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Sonntag 15:28 Uhr

„Mensch Opa, dein Apfelkuchen ist Weltklasse“, schmatzte Tim und nahm noch einen großen Löffel Schlagsahne. „Toll“, nuschelte Alex mit vollem Mund, „dass Sie für unseren Sieg extra einen Kuchen gebacken haben.“ Tims Großvater schmunzelte. „Na, so ganz stimmt das ja nicht. Ich hatte gestern Besuch und dafür hatte ich den Kuchen gebacken. Jetzt im Herbst weiß ich ja gar nicht, wohin mit den vielen Äpfeln. Leider hat Herr Dr. Eyken nur ein Stück gegessen.“

Alex ließ vor Schreck die Kuchengabel fallen. „Dr. Eyken?“, stammelte er ungläubig. „Mensch Alex, der freundliche Mann, der uns gestern nach Hause gefahren hat. Du hast vielleicht ein Gedächtnis“ sagte Tim vorwurfsvoll. Alex war noch gar nicht dazu gekommen, Tim von der teuren Armbanduhr zu erzählen. „Ja, ja, schon klar. Was wollte der denn?“, fragte er betont beiläufig, als er unter dem Küchentisch seine Gabel suchte. „Dr. Eyken sucht Nachkommen von ehemaligen Arbeitern und Angestellten der Ziegelei. Er schreibt wohl irgendeine wissenschaftliche Arbeit darüber. Er fragte, ob ich noch Aufzeichnungen von meinem Vater, also deinem Uropa habe“, lautete die Antwort oberhalb des Tisches. „Und, haben Sie?“, kam prompt die nächste Frage unterm Küchentisch hervor. Alex fiel es zunehmend schwerer, möglichst unauffällig zu fragen. Tims Opa beugte sich unter den Tisch und nahm die Tischdecke zur Seite, um Alex sehen zu können. „Jo, habe ich.“ war seine kurze Antwort.

Alex knallte wuchtig an die Tischkante, als er den Kopf hochriss. Super, dachte er, nach drei verstauchten Zehen und einer Schulterzerrung kommt jetzt auch noch eine Gehirnerschütterung dazu. „Alles klar?“, fragte Tim besorgt, als Alex mühsam wieder zum Vorschein kam und sich den Kopf hielt, um die Größe der sich ankündigenden Beule abzuschätzen. „Junge, Junge. Ihr seid ja genauso neugierig wie der Doktor. Irgendwo im Stall muss noch ein alter Lederkoffer stehen. Dr. Eyken wollte morgen früh vorbeikommen, um zu sehen, ob er für ihn brauchbare Unterlagen enthält.“ Alex und Tim sahen sich stumm an.

Nachdem die drei noch über das Wasserballspiel am Vormittag diskutiert hatten, drängte Alex zum Aufbruch und zog Tim förmlich vom Sofa. „So, wir müssen jetzt weiter. Wir haben in 20 Minuten eine Mannschaftsbesprechung. Vielen Dank für den leckeren Kuchen.“ Tim sah seinen Freund irritiert an. Falke hatte heute morgen nichts von einer Mannschaftsbesprechung gesagt. Doch bevor er fragen konnte, war Alex schon mit ihm draußen.

Vor der Haustür riss Alex Tim zur Seite, damit sie nicht vom Küchenfenster aus gesehen werden konnten. Bevor Tim fragen konnte, was denn los sei, zog Alex sein Handy aus der Jacke. „Warte, ich erzähl dir gleich alles!“, sagte er und tippte eine Nummer ein. Während er auf die Verbindung wartete, sah er Tim verschwörerisch an.

