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Sonntag 9:58 Uhr

Zum Glück war Alex' Fuß nicht gebrochen. Die gestrige Untersuchung bei seinem Hausarzt Dr. Behrends hatte ergeben, dass Alex sich nur drei Zehen verstaucht hatte. Nun saß er völlig frustriert am Beckenrand und durfte verfolgen, wie seine Mannschaft gegen die Bremer nach drei Vierteln mit 7:9 zurücklag. Falke wollte Alex partout nicht spielen lassen, nachdem er seinen Fuß gesehen hatte. Alle guten Worte, ihm ginge es doch gut, brachten nichts. Auf Tims an Logik kaum zu überbietendes Argument, Alex müsse doch nur schwimmen und nicht laufen, ging er erst gar nicht ein.

Wie üblich bei einem Rückstand hatte Falke einen hochroten Kopf und versuchte brüllend und wild gestikulierend seine junge Mannschaft anzutreiben. Aber mit Alex fehlte nun mal der Mannschaftskapitän, und das merkte man dem Spiel an. Jeder der sieben Jungen gab sein Bestes, aber es war kein System im Spielaufbau zu erkennen. Die Bremer witterten ihre Chance. Sie wurden immer stärker und trugen einen Angriff nach dem anderen auf das Tor von Welle vor. Welle war der Torwart und hieß eigentlich Jan. Da er der Schwerste der Mannschaft war und immer mit einer Arschbombe ins Wasser sprang, nannten ihn alle nur Welle. Er hielt heute fast jeden Ball und schwamm den Bremer Angreifern immer wieder furchtlos entgegen. Es waren noch drei Minuten zu spielen und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Hansestädter einen Vorsprung von drei Toren herausspielten. Der Bremer Trainer stand breitbeinig mit verschränkten Armen hinter dem Tor von Welle und griente herablassend, als hätte er den Sieg schon in der Tasche. Mit seiner Brille im Haar sah er total affig aus, fand Alex.

Plötzlich sprangen die Zuschauer auf. Tim hatte halblinks von Leo den Ball bekommen und schwamm nun direkt auf das Tor des Gegners zu. Ein Bremer Spieler kraulte ihm entgegen. Tim hatte sich den Ball bereits vorgelegt, als er plötzlich den Ellenbogen seines Gegners ins Gesicht bekam und laut aufschrie. Kein Pfiff. Die Schiedsrichterin ließ ungerührt weiterspielen. Alex sprang erregt auf, so dass sich sofort sein schmerzender Fuß meldete und ihn zwang, sich wieder zu setzen. Wasserball war zwar kein Sport für kleine Mädchen, aber das war ein klares Foul.

Sein Freund schwamm mit einer blutigen Nase an den Beckenrand. Wutentbrannt zog Falke ihn aus dem Wasser und schrie der Schiedsrichterin Worte zu, die Alex kaum verstand, so überschlug sich die Stimme seines Trainers vor Erregung. Fuchsteufelswild machte Falke einen angedeuteten Tritt in Richtung Unparteiische, mit dem ungewollten Ergebnis, dass seine rechte Badeschlappe im hohen Bogen über das Becken flog und 30 Zentimeter am Kopf der Schiedsrichterin vorbeischoss. Diese unterbrach das Spiel sofort und zeigte Paul Falkenstein die rote Karte. Kochend stampfte der aus der Halle. Der Bremer Trainer klatschte unverhohlen Beifall.

Alex witterte seine Chance. „Kann ich rein, Trainer?“, fragte er seinen Coach im Vorbeigehen. Falke warf ihm nur ein kurzen Blick zu. „Mach, was du willst. Hier macht ja sowieso jeder, was er will“, schüttelte er resigniert den Kopf und verließ die Halle. Mit einem kühnen Kopfsprung war Alex im Wasser. Der Schmerz im Fuß war vergessen.

Alex schwamm mit langen Kraulzügen in die Abwehrreihe und gab kurze Anweisungen: „Leo, vorne rechts. Welle, Spielaufbau über die rechte Seite. Lange Pässe auf Luca. Tom nimmt die 9 in Manndeckung. Los Männer, das packen wir noch.“ Er klatschte laut in die Hände. Das Spiel wurde wieder angepfiffen. Im Augenwinkel sah er das schmierige Grinsen des Gästetrainers. Freu' dich nicht zu früh, dachte Alex verbissen.

„Attacke!“, brüllte er so laut er konnte. Sein Gegenüber ließ vor Schreck den Ball los. Mit einer geschickten Armbewegung schnappte Alex sich den Ball und spielte einen langen Pass auf Luca. Der gab sofort weiter auf Leo, der kraulend den Ball bis vor das gegnerische Tor trug und aus knapp fünf Metern abzog. Krachend knallte die Kugel gegen die Latte. Alex war ebenfalls nach vorne geschwommen und holte sich mit einem kurzen Sprint den Abpraller. Zwei Bremer stürzten sich sofort auf ihn. Alex gab schnell an Leo ab. „Los, nochmal!“, rief er ihm zu. Diesmal machte Leo es besser. Wie ein Strich schoss der Ball in die obere rechte Ecke. Tor! Der Bremer Torwart war chancenlos. 8 : 9. Die Zuschauer sprangen auf. Sie fühlten, dass hier noch was ging.

