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4.2.2 Klassifizierung als Joint Operation oder Joint Venture

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Einstufung im Überblick:

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Liegt ein Joint Arrangement gemäß dem vorangegangenen Abschnitt (siehe oben Rn. 70 ff.) vor, dann folgt im nächsten Schritt die Bestimmung der Art der gemeinsamen Vereinbarung. Nach IFRS 11 kann ein Joint Arrangement entweder als gemeinschaftliche Tätigkeit (Joint Operation) oder Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) eingestuft werden. Die Klassifizierung ist abhängig von den Rechten und Pflichten, die sich aus der Vereinbarung für die Parteien ergeben (vgl. IFRS 11.14; IFRS 11.B14). Während den gemeinschaftlich Tätigen einer Joint Operation unmittelbar Rechte an den Vermögenswerten und Verpflichtungen aus den Schulden der Vereinbarung erwachsen (IFRS 11.15), besitzen dagegen die Partnerunternehmen eines Joint Venture nur Rechte am Nettovermögen der Vereinbarung (IFRS 11.16). Die Einstufung trifft ein Unternehmen aus eigenem Ermessen im Rahmen von vier im Standard festgelegten Prüfschritten.[93] Der nachfolgende Entscheidungsbaum gibt einen Überblick über die zu durchlaufenden Schritte. Die detailliertere Erklärung der Schritte erfolgt im Anschluss.

Abb. 8:

Klassifizierung als Joint Operation oder Joint Venture[94]


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(1) Zur Struktur des Joint Arrangements:

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Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob die gemeinsame Vereinbarung über ein eigenständiges Vehikel (separate vehicle) aufgebaut ist (IFRS 11.B16-B21).[95] Der ausschlaggebende Begriff „separate vehicle“ bleibt jedoch im Standard weitestgehend ungeklärt und wird deshalb in der aktuellen Literatur kontrovers diskutiert. Eine separate Einheit definiert das IASB als eine von den Parteien losgelöste Finanzstruktur.[96] Diese separate Struktur existiert regelmäßig bei einer Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Aber auch unabhängig von der Rechtsform können gemäß IFRS 11.B16 aus einer gemeinsamen Vereinbarung gesonderte Strukturen entstehen.[97] Fehlt eine gesonderte Einheit, dann handelt es sich bei der gemeinsamen Vereinbarung um eine Joint Operation. Nach Dittmar/Graupe kann dies beispielsweise in der Baubranche bei Arbeitsgemeinschaften oder Fertigungsgemeinschaften vorliegen, die auf Grundlage einer BGB-Innen- oder Außengesellschaft gestaltet sind. Diese Gemeinschaften sind nämlich dafür bekannt, dass die Partner meist selbst die wesentlichen Vermögens- und Schuldwerte für die Auftragsdurchführung halten.[98] Eine von den Parteien losgelöste Finanzstruktur in einer gesonderten Einheit (BGB-Gesellschaft) ist in der Praxis eher unwahrscheinlich.[99] Auch Mujkanovic/Holzapfel sehen die Zuordnung der funktional wesentlichen Vermögenswerte und Schulden für die Zweckerreichung der gemeinsamen Vereinbarung als entscheidend für die Beurteilung an, ob ein separate vehicle vorliegt oder nicht. Da aber das deutsche Recht für das Halten von Vermögenswerten und Schulden in einer gesonderten Einheit die Teilrechtsfähigkeit bzw. Rechtsfähigkeit voraussetzt,[100] können die Kriterien eines separate vehicles hierzulande regelmäßig BGB-Außengesellschaften sowie Personenhandelsgesellschaften und Kapitalgesellschaften erfüllen. Bei Bruchteilgemeinschaften nach §§ 741 ff. BGB gestaltet sich die Frage, ob eine separate Einheit vorliegt, schwieriger. Allerdings erübrigt sich in diesem Fall die Bestimmung, da bei dieser Form sowieso jede Partei direkt über seinen Anteil verfügen kann und somit eine Joint Operation vorliegt.[101]

(2) Zur Rechtsform des gesonderten Vehikels:

