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1. Bilanzierung und Aktualität von Joint Venture aus deutscher Sicht

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Der grenzüberschreitende Handel mit Gütern und Dienstleistungen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Angesichts des anhaltenden Trends zur Globalisierung und des in den meisten Branchen immer intensiveren Wettbewerbs gelten Kooperationen in vielen Fällen sogar als zwingend, um erfolgreich im globalen Konkurrenzumfeld bestehen zu können. Um die Unternehmensziele zu erreichen, wenden sich viele Unternehmen Kooperationen bzw. Allianzen zu, um so die Erhaltung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch Teilung von Ressourcen, Wissen und Fähigkeiten besser und nachhaltiger als im Alleingang zu lösen. Zu den Formen möglicher Allianzen gehören insbesondere Joint Venture, die in den letzten Jahren immer stärker an Bedeutung gewonnen haben.

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Besonders an Bedeutung gewann in den letzten Jahren die am stärksten institutionalisierte Kooperationsform, das Joint Venture (Gemeinschaftsunternehmen). Allein 70 % von den dreißig größten im DAX gelisteten deutschen Kapitalmarktunternehmen unterhielten laut einer im Jahr 2011 durchgeführten Studie von Bader/Preusche im Geschäftsjahr 2010 Joint Venture-Aktivitäten.[1] Insbesondere in bestimmten Branchen wie der Energieversorgung, der Bauindustrie oder der Automobilindustrie liegt eine hohe Anwendung von Joint Venture in der Praxis vor.[2] Ausgeweitet auf den europäischen Raum ermittelten Leitner-Hanetseder/Stockinger bezogen auf das Geschäftsjahr 2010 eine Joint Venture-Praxisrelevanz von etwas mehr als 70 % bei einer Grundgesamtheit von insgesamt 343 untersuchten Konzernabschlüsse börsennotierter Unternehmen in Europa.[3] Speziell auch die Europäische Union fördert die Gründung von internationalen Joint Venture kleiner und mittlerer Unternehmen mit mehreren Programmen – wie zum Beispiel dem Programm Joint European Venture.[4]

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Neben rechtlichen und steuerlichen Aspekten sind bei Joint Venture im Rahmen der Rechnungslegung auch spezifische Bilanzierungsthemen zu lösen. Die Rechnungslegung von Joint Venture hat – wie bei anderen Unternehmensformen – zunächst die grundsätzliche Aufgabe der Zahlungsbemessung für die steuerliche Gewinnermittlung[5] sowie für die gesellschaftsrechtliche Gewinnverteilung an die Eigentümer (Ausschüttungsbemessung) zu erfüllen. Darüber hinaus hat die Rechnungslegung noch insbesondere unternehmensbezogene Informationen an Kapitalgeber, Management und andere Interessenten zu liefern. Denn die internationale Ausrichtung der Unternehmen zieht meist auch einen erhöhten externen Finanzbedarf nach sich. Hierfür greifen viele Unternehmen auch (z.B. wegen der derzeitigen „Kreditklemme“ der Kreditwirtschaft) auf in- und ausländische Kapitalmärkte zurück. Diese Inanspruchnahme setzt voraus, dass sich in- und ausländische Kapitalgeber über die Rendite-Risiko-Positionen ihres finanziellen Engagements im Unternehmen informieren können.

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Für die Bilanzierung von Joint Venture sind aus deutscher Sicht zunächst folgende Sachverhalte bezüglich des Standorts zu unterscheiden:

1. inländisches Joint Venture Unternehmen (sog. Equity Joint Venture[6] als Personen- oder Kapitalgesellschaft) mit in- und/oder ausländischen Joint Venture Partnern;
2. ausländisches Joint Venture Unternehmen (als Personen- oder Kapitalgesellschaft nach ausländischem Recht) mit in- und/oder ausländischen Joint Venture Partnern.