Wiederanpfiff. Die Bremer waren im Ballbesitz. Ein langer Pass ging auf die Nummer Neun des Gegners, der schon drei Tore auf seinem Konto hatte. Sofort war Tom bei ihm und versuchte, ihm den Ball aus der Hand zu schlagen. Die Nummer Neun war von dem beherzten Angriff so irritiert, dass er direkt auf das Tor warf, anstatt auf seinen besser postierten Mitspieler zu passen. Welle hielt den Ball lässig mit einer Hand und grinste. „Ab!“, schrie er dann. Sein gewaltiger Abwurf fiel fünf Meter vor dem gegnerischen Tor ins Wasser. Mit zwei Zügen war Alex beim Ball. Er täuschte seinen Wurf nur an, und als der Bremer Torwart daraufhin in die rechte Ecke sprang, lupfte er den Ball ganz cool und lässig in die linke Torhälfte. Tor! 9 : 9. Die Halle kochte.

Der Bremer Trainer forderte wild mit den Armen rudernd bei der Schiedsrichterin eine Auszeit. Er versammelte seine Mannschaft am Beckenrand und machte seine Mannschaft noch mal heiß für die Endphase des Spiels. Dabei zeigte er öfter auf Alex. Nach Ablauf der Auszeit waren noch 21 Sekunden zu spielen.

Wiederanpfiff. Welle hatte den Ball und spielte auf Tom. Der schwamm auf der rechten Seite in die Bremer Hälfte. Alle Gegenspieler versammelten sich vor ihrem Tor. Noch 12 Sekunden. Tom passte auf Luca, der den Ball sofort an Alex weitergab. Alex fing ihn mit der rechten Hand, sprintete auf das gegnerische Tor und drehte sich blitzschnell um. Er erkannte, dass der Bremer Torwart zu weit vor dem Tor stand. Kraftvoll zog er den rechten Arm zurück und visierte die linke Ecke des Tores an. „Vorsicht Alex!“, schrie Tim mit einem blutigen Taschentuch vor der Nase vom Beckenrand. Zu spät. Der Bremer Verteidiger griff Alex brutal von hinten in den Wurfarm. Alex schrie auf vor Schmerz. Der Pfiff kam diesmal sofort. Die Schiedsrichterin zeigte unmissverständlich die Herausstellung des Verteidigers und einen Strafwurf an. Der Bremer Trainer rastete nun völlig aus und warf seine Sonnenbrille auf den Boden. Die Zuschauer sprangen auf. Die Uhr zeigte 4 Sekunden Restspielzeit.

Alex griff sich schmerzverzerrt an die rechte Schulter. An einen Strafwurf war nicht zu denken. „Welle wirft“, sagte er bestimmt. Kein Mitspieler wagte zu widersprechen. Welle nahm den Ball und schwamm zur Fünf-Meter-Linie. In der Halle war kein Laut zu hören. Welle holte kraftvoll aus. Tim biss am Beckenrand vor Aufregung in sein Taschentuch. Welles kräftiger Arm schnellte wie eine Stahlfeder nach vorne. Der Ball verließ seine Hand. Im gleichen Augenblick schoss der gegnerische Torwart torpedoartig aus dem Wasser. Er ahnte die richtige Ecke. Mit Brachialgewalt hämmerte Welle die Kugel aufs Tor. Um Zentimeter verfehlten die Fingerspitzen des Torwarts den Ball, dann schlug der Keeper laut aufs Wasser auf. Tor! 10 : 9! Die Zuschauer sprangen jubelnd von ihren Sitzen. Den Schlusspfiff der Schiedsrichterin bekam in der Halle kaum noch jemand mit.

Alle wollten Alex auf die Schulter klopfen, als er aus dem Wasser kam. Er hatte das Spiel noch mal herumgerissen. Tims Vater hatte Falke angerufen, der sofort wieder in die Halle kam. „Na, so wie das aussieht, braucht ihr mich ja gar nicht“, sagte er lachend und schickte seine Jungs unter die Dusche.

Im Foyer der Halle standen bereits die begeisterten Eltern und warteten auf die erfolgreichen Sportler. Tims Opa war auch dabei und lud Tim und Alex zur Belohnung zu „Apfelkuchen mit Schlagsahne satt“ ein. „Aber erst“, mischte sich Falke ein, „gehen wir alle zu Paolo. Los Jungs. Ich geb `ne Pizza aus.“ Unter großem Jubel verließ die Mannschaft die Schwimmhalle.

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