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Kapitel 7

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Willi fuhr die beiden sogar bis vor die Tür des Museums in Kalkriese. Sie bedankten sich artig und winkten dem netten Trucker noch hinterher. Der ließ noch einmal fröhlich die trötende Hupe erschallen, und dann war Willi mitsamt seinem riesigen Lastzug verschwunden.

»Nun, Munin, ich denke, da können wir uns nur bedanken«, sagte der Professor und schaute zu Mara.

Die nickte. »Ja, danke. Das war schon alles ein bisschen wenig schlau von mir, und es ist auf jeden Fall besser, wenn er sich jetzt an nix mehr erinnert. Aber ich wollte doch nur versuchen, ob wir irgendwie reden können ohne …«

»Ohne etwas zu sagen?«, beendete der Professor ihre Erklärung amüsiert und Mara musste grinsen. Im Nachhinein kam sie sich wirklich ziemlich blöd vor. »Aber wir konnten doch auch nix dafür, dass das verdammte Puschelmonster plötzlich auf der Autobahn steht.«

»Nicht direkt, nein«, lachte der Professor. »Auf jeden Fall ist mir jetzt klar, dass du, Munin, deinen Namen völlig zu Recht trägst.«

»Was heute Hugin, ist morgen Munin«, entgegnete der Rabe und neigte seinen Kopf.

Mara war überrascht, dass sie auch mal ein Rätsel verstand, ohne dass es ihr der Professor erklären musste. Hugin hieß so viel wie »Gedanke« und Munin war die »Erinnerung«. Also bedeutete der Satz des Raben: Der Gedanke von heute ist die Erinnerung von morgen.

»Wo er recht hat …«, begann der Professor und wendete sich dann an die beiden Raben. »Es ist zwar ebenso logisch wie verrückt, dass ein Vogel namens Erinnerung selbige auch nehmen kann. Aber ich frage mich nun doch, was ihr noch so draufhabt.«

Die Antwort der Raben bestand aus einem stummen Blick.

Mara musterte die beiden Vögel. Ob sie auch nur geliehene magische Kräfte hatten, so wie sie selbst? Nein, gab sie sich selbst die Antwort. Dies waren Odins Raben, und der hatte sicher Besseres zu tun gehabt, als alle paar Tage für seine Vögel Tankstelle zu spielen.

»Nun ja, eine Aufzählung hätte mich jetzt auch gewundert«, murmelte der Professor und zuckte mit den Achseln. »Wie sieht’s aus, Mara Lorbeer? Wollen wir mal schauen, ob unser Gepäck noch da ist?«

»Viel wichtiger ist mir, ob da immer noch Wäsche zum Wechseln drin ist«, erwiderte Mara, die sich schon seit Stunden so verpappt und zerdrückt vorkam wie ein Klebestift im Kindergarten.

Wenige Minuten später standen sie auch schon vor der Sicherheitstür des Gebäudes, das die Restaurationsabteilung und die Büros des Museums beinhaltete. Dort hatten sie gestern ihre Koffer zurückgelassen. Der Professor wollte gerade den Finger nach der Klingel ausstrecken, als sie beide erschrocken zusammenfuhren.

»Wo. Ist. Mein. Auto?«

Mara und der Professor drehten sich um und blickten in die furiosen Augen von Stefanie Warnatzsch-Abra. Die Exfrau von Professor Weissinger sah aus, als würde sie jeden Moment spontan explodieren, und als könnte nur eine ehrliche Antwort sie davon abhalten.

»Du bist aber früh hier«, antwortete der Professor ungerührt und lächelte dazu unschuldig.

»Ich bin nicht früh hier, du Scherzartikel, sondern lange!«, entgegnete Steffi scharf. »Denn als ich irgendwann gegen drei Uhr endlich aus dem Büro kam, stand mein Auto nicht mehr auf dem Parkplatz

»Geklaut? Ach du liebe Zeit, aber wer sollte denn ausgerechnet hier …«, wollte der Professor gerade loslügen, aber er wurde sofort unterbrochen.

