Читать книгу Sklavenhölle - Tomàs de Torres - Страница 6

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STUNDEN VERGINGEN. Zumindest kam es ihr so vor, denn es gab in der winzigen Zelle keine Möglichkeit, den Ablauf der Zeit zu messen. Das Licht jedenfalls änderte sich nicht.

Sie sehnte sich danach, den Arm unter den Kopf zu legen und so ein behelfsmäßiges Kissen zu bilden, doch die Ketten hielten ihre Handgelenke unbarmherzig auf der Höhe ihres Schritts. Schließlich legte sie sich auf den Rücken – die Schmerzen dort klangen allmählich ab –, mit angezogenen und leicht gespreizten Beinen, um wenigstens etwas Spielraum für die Hände zu gewinnen. Doch allzu bequem war diese Position auch nicht, da dann die schwere Verbindungskette zwischen Hand- und Fußfesseln auf ihrem nackten und haarlosen Geschlecht zu liegen kam. Immerhin legten sich ihre Kopfschmerzen.

So kroch die Zeit dahin, bis unvermittelt ein tiefer, hallender Gongschlag ertönte. Die Gefangene schrak auf und blinzelte in die Scheinwerfer. Was hatte das zu bedeuten?

Sie lauschte und wagte kaum Luft zu holen, als ob ein zu tiefer Atemzug eine schlafende Bestie wecken könne.

Nichts geschah.

Sie entspannte sich wieder. Vielleicht war das die Art, wie hier die Zeit gemessen wurde? Ein Gongschlag entsprach einer Stunde – oder einem Tag?

Sie ließ den Kopf in das feuchte Stroh zurücksinken, richtete sich jedoch sofort wieder auf: Der Gongschlag wiederholte sich! Diesmal jedoch, das war zumindest ihr Eindruck, klang er tiefer und drängender. Drohender.

Noch während sie überlegte, wie sie sich verhalten sollte, ertönte ein Klicken, gefolgt von einem Summen und einem Schaben, als ob irgendein Mechanismus in Gang gesetzt worden wäre. Sie sah auf: Das Gitter am Kopfende der Zelle glitt nach oben. Die entstehende Öffnung maß höchstens 50 Zentimeter im Quadrat, wobei die oberen Kanten abgerundet waren.

Dann verstummte das Summen, das Gitter rastete ein. Der schwarze Vorhang dahinter bewegte sich wie in einem leichten Luftzug.

Die Gefangene setzte sich auf und starrte die dunkle Öffnung an. Es war offensichtlich, was von ihr erwartet wurde. Aber konnte sie sich wirklich dort hindurchzwängen? War das überhaupt möglich mit den Ketten? Und was befand sich jenseits des Vorhangs?

Sie schauderte. So trostlos ihr Dasein in dieser nach ihren eigenen Exkrementen stinkenden Zelle auch war, das Unbekannte war noch schlimmer. Nein, sie wollte nicht durch dieses Loch kriechen, wohin auch immer!

Ein neues Geräusch ließ ihren Kopf herumrucken: das Schaben eines Riegels, begleitet von einem unterdrückten Fluch. Die Tür am anderen Ende der Zelle schwang knirschend auf, dahinter wurde der Zyklop sichtbar. Er ging in die Hocke und musterte sie mit seinem großen Auge und zusammengekniffenen Brauen.

»Was ist heute los mit dir? Brauchst du für alles eine besondere Einladung?«

Er schob einen meterlangen Metallstab mit feuerroter, keilförmiger Spitze in ihre Richtung. Sie stieß einen Laut kreatürlicher Furcht aus und versuchte, aus der Reichweite des Stocks zu kriechen. Irgend-woher wusste sie, dass eine Berührung der Spitze schrecklich weh tun würde.

Der Zyklop lachte hart und machte eine blitzschnelle Bewegung in ihre Richtung. Das Ende des Stabes traf sie am rechten Oberschenkel. Ein Blitz, eine knatternde Entladung, und der reißende Schmerz eines Elektroschocks raste durch ihren Körper. Sie heulte auf und machte einen Satz in die andere Richtung, der sie mit rasselnden Ketten ins Stroh warf, wo sie um Atem ringend liegen blieb.

»Hopp!«, kommandierte der Zyklop. »Oder brauchst du’s noch mal?«

Stöhnend hob sie den Kopf. Durch einen Tränenschleier erblickte sie die Öffnung mit dem Vorhang, nur wenige Zentimeter vor sich. Sie stemmte die Hände ins Stroh, spannte die Beine an und robbte, so schnell sie dazu in der Lage war, in Richtung der Öffnung, getrieben von Furcht und dem Gelächter des Zyklopen.

Ihr Kopf teilte den Vorhang. Im Dämmerlicht dahinter war kaum mehr zu erkennen als ein langer, aus Gitterstäben gebildeter Gang, der etwa den Querschnitt der Öffnung in der Zellenwand aufwies. Er ähnelte den Käfiggängen im Zirkus, durch die man Raubtiere in die Manege trieb.

