Читать книгу In 60 Buchhandlungen durch Europa - Torsten Woywod - Страница 12

THE AMERICAN BOOK CENTER (ABC)

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Ohne den Büchermarkt auf dem Vorplatz wirkt das Gebäude noch einmal deutlich präsenter, zumal es so etwas wie den Übergang zum Herzen der Innenstadt darstellt. In azurblauen, großen Lettern steht der Name der Buchhandlung über dem Eingang geschrieben – eingerahmt von zwei farblich passenden Sonnensegeln sowie den ebenso strahlend blauen Rollläden an den Fenstern im ersten Obergeschoss.

Zunächst bewundere ich die Schaufenster – eine komplette Fensterfront ist ausschließlich Harper Lee gewidmet, auf der anderen Seite werden vorwiegend Bestseller präsentiert. Das absolute Highlight sind jedoch die eigens dafür ausgewählten Zitate, die von Hand auf die Schaufenster übertragen wurden.

Aus Richtung der seitlich passierenden Hauptstraße kann man dies lesen:

»What I say is, a town isn’t a town without a bookstore. It may call itself a town, but unless it’s got a bookstore it knows it’s not fooling a soul.«

Neil Gaiman, American Gods


Das American Book Center setzt auf naturhelle Holztöne, die mit schwarzen Regalelementen kombiniert werden. Im Zentrum: ein Baum.

Diese Ansicht teile ich, auch für mich gehören zu einer Stadt Buchhandlungen – und als ich jetzt ins ABC eintrete, bin ich überwältigt: Im Erdgeschoss gibt es neben diversen Bestsellern und Büchern aus den Bereichen Fashion, Beauty und Lifestyle eine größere Zeitschriftenabteilung, in deren Mitte eine Bank sowie Palmen zum Verweilen einladen. Etwas versetzt davon ragt ein großer Baumstamm aus dem Boden der Buchhandlung empor, zu dessen linker Seite sich ein Treppenaufgang anschließt.

Während auf der einen Seite die Fensterfront für viel Licht sorgt, wird die andere Seite des Treppenaufgangs von einer deckenhohen Regalwand gebildet, in der sich Reiseführer und Reisebücher finden.

Ich gehe bedächtig die Treppen hinauf und lasse meinen Blick dabei über die ausgestellten Bücher gleiten, wobei mir – direkt neben der englischsprachigen Ausgabe von Judith Schalanskys Atlas der abgelegenen Inseln (in der Penguin-Version beinahe ebenso schön wie die 2009 als schönstes deutsches Buch ausgezeichnete mare-Version) – ein Bildband ganz besonders auffällt: You Only Live Once: A Lifetime of Experiences for the Explorer in All of Us.

Zugegeben: Der Titel ist etwas reißerisch gewählt, aber die Aufmachung gefällt mir. Vorsichtig streiche ich über den dunkelgrünen Buchrücken und blättere dann ein wenig im Buch. Wunderbare Reisefotografien – einige sogar von Orten, die ich im Rahmen meiner Buchhandlungstour selbst noch sehen möchte und mich somit in dem Glauben bestätigen, dass diese Reise etwas ganz Besonderes werden kann.

Gut gelaunt stelle ich das Buch zurück ins Regal und gehe weiter die Treppe hinauf. Dabei bemerke ich, dass die gesamte Architektur auf diesen einen Baumstamm ausgelegt zu sein scheint, der auch in der nächsten Etage auffällig präsent ist. Die leicht ovalen Bücherregale ranken sich um ihn herum. Besonders auffällig dabei: Die Regale reichen ausnahmslos vom Boden bis zur Decke.

Der Aufgang zur dritten und vierten Etage (letztere ist allerdings dem Personal vorbehalten) wird von einer mittig verlaufenden Treppe gebildet, die mit Bambus verkleidet ist und somit das Gesamtbild verstärkt: Die Buchhandlung wirkt insgesamt überaus hell, modern und freundlich; durch die vielen Holztöne sowie -elemente erfährt sie einen unbeschwert natürlichen Touch.

Was das Sortiment anbelangt, findet sich hier auf drei Etagen so ziemlich alles, was das Bücherherz begehrt und in englischer Sprache angeboten wird – für den Fall der Fälle wartet in der zweiten Etage aber noch eine echte Besonderheit: die Espresso Book Machine. Hiermit lassen sich nicht vorhandene Bücher innerhalb weniger Minuten auf Wunsch aus- oder nachdrucken.

Nach meinem Rundgang plaudere ich noch ein wenig mit den Buchhändlern im Erdgeschoss und erfahre dabei unter anderem, dass der Bambus sinnbildlich für den Charakter der Buchhandlung stehen soll: Bambus ist nachhaltig, robust und widerstandsfähig – zugleich aber auch sehr flexibel –, ein sehr schönes Bild, wie ich finde.

Das American Book Center gibt es bereits seit 1972, wobei sowohl die Inhaber als auch der Standort mehrfach wechselten. Seit 1983 ist Lynn Buller die Chefin und Eigentümerin des ABCs, nachdem sie sich dem Buchhandelsunternehmen schon im Gründungsjahr – ganz spontan während eines Urlaubsaufenthaltes – angeschlossen hatte.