„ - - - Äh. Hallo. Ich hätte gerne die Nummer der Universität in Oldenburg. - - - Ja. - - - Das Institut für Geschichte bitte. - - - Gerne - - - Danke. - - - Hallo. Ich hätte gerne Herrn Dr. Eyken gesprochen. - - - Ja, ich weiß, dass Sonntag ist. - - - Ja, ich warte. Danke. - - - Schönen guten Tag, Herr Professor Hagen, tut mir leid, Sie am Wochenende bei der Arbeit zu stören. Ich hätte gerne Herrn Dr. Eyken gesprochen. - - - Ja - - - Ja. - - - Oh, das wusste ich nicht. - - - Das tut mir leid. - - - Nein, nicht so wichtig - - - Danke! Auf Wiederhören!“

„Das ist echt der Hammer“, stammelte Alex, nachdem er das Gespräch beendet hatte. „Was denn? Mensch, nun mach es nicht so spannend.“ Tim hüpfte vor Ungeduld von einem Bein zum anderen. „Stell dir vor. Dr. Eyken ist letztes Jahr im September auf einer Studienreise in Florenz an einem Herzinfarkt gestorben.“ Tim sah ihn entgeistert an. „Wie, gestorben? Letztes Jahr? Und gestern...? “ „...hat uns jemand komplett verarscht“, beendete Alex den Satz.

Alex berichtete von der teuren Armbanduhr und dem Gespräch mit seinem Vater. „Wir müssen unbedingt den Koffer von deinem Uropa finden, bevor der falsche Doktor wiederkommt“, sagte er dann. Tim sah in empört an. „Frechheit, meinen Opa so zu verarschen. Warum gibt der Mann nicht seine richtige Identität an?“, fragte er etwas ratlos. „Na, liegt das nicht auf der Hand? Der hat irgend etwas zu verbergen. Ich nehme an, weil er vermutet, dass der Goldschatz von Deependaal noch irgendwo in der Ziegelei verborgen ist“, antwortete Alex. Tim pfiff durch die Zähne. „Okay, dann müssen wir den geheimnisvollen Koffer nur vor diesem Betrüger finden. Komm, lass uns mal in der Scheune nachsehen. Einen großen Lederkoffer sollten wir eigentlich finden“, sagte Tim nach einer kurzen Überlegung. Die Beiden schlichen vorsichtig zur grünen Holztür des ehemaligen Stalls. Sie hatten oft in der Scheune gespielt, als sie noch jünger waren. Die ehemaligen Boxen der Kühe waren immer noch voll gestellt mit allerhand Gerätschaften, Gartenmöbeln und alten Fahrrädern. Hier hat sich in den letzten Jahren nichts verändert, dachte Alex, als er sich im Halbdunkeln umsah.

„Wir sollten zuerst oben suchen. Wenn mein Opa nicht genau weiß, wo sich der Koffer befindet, liegt er sicher irgendwo oben herum. Da kommt er nur selten hin. Ich besorge uns nur noch schnell eine Taschenlampe“, flüsterte Tim und suchte in einer alten, mit Farbflecken überzogenen Kommode. Nach einem kurzen Funktionstest stieg er mit der Taschenlampe im Mund die alte Holzleiter am Ende des Stalls hoch. Jeder Tritt wurde dabei von einem lauten Knarzen begleitet. Ab und zu blieb Tim stehen, um sich fluchend die Spinnweben aus dem Gesicht zu wischen. Alex blickte nach oben und wartete, bis sein Freund angekommen war. Zwei Leute auf einmal traute er der altersschwachen Leiter nicht zu. Ein lautes Husten und eine große Staubwolke, die Tim aufgewirbelt hatte, waren für Alex das Zeichen nachzukommen. Mutig stieg er nach oben. Das er Höhenangst hatte, wussten nur er und seine Eltern. Und so sollte es auch bleiben.

Oben angekommen befanden sich die beiden Freunde in circa vier Meter Höhe über dem Stallboden. Alex lief ein Schauer über den Rücken, aber er ließ sich nichts anmerken. Beide bewegten sich vorsichtig nach vorne, bis sie sich oberhalb des Wohntraktes befanden, der direkt an den Stall grenzte und vom gleichen Dach bedeckt wurde. Gulfhof wurde diese Art von Bauernhäusern genannt, erinnerte Alex sich an den Sachkundeunterricht aus der Grundschulzeit. Es drang nur wenig Tageslicht in den alten Speicherraum. Sie fanden mehrere Kartons mit alten Schulbüchern, ein Paar Armeestiefel, ein Schaukelpferd aus Holz, mehrere Stühle, eine Stehlampe und weitere Dinge, die sie nicht weiter interessierten. „Was ist das da hinten, das große Ding?“ Tim leuchtete mit der Taschenlampe in eine dunkle Ecke. Die Freunde sahen sich kurz an und bewegten sich vorsichtig durch das herumstehende Gerümpel, um Tims Großvater nicht durch unnötigen Lärm auf sie aufmerksam zu machen. Sie erreichten eine, von einer dicken Staubschicht bedeckte, große braune Kiste. Sie sah aus, als wäre sie aus Leder und war mit einem altmodischen Schloss verriegelt.

