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II
Оглавление„Ach, wie ich diesen Duft vermisst habe.“ Collin Rand zog theatralisch die abgestandene Luft des Gerichtssaals ein und lehnte sich mit einem selbstzufriedenem Lächeln an das Richterpult. „Ist es nicht herrlich, diesen Geruch nach Angst, Rachsucht und Gerechtigkeit in der Nase zu spüren, Bartholomeo?“
Rands riesiger Leibwächter, der die meisten Menschen um gut einen Kopf überragte, schloss mit einem lauten Knall die große Flügeltür des Verhandlungsraumes und grunzte etwas Unverständliches.
„Bartholomeo, du bist unverbesserlich.“, rief Collin Rand mit einem amüsierten Tadel in der Stimme. „Wenn du nur ein wenig redseliger wärst, würdest du den perfekten Bediensteten abgeben.“ Rand bedachte seinen Diener und Leibwächter mit einem jener stechenden Blicke, bei denen dem nicht Eingeweihten das Blut in den Adern gefror.
Bartholomeo zog den Kopf unmerklich ein, wodurch sein Stiernacken noch etwas mehr aus dem glatt gebügelten weißen Hemdkragen herausgepresst wurde. „Sehr wohl, Euer Ehren.“, quiekte er mit einer für einen Mann seiner Statur erstaunlich hohen Fistelstimme und machte sich daran, die Bankreihen zu untersuchen.
„Wobei - vielleicht ist deine Schweigsamkeit ja der wahre Segen deiner Persönlichkeit.“, murmelte Rand gedankenversunken vor sich hin, während er seinen Diener betrachtete. „Bartholomeo!“, rief er dann deutlich lauter und klatschte in die Hände. „Du hast den Saal nun schon zweimal nach versteckten Waffen durchsucht. Du wirst auch beim dritten Mal keine finden. Ich bin mir sicher, dass meine erste Verhandlung als wiedereingesetzter Oberster Richter ein ungetrübtes Spektakel für alle Beteiligten sein wird.“
„Vor allem für den Delinquenten.“, feixte Bartholomeo und warf Collin Rand ein breites Grinsen zu.
Verschwörerisch nickte der Richter zurück. „Ganz besonders für den Delinquenten.“, frohlockte er. „Es wird mir eine besondere Freude sein, den Mann, der mich nach meiner Verbannung so ungehobelt in diesen Güterwagon gesteckt hat, höchstpersönlich zur Arbeit in den Mienen zu verdonnern.“ Krachend fuhr seine Faust auf das Pult nieder.
„Wie konnte er auch nur so dumm sein und das gestohlene städtische Siegel in seiner Kleidertruhe aufbewahren.“, entgegnete Bartholomeo zynisch. „Jedes Kind weiß doch, dass die Polizei dort zuerst suchen würde.“
„Anfängerfehler.“, erwiderte Rand. Gleichzeitig brachen die beiden Männer in ein befreiendes Lachen aus.
Rand trat an seinen Diener heran und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Es tut gut, wieder an den Fleischtöpfen der Macht zu sitzen. Das haben wir außerordentlich geschickt angestellt.“
„Patty Song ist ein naiver Nichtsnutz.“, fiepste Bartholomeo.
Rand schwenkte in gespielter Empörung seinen Zeigefinger vor dem Gesicht seines Dieners hin und her. „Patty Song ist eine höchstnützliche Schachfigur in unserem Spiel. Er ist einer unserer Läufer. Gefährlich...“
„...aber ersetzbar.“, vervollständigte Bartholomeo den Satz.
Rand zog eine Augenbraue hoch und blickte seinen Leibwächter einen Augenblick nachdenklich an.
„Manchmal frage ich mich, ob du für einen Privatsekretär nicht zu schlau bist.“
„Nicht doch, euer Ehren!“, wiegelte Bartholomeo bescheiden ab. „Aber wer euch so oft bei der Arbeit über die Schulter blickt wie ich, der schaut sich das ein oder andere ab. Song hätte das vielleicht auch öfter tun sollen.“, kicherte er.
