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Außerordentliche fristlose Kündigung …

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So bleibe ich am Leben und habe mich ein bisschen gefangen, bis ich Ende der Woche den Briefkasten aufmache:

Außerordentliche fristlose Kündigung vom Rettungsdienst.

Ich kann es gar nicht fassen! Ja, es war ein Termin vereinbart gewesen, aber ich war nicht hingegangen. Ich war nicht in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen und so hatte ich diesen Termin total vergessen. Man kann nicht einmal vergessen sagen, ich war völlig out of Order. Zu nichts fähig, wie mehrmals vom LKW überfahren und sowieso schon in Gedanken tot. Was sollte ich denn noch hier? Der Termin, Tina!!

Man wollte mit mir reden, ich hätte hingehen sollen, aber ich war dazu nicht in der Lage.

Ja, ich weiß, der Führerschein ist Voraussetzung, ich habe den Vertrag gebrochen und somit ist diese Konsequenz vom Arbeitgeber absolut nachvollziehbar.

Bei jedem anderen hätten sie wohl genauso gehandelt und man kann ihnen keinen Vorwurf machen. Für mich war dies jedoch eine Katastrophe, da ich ja davon zur Hälfte lebte. Meine kleine Ballettschule hatte ich erst seit vier Jahren und so viel Geld verdiente ich damit noch nicht. Der Job im Rettungsdienst war meine Existenz.

Ich erinnere mich zurück an die letzten Monate.

Ein-, zweimal war ich mit einem hohen Promillewert heimgefahren, obwohl ich mir vorgenommen hatte, an diesem Abend nur ein Glas zu trinken. Aus einem wurden mehrere, wie schon so oft in meinem Leben. Am nächsten Tag sah ich in der Früh aus dem Fenster und schnaufte durch. Zum Glück stand das Auto da! Alles gut! Ich rief erschrocken meine Freundin Linda an und sie sagte mir eindrücklich:

»Denk an deinen Job! Denk dran, du verlierst ihn ohne deinen Führerschein. Vor allem denk dran, was passieren kann!«

Ja, ich werde das nicht mehr tun, war immer meine Aussage. So sehr ich meine Arbeit liebte, und auch wusste, was passieren konnte, steckte ich zu diesem Zeitpunkt schon viel zu sehr im Sog. Das Gift, der Alkohol hatte mich bereits fest im Griff und nun saß ich da mit der Kündigung, für die ich allein die Schuld zu tragen hatte.

Wäre ich zu dem Gespräch gegangen, hätte man sich vielleicht einigen können, denn als Rettungssanitäterin hätte ich ja weiterhin als Transportführerin im Krankentransport arbeiten können. Das NEF (Notarzteinsatzfahrzeug) den Notarzt was ich so sehr liebte und so gerne machte, konnte ich nicht mehr fahren. Das war die härteste Strafe.

Ich lese es immer und immer wieder durch.

Immer war ich da, zuverlässig und so oft es ging eingesprungen und hatte ausgeholfen.

»Es wird alles gut, wir finden eine Lösung!«

Mir fallen die Worte ein. Das ist die Lösung! Ich kann es nicht glauben, das kann nicht wahr sein!

Auf einmal bist du nichts mehr wert, von heute auf morgen wirst du einfach nicht mehr gebraucht.

Immer hatte ich den naiven Glauben, ich würde geschätzt werden, doch leider ist es nun nicht so.

Im Nachhinein betrachtet, ist es aber so, dass mein Arbeitgeber nur so gehandelt hat, wie es eben im Vertrag steht: Kein Führerschein, keine Arbeit! Ich habe schließlich echt Mist gebaut.

Ich habe immer mein Leben lang gearbeitet, habe noch nie eine Arbeit verloren. Es ist das allerschlimmste Gefühl, plötzlich vor dem Nichts zu stehen. Wie soll ich mein Auto zahlen?? Meine Wohnung? Ich bekomme eine Scheißangst.

