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6 James arbeitet nun 30 Monate in der Gefängnisküche mit dem Hotelbesitzer

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‚Vor Dir’, sagen die Wärter in den blauen Uniformen, als er in der Justizvollzugsanstalt ankommt zu ihm, tonlos, nur durch ihre Gestik und Mimik, ‚waren schon viele da und sind spurlos wieder verschwunden, so wie Du in einigen Jahren aus unserem Leben verschwunden sein wirst’. Sie schauen ihn teilnahmslos an, er wird neutral freundlich zur Kenntnis genommen, keineswegs aufdringlich, abweisend, aggressiv oder sogar respektlos. James bekommt Matratze, Bettzeug, Decke, Wäsche und wird damit auf die Zugangsstation in den Umschluss geführt. Im Umschluss hat er 1 Stunde Hofgang und 23 Stunden James, und als Abwechslung während der 23 Stunden hat er Schlaf, Taekwondoübungen und dreimal am Tag Essen, alles allein in seiner Zelle. Die Bratwurst erinnert ihn an England, Stopfwolle in Fett getränkt, dazu Pfefferminztee. Beim Würsteessen sehnt sich James nach dem englischen Kaffee, der zwar nach Regen aussah, aber eindeutig hatte Kaffee sein sollen. Brot kann er sich aussuchen, Weißbrot oder Vollkornbrot, aber Salat, wie er auf dem Hofgang erfährt, gibt es erstaunlicherweise nur für Moslems. Oder es gibt unessbare Soßen zu Schnitzel, die entweder totgebraten oder halbroh sind. Und immer wenn es Suppe gibt hört er keine 2 Minuten später in den angrenzenden Zellen die Klospülung rauschen und folgt dann dem Beispiel. Er vermutet, dass man Kaffee im Laden kaufen kann, aber wann er dazu Gelegenheit bekommt weiß er nicht.

Er macht also die Erfahrung, die er in U-Haft mit der hässlichen Verpflegung gemacht hat, jetzt zum zweiten Mal, und weil es nutzlos ist, Erfahrungen, die man bereits kennt, nochmals zu machen, beschließt er, in der Küche zu arbeiten. Um in der Küche arbeiten zu können muss er mit dem Gefängnisdirektor sprechen und teilt dies beim nächsten Hofgang dem Wärter mit.

‚Sie sind neu hier’, sagt der Schließer lächelnd. Das stimme, gibt James zu. Einen Termin beim Gefängnisdirektor gäbe es aber nur unter ganz besonderen Umständen, teilt ihm der Wärter freundlich mit, etwa wenn er ihn jetzt zusammenschlagen würde, was er aber nicht empfehlen könne. Woraufhin James dem Innensenator eine Email schreibt mit der Bitte um Termin beim Gefängnisdirektor, die bereits von der Zensur an die Gefängnisleitung weitergeleitet wird und den Innensenator nie erreicht. Am nächsten Tag bekommt James trotzdem bzw. gerade deshalb den Termin beim Gefängnisdirektor, der ihn mit ‚Was kann ich für Sie tun?’ begrüßt, was James nun auch wieder unangemessen findet.

‚Sie wundern sich vielleicht’, fährt er fort, ohne auf die Antwort zu warten, ‚warum Sie als Politischer noch keinen eigenen Trakt bereitgestellt bekommen haben, wie früher üblich, aber da gibt es einen Paradigmenwechsel in der Politik. Ihnen darf ich es ja sagen’, ergänzt er, ‚weil meine Parteifreunde gut von Ihnen sprechen. Sie sind deshalb zu mir gekommen?’.

‚Eigentlich nicht’, sagt James, ‚mehr wegen dem Essen.’ Und früher sei er noch nicht hier gewesen.

‚Die Aussicht auf Ihr Gefängnisessen für die nächsten, sagen wir mal zweieinhalb Jahre, Begnadigung bereits eingerechnet, ist unerfreulich. Ich würde daher gerne in der Gefängnisküche arbeiten.’ Und dass er eine, wenn auch nach einem Jahr abgebrochene Kochlehre vorzuweisen hat.