„Zum Glück hat er das nicht.“, beschied Collin Rand. „Hast du gesehen, wie er hinausscharwenzelt ist?“ Er machte ein paar Storchenschritte mit weit nach vorn gestreckter Brust, eine Hand unter die imaginäre Schleppe gesteckt.
„Wie ein eitler Pfau stolziert er umher, ganz als würde die Stadt ihm allein gehören.“, merkte Bartholomeo an.
„Nun, er ist der Gouverneur, nicht?“, gab Collin Rand zu bedenken.
„Gouverneur von euren Gnaden.“, wandte sein Leibwächter ein.
„So oder so. Es ist nicht verwunderlich, dass diese Position ihm zu Kopf steigt.“, erklärte Rand.
„Ich frage mich, wieso er sich mit euch verbündet hat.“, nahm Bartholomeo ein Thema auf, das sie schon seit Tagen immer wieder besprachen. „Er wäre auch gut ohne unsere Hilfe zurecht gekommen.“
Rand winkte ungeduldig ab. „Er weiß, wer die großen Fische sind und stellt sich gut mit ihnen. Es war leicht für ihn, Gouverneur zu werden, aber mit welcher Machtbasis hätte er denn diese Position halten können? Wer verfügt über genug Finanzmittel und wirtschaftlichen Sachverstand, um die ganze City zum Erblühen oder aber zum Ersterben bringen zu können?“
„Ihr, euer Ehren.“, beeilte sich Bartholomeo zu antworten.
„Und wer hatte auch aus dem Exil heraus genug Einfluss auf die Straßenbanden, um sie in die ein oder andere Richtung zu einem offenen Aufstand bewegen zu können?“
„Ihr, euer Ehren.“
„Und wer ist gerissen genug, um jeden Gouverneur, egal wie beliebt oder unbeliebt er beim Volke ist, nach seinem Gutdünken in Amt und Würden zu halten oder eiskalt abzuservieren?“
„Ihr, euer Ehren.“, raunte Bartholomeo beinahe ehrfurchtsvoll.
„So ist es, mein Freund.“, rief Rand jovial und hieb Bartholomeo auf den Rücken. „Und Song ist schlau genug, das zu wissen. Deshalb hat er sich an mich gewandt. Er braucht mich, so wie ich im Augenblick ihn brauche.“
„Aber er kann euch so gar nicht das Wasser reichen.“, jammerte Bartholomeo. „Das Einzige, was ihn interessiert, sind gutes Essen, erlesene Weine, der Jubel der Massen und diese albernen Hüte.“
Collin Rand seufzte tief. „Du hast recht, Bartholomeo. Politik ist nicht sein Geschäft. Aber als Geschäftsmann hat er bewiesen, dass er mehr als nur ein eitler Geck ist. Unterschätze ihn nicht!“
„Wird er sein Monopol bekommen?“, fragte der Diener in verschwörerischem Tonfall.
Rand dachte einen Augenblick über diese Frage nach. „Was würdest du sagen?“
Die Falten über Bartholomeos Nasenwurzel kräuselten sich, während er über diese knifflige Frage nachdachte. „Ich denke, wir sollten ihm weiter Hoffnung machen. Der ein oder andere Zuschlag an ihn sollte ihm das Gefühl geben, dass in absehbarer Zukunft die gesamte Dieselmotorenproduktion in der City in seinen Händen liegen könnte. Und dann, wenn er schon sicher ist, dass er sein Ziel bald erreicht hat, servieren wir ihn ab.“ Bartholomeo fuhr sich in einer eindeutigen Geste mit der Hand an der Kehle entlang.
„Aber, aber!“, winkte Collin Rand amüsiert ab. „Da haben wir doch wesentlich diffizilere Methoden.“, bemerkte er und deutete mit einer ausladenden Bewegung auf die Sitzreihen des Gerichtssaals.
„Oh.“, raunte Bartholomeo mit großen Augen. Dann schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und lächelte entschuldigend. „Aber natürlich!“