„Warte, das kriege ich schon auf“, sagte Tim großspurig und drückte Alex die Taschenlampe in die Hand. Umständlich holte er sein Schweizer Offiziersmesser aus der Tasche und versuchte das Schloss zu knacken. „Du hast zu viele James Bond Filme gesehen“ lästerte Alex, als Tim das Schloss nach einigen Minuten immer noch nicht geöffnet hatte. Ein leises Klicken und der triumphierende Blick seines besten Freundes ließen ihn aber schnell verstummen. Vorsichtig öffnete Tim die Kiste. Mit einem lauten Quietschen gaben die eingerosteten Scharniere nach. Atemlos leuchtete Alex in die dunkle Kiste. Dort lag etwas rundes, flaches Schwarzes, eingebettet auf cremefarbenen Stoff. „Was ist denn das?“, fragte Tim und nahm die merkwürdige Scheibe heraus. Er drehte sie vorsichtig herum. Auf der anderen Seite war die Scheibe nur am Rand schwarz und in der Mitte weiß. In der Mitte der weißen Fläche war ein Viereck aufgenäht. Tim nahm Alex die Lampe ab und leuchtete genau auf die Stelle, um die kleinen Buchstaben zu entziffern. Dann musste er laut lachen. Er gab Alex mit einem vielsagenden Grinsen die Taschenlampe zurück und schlug die schwarze Scheibe kräftig auf seinen linken Unterarm. Mit einem satten Plopp veränderte die Scheibe schlagartig ihre Form: Tim hatte einen Zylinder in der Hand. „Wir haben die Hochzeitskiste gefunden“, lachte er und setzte den Zylinder auf. Alex musste ebenfalls lachen und nahm den hellen Stoff aus der Kiste, der sich als altes Brautkleid herausstellte.

Das laute Zuschlagen der Stalltür ließ die Jungen schlagartig verstummen. Zwei bekannte Stimmen näherten sich langsam. „Können wir nicht morgen nachsehen, Herr Doktor?“ Es war die Stimme von Tims Großvater. „Tut mir leid. Ich muss morgen zu einem Kongress nach London, einen erkrankten Kollegen vertreten. Mir wäre sehr daran gelegen, die Dokumente heute noch einzusehen.“ Die Stimme des falschen Dr. Eyken klang kühl und ließ keinen Widerspruch zu. „Wo verwahren Sie denn ihre persönlichen Dinge?“ Alex und Tim konnten keine Antwort hören, aber als sie das Knarren der alten Leiter hörten, wussten sie, dass die Männer auf dem Weg nach oben waren. „Scheiße. Los, hier lang“, zischte Tim seinem Freund zu und zog ihn weiter ins Dunkel des Speichers. Ohne das Licht der Taschenlampe zogen sie sich zurück. Von dort beobachteten sie, wie die Männer verschiedene Gegenstände begutachteten.

Dr. Eyken wirkte unzufrieden: „Sie haben doch gesagt, dass sich der Koffer ihres Vaters hier auf dem Speicher befindet.“ Tims Opa blieb auffallend freundlich. Der vermeintliche Doktortitel seines Gegenübers flößte ihm anscheinend Respekt ein. „Ich hab' das alte Ding seit Jahren nicht gesehen, Herr Doktor. Aber irgendwo wird er schon stehen.“ Die Männer gingen weiter in den Speicher hinein. Dr. Eyken hatte eine große amerikanische Taschenlampe in der Hand, die den Jungen schon bei der alten Ziegelei aufgefallen war. Auf allen Vieren krochen die Freunde weiter, um nicht entdeckt zu werden. Sie hatten das Ende des Dachbodens fast erreicht. „Komm, wir haben noch eine letzte Chance“, flüsterte Tim und wies auf den Schornstein.

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