Der Gefängnisdirektor bescheidet ihm, dass bereits ein ehemaliger Hotelbesitzer, sogar Grandhotelbesitzer, die Küche leitet, dass er aber gerne dort als dessen Assistent anfangen könne, weil es in letzter Zeit öfters zu Beschwerden über das Essen gekommen sei.

Der Assistent war von 2 Monaten entlassen worden und der Versuch, einen neuen Assistenten in die Küche zu schicken, sei jedes Mal daran gescheitert. dass der neue Assistent um seine Versetzung gebeten habe.

James stellt fest, dass sich im Gefängnis die sonst üblichen Verhältnisse umkehren und es etwas ganz Tolles ist, wenn man entlassen wird.

Am nächsten Morgen führt ihn ein Wärter in den Küchentrakt, sie kommen zuerst in die Spülküche, dann in die Portionierungsküche und dann stehen sie in der Kochküche, wo ein großer Mann in mehreren Töpfen gleichzeitig rührt, mit Armen dick wie ein Pferdehals, James vermutet vom vielen Rühren in ungezählten Töpfen. Der Wärter sagt ‚Viel Spaß’ und lässt ihn dort stehen, schließt die Türe hinter sich zu.

James sagt ‚Hallo’, der Koch, der wohl der Hotelbesitzer ist, den der Gefängnisdirektor erwähnt hat, ignoriert ihn.

Der Hotelbesitzer, zur Zeit Küchenchef, ist sauer. Von Chef keine Spur, er steht allein in der Küche und rührt in den Töpfen, während seine Küchenhelfer im Lager aus den Beständen vorgeblich neuen Wodka produzieren, höchstwahrscheinlich aber nur die Produktion von letzter Woche versaufen.

Er geht ins Lager, dort sitzen wie erwartet seine Küchenhelfer, ein Araber aus Köln, ein Russlanddeutscher aus Memmingen, ein Linksliberaler aus Hamburg und ein Vietnamese aus Berlin, der, der soeben noch aus reine Blödheit Soßenpulver in das Nudelwasser gekippt hat, alle vereint und saufen Wodka aus Zutaten aus dem Lager, bis auf den Araber, der als Moslem keinen Alkohol trinkt und stattdessen Crack raucht, natürlich mit Backpulver auch aus dem Lager. Er stellt zum dritten Mal an einem Tag fest, dass seine Beteiligung an dem Geschäft, das die Küchenhelfer mit Hilfe von Zutaten aus dem Lager aufgezogen haben, Schnaps und Crack, nicht annähernd die Mehrarbeit ausgleicht, die er in der Küche leistet, während die Küchenhelfer beschäftigt oder indisponiert sind. Zwei der Küchenhelfer rappeln sich auf, als sie den Hotelbesitzer sehen, die anderen bleiben liegen. Er schaut, sagt nichts und geht zurück in die Küche, und die beiden, die aufgestanden sind, setzen sich wieder.

‚Was machen wir hier eigentlich’? fragt er, während er wieder in den Töpfen rührt, ohne eine Antwort zu erwarten oder auch nur zu wünschen. ‚Was machen wir hier eigentlich’? wiederholt er nach einiger Zeit.

‚Fragen, auf die es keine Antworten gibt, gibt es nicht’ antwortet James nun lapidar und abschließend.

Der Hotelbesitzer sieht nun zum ersten Mal den Häftling an, der ihm in die Küche gestellt wurde.

Er holt Zitronat und Orangeat aus der Kammer.

‚Andere Beispiele’: sagt James, als der Hotelbesitzer wieder zurück ist. ‚Was ist der Sinn des Lebens? Oder, gibt es Gott? Oder, was kommt nach dem Tod?’

‚Jeder will das wissen’, brummt der Hotelbesitzer.

‚Niemand will das wissen’ sagt James. ‚Die Fragen werden nur deshalb gestellt um sich vorsichtshalber immer wieder zu vergewissern, dass es auch wirklich keine Antwort darauf gibt.’

‚Ich will schon wissen, ob es einen Himmel gibt’ insistiert der Hotelbesitzer.

