Читать книгу Die Chronik des Dunklen Reiches -Band 1- - Tom Bleiring - Страница 10

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Der Gang war schmal, Wasser tropfte von der Decke herab und bildete dort kleine Pfützen und Rinnsale. Ein dumpfes Dröhnen drang aus der Tiefe des Berges herauf.

Die Luft schmeckte abgestanden, roch muffig und verbraucht.

Eine kleine Gestalt bewegte sich durch den Stollen, tastete sich im matten Licht einer einzelnen Kerze vorwärts, langsam und vorsichtig.

Es war ein Zwerg, und sein Name lautete Grolim.

Er war auf dem Weg zur Oberfläche, denn sein Stamm hatte ihn verbannt.

Grolim hielt inne, um zu verschnaufen und ließ sich auf einem trockenen Vorsprung nieder.

Betrübt dreinschauend beobachtete er die Kerzenflamme und seufzte.

Wie war er nur in diesen Schlamassel hineingeraten?

Vor wenigen Tagen noch war er noch Teil eines Stammes von Zwergen gewesen, der tief unter dem Berg in ihren gewaltigen Felsenhallen lebte, und dies schon seit undenklichen Zeiten.

Er war der Sohn eines Bergmannes, der wiederum Sohn eines Bergmannes gewesen war.

Diese Arbeit, diese Aufgabe wurde seit etlichen Generationen in Grolim’s Familie weiter vererbt.

Und Grolim hatte schon früh ein Gespür für diese Arbeit bewiesen.

Er konnte gutes von minderwertigem Erz unterscheiden, allein durch den Geruch.

Seine Schmiedearbeiten waren stets von herausragender Qualität und fanden unter seinesgleichen reißenden Absatz.

Und er befolgte die Traditionen und Gesetze buchstabengetreu, ließ sich nie eine Verfehlung zuschulden kommen und wurde, trotz seiner Jugend, schon als Dragduk gehandelt.

Die Dragduk waren die Rechtsbewahrer unter den Zwergen und genossen neben den Stammesführern den größten Respekt.

Doch dann geschah vor zwei Tagen das Unglück, welches das Leben Grolim’s für immer verändern sollte.

Tief unten im Berg war eine Gruppe von Pionieren auf eine vielversprechende Kupfererzader gestoßen, doch sie durften erst mit dem Abbau beginnen, wenn ein Erzmeister die Qualität des Rohstoffs geprüft und für abbauwürdig befunden hatte.

Grolim war ein Erzmeister, also rief man ihn hinab.

Und tatsächlich stellte er fest, dass das Erz von ungewöhnlich hoher Reinheit war und somit gefördert werden konnte.

Doch kaum hatte sich der erste Trupp Zwerge an die Arbeit gemacht, da erschütterte eine Explosion den Stollen und brachte ihn fast gänzlich zum Einsturz.

Im Nachhinein schämte sich der junge Zwerg dafür, dass er nicht daran gedacht hatte, das Gestein nach Einschlüssen von Grubengas zu überprüfen. Dieses trat gerade dort häufig auf, wo sich besonders reines Erz fand, doch Grolim hatte sich zu sehr darüber gefreut, auf solch eine ergiebige und hochwertige Erzader gestoßen zu sein, die ihm und seiner Familie für lange Zeit Wohlstand in Aussicht stellte.

Grolim und viele andere Zwerge wurden unter Tonnen von Gestein begraben, und noch immer konnte sich der junge Zwerg daran erinnern, wie ein gewaltiger Felsbrocken auf ihn gestürzt war und getötet hatte.

An diesem Punkt kam Grolim mit seinen Überlegungen ins Wanken.

Natürlich hätte der Fels ihn erschlagen müssen, und er dachte mit Grausen daran, wie diese Tonnen aus Stein das Leben aus ihm gequetscht hatten.

Hier aber wurde es schwierig, denn Grolim war ins Leben zurückgekehrt, obwohl sein Leib zerschmettert worden war.

Sein eigener Vater hatte seinen leblosen Körper ausgegraben und ihn in der Totenhalle aufgebahrt, in jener kalten und düsteren Kaverne, wo man alle verstorbenen Zwerge für die Totenwache niederlegte, ehe sie eingeäschert wurden.