Am aktuellen Standort, dem Spuimarkt, der so etwas wie das Herz des Amsterdamer Bücherviertels darstellt, existiert das American Book Center nun seit 2006 und ist dort inzwischen zu einer echten Institution geworden.

Das ABC veranstaltet auch regelmäßig unterschiedlichste Events, die in der gegenüberliegenden Treehouse Gallery stattfinden und von Kunstausstellungen über Lesungen und Signierstunden bis hin zu Open-Mike-Events reichen.

Schweren Herzens verabschiede ich mich von dieser wundervollen Buchhandlung und seinen sehr netten Buchhändlern, als das American Book Center um zwanzig Uhr schließt.

Mir schwirren beim Hinausgehen unzählige Eindrücke durch den Kopf – und dann fällt mir plötzlich ein, dass ich noch gar keine Unterkunft für die Nacht habe.

Also zücke ich das Handy und entscheide mich schließlich für ein halbwegs bezahlbares Hotel, das ungefähr zwei Kilometer südlich entfernt liegt.

Der zweite Tag beginnt so ähnlich, wie der vorherige aufhörte: Dusche, Check-out, Supermarkt, Essen bei strahlendem Sonnenschein.

Mein Frühstück genieße ich im Museumspark und beobachte zunächst das bunte Treiben am frühen Morgen. Während vor dem »I amsterdam«-Zeichen bereits 1.001 Posen vollführt werden, studiere ich den Reiseführer und befrage anschließend mein Handy nach Zugverbindungen in Richtung Zwolle. Ich erkundige mich auch auf Facebook – bei meinen virtuellen Mitreisenden – nach Sightseeing-Tipps, dann steuere ich die Innenstadt an. Über die Leidsestraat geht’s in Richtung Singel sowie Bloemenmarkt – und von dort aus gleich weiter auf den Straßen Rokin und Damrak, die mich nicht nur zuverlässig zum Hauptbahnhof führen, sondern auch an vielen Sehenswürdigkeiten wie dem Nationalmonument und dem Königspalast vorbei.

Kurz vor dem Hauptbahnhof mache ich noch einmal eine Panoramaaufnahme und bin fast ein bisschen traurig, dass ich schon wieder weiterziehe.

Über Almere geht es also – nun wirklich – nach Zwolle, das einen ziemlichen Kontrast zu Amsterdam darstellt. Während in der Hauptstadt das Leben pulsiert, sobald man den riesigen Hauptbahnhof verlässt, parkt hier ein einzelner Linienbus auf dem verlassenen Bahnhofsvorplatz, dessen Fahrer gerade schläft.

Am Kiosk kaufe ich mir zwei Kaltgetränke, um der Hitze entgegenzuwirken, und laufe den Stationsweg hinauf. Und, wow: So trostlos und verlassen der Bahnhof gerade auch wirkte, so schön und idyllisch erscheint die Gegend hier. Die Stadsgracht, in der einige Paddelboote treiben, wird vom Grün eines weitläufigen Parks gesäumt, und einer der Wegweiser, die in Richtung des Stadtzentrums zeigen, berücksichtigt mein nächstes Reiseziel bereits als Sehenswürdigkeit.

Ich gehe weiter und nähere mich dem historischen Kern, der ringsum von Wasser gesäumt ist und von einer altertümlichen Burg umgeben wird. Über die Sassenpoortenbrug gelange ich auf die andere Seite des Ufers und laufe die Wilhelminasingel entlang. Für mein eigentliches Ziel ist dies zwar ein Umweg, wie ich später feststellen muss, doch in diesem Moment erscheint mir meine Wahl geradezu perfekt. Im angrenzenden Pelkwijkpark findet gerade ein Festival statt, das die halbe Stadt versammelt zu haben scheint und schon von Weitem für gute Laune sorgt.

Die gesamte Grünanlage ausfüllend, mutet das Festival wie ein großer, bunter Freizeitpark an – und ich bin mittendrin. Zwischen unzähligen Essensständen und Cocktailbars sind Bühnen aufgebaut, von denen Musik tönt; ich drehe mich langsam um die eigene Achse und sortiere die Eindrücke.

Zwischen all der Ausgelassenheit und Leichtigkeit, die von diesem Fest und seinen Besuchern ausgeht, wirke ich mit meinem riesigen Trolley anscheinend wie ein Exot. Zwei junge Frauen steuern auf mich zu und grinsen zunächst etwas mitleidig, als sie mein Übergepäck sehen – von ihnen erfahre ich dann jedoch, dass es sich hierbei um ein dreitägiges Food Festival handelt, das in der Region Kultcharakter besitzt. Und die Falafel-Tasche, die ich mir schließlich gönne, ist wie erwartet köstlich.

Nach diesem kleinen Umweg, der mich auch noch an der historischen Stadkamer vorbeiführt, biege ich auf die Broerenstraat ein. Hier verlangsame ich ganz bewusst mein Tempo, um nicht den Moment zu verpassen, in dem die Buchhandlung vor mir sichtbar wird. Durch die schmale Gasse ab der Nieuwstraat hat man freie Sicht in einen Hof – und genau in dessen Mitte erblicke ich sie:

In 60 Buchhandlungen durch Europa

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