»Du«, sagte Steffi. »Du und dieses wunderliche Mädchen.«

Wunderlich? Na toll, vielen Dank. Genau das wollte ich nie sein. Hab ich also doch was geerbt von meiner Mama, dachte Mara und verdrehte die Augen.

»Du brauchst gar nicht so zu gucken, als würdest du um Beistand von Oben bitten, junge Dame!«, schimpfte Steffi weiter. »Der hilft euch jetzt auch nicht! Los, raus damit. Wer sonst weiß, wo ich seit Jahr und Tag meinen Ersatzschlüssel versteckt habe?!«

»Dein amtierender Ehemann vielleicht?«, entgegnete Professor Weissinger lahm.

Steffi lächelte ihn kalt an. »Eloquent pariert, Herr Professor. Aber ich wüsste nicht, warum der extra seine Studien in Norwegen abbrechen sollte, um mal eben mein Auto den Teutberg runterzuschubsen

Diese Antwort ließ sogar Professor Weissinger kurz die Balance verlieren, und er brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten. Auch Mara war erstaunt. Woher wusste sie …

Stefanie Warnatzsch-Abra war anzusehen, dass sie diesen Moment genoss: »Da fragt ihr euch jetzt, wie ich das wissen kann, nicht wahr? Nun, die Antwort ist denkbar simpel. Ich habe gestern Nacht direkt das Auto als gestohlen gemeldet und siehe da, eben gerade bekam ich einen Anruf, dass man es gefunden hat: bei Detmold, zwischen ein paar Bäumen am Hang des Teutbergs! Der Polizist am Telefon ist wohl ebenso ein Witzezäpfchen wie du, Reinhold, denn er sagte, er hätte nur am Nummernschild erkannt, dass es sich bei dem Haufen um ein Auto handelt. Hahaha!«


Gott sei Dank war Mara nicht zum Lachen zumute. Ihr war das Ganze einfach nur fürchterlich unangenehm. Denn schließlich hatte Steffi ja einfach nur recht!

Inzwischen hatte der Professor allerdings genug Zeit gehabt, um sich einigermaßen zu sammeln. Er hob beschwichtigend die Hände. »Hohoho, nun mal langsam, verehrte Frau Professor. Das heißt doch noch lange nicht, dass wir …«

Steffi nickte. »Zugegeben, ich kann es nicht beweisen. Aber hier sind die erdrückenden Indizien: Ihr musstet gestern von hier verschwinden. Zu Fuß ist so gut wie sinnlos, gestern fuhr aber auch kein Bus mehr, und der Mann vom Taxifunk in Bramsche hat gestern Abend niemanden hier abgeholt, jadahabichangerufenunterbrichmichnicht. Du kennst mein Auto, du weißt, wo der Ersatzschlüssel ist, und ihr hattet es eilig. Trotzdem habt ihr euer Gepäck hiergelassen, somit hattet ihr vor zurückzukommen! Also?«

Wow, die hat’s ja ganz schön drauf, dachte Mara. Nicht schlecht. Vielleicht muss man so was als Archäologin aber auch können, wenn man nach der Buddelei die Funde deuten soll.

Aber Steffi war noch nicht fertig. Sie deutete auf Maras Stab. »Und jetzt will ich zwei Dinge: erstens den Delfin wieder zurück, und zweitens eine ehrliche Antwort auf die Frage: WARUM!«

Bevor der Professor wieder dagegenhalten konnte, hatte Mara den kleinen Bronzedelfin vom Stab gezogen. Sie reichte ihn Steffi, und ihre Stimme klang belegt. »Hier. Vielen Dank, der hat uns letzte Nacht das Leben gerettet. Von außen sieht er genauso aus wie gestern, also können sie ihn jetzt wieder in die Vitrine legen.«

Steffi nahm das kleine Kunstwerk und sah Mara nachdenklich an. »Komisch. Gerade eben noch wollte ich unbedingt wissen, was ihr da mitten in der Nacht in Detmold zu suchen hattet … und jetzt fühlt es sich so an, als sollte es mir unbedingt egal sein.«

»Ich kann nur so viel sagen«, meldete sich der Professor zu Wort. »Es ist besser für dich, wenn du nichts weißt.«

»Reinhold, ich bin wie du. Ich hasse es, etwas nicht zu wissen. Erst recht dann, wenn ich etwas besser nicht wissen sollte. Also raus mit der Sprache. Und wehe, die Antwort gefällt mir nicht, dann werd ich richtig sauer, und du als mein Herr Ex weißt, was das bedeutet. Also?« Und dabei sah sie Mara durchdringend an.