‚Möglicherweise gibt es ja wirklich so etwas wie einen Himmel’ antwortet James, ‚in den all die Verstorbenen kommen, die daran geglaubt haben, dessen Insassen somit also ein Konglomerat bilden aus Bäuerinnen, Mafiosi, Mönchen und Nonnen, bayerischen Politikern und noch ein paar anderen schlichten Gemütern. Alle anderen, die Sünder und die Ungläubigen, die Leser von Sartre beispielsweise oder die, die mal im Gefängnis waren, die kommen ebenfalls in diesen Himmel, nur für die heißt der Himmel dann aber Hölle.’

‚Leck mich am Arsch’ sagt der Hotelbesitzer und rührt neue Rosinen in den Teig. ‚Nihilisten, überall in der Küche, mehr als Kakerlaken’, denkt er, dann wendet er sich wieder dem Häftling zu.

‚Was kann ich für Dich tun’? sagt er wie gestern der Gefängnisdirektor auch, aber in einem Tonfall, der andeutet, dass er nicht vorhabe, irgendetwas für den ihm unbekannten Häftling zu tun, außer vielleicht ihn rauszuschmeißen. Sobald jemand die Türe hinter ihm wieder aufgesperrt hat.

‚Ich soll hier arbeiten, als Assistent des Chefkochs, eines Grandhotelbesitzers’, sagt James.

‚Assistent des Chefkochs’, wiederholt der Mann fassungslos. ‚Warte hier’ sagt er dann noch immer unfreundlich und rührt weiter.

Der Hotelbesitzer fragt sich, warum ihm jetzt schon wieder ein neuer Assistent statt neuer Küchenhelfer zugeteilt wurde, nachdem er über ein Jahr versucht hat, die drogenkonsumierenden Idioten loszuwerden, Drogenkonsum auf seine Kosten, indirekt, indem sie Sachen aus dem Lager vertickt haben. Was jeder wusste, aber was einkalkuliert war, Hauptsache keine Probleme. Um seine Probleme mit den zugedröhnten Jungs kümmerte sich bislang niemand, stattdessen wurde nur ständig am Essen rumgemäkelt.

‚Los’, sagt er nach einer Weile unvermittelt zu James, ‚steh hier nicht rum, wir haben zu tun’ und weist ihn an, in einem riesigen Topf mit einer braunroten Flüssigkeit zu rühren.

James sagt, er habe sich nicht vorgestellt, dass Chefkoch und Assistent persönlich rühren. Der Hotelbesitzer sagt nichts drauf sondern schickt ihn ins Lager, weitere Tomatenbüchsen zu holen.

Im Lager sitzen vier Häftlinge, ein Araber, ein kleiner Blonder, ein langhaariger Freak und ein Chinese, und rauchen. James vermutet, die Küchenhelfer.

‚Wo sind die Büchsen mit den geschälten Tomaten’? fragt James, und schon während er die Frage ausspricht weiß er, dass sie sinnlos sein wird und geht selbst die Regale ab.

‚He Arschloch’ ruft einer der Küchenhelfer. Alle vier sind aufgestanden, zwei kommen von der einen Seite des Gangs, zwei von der anderen. James überlegt. Wenn es brenzlig wird ist es das beste und einzige, sofort davonzulaufen, hat der Taekwondomeister zu seinen Schülern gesagt, weil er schon gewusst hat, dass das Training mit den verschiedenen Angriffs- und Abwehrschlägen nicht ausreicht, wenn nicht täglich 5 Stunden geübt wird, was dann aber keiner der Schüler gemacht hat, vielleicht manche mal eine halbe Stunde, aber auch da war James nicht darunter. Die nächste Stufe wäre dann: Beherrsche die Situation ist besser als jemanden zu verletzen, daran will James jetzt arbeiten.

‚Der Küchenchef will 2 von den 20 Kilo Büchsen Tomaten’ wiederholt er.

‚Und was geht Dich das an?’

‚Ich bin der neue Assistent’ sagt James beiläufig. Er hat nicht vor, sich bei Subalternen vorzustellen.

‚Das glaubst auch nur Du’, sagt der arabisch Aussehende, ‚das hier ist der neue Assistent’ und deutet auf den blonden Häftling hinter James, der dreinschaut, als habe er gerade im Moment zum ersten Mal davon erfahren.

