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Wenn die Welt um dich herum auseinanderbricht …

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07.08.2019

Wenn die Welt um dich herum auseinanderbricht, nichts mehr so ist, wie es einmal war und du mit großer Angst in die Zukunft schaust, sind es die ganz besonderen Menschen, die an deiner Seite sind. Die dir Halt geben und für dich da sind.

Das meine Welt von heute auf morgen zusammenbricht, war ich von klein angewohnt. Zusammenbrüche erlebte ich in vielen Momenten: Die Scheidung meiner Eltern, davor die Flucht ins Frauenhaus, Umzüge, viel Leere und Unsicherheiten, der Tod meines Vaters und vieles mehr ...

Die Kindheit und auch Jugend war ein einziger Zusammenbruch. Du gehst entweder daran kaputt oder du schaffst es, dich irgendwie am Leben zu halten. Es scheint so, als würdest du dich daran gewöhnen, dass dein Leben keinen festen Bestand hat. Die Zusammenbrüche gleichen einem heftigen Gewitter und du überlebst es immer ..., irgendwie.

Doch komischerweise war dieser Zusammenbruch anders. Er traf mich mit so einer Härte, dass ich mit blutigen Knien am Boden lag. Zusätzlich nahm er mir meine Freiheit.

Auf einmal durfte ich nicht mehr Auto fahren, nicht mehr arbeiten und nicht mehr trinken. Das Gefühl, in diesem Gewitter keinen Halt mehr zu finden, schlug mich immer wieder zu Boden. Diese Ohnmacht hatte ich zwar davor schon erlebt, aber noch nie in dieser Heftigkeit. Meine blutigen Knie schienen nicht zu heilen. Immer wieder klafften die Wunden von Neuem auf.


In dieser Zeit erkenne ich auf einmal, wie wenig Menschen für mich da sind, aber die, die da sind, helfen mir ungemein. Es entstehen neue enge Freundschaften, auch beste Freundschaften, die ich bis heute zu schätzen weiß.

Sandra, die ich schon länger nur als Hundebetreuerin für meine Hunde kenne, wird zu einem sehr wichtigen Menschen an meiner Seite. Es entwickelt sich eine großartige Freundschaft und sie hilft mir, wo es nur geht. Sie ist da für mich und holt mich in schweren Momenten wieder auf den Boden der Tatsachen zurück.

Da ich ein sehr emotionaler Mensch bin, kann ich mich sehr schnell in Dinge hineinsteigern und sie ist jemand, der die Dinge dann doch sachlicher betrachtet. Das tut mir gut. So fängt sie mich in den stürmischen Zeiten gut ab. Ich komme langsam wieder zurück zu meiner Mitte.

Falko, der Fotograf, mit dem ich am 21.07.2019 noch geshootet habe, schickt mir jeden Tag ein Shooting-Bild, um mir eine Freude zu machen. Diese Geste ist so lieb und ich erfreue mich jeden Tag daran.

Überhaupt entstehen dadurch, dass ich Zeit habe, wieder mehr Kontakte zu Menschen. Ich war so sehr mit meiner Arbeit beschäftigt gewesen, dass ich das eigentliche Leben verpasst habe. Einfach `mal Ausgehen und vieles andere kamen bei mir ja gar nicht in Frage. Wie auch? Ich war so zugemüllt mit Terminen, dass ich manchmal schon gar nicht mehr wusste, ob es unter der Woche oder ein Wochenende war. Ich verwende das Wort zugemüllt, denn so sehr ich für meine Arbeit immer gebrannt habe, weil ich sie so geliebt habe, war es doch am Ende ein riesiger Haufen, völlig überladen, eben wie ein Haufen Müll. Gebrannt habe ich immer für all das, was ich tue. Den Zeitpunkt, wann ich ausgebrannt war, habe ich allerdings nicht bemerkt. Sicher hat auch mein falscher Freund, der Alkohol, das Ganze verschleiert. Hat er doch immer wieder für Beruhigung und Ablenkung gesorgt. So richtig Fühlen konnte ich zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Die Betäubung führte dazu, dass die Gefühle immer mehr abstumpften. So konnte ich weiter über meinem ausgebrannten Weg irren und mich mehr und mehr zugrunde richten.

Anders kann man es nicht sagen, denn wir haben das Privileg in einem Land zu leben, indem wir alle Möglichkeiten haben, wenn wir nur wollen. Noch nie war die Freiheit so groß wie jetzt und doch verschwenden wir so viel Lebenszeit damit, uns kaputt zu arbeiten und völlig auszubrennen. Ich habe sicher aus vollem Herzen gearbeitet, aber, irgendwann habe ich zu viel getan.

Die Liebe zu mir selbst habe ich nicht gehabt. Das hat auch dazu geführt, dass ich zwar alles mit Liebe und Hingabe erledigt habe, aber mir selbst gegenüber keine Liebe empfinden konnte. Doch es man kann sich nur nach Außen verändern, wenn du zuerst dein Inneres änderst. Die Liebe zu dir selbst, ist die wichtigste Kraft. Ich habe aber seit meiner Kindheit nie das Gefühl von Liebe mir gegenüber empfunden. Auch wenn ich nach Außen strahle, so bin ich doch im Inneren völlig erfroren. Meine ganzen Verwundungen und Traumata anzuschauen, völlig unvorstellbar! Würde ich dann noch weiterleben können? Oder würde ich wie ein Kartenhaus zusammenfallen?