»Ähm … gleymið«, antwortete Mara und erreichte damit nichts als einen fragenden Blick. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie die beiden Raben mitleidig den Kopf schüttelten.

Alles klar. Ich kann grad gar nix außer dem üblichen Seherinnenmist, dachte Mara frustriert. Na, ganz toll, Hauptsache, ich bin das coole Fass, das man so spitzenmäßig mit Götterkräften füllen kann. Wenn nur mal welche da wären. Echt spitze!

Am liebsten hätte sie Steffi einfach alles erzählt, aber das würde nicht anders laufen als ihr erstes Treffen mit Professor Weissinger. Und der hatte ihr ja auch erst geglaubt, als … hm.

Sie sah wieder zu den Raben hinüber, dann zum Professor, und in ihrem Kopf entstand so etwas Ähnliches wie ein Plan.

»Liebe Steffi, so leid es mir tut, ich kann dir leider wirklich nicht sagen, warum das alles passiert ist«, erklärte der Professor gerade.

»Wieso? Meinst du, ich bin zu dumm, es zu verstehen?«, schnappte Steffi.

»Aber nein, nein, ganz im Gegenteil! Ich würde sogar sagen, du bist viel zu intelligent und würdest darum tausend und einen Grund finden, warum das alles Quatsch ist, was wir erzählen! Trotzdem ist es nichts als die Wahrheit.« Dem Professor war anzusehen, dass er nicht weiterwusste. Der höchst reale Fakt des kaputten Autos passte nun mal überhaupt nicht zu dem ganzen irrealen Götterwahnsinn.

»Wie sagt der Engländer so schön: Try me«, erwiderte die Archäologin und sah den Professor herausfordernd an.

Der blickte zu Mara, und sie nickte nur. Wenn Hugin und Munin ein Problem darin sahen, dass die Exfrau des Professors eingeweiht war, würden sie auch ihre Erinnerung löschen, wie sie das bei Willi getan hatten. Da war sich Mara sicher.

Inzwischen hatte sie sowieso das komische Gefühl, dass die beiden Vögel eine ziemlich gute Vorstellung davon hatten, was wie zu passieren hatte. Oder zumindest, was auf keinen Fall passieren durfte. Gerne hätte sie die beiden sofort zur Rede gestellt, aber erstens war jetzt nicht der geeignete Moment für eine Unterredung zwischen ihr und zwei sprechenden Vögeln, und zweitens würden die eh wieder in grenznervigen Rätseln sprechen. Darauf hatte sie schon unter normalen Umständen keinen Bock.

Da musste Mara einmal kurz trocken in sich hineinlachen. Normale Umstände? Was war bitte normal an einer Diskussion mit zwei mythologisch reimenden Raben?

Der Professor atmete einmal entschlossen durch, und sein Blick wurde sanft. »Also gut, Steffi. Wo können wir bequemer reden als hier vor der Tür?«

»Hier vor der Tür«, antwortete die Professorin trocken. »Ich würde es nur vorziehen, wenn es jetzt passiert und nicht erst, wenn wir alle in Walhalla hocken.«

Professor Weissinger seufzte. »Oder in der Hel, nun gut. Mara, willst du, oder soll ich?«

»Ich will«, sagte Mara und schickte eine stumme Frage zu den beiden Raben. Die gaben ihr ebenso stumm die Antwort, die sie sich erhofft hatte, und Mara streckte die Hand nach Steffis Schulter aus.

»Um Gottes willen, nicht SO!«, rief der Professor, aber er war zu langsam.

Mara und der Feuerbringer

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