James erwartet ‚und jetzt ab’, kommt aber nicht. Stattdessen kommen die Zwei mal Zwei von beiden Seiten näher. James drängt sich vorbei und macht ein entschlossenes Gesicht, und sie lassen ihn gehen, halten das im Nachhinein für einen Fehler und werfen Maisdosen hinter ihm her. Er rennt durch die Regalreihen und wird nur zweimal getroffen, im Rücken und am Bein, beides nicht sehr schmerzhaft.

‚Ja geht’s noch’ sagt James dann fröhlich zum Chefkoch. Er ist sehr erfreut über den unhaltbaren Zustand mit den Küchenhelfern und bittet wieder um einen Termin bei der Gefängnisleitung, die ihm bestätigt, dass der Wodkahandel und der sonstige Schwund im Küchenlager von der Gefängnisleitung bereits eingeplant gewesen war und keinmal Grund zur Klage war, und die Mengen, die sie vom Lager abgezweigt haben um ihr Hobby zu finanzieren immer gut kompensiert werden konnten.

‚Die Zustände in der Küche sind unter aller Sau’ widerspricht ihm James, und dass der Hotelbesitzer als Chefkoch fatalistisch alles laufen lässt.

Als James wieder zurück in der Küche ist teilt er dem Chefkoch mit, dass es wohl einige personelle Umstrukturierungen in der Küche geben wird, woraufhin die Küchenhelfer am nächsten Tag nicht mehr da sind.

‚Was machen wir jetzt’? fragt der Hotelbesitzer teilnahmslos. Keine Küchenhelfer ist auch nicht viel anders als solche Küchenhelfer, wie es die Gewesenen gewesen sind.

James erklärt: ‚Jetzt machen wir aus der Gefängnisküche ein Kunstwerk’, was der Hotelbesitzer ebenfalls teilnahmslos zur Kenntnis nimmt. ‚Ein Scherz’ ergänzt James.

Der Hotelbesitzer erklärt ihm, dass das Budget pro Häftling 7 Euro 50 sei, und dass in der Haftanstalt 644 Christen und Religionslose, 111 Moslems, 21 Buddhisten, 2 Hindi und 1 Jude sitzen, die alle für die eingeplanten 7 Euro 50 pro Häftling Anspruch auf Respektierung ihrer religiösen Gebräuche hätten,* und dass er auch deshalb möglichst viele verschiedenartige Küchenhelfer ausgewählt hatte. Dass die früher oder später alle das selbe Hobby hatten, unabhängig von ihrer Religion, Drogen, das sei nicht vorhersehbar gewesen.

James sagt er habe gehört, dass 40% der Döner aus Schweine- oder Pferdefleisch bestehen und er könne sich nicht erinnern, dass deshalb ständig welche Moslems tot umfallen.

‚Das nicht’, gibt der Hotelbesitzer zu bedenken, ‚aber vielleicht wirkt sich das auf das Leben im Paradies aus.’

James geht zum Gefängnispfarrer und fragt ihn nach Agnostikern unter den Häftlingen, die Küchenhelfer werden wollten.

‚Keine Linksliberalen, die aus der Kirche ausgetreten sind und die doch nur ignorante Egoisten sind. Und keine Atheisten, die nur die andere Seite der Religiösen sind. Echte Agnostiker’ betont er.

Der Gefängnispfarrer sagt, es gäbe gar nicht so viele Agnostiker, aber er verspricht sich umzuhören.

‚Warum ausgerechnet Agnostiker?’

‚Nur Agnostiker sind in der Lage, die religiösen Gefühle nicht zu verletzen. Religiöse verletzen die religiösen Gefühle von anderen Religionen, weil sie ihre als die wahre Religion ansehen, sonst wären sie ja nicht bei der, in der sie sind Atheisten verletzen die religiösen Gefühle aller Religionen, weil sie religiöse Gefühle grundsätzlich für falsch halten. Nur Agnostiker, denen religiöse Gefühle völlig fremd sind, die sich für religiöse Gefühle nicht im Mindesten interessieren, sind in der Lage, sie nicht zu verletzen’ antwortet James.