Und dort war Grolim erwacht, hatte den Staub aus seinen Lungen gehustet und seinen entsetzten Vater gefragt, wo er sei und was geschehen wäre.

Dieser war geflohen, kehrte aber bald darauf mit dem obersten Dragduk zurück, einem finster dreinblickenden Zwerg, der ihn genau unter die Lupe nahm und als Erster die seltsamen Linien entdeckte, die sich in die Haut auf Grolim’s Unterarmen abzeichneten.

Daraufhin erklärte er, dass es sich bei dem jungen Zwerg nicht länger um den Grolim handelte, den sie alle kannten, sondern um einen Wiedergänger.

Ein bösartiger Grubengeist hätte von seinem Körper Besitz ergriffen, und es gäbe nur eine Lösung, nämlich die Verbannung.

Grolim’s Beteuerungen, er wäre kein Untoter und wüsste gar nicht, was mit ihm geschehen sei, nützten nichts.

Man reichte ihm die brennende Kerze, seine Handaxt und führte ihn in die oberen Bereiche der Mine, wo man ihm das Haupt und das Kinn kahl schor und dann allein ließ.

Der Verlust seiner Haare war noch erträglich für Grolim, doch dass man ihm auch den Bart nahm, verletzte den jungen Zwerg zutiefst.

In seinem Stamm war es üblich, je nach Rang und Status, kleine Zöpfe in diesen zu flechten.

Je mehr man davon am Kinn trug, desto größer war das Ansehen innerhalb der Gemeinschaft für den entsprechenden Zwerg. Das Abschneiden des Bartes und aller Zöpfe darin war die größte Demütigung, die ein Zwerg erdulden musste. Es war, als raube man ihm seine Identität und kam einem völligen Gesichtsverlust gleich.

Grolim, nun allein, ein Ausgestoßener, verlor jeden Lebenswillen und irrte einen ganzen Tag durch die Gänge und Stollen in jenem abgelegenen Bereich des Bergwerks.

Er verlor jedwedes Zeitgefühl, jedwede Orientierung und spürte nicht einmal den brennenden Hunger und Durst, der ihn bald überkam.

Dies alles wurde ersetzt durch ein neues Gefühl der Sehnsucht, welches ihn nun antrieb.

Es verlangte ihn danach, die Stollen zu verlassen und sich Gefährten zu suchen.

Er verschwendete keinen Gedanken mehr an seine Familie, seine einstigen Freunde oder an sein früheres Tun. Beherrscht von dem Wunsch, die Stollen zu verlassen und an die Oberfläche zu gehen, gewann er schnell seinen Orientierungssinn wieder und suchte nach Gängen, die ihn nach oben führen würden.

Er hatte nie die Oberfläche gesehen und kannte die Sonne, die Bäume und das Gras nur aus den Geschichten des Hamahduk, der eine Art Barde war und die Geschichte der Zwerge bewahrte.

Zu feierlichen Anlässen trug er bestimmte Erzählungen vor den versammelten Zwergen vor, nicht nur, um diese zu unterhalten, sondern auch, um alle Zwerge daran zu erinnern, warum sie hier unten lebten.

Es gab auch noch andere Märchen, Sagen und Legenden, die sich um die Dinge drehten, die auf der Oberfläche geschahen, doch sie waren nicht Teil der offiziellen Geschichtsschreibung.

In diesen ging es darum, wie ahnungslose Zwerge, die ihre Heimat verließen, um an die Oberfläche zu gehen, ein meist schreckliches Ende fanden.

Es waren Schauermärchen, die man kleinen Zwergenkindern erzählte, wenn diese abends nicht schlafen wollten.

Grolim war mit seinen einhundertsechsundreißig Jahren noch recht jung, doch in den Maßstäben der Zwerge gemessen war er ein Jugendlicher.

Er erinnerte sich noch gut an all die Geschichten aus seiner Kindheit und wusste selbst nicht, ob er sie nun für wahr halten sollte oder ob sie nur erfunden waren.

