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III
ОглавлениеDen Hut als Schutz vor dem strömenden Regen tief ins Gesicht gezogen, stapfte Philt missmutig durch das offene Tor in den Hof. Im Gegensatz zu der schlaglochübersäten Straße vor der Mauer war der Boden hier im Hof des alten Lagerhauses, das die Gemeinschaft bewohnte, so festgestampft, dass er nicht bei jedem Schritt Gefahr lief, mit den alten Stiefeln beinahe im Schlamm stecken zu bleiben. Das schmatzende Geräusch, das er jedes Mal verursacht hatte, wenn er den Fuß von der Straße hob, war ihm auf dem langen Weg von der aufgegebenen Werkstatt, in der er heute nach brauchbaren Gegenständen gesucht hatte, gehörig auf die Nerven gegangen.
„Na, du alte Wasserratte.“ Peanut stand in der Tür des Lagerhauses. Die Hände in die Hüften gestemmt, bedachte sie den erschöpften Sucher in seinem zerschlissenen, wassergetränkten Mantel mit einem spöttischen Schmunzeln.
Ein Lächeln huschte über Philts Gesicht. Immer, wenn er Peanuts mandelförmige Augen und ihre unzähligen Sommersprossen, die wie tausende Sterne ihre Nase umkreisten, sah, fiel die Anstrengung und Sorge des Tages von ihm ab. Sie vermittelte ihm das sichere Gefühl, dass all seine Bemühungen, die Gemeinschaft mit lebensnotwendigen Dingen zu versorgen, einen Sinn hatten. Ohne ihn würden sie nie über die Runden kommen. Und ohne Peanut, die aus den Konservendosen und Essensresten, die er tagtäglich von den unmöglichsten Fundorten her in das Lagerhaus brachte, schmackhafte Mahlzeiten zauberte, wären sie wohl trotz Philts einzigartiger Glückssträhne schon längst am eintönigen Dosenfraß zugrunde gegangen.
Die letzten Schritte rannte er beinahe, dann stand er neben Peanut in der Tür und schüttelte sich kräftig, wie ein Hund, der gerade ein Bad genommen hatte. Die Wassertropfen spritzten umher und hinterließen feuchte Flecken auf den Steinplatten des Fußbodens.
„Ich werde dir gleich zeigen, wer hier eine Wasserratte ist.“, rief Philt übermütig und packte Peanuts Handgelenk. Er tat so, als wolle er sie in den strömenden Regen hinausziehen. In gespieltem Entsetzen stützte sich Peanut gegen den Türrahmen. „Lass das, du Flegel! Sonst gibt es heute keinen Nachtisch für dich.“
Lachend zog Philt noch etwas fester – wohl etwas zu fest, denn Peanuts Hand rutschte vom Holz ab und sie stolperte einen Schritt auf den Jungen zu. Halt suchend griff sie um sich und krallte sich in Philts nassen Mantel. Instinktiv packte der Sucher zu und fing die junge Frau mit seinen sehnigen Armen auf, bevor sie in den kalten Regen stolpern konnte. Für einen Augenblick waren sich ihre Gesichter so nah, das Philt Peanuts warmen Atem auf der Wange spüren konnte.
„Komme ich gerade ungelegen?“, rief Frogs Stimme über den Hof. Eilig trennten sich Philt und Peanut voneinander und schauten verlegen in den Regen hinaus. „Lasst euch nicht stören!“, winkte der Trompeter, dessen schwarze Haut von dem hellen Mantel, den er eng um seinen Körper geschlungen und bis zum Kragen zugeknöpft hatte, noch unterstrichen wurde, jovial ab. „Ich kann auch die andere Tür nehmen.“ Eine Reihe strahlend weißer Zähne signalisierte, dass er mit seinem Witz selbst sehr zufrieden war.
„Spinner!“, knurrte Philt, als Frog nahe genug heran war, um ihn verstehen zu können.
Peanut trat ein paar Schritte zurück. „Komm schon rein! Da draußen holt man sich ja den Tod.“, sagte sie wie eine besorgte Mutter und winkte den Trompeter herein.
„Was machst du eigentlich um die Tageszeit draußen?“, wunderte sich Philt. „Habt ihr neuerdings auch Konzerte am Vormittag?“
Frog deutete an seinem Aufzug hinab. „Sehe ich so aus, als würde ich von einem Konzert kommen?“
Skeptisch betrachtete Philt den alten Mantel und die schmodderigen Stiefel und schüttelte den Kopf.