Dem Hotelbesitzer erzählt er das selbe, mit dem Zusatz, dass Agnostiker keine Drogen nähmen, weil diese keine Illusionen hätten, der Hotelbesitzer versteht den Zusammenhang aber nicht.

Dann geht James ins Lager und schaut sich die Vorräte an: Würste die fast ausschließlich aus Nitritpökelsalz bestehen, Soßen aus Kartoffelstärke und Glutamat, Margarine aus gehärteten Fetten, Fertiggerichte mit 80% Zuckergehalt und solche mit 80% Salzgehalt. Er erstellt eine Einkaufsliste, und fängt mit dem Frühstück an, Cerealien, Milch, Obst Yoghurt, Kaffee, dann Gewürze, Obst und Gemüse.

Der Hotelbesitzer sucht anfangs noch Streit, weil er das so gewohnt ist, aber als er keinen findet, auch weil die neuen Küchenhelfer problemlos mit der Verarbeitung der Lebensmittel zurecht kommen, findet er wieder in seinen ursprünglichen Fatalismus zurück und sich mit James ab.

James kommt vom Umschluss in den Vollzug und bekommt auf seinen Wunsch eine Einzelzelle. Fernseher hat er keinen, aber ein Radio mit CD-Spieler, auf dem er Soulmusik hört, die sich aus der Gefängnisbibliothek bringen lässt, und jeder Tag ist wie der vorherige und wie der nächste sein wird.

Nach 2 Jahren und sechs Monaten kocht James dann zum letzten Mal das Essen für die Gefangenen, Rindfleisch mexikanisch und eine von der Chemieindustrie hergestellte Traumcreme mit Kaffeegeschmack, er selbst isst nur ganz wenig davon, er konnte sein an sich schon hohes Gewicht in den letzten zweieinhalb Jahren nur halten, weil er selbst in der Küche gearbeitet hat und damit vermeiden konnte, das Essen zu essen, das von der Gefängnisverwaltung für die Gefangenen vorgesehen ist.

Probleme mit Mitgefangenen hat er die ganzen Jahre nicht gehabt, er gilt als politischer Gefangener, als etwas anderes, und politische Gefangene werden respektiert, aber nicht als ihresgleichen angesehen, und James hat niemals versucht, das zu ändern, ihm ist das recht, auch wenn er sich nicht als politischer Gefangener sieht, und wenn, dann sind hier nur politische Gefangene. Er wiederum hat sich rausgehalten aus ihren Angelegenheiten, außer beim Fußballspielen, dort lernt er hartes Pressing und üble Tricks, das findet er interessant.

Er geht in die Ausgabe, seine beiden Handkoffer aus genopptem Leder, mit denen er eingeliefert worden war, werden ihm übergeben. Er besitzt außer dem, was er anhat, den einen Koffer voll mit Kleidung, darunter einen Leinenanzug, und den anderen Koffer mit keiner Kleidung, jedoch mit einem Notebook von Apple mit 80 MB Arbeitsspeicher und 1 GB Festplatte, und er besitzt seinen Lohn für zweieinhalb Jahre Küchenarbeit, Lohnstufe IV 12,02 Euro am Tag, macht knapp 200 Euro im Monat, davon gehen dann 60 bis 65 Euro für Zigaretten und Schokolade ab und gelegentlich noch was für Sonderausgaben, wie sie in Gefängnissen eben so anfallen. Es verbleiben ihm 4.413 Euro und 33 Cent, von denen er 2.500 Euro direkt vom Gefängnis aus an seinen Bruder schickt, um alte Berliner Schulden zu begleichen, wozu er bislang aus finanziellen Gründen nicht gekommen war. Mit den beiden Koffern geht er dann noch einmal in seine Zelle und packt den Rest seiner Sachen.

‚James’ ruft der Hotelbesitzer ihm nach, als er wieder auf dem Weg nach draußen ist. James hat nun 2 Jahre und 6 Monate, also die ganze Zeit seines Gefängnisaufenthaltes, mit ihm zusammen in der Gefängnisküche gearbeitet.

‚Ja’? James dreht sich um.