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Zu 1.: Eine inländische Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG) oder Kapitalgesellschaft (AG, GmbH) unterliegt zunächst primär den deutschen handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften der §§ 238 ff. HGB. Personenhandelsgesellschaften, deren persönlich haftender Gesellschafter wiederum eine juristische Person ist (insbesondere GmbH & Co. KG; AG & Co. KG; aber auch Ltd. & Co. KG), unterliegen hierbei den gleichen, verschärften Rechnungslegungsbestimmungen wie eine Kapitalgesellschaft (§ 264a HGB). Das Joint Venture Unternehmen muss daher zunächst – neben seiner steuerlichen Gewinnermittlung – einen regulären handelsrechtlichen Jahresabschluss (Einzelabschluss) erstellen und publizieren.[7] Besondere, Joint Venture-spezifische Bilanzierungsnormen bestehen auf Ebene des Einzelabschlusses keine. Allenfalls ergeben sich Joint Venture spezifische Bilanzierungsthemen aufgrund der typischen projektbezogenen Geschäftstätigkeit eines Joint Venture; hier ist insbesondere die (langfristige) Auftragsfertigung im Bereich des Anlagenbaus zu nennen.[8] Anstelle des handelsrechtlichen Einzelabschlusses darf eine Kapitalgesellschaft jedoch wahlweise ihren Einzelabschluss nach Internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) veröffentlichen (§ 325 Abs. 2a HGB).

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Im Rahmen des Einzel- wie auch Konzernabschlusses des jeweiligen in- oder ausländischen Partnerunternehmens ist die Joint Venture Beteiligung ebenso bilanziell zu erfassen. Der handelsrechtliche Einzelabschluss eines in- oder ausländischen Partnerunternehmens ist hierbei ebenso nach den deutschen bzw. den jeweiligen nationalen handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften zu erstellen. Die bilanzielle Erfassung der Beteiligung am Joint Venture Unternehmen erfolgt hierbei nach HGB regelmäßig im Finanzanlagevermögen nach dem sog. Anschaffungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 HGB).

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Der Konzernabschluss des Joint Venture Partnerunternehmens wird – anders als der Einzelabschluss – aber regelmäßig nach IFRS-Rechnungslegungsnormen erstellt werden. Denn Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen[9] mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union müssen seit 2005 nach diesen Regeln aufgestellt werden. Zusätzlich räumt das bestehende Wahlrecht den EU-Mitgliedstaaten in Art. 5 der EU-Verordnung Nr. 1606/2002 das Recht ein, den Anwendungsbereich der IFRS auszudehnen. Demnach ist es den Mitgliedstaaten freigestellt, die IFRS-Rechnungslegung für Einzelabschlüsse der kapitalmarktorientierten Unternehmen und auch für nicht kapitalmarktorientierte Konzern- und Einzelabschlüsse vorzuschreiben oder wenigstens zuzulassen. In Deutschland muss demnach der Konzernabschluss eines kapitalmarktorientierten Mutterunternehmens nach IFRS erstellt werden (§ 315a Abs. 1 HGB); ein nicht kapitalmarktorientierter Konzern darf seinen Konzernabschluss wahlweise nach HGB oder mit befreiender Wirkung nach den IFRS erstellen (§ 315 Abs. 2 HGB). Insofern ist ein handelsrechtlicher Einzelabschluss eines Joint Venture Unternehmens für Zwecke der Erfassung im (befreienden) IFRS-Konzernabschluss des Joint Venture Gesellschafters bereits intern im Rahmen der Konsolidierungsarbeiten in eine sog. Handelsbilanz II (HB II) auf IFRS-Basis zu transformieren. Die IFRS-Rechnungslegung schlägt daher indirekt bereits auf Ebene des Einzelabschlusses durch, da dieser regelmäßig als HB II bereits intern nach IFRS zu erstellen ist. Für die bilanzielle Abbildung der Joint Venture Beteiligung im Konzernabschluss bestehen sowohl nach HGB (§ 310 HGB) wie auch nach IFRS (IFRS 11) spezifische Regelungen.

