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Teil 1 Einleitung

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„Ein gebranntes Kind scheut das Feuer“, so könnte man denken, wenn man sich den zu Anfang dieser Arbeit zitierten Hinweis der Siemens AG auf Einladungen an Personen mit amtlichen Aufgaben ansieht.[1] Der Spiegel, der im Jahre 2008 im Anschluss an die sogenannte „Siemens-Korruptionsaffäre“[2] einen ähnlichen Auszug aus einer solchen Einladung in einem Artikel zitierte, sah hierin „Worte der Peinlichkeit“ eines Unternehmens, das hiermit nur die Empfänger der Einladung darauf aufmerksam machen wolle, dass es sich bei dem Unternehmen um ein bisher korruptes handele und der Kontakt mit diesem auch künftig zur Straffälligkeit führen könne.[3]

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Sind dies aber wirklich „Worte der Peinlichkeit“? Worte der Unsicherheit, so sollte man eher die Formulierung auf den Einladungen der Siemens AG verstehen. „Wir weisen deshalb ausdrücklich darauf hin, dass die Siemens AG diese Einladung nicht mit der Zielrichtung ausgesprochen hat, Ihre geschäftlichen oder dienstlichen Handlungen zu beeinflussen“; in diesen Worten steckt die Furcht, dass allein durch die Einladung eines Amtsträgers zu einer Veranstaltung der Anschein hervorgerufen werden könnte, der Amtsträger solle in irgendeiner Weise in seiner Dienstausübung beeinflusst werden. Es kommt nicht einmal darauf an, dass der Amtsträger dazu gebracht wird, tatsächlich zugunsten des Unternehmens zu handeln und dabei womöglich noch seine Pflichten zu verletzen. Nein, allein der Verdacht der Beeinflussung soll mit allen Mitteln bereits unterdrückt und verhindert werden.

Wie ist es möglich, dass ein Unternehmen, das im Geschäftsjahr 2011 einen Umsatz von 73,515 Mill. € zu verbuchen hatte,[4] dazu gebracht wurde, solche Hinweise auf Einladungen zu schreiben und – ähnlich wie bei einer Klassenfahrt in der Unterstufe – die Einholung der Erlaubnis des Vorgesetzten einzufordern, damit der eingeladene Amtsträger tatsächlich auch kommen darf?

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Diese Frage führt unmittelbar zum Thema der vorliegenden Arbeit „Die straflose Vorteilsannahme“. Der Tatbestand der Vorteilsannahme (§ 331 StGB) ist es, der dies möglich macht. Und das, obwohl die Zahl der jährlich ermittelten Fälle dieses Tatbestandes eher bescheiden ausfällt und keine so umfangreiche Auswirkung auf das gesellschaft- und wirtschaftliche Leben vermuten lässt. Nach der vom Bundeskriminalamt (BKA) herausgegebenen Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wurden im Jahr 2010 420 Fälle der Vorteilsannahme erfasst, die Aufklärungsquote lag bei 87,9 %.[5] In dem ebenfalls vom BKA erstellten Bundeslagebild Korruption wurden im Jahr 2010 insgesamt 585 Fälle der Vorteilsannahme polizeilich festgestellt (im Jahr 2009 waren es 1.376 Fälle).[6]

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Im Vergleich zu anderen Straftatbeständen sind dies doch sehr überschaubare Zahlen.[7] Dabei ist zu beachten, dass der Tatbestand der Vorteilsannahme dem Korruptionsstrafrecht zuzuordnen ist, bei dem ein hohes Dunkelfeld vermutet wird.[8] Der Grund liegt primär darin, dass es sich bei Korruptionsdelikten um heimliche Delikte handelt, bei denen es kein klassisches Opfer wie bei einem Diebstahls- oder einem Körperverletzungsdelikt gibt, das die Straftat von sich aus bei der Polizei meldet; die Strafverfolgungsbehörden sind vielmehr auf Hinweisgeber angewiesen,[9] um von solchen Straftaten überhaupt Kenntnis zu erlangen und um sie dann aufklären zu können.[10] Man kann also davon ausgehen, dass die tatsächliche Zahl von Handlungsweisen, die unter den Tatbestand der Vorteilsannahme subsumiert werden könnten, deutlich höher liegt, als dies die Statistiken ausweisen.

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Dabei löst der Tatbestand der Vorteilsannahme bei Amtsträgern als Empfänger des Vorteils wie auch bei vielen Personen, die als Geber des Vorteils unter die entsprechende Regelung der Vorteilsgewährung (§ 333 StGB) fallen können, große Unsicherheit darüber aus, was rechtlich erlaubt ist und bei welchen Handlungen sie mit Ermittlungen von Seiten der Staatsanwaltschaft rechnen müssen. Die Frage, die hierbei gestellt wird, ist: Wann ist die Vorteilsannahme straflos? Wo liegt die Grenze zwischen strafloser und strafbarer Vorteilsannahme?

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Diese Arbeit hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, zunächst diese Unsicherheit, die der Tatbestand der Vorteilsannahme auszulösen vermag, näher zu betrachten und die Ursachen hierfür zu beschreiben. Dieser Teil der Arbeit umfasst daher die Bestandsaufnahme des Tatbestandes der Vorteilsannahme de lege lata (Teil 2, Rn. 7 ff.). Danach wird dargelegt, wie momentan in Rechtsprechung und Literatur versucht wird, dem Tatbestand im Hinblick auf den ultima-ratio-Grundsatz strafrechtliche Kontur zu verleihen (Teil 3, Rn. 106 ff.) und wie sich der Tatbestand gegenüber einem fundamentalen Grundsatz des Strafrechts, dem Bestimmtheitsgebot, verhält (Teil 4, Rn. 166 ff.). Anschließend wird ein Abschnitt über die strafrechtliche Handhabung der Vorteilsannahme in den Ländern Österreich und Schweiz in die Arbeit aufgenommen (Teil 5, Rn. 219 ff.). Dieser strafrechtsvergleichende Teil wird sehr hilfreich bei der Entwicklung von Lösungsansätzen zur Neuregelung der Vorteilsannahme in Deutschland sein.

Ziel dieser Arbeit ist es, die beschriebenen Unsicherheiten aus dem Tatbestand so gut es geht zu tilgen, damit die Frage „Wann ist eine Vorteilsannahme straflos“ zukünftig so sicher wie möglich beantwortet werden kann. Dies soll dadurch geschehen, dass am Ende der Arbeit ein eigener Formulierungsvorschlag für eine mögliche Neuregelung des § 331 StGB entwickelt wird (Teil 6, Rn. 367 ff.). Auch für die Vorteilsgewährung soll ein entsprechender Tatbestandsentwurf entwickelt werden. Da in dieser Arbeit jedoch die Vorteilsannahme im Zentrum der Untersuchung steht, wird auf die Vorteilsgewährung immer nur dann eingegangen, wenn und soweit dies für das Gesamtverständnis für erforderlich angesehen wurde; viele Überlegungen zur Vorteilsannahme lassen sich im Übrigen ohne Weiteres auf die Vorteilsgewährung übertragen.

Da sich in den Tatbestandsentwürfen die Überlegungen der gesamten Arbeit bündeln und ihren Abschluss finden, wurde auf ein Schlusswort verzichtet.

Die straflose Vorteilsnahme

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