit das süße Aroma, das „Aha-Erlebnis“, sich entfalten kann.

Weisheit ist nicht nur etwas für Philosophen. Sie ist Schule für den Alltag. Sie hilft mir, wenn mein Kind mit einem blauen Auge von der Schule heimkommt oder wenn ich unverhofft zu Geld komme oder arbeitslos werde. Wie reagiere ich richtig, so, dass aus der Krise keine Katastrophe wird? Unsere Weisheit wird uns in dem Maße leiten, wie wir Gottes Sohn, Jesus, kennenlernen und ihm ähnlicher werden.

In welchem Bereich Ihres Lebens müssen Sie am meisten an Weisheit zunehmen?

Gebet: Herr, mir wäre es lieber, du sagtest mir durch eine innere Stimme, was ich tun soll. Oder durch ein Handbuch für alle Situationen des Lebens. Stattdessen rufst du mich dazu auf, ein weiser Mensch zu werden, der selber merkt, was er tun soll. Hilf mir, auf diesen Ruf zu antworten, und mache mich zu einem verständigen Menschen. Amen.

2. Januar

Dies sind die Sprüche Salomos; er war der Sohn Davids und König von Israel. Das Buch der Sprüche wurde geschrieben, damit die Menschen erfahren, was Weisheit ist. (1,1-2a)

Nicht nur Moral. Das wichtigste Wort für Weisheit in den Sprüchen (hebräisch hokma) beinhaltet moralisches Verhalten, aber geht noch viel weiter. Es geht darum, sich richtig zu entscheiden, auch dort, wo es keine eindeutigen moralischen Gesetze gibt, die mir sagen, was ich zu tun habe. Manche Entscheidungen erfordern lediglich das richtige Wissen (z. B. welche Medizin ich nehmen sollte), andere das Befolgen von Regeln (z. B. ob Ehebruch in Ordnung ist oder nicht). Aber kein Bibelvers wird Ihnen sagen, wen Sie heiraten oder welche Arbeitsstelle Sie annehmen oder ob Sie umziehen sollen – aber falsche Entscheidungen können hier gravierende Folgen haben. Es gibt auch keine moralischen Gebote gegen Charakterschwächen wie Schroffheit, Impulsivität, emotionale Labilität oder Unordnung, aber auch solche Dinge können unser Leben beeinträchtigen.6

Wenn Gott uns eine hundertbändige Enzyklopädie von Regeln für jede Situation gegeben hätte, würden wir uns auf dieses Werk und unseren Lesefleiß verlassen. Aber wenn wir begreifen, was Weisheit wirklich ist, kommen wir näher zu Jesus, von dem es hieß: „Was ist das für eine Weisheit, die ihm da gegeben ist?“ (Markus 6,2).

Haben Sie schon einmal einen guten, moralisch anständigen Menschen erlebt, der sich sehr unweise verhielt?

Gebet: Herr, ich bin in meinem Glauben oft selbstgefällig und meine, die Wahrheit zu kennen. Aber kenne ich sie wirklich? Und wo ich sie kenne, weiß ich oft nicht, wie ich richtig mit ihr umgehen soll. Bitte schenke mir in meinem Leben das, was ich brauche, um weiser zu werden, und lass mich nicht vergessen, dass ich es von dir bekommen habe. Amen.

3. Januar

Dies sind die Sprüche Salomos; er war der Sohn Davids und König von Israel … damit die Menschen erfahren, was Weisheit und Erziehung sind. (1,1-2a)

Disziplin. In diesen ersten Versen im Buch der Sprüche finden wir um das hebräische Wort hokma herum etliche mehr oder weniger synonyme Ausdrücke, die Licht darauf werfen, was Weisheit ist. Das hebräische musar (Erziehung in 1,2-3) meint eine Unterweisung, die den Schüler in die Pflicht nimmt – ein hartes Training mit einem Lehrer, der einen oft richtig fordert. Oft erwerben wir Weisheit dadurch, dass Freunde uns offen die Meinung sagen (27,5), oder wir lernen aus Fehlern (26,11) bzw. aus dem Leiden, das Gott, der große Erzieher, uns zu unserem eigenen Besten schickt (3,11-12). Mit jedem Mal, wo mein Auto eine Panne hat und ich mir überlegen muss, wie ich den Schaden behebe, wächst meine „Weisheit“ bezüglich Autos. Genauso ist es mit unserem Leben. Der Schriftsteller Marcel Proust schrieb, dass wir die Wahrheit „selbst entdecken“ müssen, „nach einer Reise durch die Wildnis, die niemand an unserer statt antreten, die niemand uns ersparen kann“.7