„Und die Trompete hängt auch noch hier.“, stellte Peanut fest und deutete auf das Instrument, das an seinem Platz an der Wand baumelte.
„Darf man sich jetzt nicht mal mehr an seinem freien Tag einfach so in der Stadt herumtreiben?“, brummte Frog missmutig und schlüpfte aus dem durchweichten Mantel.
Peanut schaute mit hochgezogener Augenbraue zu Philt hinüber, dann machte sie ohne ein weiteres Wort kehrt und ging zurück in die Küche, aus der ein würziger Duft in den großen Eingangsbereich des Hauses herüberströmte. Bei dem Gedanken an ein leckeres Essen knurrte Philts Magen hörbar.
„Gut, dass du immer so viel zu essen auftreibst, bei den Mengen, die tagtäglich in deinem mageren Körper verschwinden.“, kommentierte Frog lakonisch.
„Pah, ich brauche eben viel Energie.“, blaffte Philt zurück.
„Na, haben die Herren wieder Spaß miteinander?“, unterbrach Joshs tiefe Stimme das Geplänkel.
Frog machte vor Schreck einen großen Satz zur Seite. „Mann, hast du mich erschreckt.“, keuchte er.
„Bei dem blöden Regen kann man das Klappern deines Holzbeins gar nicht hören.“, beschwerte sich Philt griesgrämig.
Josh schlüpfte wie die beiden anderen aus seinem nassen Mantel. „Hast du Erfolg gehabt?“, fragte er Philt neugierig.
„Kommt drauf an.“, gab der Sucher eine vage Antwort und klopfte auf den Rucksack, den er neben der Tür abgestellt hatte. Ein leichtes metallisches Scheppern verriet, dass er auf jeden Fall nicht mit leeren Händen nach Hause gekommen war.
„Lass schon sehen!“, forderte Frog ihn aufgeregt auf. Die Präsentation von Philts Funden war ein tägliches Highlight des Lebens in der Gemeinschaft.
Philt beugte sich nach unten und kramte theatralisch in dem Sack herum. Dann zog er eine metallene Hupe hervor und ließ ein ohrenbetäubendes Tröten durch das Lagerhaus schallen.
„Was soll das denn sein?“, wunderte sich Frog und griff nach dem Krachmacher.
„Eine Hupe.“, entgegnete Philt achselzuckend, so als müsse er einem kleinen Kind die offensichtlichsten Dinge erklären.
„Das sehe ich.“, versetzte Frog. „Und wozu soll die gut sein?“
„Damit, mein Freund, kann man...“, begann Philt zu dozieren, wurde aber von einer verschlafenen Stimme unterbrochen.
„Müsst ihr zu so frühschlafener Zeit einen solchen Krach machen?“ Die Lederweste und das Nietenarmband des Jungen, der sich bei ihnen beklagte, standen in krassem Kontrast zu seiner einfachen Tuchhose und der Zeitungsjungenmütze, die sein Gesicht zum großen Teil verbarg.
„Frühschlafene Zeit?“, wunderte sich Philt. „Hast du mal nach draußen geschaut, Greg? Es ist bestimmt schon Mittag.“
Greg hob den Kopf und schaute mit seinem künstlichen roten Auge in den Hof, während er immer noch versuchte, sich mit der Faust den Schlaf aus dem rechten zu reiben. „Und wenn schon.“, brummte er und kratzte sich unbehaglich an der Schulter. „Es kommt mir so vor, als wäre ich gerade erst ins Bett gegangen. Wir haben die ganze Nacht an diesem verflixten Mechanismus gesessen.“ Sein Blick blieb an Philt hängen. „Wozu brauchen wir denn das Ding?“, fragte er ablehnend und fixierte abschätzig die Hupe.
„Das habe ich ihn auch gerade gefragt.“, erklärte der Trompeter großspurig.
„Ich dachte, gerade du Erfindergenie hättest eine Idee dazu.“, gab Philt pampig zurück und schüttete den Inhalt des Rucksacks vor die Füße seiner Freunde. Zahnräder, Federn, Bolzen und andere Metallteile rollten in alle Richtungen über den Boden davon. Ohne sie weiter zu beachten, schnappte sich der Sucher seinen Beutel und stapfte in Richtung Küche davon.
„Da ist aber jemand zart besaitet.“, stellte Frog mit zynischem Unterton fest.
