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Als der Rauch sich verzogen hatte, nahmen Colin Silberbart und seine Gardisten eine Inventur vor. Der Shem-Stand war eine Ruine. Die Rauchbombe selbst hatte keine Schäden angerichtet, sah man von einem Brandloch auf dem sicher nicht ganz billigen sephirischen Teppich ab, der zwischen den Tischen ausgelegt war. Die Explosion und der dichte Qualm hatten die Marktbesucher jedoch in Angst und Schrecken versetzt. Sie waren blindlings losgerannt, weg von dem mutmaßlichen Brandherd. Diese Massenpanik hatte dafür gesorgt, dass der Shem-Stand nun ziemlich hinüber war. Die Tische lagen umgekippt auf dem Boden, das Hauptzelt stand schief und hielt sich nur noch mit allerletzter Kraft aufrecht. Tote oder Schwerverletzte schien es nicht zu geben. Lediglich ein Elb hatte etwas abbekommen, ein dürres Bürschlein in dem dunklen Wildleder eines Trappers. Eine hässliche Platzwunde zierte seine hohe Stirn, leuchtend grünes Blut lief ihm die Wange hinab und verunzierte sein Wams. Einer von Colins Bütteln war gerade dabei, dem Mann auf die Beine zu helfen. Der Elb schüttelte die helfende Hand ab und klopfte sich den Staub von den Klamotten.

Der Zwerg suchte nach jener Stelle, an der die Rauchbombe gezündet worden war. Sie befand sich höchstens drei Schritte von dem Elben entfernt. Colin ging zu ihm hinüber.

»Ich übernehme das«, sagte er und machte eine Handbewegung, die dem Gardisten bedeutete, er möge sich anderweitig nützlich machen. Der Elb tupfte sich unterdessen mit einem Taschentuch Blut von der Stirn. Er wirkte sehr unglücklich. Colin vermutete, dass es nicht an der Platzwunde lag.

»Guten Tag, werter Herr Elb«, sagte Colin.

»Daran glaube ich ehrlich gesagt kaum noch.«

»Woran?«

»Dass dieser Tag noch ein gutes Ende nimmt, Zweiter Hauptmann.«

Erstaunt nahm Colin zur Kenntnis, dass der Elb die Litzen an seiner Uniform richtig zu interpretieren wusste.

»Verstehe. Ich brauche Eure Aussage.«

Der Elb steckte das Tuch weg und verschränkte die Arme. Colin holte sein Wachstäfelchen hervor.

»Name?«

»Flynn Grünblatt.«

»Wohnhaft?«

»Im Schwarzen Wal«

»Handwerk?«

»Kundschafter. Gelegentlicher Privatermittler.«

Colin hob die buschigen Augenbrauen und musterte den Zeugen. »Kundschafter« war in seinen Augen ein Euphemismus für Räuber – mit Ausnahme eines kleinen Kontingents, das der Begriff Dieb besser beschrieb. Der Elb sah Colins Gesichtsausdruck und setzte eine empörte Miene auf.

»Ich begleite Karawanen, die auf der Seidenroute nach Chu unterwegs sind. Vor allem jene, die den langen Weg durch das Salzmeer und die Heulenden Ebenen vermittels eines Schlenkers durch den Smaragdwald abzukürzen gedenken.«

»Ich dachte, es sei Selbstmord, durch den Smaragdwald zu reisen.«

»Nicht, wenn man mit mir reist. Wobei …«

»Wobei was?«

»Menschen kann ich wohl sicher hindurchbringen. Zwerge sind schwieriger.«

»Wieso das?«

»Nun, bei allem Respekt, aus einem Zwerg einen Baumläufer zu machen – das ist, als wollte man einer Krabbe das Reiten beibringen.«

Colin knirschte mit den Zähnen. Dieser Blattfresser war wirklich eine unerhört respektlose Person. »Wo wart Ihr, als die Bombe hochging?«, fragte er.

Grünblatt zeigte auf seine Mokassins. »Genau hier.«

»Was habt Ihr gemacht?«

»Ich war im Begriff, ein Geschäft abzuschließen.«

»Könnt Ihr mehr als einen Satz auf einmal?«, fragte Colin.

»Wenn es nötig ist.«

»Es ist nötig. Aber falls Ihr Euch erst einmal sammeln müsst, Meister Elb, dann begleitet Euch einer meiner Männer auf die Wache. Dort können wir dann später weiterreden.«

Colin sah seinem Gegenüber an, dass der Bluff die gewünschte Wirkung nicht verfehlte.

»Nein, Zweiter Hauptmann, das wird nicht notwendig sein. Also, ich war gerade im Gespräch mit einem Magier …«

»Name?«

»Ion Ibn, glaube ich.«

»Nachname?«

»Shem. Sie heißen alle Shem. Jedenfalls wollten wir gerade einige Preziosen begutachten …«

»Was für Preziosen?«

»Ihr macht es Eurem Gesprächspartner auch nicht gerade einfach, mehr als einen Satz zu sagen.«

Colin bemühte sich, ruhig zu bleiben. Den vielleicht wichtigsten Zeugen dieses Attentats, Überfalls oder um was auch immer es sich handelte zu erwürgen war sicherlich keine gute Idee. Lust dazu verspürte er aber durchaus.