Weise werden heißt ein disziplinierter Mensch werden, der nicht impulsiv drauflosrennt, sondern sich selbst prüft, umsichtig ist, klar denkt. Ein Mensch, den das Leben widerstandsfähig, belastbar, erfinderisch gemacht hat. So wie man nur durch hartes Training ein guter Marathonläufer wird, will auch die Weisheit erarbeitet sein.

Wo hat Gott in Ihrem Leben schon Schwierigkeiten benutzt, um Sie weiser zu machen?

Gebet: Vater, Kinder brauchen Disziplin, auch wenn sie vielleicht dagegen aufbegehren. Ein Kind, das keine Disziplin gelernt hat, wird es schwer haben im Leben. Vergib mir, wo ich in den harten Schlägen und Enttäuschungen meines Lebens nicht deine väterliche Erziehung gesehen habe. Lass mich durch sie Weisheit lernen. Amen.

4. Januar

… damit die Menschen erfahren, was Weisheit und Erziehung sind, und merken, wie man verständige Rede von törichter unterscheiden kann. (1,2)

Unterscheidungsfähigkeit. Ein weiterer Aspekt der Weisheit ist Verständnis (hebräisch bina) – die Fähigkeit, Unterschiede und feine Schattierungen wahrzunehmen, wo andere nur einen Mischmasch sehen. Kathy kann kleine, aber wichtige Unterschiede zwischen verschiedenen Balletttänzern erkennen, die Tim nicht sieht, und er kann beim Baseball feine Nuancen beim Werfen des Balls ausmachen, die Kathy entgehen. Kathy ist „weiser“, wenn es um Ballett geht, Tim, wenn es um Baseball geht.

Die biblische Weisheit wendet die Kunst des differenzierten Wahrnehmens auf das Leben im Alltag an. Weise sein heißt eine Fülle von Optionen und möglichen Handlungsweisen sehen, wo andere vielleicht nur eine oder zwei sehen. Der Weise erkennt, dass Wesen und Motive seiner Mitmenschen vielschichtig sind, und teilt sie nicht einfach in „Gute“ und „Böse“ ein. Unterscheidungsfähigkeit ist auch die Fähigkeit, nicht nur zwischen „richtig“ und „falsch“ zu unterscheiden, sondern auch zwischen „gut“, „besser“ und „am besten“. Christen erleben es, dass in dem Maße, wie sie Christus liebgewinnen, auch ihre „Erkenntnis“ und ihr „Einfühlungsvermögen“ wachsen (Philipper 1,9). Christi Liebe heilt das nur mit sich selbst beschäftigte Ich und versetzt uns in die Lage, unsere Mitmenschen zu sehen und sensibel für sie zu werden.

Wo ist Gott gerade dabei, Ihnen feine Unterschiede zu zeigen, die Sie bisher nicht gesehen hatten?

Gebet: Herr, die Welt scheint aufgeteilt zu sein in Menschen, die alles schwarz-weiß sehen, und solche, für die alles grau ist. Erlöse mich von beidem – der Gesetzlichkeit und dem Relativismus. Beide sind nicht weise. Schenke mir die Demut und die Unterscheidungsgabe, die es für ein weises Herz braucht. Amen.

