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2.2 Spezifizität

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Das Konzept der Spezifizität wird zur Unterscheidung verschiedener Verwendungen oder Lesarten der indefiniten NPn verwendet. In der Literatur wird Spezifizität mit verschiedenen Faktoren in Verbindung gesetzt, z.B. Skopus, Sprecherintention, Diskurskohärenz, Partitivität, Präsuppositionalität, dem Kontrast zwischen schwachen und starken Quantoren, Topikalität oder Diskurseigenschaften wie Topikkontinuität und referentielle Persistenz oder noteworthiness (von Heusinger 2011:996). Von Heusinger (2011) unterscheidet z.B. zwischen 7 Subtypen von Spezifizität, während andere Sprachwissenschaftler nur einige davon unter diesem Begriff subsumieren. Es ist außerdem sehr schwierig, alle Verwendungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. In dieser Arbeit konzentriere ich mich auf zwei Grundtypen von Spezifizität, denen in der linguistischen Literatur am meisten Aufmerksamkeit geschenkt wird, nämlich die skopale und die epistemische Spezifizität.1 Im Folgenden werden die zwei Arten von Spezifizität anhand von Beispielen vorgestellt, zum Schluss wird das ihr zugrunde liegende Konzept erläutert.

Skopale Spezifizität geht auf die formale Logik zurück und betrifft indefinite NPn in opaken Kontexten und indefinite NPn im Skopus von Quantoren (Farkas 2006).2 Indefinite NPn können weiten oder engen Skopus gegenüber einem Operator annehmen und dementsprechend eine spezifische oder eine nicht-spezifische Lesart bekommen.


Im Falle einer spezifischen Interpretation hat die NP a Norwegian in 39 einen weiten Skopus bezüglich des intensionalen Verbs want, und zwar wird sie unabhängig vom Skopus des Verbs interpretiert. Mit dieser NP referiert der Sprecher auf eine bestimmte Norwegerin, deren Identität dem Sprecher möglicherweise bekannt ist (39a). Die NP a Norwegian kann aber auch im Skopus von want interpretiert werden, das heißt, dass sie einen engen Skopus hat und nicht-spezifisch ist. Dabei meint der Sprecher kein bestimmtes Individuum, sondern irgendeinen Referenten, der die Eigenschaft besitzt, die durch die NP ausgedrückt wird (39b). Bei 40 kann die NP a foreign language weiten Skopus über den Allquantor every haben, und zwar sprechen alle Studenten in dieser Klasse dieselbe Fremdsprache (40a). Diese NP kann aber auch engen Skopus haben, dann besteht eine Kovariation zwischen den gesprochenen Fremdsprachen und den Studenten in dieser Klasse (40b). Wenn die NP a misprint in 41 einen weiteren Skopus als die Negation hat, referiert sie auf einen bestimmten Druckfehler (41a), anderenfalls referiert sie auf irgendeine Entität, die die Eigenschaft besitzt, einen Druckfehler zu sein (41b).

Die epistemische Spezifizität betrifft indefinite NPn in Kontexten ohne Operatoren jeglicher Art und hängt mit der referentiellen Intention des Sprechers zusammen. Wenn der Sprecher einen bestimmten Referenten im Sinn hat, ist die NP spezifisch; wenn er auf irgendein Objekt referiert, auf das der deskriptive Gehalt der NP zutrifft, ist die NP nicht-spezifisch.


Im 42a hat der Sprecher einen bestimmten Referenten im Sinn und macht eine Behauptung über den Referenten. Dagegen behauptet der Sprecher in der nicht-spezifischen Lesart lediglich, dass die Menge von Studenten, die geschummelt haben, nicht leer ist.

Farkas (2006:634) verweist darauf, dass der Kontrast spezifisch/nicht-spezifisch auch bei definiten NPn zu beobachten ist:


Obwohl definite NPn überwiegend den weitesten Skopus haben und nicht skopus-sensitiv sind, können sie auch im Skopus eines Operators interpretiert werden und eine nicht-spezifische Lesart bekommen, z.B. 43a. Da befindet sich die NP the girl sitting to his right im Skopus des Operators every und kann nur als skopal nicht-spezifisch interpretiert werden, und zwar variiert der Referent der NP abhängig von dem jeweiligen Studenten. In 43b referiert der Sprecher mit der Subjekt-NP auf keine bestimmte Person, sondern auf irgendeine Person, die die Bedingung „als Letzte den Raum verlassen“ erfüllt. Deswegen ist die NP the last person epistemisch nicht-spezifisch.

