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ОглавлениеIch verlasse das Lokal, die Spelunke in Åsane, gehe zur Tür hinaus, in neuen Stiefeln der Marke Garmont, sie sind hellgrün und passen hervorragend zu meinem Anzug, einem dunkelblauen Anzug mit hellen Streifen und weiten Hosenbeinen. Ein neues weißes Hemd, und am auffallendsten, ein neuer Sportrucksack, orangefarben, er leuchtet. Ich bin zufrieden mit der Figur, die ich abgebe, gehe zielstrebig zur Kirche von Åsane hinauf, wo ich erneut auf den Postweg stoße. Es heißt, Rousseau habe bei seinen Ausflügen eine Art armenisches Gewand getragen; Pelzmütze und Pelzschal, einen Lodenpullover. Es gibt ein Porträt von ihm in diesem Aufzug, gemalt von Allan Ramsay. Die selbstbewusste Pose, die Verrücktheit, die man in seinem Blick erahnt, entspricht dem Selbstporträt, das er in der Einleitung zu seinen Bekenntnissen skizziert: »Ich plane ein Unternehmen, das kein Vorbild hat und dessen Ausführung auch niemals einen Nachahmer finden wird. Ich will vor meinesgleichen einen Menschen in aller Wahrheit der Natur zeigen, und dieser Mensch werde ich sein.«
Aber es ist nicht möglich, die Wahrheit über sich selbst zu schreiben.
Man schreibt und versteckt sich. Man kleidet sich in Sprache.
Was Maurice Blanchot über Kierkegaard schrieb, gilt auch für Rousseau: »Indem er bis zu einem gewissen Grad unaufhörlich über sich selbst spricht und die Begebenheiten in seinem Leben reflektiert, stellt Kierkegaard für sich selbst die Regel auf, nichts Wichtiges über sie auszusagen, und gründet seine Größe darauf, das Geheimnis zu bewahren. Er erklärt und verhüllt sich.«
Das armenische Gewand ist eine Verkleidung, und auf die gleiche Art schreibt Rousseau, um sich zu verbergen. Er sucht nicht Zuflucht in der Natur, sondern versteckt sich in der Literatur, hinter einem Wald aus Worten. Er dichtet sich und seine Umgebungen, und so muss es wohl auch sein. Rousseau ist nicht anders, er macht sich anders, der Schriftsteller, der uns glauben machen möchte, dass er ein Kind der Natur ist, entpuppt sich als der künstliche Held schlechthin; ein Provokateur, ein Flaneur, ein echter und wahrer Poseur: »Einzig und allein ich. Ich fühle mein Herz – und ich kenne die Menschen. Ich bin nicht gemacht wie irgendeiner von denen, die ich bisher sah, und ich wage zu glauben, dass ich auch nicht gemacht bin wie irgendeiner von allen, die leben. Wenn ich nicht besser bin, so bin ich doch wenigstens anders. Ob die Natur gut oder übel daran getan hat, die Form zu zerbrechen, in der sie mich gestaltete, das wird man nur beurteilen können, nachdem man mich gelesen hat.«
Wenn man Rousseau dann gelesen hat, ist man voller Bewunderung für den Schriftsteller Jean-Jacques, der Mensch erscheint einem dagegen unzugänglicher, fast schon unsympathisch, aber es ist das Privileg des Lesers, seinem Schriftsteller niemals guten Tag sagen zu müssen: »So bin ich nun allein auf dieser Welt, habe keinen Bruder mehr, keinen Nächsten, keinen Freund, keine Gesellschaft außer mir selbst.«
War es Rousseau, der die Einsamkeit erfand?
Man könnte den Eindruck gewinnen. Wie alle großen Einsamen träumt Rousseau von der Gemeinschaft, und je mehr er über diese Gemeinschaft nachsinnt und über sie schreibt, desto einsamer fühlt er sich. Das Schreiben trägt ihm Feinde ein, das Schreiben isoliert ihn und macht ihn einsam. Aber das Schreiben ist zugleich der Speer des Achilles, der die Wunde heilt, die er geschlagen hat; das Schreiben ermöglicht es Rousseau, seine Einsamkeit mit Lesern und Idioten zu bevölkern.
Rousseau tritt dem Leser mit der gleichen Überlegenheit und Gleichgültigkeit entgegen wie Montaigne in seinen Essais: »Dieses Buch, Leser, gibt redlich Rechenschaft. Sei gleich am Anfang gewarnt, dass ich mir damit kein anderes Ziel als ein rein häusliches und privates gesetzt habe […]. Ich selbst, Leser, bin also der Inhalt meines Buchs. Es gibt keinen vernünftigen Grund, dass du deine Muße auf einen so unbedeutenden, so nichtigen Gegenstand verwendest. Deshalb, lebe wohl!«