5. Januar

Dadurch erhält man eine gute Erziehung … So ist man imstande, den Unerfahrenen Klugheit zu vermitteln und der Jugend Erkenntnis und Besonnenheit. (1,3-4)

Besonnenheit. Die hebräischen Worte haskel (Klugheit), ormah (Erkenntnis) und mezimma (Besonnenheit) meinen alle ein Planen und Leben, das strategisch ist. So wie es hochanständige Menschen gibt, die nicht sehr weise sind, gibt es Visionäre, die das Ziel sehen, aber von den praktischen Schritten, die es zur Realisierung bräuchte, wenig Ahnung haben. Weise sein heißt Probleme voraussehen, ohne leichtsinnig zu werden oder sich davon lähmen zu lassen, dass man übervorsichtig ist. Der Weise weiß nicht nur, was er tun soll, sondern auch, wann er es tun soll. Ein Segen zur falschen Zeit kann wie ein Fluch wirken (27,14). Während Unterscheidungsfähigkeit (4. Januar) eine Art Einblick in die Herzen ist, ist Besonnenheit eine Form des Weitblicks; ich weiß, was für ein Verhalten zu welchen Ergebnissen führen wird (22,3).

Weisheit ist in einem gewissen Sinne das Wissen, wie man „erfolgreich“ lebt. Aber man verwechsele nicht, wie Adam und Eva, weltliche Klugheit mit göttlicher Weisheit (1. Mose 3,6). Die endgültige Weisheit finden wir in Jesus, dem leidenden Gottesknecht (Jesaja 52,13), dessen Erfolg absolut, aber den Augen der weltlichen Weisen seiner Zeit verborgen war.8

Hatten Sie einmal die nötige Unterscheidungsfähigkeit, um zu wissen, was Sie tun mussten, aber nicht die Besonnenheit, um zu wissen, wie Sie das machen sollten? Was haben Sie daraus gelernt?

Gebet: Herr, ich möchte Erfolg haben, aber oft aus den falschen Gründen. Bitte tue, was nötig ist – und wenn es große Enttäuschungserlebnisse sind –, damit es mir wichtiger wird, treu zu sein als Erfolg zu haben. Erst dann werde ich frei sein von dem Stolz und der Angst, die die Feinde wahren Erfolges sind. Amen.

6. Januar

Wer Weise ist, soll zuhören und sein Wissen erweitern, und wer Verstand hat, soll die Fähigkeit erwerben, ein gutes Leben zu führen! (1,5)

Wissen. Man kann moralisch gut, aber trotzdem nicht weise sein, und man kann viel wissen und doch töricht sein. Da ist die studierte Soziologin, die ein Buch über die Ursachen von Armut geschrieben hat, aber als sie einer armen Familie helfen will, macht sie alles nur schlimmer. Es gibt Wissen ohne Weisheit. Aber Weisheit ohne Wissen? Nein. Man muss sich mit einem Thema auskennen, bevor man es mit der Disziplin, Unterscheidungsfähigkeit und Besonnenheit der Weisheit angehen kann. Und so ruft das Buch der Sprüche die, die weise werden wollen, dazu auf, ihr Wissen zu erweitern. Das hebräische Wort leqah bedeutet ein ausgiebiges Studieren.

Um weise zu werden, müssen wir das menschliche Herz kennen und wissen, wie menschliche Beziehungen funktionieren; wir müssen Leiden und Tod kennen, ja das Wesen Gottes. Weisheit ist die Verschmelzung von Denken und Erfahrung, sodass wir „in den Realitäten des Lebens kompetent“ werden.9 Und wahre Weisheit erfordert wie nichts anderes eine tiefe Kenntnis der Bibel. Kein Geringerer als Jesus gründete alles, was er tat, auf die Bibel; mit ihr ging er in seinen Tod (Matthäus 27,46; Psalm 22,2). Wie können wir erwarten, weise zu werden, wenn wir uns nicht in das Wort Gottes vertiefen?

Was können Sie tun, um die Bibel besser kennenzulernen? Für welche Bereiche Ihres Lebens wäre sie gerade besonders wichtig?

Gebet: Herr, ich verbringe viel zu wenig Zeit damit, dein Wort zu lesen und darüber zu meditieren, und es gibt keine Entschuldigung dafür. Wir nehmen uns doch immer Zeit für das, was uns wirklich wichtig ist. Bitte vergib mir, dass ich dich und dein Wort nicht so liebe, wie du mich geliebt hast. Lehre mich deine Wahrheit. Amen.

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