„Frog, Philt reißt sich jeden Tag den Arsch auf, damit wir alles haben, was wir brauchen.“, nahm Josh den Sucher in Schutz. „Ohne seine Fähigkeiten wären wir schon längst am Ende.“
„Das stimmt.“, gab Frog zu, ohne aber den Blick abzuwenden. „Genauso, wie wir ohne deine oder Gregs oder Suris oder Peanuts oder sogar meine bescheidenen Fähigkeiten nicht über die Runden kommen würden. Ganz zu schweigen von Nattys regelmäßigen großzügigen Gaben, die sie von zu Hause abzweigt, ohne dass ihre stinkreichen Eltern auch nur den leisesten Schimmer davon haben.“, erwiderte er herausfordernd.
Josh legte dem Trompeter eine Hand auf die Schulter. „Ich weiß. Wir sind alle auf einander angewiesen. Umso lieber wäre es mir, wenn ihr beiden besser miteinander auskommen würdet.“
„Wieso sagst du das gerade mir?“, wehrte sich Frog. „Ständig geraten sich Philt und Greg in die Haare. Und mit Suri kannst du unseren Sucher erst recht nicht allein in einem Raum lassen. Da würde uns das ganze Lagerhaus um die Ohren fliegen. Ich sage dir eins.“ Wild gestikulierend wedelte Frog mit dem Finger vor Joshs Nase herum. „Unser Sucher leidet an ausgewachsenem Größenwahn. Und dagegen kannst nicht mal du etwas machen, Josh.“
Der unausgesprochene Anführer der kleinen Gemeinschaft machte ein zerknirschtes Gesicht. „Ich weiß. Aber das ist bestimmt nur so eine Phase. Es wird sich sicher wieder legen.“
Frog hob zu einer weiteren Entgegnung an, doch da rief Peanut aus der Küche: „Essen ist fertig.“
Greg, der auf dem Boden herumgekrochen war, um die verstreuten Metallteile aufzusammeln, rappelte sich auf und drückte den Rücken gerade. „Das hört sich gut an. Kommt, wir sollten sie nicht warten lassen, sonst hat Philt schon den ganzen Topf ausgekratzt, bevor wir am Tisch sitzen!“
Schmunzelnd folgte Josh dem jungen Erfinder in die Küche, kurz darauf stapfte auch der missmutig dreinblickende Frog herein.
„Ah, Kartoffelsuppe mit Würstchen.“ All seine schlechte Laune schien nach einem Blick in den Topf, der auf dem Herd vor sich hin blubberte, verflogen zu sein. „Gibt es etwas zu feiern?“
„Wir feiern, dass wir wieder einen Tag überlebt haben, du Ignorant.“, schimpfte Peanut gutmütig und schob ihn zum Tisch. „Philt hat gestern ein paar Wurstdosen gefunden und ihr wisst ja, dass man die nicht so lange aufheben sollte.“
„Sehr gute Idee, Peanut.“, lobte Josh die Entscheidung der jungen Köchin. „Lasst uns essen, so lange es heiß ist!“ Umständlich schob er sein Holzbein unter dem Tisch zurecht.
Peanut stellte auf seinem und ihrem Platz je eine Blechschüssel mit dampfender Suppe ab, dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und bedachte die drei anderen jungen Männer mit einem strengen Blick. Greg schaute irritiert zwischen Philt und Frog hin und her, die sich aber offensichtlich ebenfalls keiner Schuld bewusst waren. Erst, als Josh sich räusperte und möglichst unauffällig mit den Augen rollte, begriff Greg, worauf die junge Frau mit den bernsteinfarbenen Augen und dem schlichten Wollkleid wartete. Er griff nach seiner Mütze und nahm sie unter einer gemurmelten Entschuldigung vom Kopf.
Sofort legte sich ein Lächeln auf Peanuts Gesicht und sie füllte eine weitere Schale mit dampfender Suppe. Erleichtert über die einfache Lösung des Problems griffen auch Frog und Philt nach ihren Hüten und legten sie neben sich auf den Tisch.
„Endlich kann es losgehen.“, rief Peanut gut gelaunt. „Guten Appetit! Es ist sogar für jeden noch ein Nachschlag da.“
Triumphierend schaute Philt in die Runde. Alle wussten, dass er der Meinung war, allein seinem Einsatz wäre diese weitere wunderbare und sättigende Mahlzeit zu verdanken. Zum Teil stimmte das ja, denn die Würstchen hatte er tatsächlich in einer waghalsigen Aktion aus einem verschütteten Kellerraum geborgen, aber die Kartoffeln und Gewürze hatte Peanut von den Wertmarken, die Greg, Frog und Josh verdient hatten, auf dem Markt erstanden.