Ich habe immer gewusst, dass ich trotz meines guten Funktionierens nicht in Ordnung war und immer den treuen Freund »Alkohol« an meiner Seite hatte.

Er löste verlässlich meine Ängste, Unsicherheiten, Probleme, Unruhe, Zweifel und vieles mehr. Lösen ist eigentlich das falsche Wort. Er löste es zum Schein für mich, denn in Wahrheit kamen dadurch die Probleme erst. Alles, was du betäubst, ist trotzdem noch da. So kamen diese auch wieder in Form meiner depressiven Phasen, meiner Wutausbrüche und in Streitigkeiten zum Vorschein, wenn die Wirkung meines Freundes nachließ. Ich war immer ein Mensch, der sich sofort angegriffen fühlte, sich dann sofort zurückzog und dicht machte. Kritik konnte ich schwer ertragen, weil ich mich immer sofort als wertlos empfand. Ich hörte nicht, was der Mensch mir sagen wollte, ich hörte und sah nur die Ablehnung und die Wertlosigkeit. Ich war nichts wert! Ich war an allem schuld!

Die Stimme in meinem Kopf war in diesen Momenten sehr laut. Plötzlich war ich nicht mehr die erwachsene Tina, sondern die kleine Tina, das kleine Mädchen, was so oft verletzt wurde und verunsichert war. Ich kann mich an zwei banale Situationen erinnern:

In den Schulferien waren wir nach der Scheidung meiner Eltern immer bei meinem Vater und ich hatte mir zwei Zöpfe geflochten. Mega stolz war ich darauf, denn als kleines Mädchen liebt man es ja, sich schöne Frisuren zu machen. So wollte ich es meinem Papa zeigen. Als ich zu ihm herunterkam, sah er mich an und sagte:

»Du siehst aus wie ein Vollidiot. Wie kann man denn so aussehen! Mach das sofort raus!«

Ich war 8 Jahre und für mich ist das bis heute prägend, denn ich fühlte mich bloßgestellt. Es mag sein, dass es Kinder gibt, die damit umgehen können,

In den darauffolgenden Ferien waren wir im Schwimmbad und ich weiß noch, dass ich am Beckenrand stand und meinen Papa und meine Schwester im Wasser suchte. Vertieft aufs Suchen, zog ich an meinem Badeanzug und zog ihn ein kleines Stück nach unten, als plötzlich von hinten Mädchenstimmen riefen:

»Ja, sehr gut, komm zieh dich aus, los komm schon!« Ich drehte mich um. Eine Clique Jugendlicher saß da und zeigte auf mich. Sie lachten mich aus und das halbe Schwimmbad starrte mich an.

Diese zwei Situationen stellten mich bloß. Das Gefühl, dass andere über dich lachen, bleibt ein Leben lang. Es waren zwei Situationen, die ich bis heute noch so fühlen kann, als würden sie gerade erst geschehen. Es hat mich tief verletzt und da ich kein Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen hatte, zusätzlich noch tief getroffen. Bis heute zieht sich dies durch. Kritik, die nicht böse gemeint ist, kann ich nicht als Kritik sehen, sondern fühle mich sofort als Mensch wertlos. Zwar kam ich immer zurecht, aber Menschen, die mir nahestanden, erlebten das oft. Bei vielen Diskussionen und Streiten war komplett dicht machen und Rückzug mein normales Verhalten. Sich selbst schützen, nur keine Gefühle zeigen und schon gar keine Verletzung.

Jetzt, da alles zusammenbricht, erkenne ich die Muster und muss zum ersten Mal hinsehen. Auch der ›Alkohol‹, mein vermeintlicher Freund, hat viele Gefühle noch mehr verstärkt, war ich doch, wenn ich getrunken hatte, oft sehr streitsüchtig und aggressiv. Da kamen die alten Wunden zum Vorschein und schlugen mit voller Wucht zu.

Am nächsten Tag dann oft eine Depression. Das Gefühl der totalen Leere. Ich fühlte mich schlecht, wertlos und ausgebrannt. Obwohl ich so oft merkte und mir oft sagte, du musst endlich deine alten Wunden bearbeiten, schaffte ich es nicht. So war die schnellere Lösung, wieder trinken und zugedröhnt ging es ja dann wieder.

Da ich nun nicht mehr trinken durfte, musste ich mich diesem totalen Zusammenbruch stellen. Was für eine Scheiße! Ich war 38 Jahre alt, alles brach zusammen und ich war auf einmal von allen Seiten eingeschränkt. Meine Freiheit war mir genommen und ich musste jetzt auf alle anderen hören. Je mehr Widerstand ich gegen alles hegte, desto mehr schlug es auf mich ein. Somit gab ich das erste Mal auf und erlebte den Zusammenbruch, das Auseinanderbrechen meines Lebens mit all seinen Facetten und Schwierigkeiten. Es gab kein Weglaufen, kein Zudröhnen und kein Vertuschen mehr.

Herz sucht Mut Seele sucht Halt

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