»Bitte, Herr Elb. Sprecht doch weiter.«

»Habt Dank, Meister Zwerg. Mein Geschäftspartner hatte also gerade einige Preziosen, es waren Tessari, auf dieses Tischchen hier gelegt, und ich hatte einen Beutel mit Gold darauf deponiert. Bevor Ihr fragt: Es waren 3000 Goldflamm darin. Als wir den Handel gerade beschließen wollten, da passierte es.«

»Was?«

»Der Meeresgott Follo entstieg dem Golf von Kharkesh, prächtig anzusehen, in seinem Gefolge hundert bezaubernde Meerjungfrauen. Was glaubt Ihr? Die Rauchbombe. Bumm, Blitz, Paff.«

»Wurde etwas entwendet?«

»Mein ganzes Gold. Was die Tessari angeht … sie scheinen ebenfalls verschwunden zu sein.«

Colin machte sich Notizen auf seiner Wachstafel und nickte. Mit der Rechten winkte er einen seiner Männer zu sich herüber.

»Den Magier Ion Ibn Shem. Treib’ ihn auf und bring ihn her.«

Einige Sekunden standen sie wortlos da. Dann fragte der Elb: »Kann ich jetzt gehen?«

»Noch nicht. Ich möchte erst hören, was der Shem zu der Sache sagt.«

»Wieso braucht ihr mich dazu?«

»Weil ich danach vielleicht noch Fragen an Euch habe.«

Meister Ion tauchte nun auf, eskortiert von einem Gardisten. Es war offensichtlich, dass er näher am Zentrum der Explosion gestanden hatte als Flynn Grünblatt. Seine Robe war so löchrig wie die Alte Stadtmauer, Ruß hatte seine Leopardenmaske geschwärzt. Nachdem er vor ihnen stehengeblieben war, verneigte er sich leicht.

»Guten Tag, Meister Ion«, sagte Colin.

»Ich grüße Euch, Meister Zwerg. Ob dieser Tag gut ist, das bezweifle ich allerdings.«

»Wir wollen die Hoffnung noch nicht aufgegeben«, erwiderte Colin. »Ihr und dieser Herr hier wart kurz davor, einen Handel abzuschließen, als die Bombe hochging, ist das richtig?«

»Ja.«

»Worum ging es?«

»Meister Grünblatt wollte einige Tessari erwerben.«

»Helft einem Unwissenden. Worum handelt es sich dabei genau?«

Colin meinte, ein Zögern des Mannes zu spüren. Dann sagte der Shem: »Es handelt sich um eine Art Weihrauch.«

Nur allzu gerne hätte er diesen angeblichen Zauberer ohne Maske verhört, um besser in seinem vermutlich aschfahlen Gesicht lesen zu können. Aber den Shem war das Tragen ihrer Masken laut einem Edikt Prinz Renials gestattet, unter allen Umständen, angeblich aus religiösen Gründen. Wahrscheinlicher schien Colin, dass die Shem für dieses Privileg eine hohe Summe gezahlt hatten.

»Das ist sehr teurer Weihrauch, wenn er Tausende Goldflamm kostet«, sagte Colin.

»Teuer, nun, das liegt im Auge des Betrachters«, warf der Elb ein.

»Ihr meint, wenn man unfassbar reich ist, sind tausend Goldflamm nicht viel?«

»Ich meine, dass diese Tessari aus sehr seltenen … Ingredienzen hergestellt werden, die den hohen Preis rechtfertigen. Habe ich nicht recht, Meister Ion?

Wieder dieses kurze Zögern. »In der Tat, Meister Grünblatt hat völlig recht, oh Zweiter Hauptmann der Prächtigen Garden.«

»Wie dem auch sei«, entgegnete Colin unwirsch, »Ihr wollt also Weihrauchplättchen im Wert von dreitausend Goldflamm als gestohlen melden, nehme ich an, und Ihr Euer Gold.«

Der Elb nickte. Der Shem schüttelte den Leopardenkopf.

»Dreitausend waren der Preis für drei Stück. In meinem Besitz befanden sich jedoch sechs Tessari. Somit summiert sich unser Schaden auf insgesamt sechstausend.«

Colin machte sich eine Notiz. »Habt Ihr vor oder nach dem Vorfall irgendwelche verdächtigen Personen in der Nähe bemerkt?«

Beide Männer schüttelten einmütig die Köpfe. Der Zwerg seufzte.

»Also gut. Meister Grünblatt, Ihr könnt gehen, aber haltet Euch bitte zu unserer Verfügung. Meister Ion, könntet Ihr veranlassen, dass den Garden umgehend eine Liste aller gestohlenen oder beschädigten Waren zugeht?«

»Ein Kurier wird sie Euch so schnell als möglich bringen, Meister Zwerg«, sagte der Magier.

»Gut. Wenn Ihr mich nun entschuldigen würdet. Ich muss noch einige Gespräche führen.«

Grünblatt & Silberbart

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