„Was gibt es Neues?“, fragte Greg in die Runde, um die Gedanken der Freunde von der Versorgungsproblematik abzulenken.
„Ich komme gerade von der Zeitung. Sie haben zwei meiner Zeichnungen genommen und weitere bestellt.“, berichtete Josh gut gelaunt.
„Das ist ja großartig.“, freute sich Peanut. „Vielleicht werden sie dich ja tatsächlich fest anstellen.“
„Das glaube ich eher nicht.“, warf Frog ein. „Die Wochenchronik ist ein kleines Blättchen, das, wie der Name schon sagt, nur einmal wöchentlich erscheint. Die können es sich kaum leisten, Zeichner fest unter Vertrag zu nehmen.“
„Vermutlich hast du Recht.“, musste Josh einräumen. „Aber wenn ich regelmäßig Zeichnungen bei ihnen unterbringe, ist das doch fast so gut wie eine Festanstellung.“
„Festanstellungen sind doch nichts für uns Künstler.“, meinte Philt verächtlich und schaute zu Josh, in der Hoffnung, einen Hinweis darauf zu erhalten, dass dieser sein Bündnisangebot annahm.
„Ich finde, Frog ist viel mehr ein Künstler als du.“, gab Greg zu bedenken und deutete auf das schwarze Gesicht des Trompeters. „Und er lebt ganz gut mit seiner Festanstellung.“
„Es ist doch keine Kunst, wenn man jeden Abend das selbe spielt.“, tat Philt den Einwand mit einer Handbewegung ab. „Das ist Handwerk. Das Tagewerk eines erfolgreichen Suchers dagegen ist eine einzige Abfolge kreativer Prozesse.“, malte er seine Aufgabe in blühenden Farben aus. „Ich muss jeden Tag etwas ganz Neues ausprobieren. Das, was ich am Vortag gemacht habe, zählt nichts mehr. Es würde mir keinen Erfolg bringen.“
„Manchmal bringt es dir auch keinen Erfolg und dann stehst du ganz ohne etwas zu essen da.“, mischte sich Frog ein. „Meine Wertmarken sind mir jeden Abend sicher.“
„Und dafür verkaufst du deine Freiheit.“, ätzte Philt dagegen. „Ich will mich von niemandem abhängig machen. Ich will tun, was ich am besten kann und ausprobieren, wonach mir gerade ist. Die Reichen wollen nur, dass wir alle in ihren Fabriken malochen, damit sie uns unter Kontrolle haben. Der größte Horror wäre für sie eine Bevölkerung, die jeden Morgen frei entscheiden könnte, was sie den ganzen Tag über tun will und die unabhängig von ihren blöden Wertmarken, für die alle ihren freien Willen aufgeben und Arbeiten verrichten müssen, die sie hassen, ein glückliches Leben führen kann.“
„Es muss aber nicht so sein.“, gab Greg zu bedenken. „In den Kolonien arbeitet jeder dort, wo er seine Fähigkeiten am besten für das Wohl der Gemeinschaft einsetzen kann. Mav zum Beispiel wird umherreisen und die Welt erforschen, weil es das ist, was er am besten kann.“
„Für Mav mag das zutreffen.“, erwiderte Philt. „Aber es ist ja nicht einmal klar, ob man ihn Flieger werden lässt. Und selbst, wenn er nicht in einer der Fabriken arbeiten muss, so sind doch alle anderen gezwungen, jeden Tag an eine Arbeit zu gehen, die andere für sie ausgesucht haben.“
„Nach ihren Fähigkeiten.“, betonte Greg noch einmal mit erhobenem Zeigefinger.
„Na und?“, zeigte sich Philt wenig beeindruckt. „Was ist mit deinen anderen Freunden? Glaubst du, sie werden jeden Morgen glücklich zur Arbeit spazieren, weil man ihnen einen Platz zugewiesen hat, der nicht komplett falsch für sie ist? Vielleicht verspüren sie ja auch irgendwann einmal den Wunsch, die Welt zu entdecken, oder einfach nur lange zu schlafen und über die Blumenwiesen zu streifen, aber sie müssen jeden Tag pünktlich zur Arbeit erscheinen, damit Mav überhaupt die Freiheit haben kann, im Ballon über der Welt zu segeln.“
„Wenn du es so sagst, klingt es nicht besonders schön.“, brummte Frog enttäuscht.