Während ich verzweifelt irgendwie versuche, nicht völlig durchzudrehen, rufe ich eine Freundin an.

Sie beruhigt mich, erklärt mir, dass ich Rechte habe, und das nicht hinnehmen soll. Die Worte prallen an mir ab, denn den Kampf aufzunehmen, dafür fehlt mir die Kraft. Was würde es den bringen?

Vor allem möchte ich doch mit niemand streiten. Ich habe immer ein gutes Verhältnis zu meinem Kreisverband gehabt und bin sehr dankbar gewesen, dass sie mir wegen der Ballettschule auch entgegengekommen sind. Dafür war ich ständig da und habe pflichtbewusst meine Arbeit gemacht.

Jetzt mit Anwalt dagegen anzugehen, ist doch scheiße. Ich möchte doch niemand `was Böses. Doch sie redet weiter und macht mir Mut beim Anwalt anzurufen.

»Ich weiß, du willst mit niemand streiten und ja du hast den Fehler gemacht, aber du brauchst doch das Geld. Ohne kannst du doch gar nicht leben.«

Ich lege auf und weine und weine. Warum??? Warum ist das passiert?? Die Arbeit im Rettungsdienst ist nicht immer leicht, aber ich war immer so gern auf dieser Wache. Ich mochte die Kolleginnen und Kollegen. Es war immer ein Geben und Nehmen und jetzt? Ich habe alles verloren, weil ich nicht aufhören konnte, zu trinken. Der Mensch ist ein Meister, wenn es darum geht, sich selbst zu hintergehen. Unfassbar, wie lange manche das können! Wäre ich doch nur früher aufgewacht und hätte hingesehen. Was soll ich nun tun?

Spät am Abend klingelt das Telefon und der Polizeibeamte von der Nacht ist dran:

»Wie geht es Ihnen?« Ich bin verwundert, denn er ist auf einmal sehr freundlich. Erinnerungen an diese Nacht kommen hoch.

Die Diskussion vor dem Haus, als ich verzweifelt zu erklären versucht habe, dass mein Hund weg sei und ich deshalb nicht mitfahren wollte. Da ich zwei Hunde hatte, einer zuhause war und der andere, mein kleiner Welpe, Mogli, verschwunden, was der Beamte nicht wusste, war es etwas eskaliert. Er war sehr ungeduldig geworden und hatte gedacht, ich wäre so betrunken, dass ich nicht einmal mehr meinen Hund erkennen würde. Auf der Wache dann hat er mir die Worte an den Kopf geknallt:

»Und so etwas wie sie fährt Rettungsdienst.« Ich war zu betrunken, denn an das genaue Gespräch kann ich mich nicht mehr erinnern. Nach der Blutentnahme dann aber der große Schreck. Zwei Beamte hinter mir und die Aufforderung: »So jetzt fahren wir.« Ich verstand nicht, wohin? In den Arrest.

Ich bekam Panik und bat darum, bitte nach Hause zu dürfen, was nicht gehört wurde. Nachdem ich dann noch die Handschellen an den Handgelenken hatte, merkte ich, dass ich hier nicht mehr herauskam.

Ich wünsche keinem Menschen dieses Ausgeliefertsein. Für mich war es ein Alptraum, zumal ich durch meine Vorgeschichte sehr geprägt bin. Dies wussten die Beamten nicht, was ich ihnen nun im Nachhinein nicht zum Vorwurf mache, aber es war für mich der blanke Horror. Ich wehrte mich. So steigerte sich meine Panik und Verzweiflung, sodass mir herausrutschte:

»Was seid ihr denn für Arschlöcher? Ich habe doch nichts getan, ihr Penner!«

Keine Frage, das hätte ich nicht sagen dürfen. Ich habe mich auch im Nachhinein mit E-Mail und Brief entschuldigt, mehrfach, denn es tat mir sehr leid.

