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Es war Colin schwergefallen, sich zwischen dem Ochsen vom Spieß und den Chu-Nudeln zu entscheiden, weswegen er beschlossen hatte, von beidem eine Portion zu essen. Nun spannte sein Gardistenwams noch mehr als gewöhnlich. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, denn es wurde allmählich heiß. Gerade hatte der Trompeter die siebte Stunde verkündet. Am Stand eines Teehändlers ließ der Zwerg sich eine kleine Porzellantasse geben, setzte sich auf einen der Schemel und nippte an der angenehm kühlen grünen Flüssigkeit.

Während er seinen Jadetee schlürfte, erspähte er aus den Augenwinkeln einen weiteren Taschendieb. Seufzend stellte er die Tasse auf dem Tischchen neben sich ab und holte eine kleine Wachstafel hervor. Auf ihr pflegte Colin alle Vorkommnisse des Tages feinsäuberlich zu notieren. Es war wichtig, über die Arbeit genauestens Buch zu führen, fand er. Andere Gardisten mochten diese Akribie für eine Marotte halten, hinter vorgehaltener Hand tuschelten sie vermutlich, dieses Sammeln und Horten von Zahlen und Informationen sei typisch zwergisch, ein Ersatz für das Zählen von Edelsteinen oder das exakte Vermessen von Gangsystemen.

Colin war das egal. Hinter dem Eintrag »Beutelschneider« machte er einen weiteren Strich. Es waren nun sieben. Wahrscheinlich waren im Laufe des Morgens noch mehr Taschendiebstähle erfolgt. Colin hatte nur jene notiert, die er mit eigenen Augen gesehen hatte, schließlich konnte er nicht überall sein. Wichtig war lediglich, dass er nunmehr über jene sieben Beutelschneider hinweggesehen hatte, die seine Vorgesetzten und die Fünf Familien für den Wazaar ausgehandelt hatten. Colin steckte die Tafel wieder ein und rieb sich die Hände. Den nächsten Halunken würde die volle Härte des flammarischen Gesetzes treffen.

Kurz nachdem Colin seine nächste Runde begonnen hatte, tauchte einer dieser Gauner auf, ein kleiner blasser Mann mit Haaren wie Seetang und dem Gesicht einer Kanalratte.

»Einen recht guten Tag, Hauptmann Silberbart«, sagte er.

Colin musterte den Kartelldieb. Es war Olfur Einbein, genannt die Silbermöwe. Der Spitzname rührte daher, dass Olfur auf offen herumliegende Wertsachen ähnlich reagierte wie eine Möwe auf Leckerbissen: Er schnappte blitzschnell zu. Man sagte, Olfur könne gar nicht anders, selbst wenn die Gefahr bestand, erwischt zu werden. Colin bezweifelte, dass der kleine Mann wirklich so unbeherrscht war, wie man sich erzählte, denn er sah, wie der Dieb einige Geschmeide betrachtete, die an einem Stand links von ihnen auslagen. Wehmut stand in seinen Augen, und seine Finger zuckten nervös. Dennoch hielt er sich zurück.

»Was willst du, Silbermöwe?«

Der Dieb holte eine kleine metallene Zunderschachtel aus der Hosentasche. Während er diese geschickt mit einer Hand öffnete, steckte er sich mit der anderen ein salenisches Rauchstäbchen zwischen die Lippen, das er mit dem Glutstein aus der Schachtel entzündete. Schmauchend erklärte er: »Ich wollte mich nach Eurem Tagewerk erkundigen.«

»Es ist recht viel los heute«, entgegnete Colin, »du kannst deinen Kompagnons also sagen, sie haben ihr Soll bereits erreicht.«

»Jetzt schon, zur Mittagsstunde? Wie soll man da sein Brot verdienen?«

»Indem du das nächste Mal früher aufstehst. Den letzten beißen eben die Haie.«

Bei dem Wort »Hai« zuckte die Silbermöwe zusammen. Olfur Einbein hatte ein Holzbein. Früher einmal war er Pirat gewesen. Bislang hatte Colin vermutet, Olfur habe sein Bein an einen pyronischen Händler verloren, der geschickt mit dem Entermesser war. Doch möglicherweise hatte er da falsch gelegen.

Die Silbermöwe setzte sich etwas umständlich auf den Sims des großen Brunnens in der Mitte des Platzes und schaute säuerlich. »Nicht beim ersten Ruf des Herolds aufstehen zu müssen war einer der wenigen Vorzüge meiner Profession.«

»Mir kommen gleich die Tränen, Olfur. Wenn du dich beschweren willst, solltest du das vielleicht bei Syros Syzaar tun.«

Die Syzaar waren eine der Fünf Familien, aus denen das Diebeskartell bestand. Die meisten kriminellen Aktivitäten in diesem Teil Brae Flammars gingen auf das Konto der Syzaari. »Schon gut, Hauptmann. Ich werde es an die anderen weitergeben.«

»Tu das.«

Der Dieb warf den Stummel seines Rauchstäbchens weg und nickte Colin zu. Dann verzog er sich. Der Gardist sah ihm nach. Binnen weniger Minuten würden alle anderen Gildendiebe dieses Distrikts erfahren, dass es auf dem Wazaar heute nichts mehr zu holen gab. Lediglich freischaffende Künstler würden weiterhin versuchen, die Marktbesucher um ihre Münzen zu erleichtern. Falls Colin heute noch jemanden verhaftete, würde es sicher kein Gildendieb sein. Dass so unliebsame Konkurrenz beseitigt wurde, war aus Sicht der Syzaar und der anderen Familien ein positiver Nebeneffekt des Arrangements mit der Stadtwache.

Colin Silberbart fühlte, wie es in seinem Bauch brodelte. Als er bei den Prächtigen Garden angeheuert hatte, war es ihm darum gegangen, Brae Flammars Straßen ein wenig sicherer zu machen und die Bürger seiner Heimatstadt zu beschützen. Er hatte natürlich geahnt, dass dies eine idealistische Vorstellung war und man mitunter Kompromisse eingehen musste. Ihm war jedoch nicht klar gewesen, wie eng Gilde und Garde miteinander verzahnt waren. In seinen Jahren als einfacher Gardist war es nicht so schlimm gewesen. Sicher, Durchstechereien waren vorgekommen, aber Colin hatte sich stets eingeredet, er werde diese unterbinden, wen er einmal Offizier wäre. Als Hauptmann musste er jedoch noch viel größere Schweinereien decken, von denen er als einfacher Soldat gar nichts mitbekommen hatte. Seit Eamon Eiswasser zum Sheriff berufen worden war, wurden er und seine Kollegen noch öfter als früher zum Wegschauen verdonnert. Es war überaus frustrierend.

Colin seufzte. Man konnte wenig tun. Die Dinge waren, wie sie nun mal waren. Um seinen immer noch wütend grummelnden Bauch etwas zu besänftigen, ging er zu Meister Alvars Stand.

»Gebt mir noch eine Portion von den Süßen Dublonen.«

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