„Da ist auf jeden Fall etwas dran.“, sagte Josh nachdenklich. „Nur wenige haben das Glück, ihren Neigungen und Interessen frei nachgehen zu können.“
Unwillkürlich musste Greg an den alten Erfinder Grub und Trisha, die ihm immer zur Hand gegangen war, denken. Die beiden hatten dieses Glück gehabt.
„Aber trotzdem ist es ein Unterschied, ob man seine Seele einem Fabrikbesitzer verkauft, damit er noch mehr Gewinn macht und sich zusätzlich zu all dem Luxus, in dem er lebt, noch ein Landhaus und eine zweite Dieselkutsche kaufen kann, oder ob man seine Talente zum Wohle aller einsetzt.“, fuhr Josh fort.
Philt schnaubte abfällig. „Für mich ist das die gleiche Unfreiheit. Ich könnte gut auch allein als Sucher leben und muss mich an niemanden binden.“, behauptete er großspurig.
„Und wer gibt dir Schutz und bereitet aus deinen Dosenfunden ein leckeres Essen zu?“, fragte ihn Peanut herausfordernd.
Schnell senkte Philt den Blick und schlürfte lautstark an seiner Suppe.
Die anderen taten es ihm nach und für ein paar Augenblicke herrschte ein angenehmes Schweigen in der warmen Küche.
„Trotzdem finde ich, dass wir darauf achten sollten, unsere Freiheit nicht zu verlieren.“, griff Philt das Thema wieder auf, als er seine Schüssel leergelöffelt hatte. „Du bist ein großartiger Künstler, Josh. Und bisher haben wir auch überlebt, obwohl du dir ganz frei ausgesucht hast, woran du arbeitest. Du hast immer wieder einen Abnehmer gefunden. Wenn du nur noch für die Wochenchronik zeichnest, machst du dich unnötig abhängig.“
„Es ist ja nicht so, dass ich nur noch für diese Zeitung arbeite.“, begehrte Josh auf, aber Philt unterbrach ihn.
„Und du, Greg, hast so großes Potential.“, wandte er sich nun an den Jungen mit dem Drahtgestell rund um das künstliche linke Auge. „Du kannst alles zusammenschrauben, was man dir vor die Füße wirft. Es muss nur irgendwie aus Metall bestehen. Ich bin mir sicher, dass du schon längst ein gigantisches Luftschiff konstruiert hättest, wenn du nicht erst in der Dieselmotorenfabrik geschuftet hättest und nun nicht tagein, tagaus diesem verrückten Uhrmacher zur Hand gehen würdest. Du verschwendest deine kostbare Zeit!“, sagte er tadelnd.
„Und wovon soll ich all die Teile und Zuarbeiten bezahlen, die nötig wären, um so ein Luftschiff zu bauen?“, sprach Greg das für ihn Offensichtliche an.
„Pah.“ Philt winkte großspurig ab. „Von solchen Lappalien lassen sich große Geister nicht abhalten. Du machst dich selbst abhängig und lässt zu, dass andere dich daran hindern, wirklich kreativ zu sein. Eigentlich wollen sie nämlich gar nicht, dass jemand, der nicht zu ihrem Wirtschaftskartell gehört, Erfolg hat. Das würde ihre Gewinnchancen schmälern. Und stellt euch mal vor, dieses Beispiel würde Schule machen und die Menschen würden erkennen, dass man ein gutes Leben führen kann, ohne jeden Morgen wie eine Dampfmaschine funktionieren zu müssen. Dann hätten sie am Ende nicht mehr genug Arbeiter für ihre riesigen, monotonen Produktionsanlagen und könnten nicht mehr auf Kosten ausgebeuteter Menschen ihr Luxusleben genießen.“ Der Sucher warf einen gewichtigen Blick in die Runde.
Joshs Kiefer mahlten, während er angestrengt über Philts Worte nachdachte.
Frog schüttelte vehement den Kopf. „Du bist ein Träumer, Philt. Und außerdem verdanken wir das bisschen Wohlstand, das wir genießen, ja der Tatsache, dass so viele Leute jeden Tag in den Fabriken schuften.“
Philt klopfte mit seinem Löffel gegen den losen Putz an der Küchenwand. „Wohlstand?“, fragte er und schaute sich mit einem schelmischen Lächeln in der improvisierten Küche der Gemeinschaft um.
Greg schob seinen Stuhl zurück, griff nach seiner Schale und stand auf. „Ich muss dann los.“, setzte er seine Freunde in Kenntnis. „Die Arbeit ruft.“
Josh, Peanut und Frog verabschiedeten ihn mit knappen Worten, während Philt die Szene mit einem selbstgefälligen Grinsen verfolgte.