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7. Religionswissenschaft in der frühen Neuzeit (1500–1800) 7.1 Einführung

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Veränderung und Neubestimmung von Wissen

Zwischen 1500 und 1800 veränderte sich „der Status von Wissen qualitativ und quantitativ“, wobei „die Magie der Jahrhundertwende (…) um 1800/1801 auf das Verbreitungsgebiet des Christentums beschränkt (war)“ (Osterhammel 2008: 90). Wissen wurde inhaltlich neu bestimmt, „auf andere Weise hervorgebracht und anders verwaltet als Folge medialer, technologischer und institutioneller Innovationen, aufgrund soziostruktureller Veränderungen, durch den Ausbau von Verkehrs- und Kommunikationswegen sowie durch das Anwachsen von Alternativen und Konflikten in Religion und Politik, in den Künsten und Wissenschaften.“ („Diskursivierung von Wissen in der Frühen Neuzeit“, Kiel.) Das Wissen unterschied sich auch hinsichtlich der Formen und medialen Präsentationen.

Privilegiertes und prekäres Wissen

Bevorrechtigte Texte des Zeitraums waren literarische, philosophische und religiöse Texte. Diese problematisierten bzw. disqualifizierten vorhandene Wissensbestände. Beachtung verdient nicht nur das privilegierte, von der „Wissenschaftsbourgeoisie“ erzeugte, sondern auch das „prekäre Wissen“ (Mulsow 2012). Darunter versteht man das vom Wissenspräkariat erzeugte, oft verschollene, verketzerte, unpublizierte, auch verschlüsselt weitergegebene Wissen zur Zeit der Frühaufklärung, als das Denken und Veröffentlichen von Gedanken ein Wagnis darstellte.

Geprägt war der Zeitraum durch weltweite Entwicklungen, die den Horizont des Menschen, sein Welt- und Selbstverständnis veränderten. Seit den konfessionellen Konflikten der Reformationszeit kamen die Konfrontation bzw. Begegnung mit den lebenden Religionen Asiens, Afrikas, Amerikas sowie den antiken Religionen hinzu. Dies vertiefte das Bewusstsein von der eigenen kulturellen Identität. Die „Entdeckung“ ferner Welten führte aber zu keinem Bruch mit der rückwärtsgewandten Renaissance. Offenbar waren die alten europäischen Denkstrukturen flexibel genug, um den „cosmographic shock“ (Johnson 2009: 50) relativ nahtlos in das traditionelle Weltbild zu integrieren.

Die Kolonialisierung Amerikas nahm ihren Lauf, die Kolonialmächte England, Spanien, Frankreich und die Niederlande weiteten ihre Herrschaftsbereiche aus, mehrten ihren wirtschaftlichen Reichtum. So gelangten nicht nur Güter (Kartoffeln, Kakao, Gewürze), sondern auch Menschen und Ideen in das alte Europa.

„Erfindung“ des Buchdrucks

Die „Erfindung“ des Buchdrucks durch Johann Gutenberg (um 1400–1468) revolutionierte das Informationswesen. Dadurch nahm das religiöse Wissen zu, das zum ersten Mal in der Geschichte massenhaft reproduziert und verbreitet werden konnte. Seit dem 15. Jh. hatte sich vor allem in den Städten die Lesefähigkeit der Menschen erheblich erweitert, und das Interesse an Lesbarem stieg sprunghaft. Viele sahen sich sogar nicht mehr in der Lage, der Informationsflut Herr zu werden.

Produkte der Massenkommunikation

Daher entwickelte man neuartige Methoden des Umgangs mit Gedrucktem: universale Bibliographien, noch umfangreichere Enzyklopädien, Nachschlagewerke, Florilegien („Blütensammlungen“) mit erlesenen Zitaten, Kataloge aller erschienenen Druckerzeugnisse. Um Informationen effektiver abrufen zu können, erhielten Bücher detailliertere Gliederungen und Register. Das gesammelte Wissen wurde in Bibliotheken, Archiven und Kunstkammern gespeichert.

Bilder

Die frühe Neuzeit war nicht nur die Epoche der Druckmedien (Einblattdrucke, illustrierte Flugblätter, „Newe Zeitung“), auch durch Briefe und handschriftliche Zeitungen (u.a. „Fuggerzeitungen“ wurde religiöses Wissen übermittelt (Bauer 2011). Das Zeitalter der Printmedien begann nicht erst mit Gutenberg und der Bibel, sondern mit Bilddrucken, die zu einer regelrechten „Invasion der Bilder ins tägliche Leben der breiten Bevölkerung“ (Würgler 2009: 9) führten. Aufgrund der technologischen Fortschritte bei den bildreproduzierenden Verfahren wurde die massenmediale Kommunikation immer stärker durch Bilder bestimmt. Für die Geschichte der Religionswissenschaft seit dem 16. Jh. spielten die sich gegenüber den Texten emanzipierenden Bilderwelten eine besondere Rolle. Über die schriftlichen Ausführungen zu den Vorstellungen von den Religionen, ihren Glaubensinhalten, Göttern und Kulthandlungen hinaus gewährten reichhaltige und wirkmächtige Buchillustrationen einen Einblick in „fremde“ Welten.

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