Aus dem Affekt heraus, habe ich dies gesagt und es sehr bedauert. Die Beamten meinten nur, das würde eine Anzeige wegen Beleidigung mit sich ziehen.

Heute denke ich oft darüber nach, dass auch ich im Rettungsdienst nicht selten mit Beleidigungen zu tun habe, aber ich denke dann immer: Ab einem gewissen Pegel wissen die Menschen nicht mehr, was sie sagen, deshalb lasse ich es gut sein.

Der Beamte am Telefon sagt mir, er habe meinen Brief bekommen und er habe die Anzeige zurückgezogen. Es tue ihm sehr leid, dass es so gelaufen sei. Er habe im Internet ein wenig gesehen, was ich so mache und bis jetzt geschafft habe, was ein völlig anderes Bild ergeben würde und er somit seine Anzeige zurückgezogen hätte.

Seine Kollegen leider nicht, aber er schon. Meine Blutwerte seien da, ob ich diese wissen wolle.

»Ja«, sage ich.

»2,08 Promille Blutwert.« Oh, man, ich bin entsetzt. Er fragt nochmal, was ich jetzt tue. Ich antworte ihm:

»Ich habe keine Ahnung.« Der Gedanke, der mir kommt, ist: Ich werde eh nicht mehr lange hier sein. Mein Messer liegt bereit, ich muss nur einmal tief genug schneiden. Ist doch völlig egal, was nun kommt, es ist eh vorbei. Er ist sehr betroffen, dass ich meinen Job verloren habe. Das tue ihm so leid. Ob er `was für mich tun könne? Ich sage ihm:

»Nein, das ist sehr lieb, aber nein, ich muss jetzt erst `mal schauen. Aber danke.«

Als ich auflege, fließen die Tränen über mein Gesicht. Ich weine und weine. Wie soll es denn jetzt weitergehen?

Ich bin immer noch so erschlagen von allem, dass ich nicht trinken kann. Normalerweise trinke ich immer, gerade wenn es mir schlecht geht. Wenn es mir gut geht auch, aber immer, wenn es mir schlecht geht. Ich bin nun 38 Jahre und seit ich 13 Jahre bin, trinke ich. Ist das nicht erschreckend?

Und auf einmal ist da so etwas wie eine Blockade. Ich würde keinen Schluck `runter kriegen. Der Schock sitzt tief. Ich komm nicht darüber hinweg, was genau passiert ist. In meinem Kopf schreit immer wieder diese Stimme: Ist doch egal. Es ist doch wirklich alles so scheißegal. Aber dann denke ich wieder an die Worte des Beamten, die mir sehr viel bedeuten und mir doch ein wenig Mut machen. Auch die Zurücknahme der Anzeige bedeuten mir bis heute sehr viel. Es hat mich sehr berührt, dass er mich persönlich angerufen hat, und vor allem, dass er mir noch am Ende sagte: »Geben sie nicht auf, sie haben so viel geschafft.«

Mir fällt der Brief ein, den ich ihm geschrieben habe:

08.08.2019

Sehr geehrter Herr Z.,

Ich wollte mich nochmals für das herzliche Telefongespräch bedanken und Ihre wirklich lieben Worte. Dass die Anzeige zurückgezogen wurde, ist sehr schön. Vielen Dank. In dieser Nacht war ich auch nicht der Mensch, der ich sonst bin, gerade deshalb tat es mir auch so leid.

Ich würde niemals jemand beleidigen und ich habe, wie schon geschrieben, großen Respekt vor der Polizei, wie auch allgemein vor jedem Menschen. Die Umstände und meine früheren Erfahrungen haben mich in dieser Nacht so in die Enge getrieben, dass ich nicht mehr wusste, was ich sagte und vieles weiß ich ja bis heute nicht mehr. So einen Filmriss hatte ich noch nie, erschreckend, wenn man nichts mehr weiß.

