Читать книгу Einführung in die Geschichte der Religionswissenschaft - Udo Tworuschka - Страница 26

7.8 Erforschung des Judentums seit dem 16. Jahrhundert

Оглавление

Ritenliteratur

Einen Aufschwung nahm im16. Jh. die Erforschung des Judentums. Viele Abhandlungen stammten von bekehrten Juden, die andere Juden zur Konversion überreden und der christlichen Welt die „Geheimnisse“ des Judentums eröffnen wollten. Diese „Ritenliteratur“ (Veltri 2009: 4) beschäftigte sich mit jüdischen Riten, Zeremonien, Festen und Feiertagen sowie dem gegenwärtigen Leben – auch mit Muslimen und anderen Völkern. Vom frühen 16. bis zum späten 18. Jh. blühte die religionswissenschaftliche „Ritenliteratur“, die nicht einfach die Jahrhunderte lange anti-jüdische Polemik fortführte, vielmehr eine „neue Phase“ (Deutsch 2012: 2) in der Beschreibung der Rituale, Sitten und Gebräuche der Juden einleitete. Insbesondere das deutsche Judentum wurde zum Gegenstand religionswissenschaftlichen Interesses. Das erste dieser tendenziell antijüdischen Ritenbücher stammte von Johannes Pfefferkorn (1469–1521): „Ich heyß ain büchlein der iuden peicht“ (1508), in dem er die Feste Rosh ha-Shanah und Jom Kippur darstellte.

Das Studium der jüdischen Religion und ihrer Riten betrieben während Spätmittelalter, Renaissance und Reformation „christliche Hebraisten“. Um die Kabbala im Original zu lesen, studierten die Humanisten Pico della Mirandola (1463–1494) und Johannes Reuchlin (1455–1522) Hebräisch. Anfang des 16. Jh. wurden die ersten hebräischen Lehrstühle an europäischen Universitäten errichtet. Die Entwicklungen des hebräischen Buchdrucks und der Hebräischlehrstühle hängen zum Teil miteinander zusammen.

Der zu seiner Zeit führende Hebraist Johannes Buxtorf Westphalus d.Ä. (1564–1629), einer der Begründer der Wissenschaft des Judentums, beschäftigte sich insbesondere mit der nachbiblisch-hebräischen Literatur. Seine „Synagoga Judaica“ (Juden-schül, 1603) war die erste Darstellung jüdischen Lebens in Deutschland, die nicht mehr antijüdische Stereotypen und Klischees verbreitete. Gleichwohl diente diese Abhandlung letztlich dem Zweck, das jüdische Leben umso besser kritisieren zu können. Weitere Darstellungen des Judentums lieferten der evangelische Theologe Georg Johann Christoph Bodenschatz (1717–1797) und der niederländische Hebraist und Theologe Johannes Leusden (1624–1699).

Der englische Jurist, Politiker und christliche Hebraist John Selden (1584–1654) ging der Mode seiner Zeit nach und suchte die Ursprünge vieler religiös-kultureller Erscheinungen im antiken Judentum. Selden ist für die Geschichte der Religionswissenschaft vor allem aufgrund seiner Abhandlung über die phönizische und syrische Mythologie bedeutsam. Auch publizierte der produktive Autor über Kalender, Ehegesetze und Recht bei den Israeliten. In „Diis Syris Syntagmata“ (1617) beschrieb er die phönizische Mythologie, insbesondere den Schöpfungsmythos. Selden wandte die „historisch-philologische“ Methode an, um nachzuweisen, dass der Ursprung der Religionen im Osten liegt. Selden war einer der frühesten Religionswissenschaftler, die sich mit den jüdischen Karäern beschäftigten (De Anno Civili, 1619).

Komparatistisch angelegt war die Abhandlung von M. de la Crequiniere „Conformite des Coutumes des Indiens Orienteaux …“ (1704), in dem er die These vertrat, dass Inder und Juden einander im Blick auf Gottesverehrung, Kleidung, Einstellung zu Angehörigen anderer Gemeinschaften ähnlich sind.

Ein Pionier der modernen Indologie war der Jesuit und Missionar, der erste deutsche Sanskrit-Gelehrte, Heinrich Roth (1620–1668), der 1664 „die sanskretanische Sprache erlernt, um mit den Brahminen disputiren zu können“ (zitiert bei August Wilhelm Schlegel: XI). Seine „Grammaticca linguae Sanscretanae Brachmanum Indiae Orientalis“ war die erste von einem Europäer verfasste Sanskrit-Grammatik.

Einführung in die Geschichte der Religionswissenschaft

Подняться наверх