Über das Konzept, das allen Subtypen von Spezifizität zugrunde liegt, besteht keine Einigkeit. Yeom (1998) betrachtet zum Beispiel den kognitiven Kontakt mit dem Referenten als Grundbedeutung von Spezifizität. Nach ihm (1998:64ff.) hat der Sprecher ein bestimmtes Individuum im Sinn, wenn er einen kognitiven Kontakt mit ihm hat. Damit wird gemeint, dass der Sprecher persönlich das Individuum kennt (im engeren Sinne) oder dass er weiß, wer es ist (im weiteren Sinne). Der Sprecher muss das Individuum nicht mit Namen identifizieren, sondern nur durch bestimmte Eigenschaften von anderen Individuen unterscheiden. Yeom macht darauf aufmerksam, dass eine spezifische Lesart möglich ist, auch wenn der Sprecher keinen direkten kognitiven Kontakt mit dem Referenten hat:


In diesem Satz hat John mit einer Frau einen kognitiven Kontakt, während der Sprecher nur weiß, dass das Individuum die Eigenschaft hat, eine Frau zu sein und dass John diese Frau gesehen hat. Das heißt, dass es für eine spezifische Interpretation hinreichend ist, wenn der Sprecher in direkter oder indirekter Kommunikation mit jemandem steht, der einen kognitiven Kontakt mit dem Referenten hat. Dagegen plädiert von Heusinger (2011) für den Begriff „referentielle Verankerung“ (engl. referential anchoring), und zwar ist eine spezifische indefinite NP in einem salienten Diskursteilnehmer oder in einem anderen Diskursreferenten referentiell verankert. Nicht nur der Sprecher, sondern auch ein anderer Agent im Kontext kann für die Referenz verantwortlich sein. Nach Farkas (2006) können unterschiedliche Typen von Spezifizität unter dem Begriff „referentielle Stabilität“ (engl. referential stability) subsumiert werden. Das heißt, dass die Referenz einer spezifischen NP festgelegt ist und durch den sprachlichen Kontext nicht verändert werden kann, während die Referenz einer nicht-spezifischen NP abhängig von der sprachlichen Umgebung ist. Außerdem ist zu bemerken, dass Spezifizität und Definitheit von Farkas als zwei voneinander unabhängige Kategorien betrachtet werden. Diese Ansicht wird auch in der vorliegenden Arbeit geteilt.

In manchen Sprachen ist Spezifizität eine grammatische Kategorie, die mit bestimmten Ausdrucksformen gekoppelt ist. Zum Beispiel hat das Marokkanisch-Arabische zwei indefinite Artikel: den spezifischen Indefinitartikel wahed-l und den nicht-spezifischen shi. Im Türkischen werden direkte Objekte, die definit oder indefinit spezifisch sind, mit Akkusativ markiert. (von Heusinger 2011:6f.) Dagegen ist Spezifizität im Deutschen und Chinesischen nicht durch morphologische Mittel kodiert und diese Opposition ist eher ein semantisch-pragmatisches Phänomen, das in der Textanalyse schwer operationalisierbar ist. Trotzdem gibt es sprachliche Indikatoren, die auf eine bestimmte Lesart hindeuten, z.B. der deskriptive Gehalt der NP, Erweiterung durch Relativsätze, Topikalisierung und Linksversetzung, There-Konstruktion, bestimmte Determinative oder Adjektive, Numerale usw. (Fodor & Sag 1982, Haspelmath 1997, Stark 2006, von Heusinger 2011). Zur Verdeutlichung der Lesart werden am häufigsten Determinative oder Adjektive hinzugefügt, zum Beispiel bevorzugen die Adjektive certain und particular im Englischen die spezifische Lesart:


Aber es ist anzumerken, dass a certain nicht immer eine spezifische Lesart impliziert:


In 46 hat z.B. die NP a certain woman einen engen Skopus und muss als nicht-spezifisch interpretiert werden. In diesem Fall verehren alle Engländer verschiedene Frauen. Im Deutschen kann die spezifische Lesart durch Ausdrücke wie ein bestimmter näher spezifiziert werden, die nicht-spezifische dagegen durch irgendein oder ein beliebiger (von Heusinger 2002). Im Chinesischen kann die nicht-spezifische Lesart durch das Hinzufügen von suibian/renyi ‚irgend, beliebig‘ verdeutlicht werden.3 Eine weitere Eigenschaft von nicht-spezifischen NPn, die in der Literatur vielfach beschrieben ist, besteht darin, dass sie nicht mit einem anaphorischen Pronomen wieder aufgenommen werden können, außer wenn das Pronomen in einem modalen Kontext steht (Karttunen 1976:374, von Heusinger 1997:127):


Durch diese Eigenschaft unterscheiden sich die nicht-spezifischen NPn von den nicht-referentiellen, die in allen Kontexten für einen anaphorischen Anschluss nicht zugänglich sind.

Definitheit im Deutschen und im Chinesischen

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