Ihre lieben Worte haben mir wieder ein wenig Mut gemacht, denn ich bin natürlich sehr traurig über die Umstände, die nun aus der Tat heraus entstanden sind. Das Einzige, was mich immer wieder echt »glücklich« macht, ist, dass keinem `was passiert ist. Ich hätte nie mit der Schuld leben können und so bin ich wirklich sehr dankbar, dass ich keinem geschadet habe, zu guter Letzt auch mir selbst nicht und dass es meinen Hunden gut geht.

Alles, was nun passiert, ist für mich sehr traurig, gerade auch die Kündigung, da ich meine Arbeit als Rettungssanitäterin sehr sehr gerne gemacht habe und auch immer mit bestem Gewissen und Einsatz. Dies ist ein harter Schlag für diesen einen Fehler, der natürlich nicht hätte passieren sollen, so bestraft zu werden. Ihr Angebot, mir da zu helfen bzw. bei meinem Arbeitgeber anzurufen, ist wirklich total lieb. Das ist nicht selbstverständlich und ich weiß das sehr zu schätzen.

Ich überlasse es Ihnen, ob Sie anrufen. Ob es `was bringt, weiß ich leider nicht. Da ich nun die Kündigungsschutzklage eingereicht habe, werden sie dort wohl nicht mehr gut auf mich zu sprechen sein. Dies wollte ich nicht, aber was blieb mir nach der Kündigung übrig?

Mein Anwalt hat gesagt, es hilft mir natürlich etwas, dass Sie die Anzeige zurückgezogen haben. Das ist wirklich toll.

Wenn Sie den Bericht positiv abschließen, also dass ich mich entschuldigt habe, wird der Richter das durchaus als sehr gut ansehen. Vielen Dank dafür! Ich habe bereits den Termin bei dem MPU-Vorbereitungskurs gemacht, demnächst noch zum Verkehrspsychologen usw. Ich werde, wie gesagt, alles dafür tun, um meinen Führerschein wiederzubekommen.

Alles in allem, würde ich, wenn ich könnte, gerne die Zeit zurückdrehen. Aber man muss das Beste aus allem machen und ich bin trotzdem, so schwer nun alles ist, sehr dankbar, keinem geschadet zu haben. Das hätte sehr schlimm ausgehen können, doch zum Glück ging »alles gut«.

Ich bedanke mich sehr für Ihre lieben Worte, vor allem, dass ich jetzt nicht aufgeben soll. Das hat mich sehr berührt und gutgetan. Ich habe schon sehr viel geschafft, jetzt aufzugeben, wäre die falsche Option. Es ist schön, zu wissen, dass Sie nun ein gutes Bild von mir haben und ich bin sehr froh, dass zwischen uns nun alles gut ist.

Herzliche Grüße

Tina Gizella Klewin

»Das ist natürlich alles eine große Katastrophe, aber es ist zum Glück kein Unfall passiert und sie werden das Schaffen, mit der MPU usw. Sie kriegen das hin.« Das sagte der Polizist mehrmals und es zauberte ein Lächeln in mein Gesicht.

Da wusste ich noch nicht, wie viel Kraft, Nerven, aber auch Geld das Ganze mich kosten würde. Das Ausmaß, die nervliche Belastung und das Aufarbeiten meiner Geschichte machten mich völlig fertig. Ich habe mehrmals gedacht, ich schaffe es nicht mehr, aufzustehen.

Auch das Hinsehen, das wirkliche ehrliche Sehen und Erkennen meines Alkoholproblems war ein sehr belastender Prozess, zumal ich zumal ich vor allem eine riesen Angst hatte. Der Gedanke, nie wieder `was zu trinken, war für mich unvorstellbar, doch zu diesem Zeitpunkt war mir dies noch gar nicht klar, denn ich redete mir ja ein, ich hätte das alles im Griff. Überhaupt war mir da noch nicht bewusst, was auf mich zukommen würde.

Herz sucht Mut Seele sucht Halt

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