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Im daran anschließenden Schritt ist zu beurteilen, ob das gesonderte Vehikel eine rechtlich selbstständige Einheit darstellt (IFRS 11.B22-B24). Dies trifft zu, wenn die Einheit selbst der Träger von Rechten und Pflichten hinsichtlich der Vermögenswerte und Schulden ist und nicht unmittelbar die einzelnen Parteien der gemeinsamen Vereinbarung. Diese Unterscheidung zwischen der eigenständigen Einheit und den daran beteiligten Parteien findet im deutschen Recht stets bei Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften oder BGB-Außengesellschaften statt.[102] Dies liegt bei diesen Gesellschaftsformen in erster Linie an der (überwiegenden) rechtlichen Selbstständigkeit sowie an dem gebundenen Gesamthandvermögen, welches eine freie Verfügbarkeit der Gesellschafter am eigenen Vermögensanteil ausschließt.[103] Zum Teil wird aber Meinung vertreten, dass bei der Rechtsform der Personengesellschaft stets eine Joint Operation besteht, da Vermögenswerte und Schulden wegen der unbeschränkten Haftung nicht im Unternehmen eingeschlossen wären.[104] Dagegen spricht m.E., dass die unbeschränkte Haftung für mögliche Schulden der Personengesellschaft nicht automatisch zu einer Joint Operation führt, da die Kriterien direkter Zugriff auf die Vermögenswerte und direktes Einstehen für die Schulden kumulativ erfüllt sein müssen.[105] Da den beteiligten Partnern bei diesen Gesellschaftsformen laut der deutschen Rechtslage lediglich ein Anteil am Nettovermögen zusteht, spricht (bis jetzt) alles für ein Joint Venture.[106] Nun können nur noch vertragliche Vereinbarungen und bestehende sonstige Sachverhalte und Umstände vor der Rechtsform der separaten Einheit Vorrang haben und zur Einstufung als Joint Operation führen (vgl. IFRS 11.B23).

(3) Zur vertraglichen Vereinbarung:

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Die Rechte und Pflichten, die den Parteien aus der Rechtsform des eigenständigen Vehikels erwachsen, stimmen häufig mit dem wirtschaftlichen Gehalt eines zusätzlichen Vertrages zwischen den Parteien überein. Es kommt aber auch vor, dass die Parteien eine vertragliche Vereinbarung zur Überlagerung der durch die Rechtsform begründeten Rechte und Pflichte verwenden (IFRS 11.B25-B28). Wenn für ein Joint Arrangement zum Beispiel aufgrund von steuerlichen oder gesetzlichen Vorschriften eine bestimmte Rechtsform vorgeschrieben ist, kann ein Vertrag davon abweichend unmittelbare Rechte an den Vermögenswerten und Verpflichtungen aus den Schulden der Vereinbarung herstellen. In solch einem Fall liegt ggf. eine Joint Operation vor (IFRS 11.BC32; IFRS 11.B28).[107] Vertragsinhalte, die auf eine Joint Operation bzw. auf ein Joint Venture schließen lassen, sind beispielhaft im Standard unter IFRS 11.B27 aufgeführt. Bei einem Gesamthandsvermögen nach deutschem Recht ist jedoch eine vollständige vertragliche Überlagerung, die zu einer Joint Operation mit einer unmittelbaren Beteiligung an den Vermögenswerten und Schulden führt, weniger denkbar.[108]

(4) Zu sonstigen relevanten Sachverhalten und Umständen:

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Im letzten Schritt muss beurteilt werden, ob andere Sachverhalte und Umstände auf eine Joint Operation schließen lassen (IFRS 11.B29-B32). Ist der Output aus der gemeinsamen Vereinbarung hauptsächlich für die gemeinschaftlich führenden Parteien bestimmt und ein Verkauf an Dritte genehmigungspflichtig, dann spiegelt dies beispielsweise nach Ansicht des IASB eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Unternehmens von den Parteien wieder (vgl. IFRS 11.B31-B32).[109] Der Nutzen aus den Vermögenswerten und die Pflicht, Schulden zu finanzieren, entstehen den gemeinschaftlich führenden Parteien unmittelbar infolge ihrer Leistungsabnahme aus der separaten Einheit und nicht in Form eines zufällig zustande kommenden Gesamtergebnisses. Somit liegt aus wirtschaftlicher Sicht eine Beteiligung an einzelnen Vermögenswerten und Schulden vor (Joint Operation).[110] Da Konstellationen in dieser Art in der Praxis häufiger vorkommen können, ist mit Umklassifizierungen in der Übergangsphase von IAS 31 zu IFRS 11 zu rechnen.[111]

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Allgemein gilt auch hier wie bei der Identifizierung einer gemeinschaftlichen Vereinbarung: Wenn sich Sachverhalte und Umstände ändern, dann ist eine erneute Beurteilung der Klassifizierung durchzuführen (vgl. IFRS 11.19). Dadurch wird der Bilanzersteller freilich nicht mittels des Standards zur stetigen Anwendung einer Bilanzierungsmethode diszipliniert. Im Gegenteil, es eröffnet weiteres Potenzial zur gezielten Gestaltung der Konzernbilanz in den kommenden Geschäftsjahren. Die ausgeweiteten Angabepflichten im Anhang führen auch zu keiner Lösung für die Bilanzanalyse, da für die Abschlussadressaten nicht daraus hervorgeht, „ob aufgrund realer Umstände eine Vereinbarung tatsächlich vorteilhaft ist oder lediglich eine [induzierte] Sachverhaltsgestaltung vorliegt“. [112]

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