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Das Wort lieben – die Hörer lieben

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Was ist also eine gute Predigt? Lassen Sie mich das bisher Gesagte zu einer Definition zusammenfassen.

Predigen heißt „das Geheimnis zu verkünden, das Gott uns enthüllt hat“ (1. Korinther 2,1). Es heißt biblisch predigen, in der Auseinandersetzung mit dem Text des Wortes Gottes. Dies bedeutet, dass ich meinen Zuhörern das Wort Gottes zu bringen habe und nicht meine persönliche Meinung. Der Prediger redet im Auftrag Gottes und gibt Gottes Worte weiter (1. Petrus 4,11). Er muss herausarbeiten, was der Text in seinem Kontext bedeutet – sowohl in seinem historischen Kontext als auch im Gesamtkontext der Bibel. Dieser Teil des Dienstes am Wort Gottes ist die Auslegung. Der Prediger erläutert, treu und gewissenhaft, was die Botschaft dieses Textes ist, wobei er stets den Rest der biblischen Lehre mit im Hinterkopf hat; er darf nicht „eine Schriftstelle so erklären, dass sie einer anderen widerspricht“26.

Predigen heißt weiter, Gottes Wort „Juden wie Nichtjuden“ zu verkünden (1. Korinther 1,24). Es geht darum, die Herzen und die Kultur der Hörer zu erreichen – nicht nur ihre grauen Zellen zu informieren, sondern auch ihr Herz, ihre Interessen und Gefühle anzusprechen und sie zur Buße und einem neuen Denken und Verhalten zu bewegen. Eine gute Predigt ist nicht ein Knüppel, der den Willen bricht, sondern ein Schwert, das bis ins Innerste des Herzens dringt (Apostelgeschichte 2,37) und uns schonungslos zeigt, wie und wer wir wirklich sind (Hebräer 4,12). Sie nimmt den Text und seine Auslegung und trägt ihn in die Situation des Hörers hinein, denn wir haben einen Bibeltext erst dann wirklich verstanden, wenn wir begreifen, was er mit uns und unserem Leben zu tun hat. Dies ist die zweite Aufgabe des Predigers – die Anwendung der Aussagen des Textes auf die Hörer –, und sie ist wesentlich komplizierter, als man meistens denkt. Die Herzen und die Kultur ansprechen – beides ist, wie gesagt, miteinander verbunden, denn das Weltbild und die kulturellen Narrativen hinterlassen tiefe Spuren in der Identität, dem Gewissen und dem Realitätsverständnis des Einzelnen. Ein guter Prediger setzt sich nicht mit der Kultur seiner Hörer auseinander, um „relevant“ und „aktuell“ zu sein, sondern um die tiefen Lebensfundamente seiner Hörer freizulegen.

Der Prediger Alec Motyer schreibt, dass der Prediger nicht einer, sondern zwei Instanzen verantwortlich ist:

Erstens der Wahrheit und zweitens diesen Menschen, vor denen er steht. Wie können sie die Wahrheit am besten hören? Wie können wir ihr so Ausdruck verleihen, dass sie sie verdauen können, dass sie aufmerksam zuhören und … nicht unnötig verletzt werden?27

Dies sind die beiden Aufgaben der Predigt und der große Schlüssel zu beiden heißt: Christus predigen. Nein, dies ist nicht eine dritte Aufgabe der Predigt, sondern die Art, wie man die beiden Aufgaben der Auslegung und Anwendung richtig erfüllt. Wir erinnern uns: Für Paulus sind Treue zur Bibel und Christuszentriertheit ein und dasselbe. Ich kann nur dann „richtig“ über einen Text predigen und ihn korrekt in den Gesamtkontext der Bibel einordnen, wenn ich aufzeige, wie seine Themen und Aussagen ihre letzte Erfüllung in der Person Jesu Christi finden. Und ähnlich kann ich die Herzen meiner Zuhörer nicht wirklich erreichen und verändern, wenn ich ihnen nicht über die Worte des Textes hinaus die Schönheit der Person Jesu aufzeige und ihnen begreiflich mache, dass die spezielle Aussage dieses Textes nur durch das Vertrauen auf das Werk Christi geltend gemacht werden kann.