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Zu 2.: Ein ausländisches Joint Venture Unternehmen (z.B. in der Rechtsform einer Partnership oder Ltd.[10]) muss zunächst wiederum nach den jeweiligen nationalen Bilanzierungsnormen seines ausländischen Standorts einen Einzelabschluss erstellen. Im EU-Anwendungsbereich dürfen bzw. müssen Einzelabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen in den überwiegenden Fällen bereits nach IFRS anstatt nach nationalen Standards erstellt werden.[11] Dagegen spielt die IFRS-Bilanzierung im Einzelabschluss nicht-kapitalmarktorientierter Unternehmen vor allem für Zwecke des Konzernabschlusses des jeweiligen Joint Venture Partners eine Rolle. Denn für Zwecke des (befreienden) IFRS-Konzernabschlusses ist der jeweilige Einzelabschluss in einen IFRS-Abschluss (sog. HB II) zu transformieren. Auf dieser Basis erfolgt dann die bilanzielle Erfassung der Joint Venture Beteiligung im jeweiligen IFRS-Konzernabschluss des Joint Venture Partnerunternehmens.

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Außerdem sind Joint Venture Gestaltungen auch auf Basis rein vertraglicher Kooperationen (sog. Contractual Joint Venture, siehe hierzu im Einzelnen die Ausführungen im 8. Kapitel) sowohl im In- wie Ausland möglich. Ein solches Contractual Joint Venture führt jedoch nicht zu einem bilanzierungspflichtigen, im Außenverhältnis selbstständigen Joint Venture Unternehmen; sondern die bilanzielle Abbildung der vertraglichen Vereinbarungen erfolgt in den jeweiligen Abschlüssen der Joint Venture Partner.[12]

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Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Bilanzierung von Joint Venture insbesondere für die bilanzielle Abbildung der Joint Venture Beteiligung im Konzernabschluss des Joint Venture Partnerunternehmens eine wichtige Rolle spielt. Der handelsrechtliche Einzelabschluss eines Joint Venture Unternehmens ist nach deutschem Verständnis vor allem für die Bemessung der Ausschüttungen und Steuerzahlungen maßgeblich; Joint Venture-spezifische Bilanzierungsfragen spielen hier keine große Rolle. Im Konzernabschluss dominieren allerdings die Informationsaufgaben gegenüber den Kapitalgebern; insofern stellen die IFRS die Bilanzierungs-Benchmark auch für den Konzernabschluss nicht kapitalmarktorientierter Joint Venture Partnerunternehmen dar. Die Notwendigkeit eines IFRS-Abschlusses wird z.B. bei der Fremdkapitalbeschaffung deutlich. Durch die Regelungen von Basel II und Basel III wurden die Kreditvergabevorschriften insofern verschärft, dass Kreditinstitute verpflichtet sind, risikoadäquate Zinssätze den einzelnen Kreditengagements zuzuordnen. Die Zinssätze orientieren sich dabei am Rating des einzelnen Unternehmens, das sich auf die Rechnungslegungsdaten stützt. Vorteilhaft an der Rechnungslegung nach IFRS kann aus Sicht des Unternehmens sein, dass die IFRS-Bewertungsvorschriften tendenziell eigenkapitalerhöhend wirken, wodurch sich die Unternehmenssituation und somit das Rating verbessert. Insofern fördern die Vorgaben von Basel II und III eine faktische Entwicklung in Richtung der IFRS, da Kreditinstitute an einer standardisierten, möglichst wahlrechtsfreien Rechnungslegung interessiert sind.

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Vor dem geschilderten Hintergrund wird der Schwerpunkt des vorliegenden Beitrags auf den Bilanzierungsregeln der IFRS liegen – unter besonderer Berücksichtigung des Internationalen Rechnungslegungstandards IFRS 11 für die Bilanzierung von Joint Arrangements. Ergänzend wird auch auf Bilanzierung von Joint Venture im deutschen HGB-Abschluss eingegangen, die insbesondere für den Konzernabschluss eines nicht kapitalmarktorientierten deutschen Partnerunternehmens eine Rolle spielt.

4I › 2. Erscheinungsformen von Joint Venture

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