Nein, sie wollte keinesfalls durch diesen Gang kriechen, wohin auch immer, aber die Erinnerung an den rasenden Schmerz des Elektroschocks trieb sie vorwärts. Der Boden bestand aus Holzbohlen, mit denen die Gitterstäbe verschraubt waren. Nach dem ersten Meter bereits schmerzten ihre Knie und ihre blanken Brüste, und nach dem zweiten all ihre Glieder, denn durch die Fesseln und den geringen seitlichen Spielraum des Gangs war sie gezwungen, sich wie ein Wurm fortzubewegen: das rechte Knie anwinkeln, sich mit beinahe ihrem ganzen Gewicht draufstützen, den linken Fuß nachziehen und den ganzen Körper die gewonnenen Zentimeter vorwärtsschieben. Dann zur Abwechslung das linke Knie anwinkeln …

Endlich zeichnete sich ein langgestreckter Lichtkegel auf dem Boden vor ihr ab. Mit einer letzten Kraftanstrengung beschleunigte sie ihre Bewegungen, tauchte ein in das Licht und erreichte kurz darauf eine Öffnung, die das Ende des Käfiggangs markierte. Sie zögerte einen Augenblick, dann steckte sie ihren Kopf hindurch.

Nach dem Halbdunkel im Gang blendete sie das Licht. Sie zwinkerte – und riss im nächsten Moment beide Augen weit auf, trotz der schmerzenden Helligkeit.

Einen Meter vor ihr lag ein Kopf.

Es war der Kopf einer Frau mit kurz geschnittenen, weißblonden Haaren und einem silbernen Ring mit grünem Stein am linken Ohr. Der Boden bestand aus den gleichen groben Holzbohlen wie im Käfiggang, und seltsamerweise war keine Spur von Blut zu sehen.

Noch während sie versuchte, den Schock zu verarbeiten, wandte sich der Kopf ihr zu. Ein gerötetes, aber durchaus hübsches Gesicht, in dem sich eine dunkle Linie vom rechten Auge bis zum Mundwinkel herabzog, wo Tränen das Make-up hatten zerlaufen lassen.

Die Frau lächelte sie an.

»Hi! Hab dich schon vermisst.«

Dann rümpfte sie die Nase und wollte offensichtlich etwas hinzufügen, doch eine schneidende Männerstimme fuhr dazwischen.

»Kein Geschwätz! Haltet ihr das vielleicht für ein Kaffeekränzchen?«

Ein tiefes Brummen ertönte, das aus dem Boden zu kommen schien. Der Kopf zuckte und stieß ein langgezogenes »Huuuuuuu« aus. Die weißblonde Frau schloss die Augen, biss sich auf die Lippen und atmete stoßweise, immer schneller, bis sie schließlich zu wimmern begann. Dann warf sie den Kopf in den Nacken und schrie laut und anhaltend.

Ein Schatten fiel über den Kopf, lang und drohend.

»He, was soll das?«, fragte die gleiche Männerstimme wie zuvor. »Ein Orgasmus ohne Erlaubnis? Das wird dir noch leidtun!«

Das Brummen verstummte, und die Weißblonde entspannte sich langsam. Ein kraftloser, aber keineswegs verzweifelter Blick aus verklebten Augen traf die Gefangene, die all dem in stummem Unglauben zugesehen hatte.

Sie riss sich los vom Anblick des aus dem Boden ragenden, scheinbar körperlosen Kopfes, und musterte den ausgedehnten Raum.

Er war größtenteils leer, Boden und Wände bestanden aus Holz. Die Decke, von der diverse Stricke und Ketten herabhingen, schwebte hoch über einer Anzahl Scheinwerfer. Eine grob gezimmerte Treppe führte an der Rückwand hinauf ins Licht; neben ihrem Fuß wuchs ein meterhoher, dicker Vierkantbalken aus einer eisernen Verankerung. An den Wänden waren diverse Metallteile angeschraubt.

Im Hintergrund erkannte die Gefangene zwei weitere Frauen, ebenso nackt wie sie selbst. Eine kauerte in einem kleinen Käfig, der an einer dicken Kette von der Decke hing. An der Unterseite des Käfigs war ein Blecheimer eingehakt, und in diesem Moment spreizte die Insassin die Beine und begann mit ausdruckslosem Gesicht, ihre Blase zu entleeren. Die Stahlringe eines Intimpiercings blitzten im Scheinwerferlicht auf. Die Frau hatte halblanges, schwarzes Haar und eine Tätowierung am linken Oberarm: die Zahl 79.

Eine weitere Frau saß an der Seitenwand am Boden, die Beine weit gespreizt, die Arme hoch über den Kopf erhoben. Hand- und Fußgelenke waren durch dicke Eisenklammern mit dem Boden beziehungsweise der Wand verbunden. Die Frau war nackt bis auf eine schwarze Haube, die ihren Kopf vollständig umhüllte; das offene Ende eines Gummischlauchs ragte auf Mundhöhe daraus hervor. An den Brustwarzen hingen mit Bleigewichten beschwerte Krokodilklemmen.

Ein Paar Stiefel tauchte unversehens vor dem Gesicht der Gefangenen auf und ließ sie alles andere vergessen. Ihr Herz machte einen Satz.

Was geschieht jetzt?

Sie drehte den Kopf, um besser nach oben blicken zu können. Es war nicht der Mann aus ihrer Zelle, sondern ein jüngerer, mit dichtem braunem Haar, doch er war ebenso gekleidet wie der Zyklop: schwarze Stiefel, schwarze Hose mit Bügelfalte, nackter Oberkörper. Um den Hals trug er ein silbernes Kettchen.

Er beugte sich zu ihr herab und packte sie unter den Achseln. So zog er sie wie eine Gliederpuppe aus dem Käfiggang und stellte sie vor sich auf die Füße. Als sie schwankte und zu fallen drohte, ergriff er ihre Oberarme und hielt sie in eisernem Griff.

»Für dich haben wir heute etwas ganz Besonderes vorbereitet!«

Sklavenhölle

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