Kathy sagte mir einmal, dass die ersten Abschnitte meiner Predigten gut als Sonntagsschullektionen taugten, aber dass in dem Augenblick, wo ich „zu Christus kam“, der Vortrag zu einer Predigt wurde. Sie haben möglicherweise nichts dagegen, wenn Ihre Zuhörer bei Ihren Predigten fleißig mitschreiben, aber wenn Sie zum Thema „Jesus“ kommen, möchten Sie nicht so sehr, dass sie mitschreiben, sondern dass sie das Mitgeschriebene am eigenen Leib erfahren.

Der berühmte britische Prediger Charles Haddon Spurgeon wurde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass jede Predigt den Zuhörern Jesus groß machen muss. Er klagte über Predigten, die „sehr klug … und schön und prächtig“ waren, aber in denen es immer nur um moralische Wahrheiten und rechtes Verhalten und hohe Ideen ging, „aber kein Wort über Christus“. Solche Predigten erinnerten ihn an die Worte Maria Magdalenas: „Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. Ich hörte nichts über Christus!“28 Spurgeon hat recht. Solange wir nicht Jesus predigen, sondern „die Moral von der Geschichte“ oder zeitlose Wahrheiten oder ein bisschen Lebenshilfe, werden die Menschen nie dazu kommen, dass sie das Wort Gottes verstehen, lieben und ihm gehorchen. Was Spurgeon forderte, ist schwieriger, als es klingt, und seltener, als wir vielleicht glauben.

Der Prediger hat also zwei Aufgaben. Er muss das Wort Gottes und seine Wahrheit lieben und ihm dienen, und er muss die Menschen, vor denen er steht, lieben und ihnen dienen. Wir dienen dem Wort, indem wir den Text klar und deutlich auslegen und dabei jedes Mal das Evangelium predigen. Und wir erreichen die Zuhörer, indem wir ihre Kultur und ihre Herzen ansprechen.

Das müssen wir tun. Und jetzt das, was Gott tun muss: Er schließt sein Wort durch das machtvolle Wirken seines Geistes (vgl. 1. Korinther 2,4) für die Herzen unserer Hörer auf. Laut Paulus kann man nur dann mit echter geistlicher Kraft predigen, wenn man seinen Zuhörern Christus als eine lebendige Realität nahebringt, der sie begegnen und der sie sich öffnen sollen und können. Unsere Predigten müssen unser ehrfürchtiges Staunen über das, was wir in Christus haben, zum Ausdruck bringen. Sie müssen eine ungekünstelte Offenheit ausstrahlen, die dem Hörer zeigt, dass das Herz des Predigers selber ergriffen ist von dem, was er da verkündet, und dass es verwandelt wird. Der gute Prediger strahlt Autorität und Ruhe aus und nicht das verkrampfte Bemühen, dem Publikum zu gefallen oder eine Show abzuziehen. Der Prediger sollte Liebe, Freude, Frieden und Weisheit ausstrahlen. Er sollte ein Schaufenster sein, durch das die anderen seine vom Evangelium verwandelte Seele sehen und sich sagen: „So möchte ich auch werden.“ Und sie sollten etwas von Gottes Gegenwart spüren.

Wie ist das möglich? Es geschieht, wenn wir Christus predigen. Wenn wir den Text gewissenhaft auslegen und jedes Mal das Evangelium predigen wollen; wenn wir die Kultur und die Herzen unserer Zuhörer erreichen und Mitarbeiter des Heiligen Geistes bei seinem Werk in dieser Welt sein wollen – dann müssen wir Christus predigen, bei jedem Bibeltext.

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