‚Sagt man im Gefängnis ‚Auf Wiedersehen’?’

‚Keine Ahnung’, sagt James und wendet sich wieder zum Gehen.

‚Was ich noch sagen wollte, das Hotel, von dem ich Dir erzählt habe, das leer steht, Du kannst es haben, wenn Du willst.’

James dreht sich nochmals um.

‚Nicht das Haus, das bekommen mal meine beiden Töchter, aber solange ich hier drin bin kannst Du es betreiben.’

‚Ich wusste gar nicht dass Du zwei Töchter hast’ entgegnet James, ohne auf das Angebot einzugehen.

‚Ist hier drin auch nicht so wichtig. Ich habe ihnen verboten, mich zu besuchen, so muss ich mich nicht grämen, wenn sie sowieso nicht gekommen wären.’

‚Warum? Warum kann ich es betreiben?’

‚Warum nicht. Es steht leer’, ruft der Hotelbesitzer zurück ohne auf die Frage zu antworten, weil er in den letzten zweieinhalb Jahren von James gelernt hat dass es auf manche Fragen gar keine Antwort gibt.

‚Und wo steht es und wie heißt es?’

‚Das Grand Hôtel Bodensee in Lindau, an der Seepromenade im Hafen.’

Wo sonst, denkt James.

‚Ich schau mal’, ruft er zurück. ‚Die Schlüssel?’

‚Der Laden ging in letzter Zeit nicht mehr so toll’ ruft der Hotelbesitzer. James hebt den Arm, ohne sich nochmals umzudrehen. ‚Die Türe ist offen’ ruft der Hotelbesitzer ihm noch nach, aber das hört James schon nicht mehr.

*Christen dürfen immer freitags kein Fleisch essen, und auch nicht in der Fastenzeit, an den anderen Tagen ist aber so ziemlich alles erlaubt, auch Klippdachse* und Elefanten.

Juden dagegen, das ganze Jahr über, und nicht nur 4 Wochen lang, dürfen Fleisch und Milchspeisen nicht gemeinsam zubereiten und schon gar nicht gleichzeitig essen dürfen, 4-5 Stunden Abstand, mindestens. Sie dürfen zwar Fisch, aber keine Schalen- und Krustentiere essen, und nur Wiederkäuer mit gespaltenem Huf, keinesfalls also Kamele, Klippdachse, Hasen und Schweine, wobei Kamele zwar Wiederkäuer sind, aber keine gespaltenen Hufe haben, während das Schwein 1a durchgespaltene Hufe hat, aber nicht wiederkäut, also alle unrein.

Im Islam, sagen die Moslems, ist es hingegen generell verboten, Schweine, Schildkröten und Elefanten zu essen, Kamele, Klippdachse und Hasen sind erlaubt.

Buddhisten, dürfen überhaupt keine Tiere schlachten, deshalb stellen sie dafür Muslime an, die sie dann dafür herzlich verachten.

Dass man am jeweils ersten Mittwoch der Monate ohne U im Namen keine Katzen essen soll, steht aber unbegreiflicherweise nirgends.

*Der Osterhase beruht übrigens auf einem Übersetzungsfehler der Bibel, eigentlich kommt zu Ostern der Klippdachs.

In der Bibel gibt es Übersetzungsfehler noch und nöcher.

Wissenschaftliche Sprachforscher mit Respekt vor Religionen haben herausgefunden, dass zu keinem Zeitpunkt ein Kamel durch ein Nadelöhr hätte gehen sollen, wie eher schlichtere, aber lustigen Absurditäten nicht abgeneigte Theologen Jesus unterstellen wollen gesagt zu haben, sondern nur ein Schiffstau, weil nämlich im Aramäischen Schiffstau so ähnlich heißt wie Kamel. Wie weiß ich allerdings auch nicht.

*Eine sehr stark verkürzte Zuordnung.

Der Nihilismus verneint zwar, dass das Sein einen Sinn hat, betont die extreme Sinnlosigkeit der Existenz, neigt aber auch dazu, durch die Überwindung von sich selbst einen neuen, anderen Menschen zu schaffen. Die Möglichkeit sieht James in der Gefängnisküche nicht.

o.T., 2014

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