Konnte das Licht der Sonne einen Zwerg in den Wahnsinn treiben, ihn auf der Stelle verbrennen?

Und waren jene Tiere, die man Vögel nannte, wirklich blutgierige Geschöpfe, die nur darauf warteten, ahnungslose Zwerge zu überfallen?

Nach weiteren zwei Stunden Wanderschaft durch düstere Felsstollen spürte Grolim eine sanfte Bewegung der Luft und roch etwas, was er noch nie zuvor gerochen hatte.

Er schnupperte und hielt die Nase in den Luftzug, in den er geraten war.

Ja, da war etwas, ein herber und zugleich süßer Duft, den er nicht identifizieren konnte.

Er beschleunigte seinen Schritt, folgte dem Geruch und konzentrierte sich so sehr darauf, dass er gar nicht bemerkte, wie die Kerze erlosch.

Getrieben von diesem neuartigen Geruch tastete er sich durch die Dunkelheit, bis er schließlich am Ende eines Tunnels einen matten Schimmer wahrnahm.

Dort schien ein Spalt im Gestein zu sein, durch den Luft von außen in den Stollen eindrang.

Und mit ihr gelangte auch dieser herrliche Duft in seine Nase.

Er erreichte das Ende des Stollens und musste feststellen, dass der Riss im Fels gerade einmal breit war, dass er einen Finger hätte hinein stecken können.

Er griff nach seiner Handaxt, dem Universalwerkzeug aller Zwerge und prüfte automatisch die Schärfe der Klinge auf der einen Seite, aber auch den nagelähnlichen Dorn auf der anderen.

Diesen setzte er kurz auf das Gestein, holte dann aus und schlug zu.

Steinsplitter flogen ihm ins Gesicht, aber der Riss war nun breiter.

Grolim holte ein weiteres Mal aus und ließ die Axt, die auch zugleich Spitzhacke war, wieder auf den Fels hinabsausen.

Es krachte laut, ein leichtes Beben erschütterte die Felswand, dann stürzte sie mit lautem Getöse zusammen.

Augenblicklich flutete helles Tageslicht in den Stollen und blendete den jungen Zwerg, so dass er sie Hand vor die Augen heben musste, um seine Augen zu schützen.

Eine Windböe fegte ihm entgegen und vertrieb den Staub, der ihn wie Nebel eingehüllt hatte.

Grolim spreizte die Finger, um seinen Augen Gelegenheit zu geben, sich langsam an das Sonnenlicht zu gewöhnen.

Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er die wärmenden Strahlen der Sonne auf seiner Haut, fühlte den Wind und roch das Gras, den Duft der Blumen und Kiefern, welche in der Nähe standen.

Für Grolim war es eine Offenbarung, eine Art Neugeburt, denn in der Tiefe des Berges kannte man weder das eine noch das andere.

Vor ihm breitete sich eine grüne Ebene aus, auf der eine Vielzahl bunter Blumen blühten und deren Duft in seine Nase drang.

Er hörte zum ersten Mal Vogelgezwitscher, sah diese ihre Bahnen unter dem blauen Himmel ziehen und hielt es plötzlich für unmöglich, dass solche kleinen Tiere wirklich blutgierige Raubtiere sein sollten.

Der Ausgang des Tunnels lag auf einer felsigen Anhöhe, einem Hügel, der sich über der Grassteppe erhob und einen guten Blick über das Umland ermöglichte.

Südlich von ihm konnte er einen dunkelgrünen Schimmer am Horizont erkennen, vermutlich einen Wald. In alle anderen Richtungen breitete sich die grüne Grasebene aus, die nur von einer breiten Steinstraße durchschnitten wurde.

Wenn er diesen folgen würde, dachte Grolim bei sich, würde er sicher bald eine Menschensiedlung finden. Menschen galten als falsch, verschlagen und blutrünstig unter den Zwergen, doch Grolim wusste, dass er größere Chancen hatte, seine Gefährten zu finden, wenn er sich in eine Stadt begeben würde.

Er steckte seine Handaxt zurück in seinen Gürtel und machte sich auf den Weg.

Die Chronik des Dunklen Reiches -Band 1-

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