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7.6 Reformation

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Drei Reformationsbewegungen

Die Reformation war vorläufiger Höhepunkt einer Entwicklung, die seit dem 13. Jh. die römisch-katholische Kirche kritisierte. Ihre religiösen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Auswirkungen erlangten weltgeschichtliche Bedeutung. Die neu entstandenen Konfessionskulturen etablierten sich in der Folge als staatlich gleichberechtigte Kirchen neben der römisch-katholischen. Gegenüber dem Lutherbild Hegels, der den Reformator zum Geburtshelfer der Moderne und nationalen Freiheitshelden stilisiert hatte, führte die Kontextualisierung des Reformators dazu, sein Bild und das der Reformation zu relativieren („Mythos Reformation“: Schilling 2012). Die Modernisierung des Papsttums sowie die Priestern und Laien gemeinsame Frömmigkeit der devotio moderna waren Voraussetzungen für das Wirken Luthers. Auch die „innerweltliche Askese“ sowie die protestantische Arbeitsethik waren keine originären Schöpfungen des Reformators. Die Reformation gab es nicht, stattdessen drei relativ autonome Reformationsbewegungen: Wittenberg, oberdeutsche Reformation Calvins, Zwinglis, Bucers; Dissenter-Kleingruppen.

Luthers Bild von Juden und „Türken“

Der Ertrag der Reformation für die Geschichte der Religionswissenschaft ist eher gering. Zwar vertrat der Kirchenhistoriker Peter Meinhold (1907–1981) die These, dass die Reformatoren (Luther: Religionskritik und Typologie der Religionen; Melanchthon wegen seiner Begründung der Religion vom Gewissen her; Calvins „religionsphänomenologische Beobachtungen“, Meinhold 1973: 376) die Entwicklung der Religionswissenschaft „vorbereitet“ hätten. „Luther, Melanchthon und Calvin haben je in ihrer Weise ein bestimmtes Religionsverständnis entwickelt, von dem aus der Ausbau der Religionswissenschaft als einer eigenen theologischen Disziplin möglich geworden ist.“ (Kursivierung U.T.) Luthers konkrete Beschäftigung mit Judentum und Islam verfolgte kein religionswissenschaftliches Interesse, sondern nahm beide Religionen aus theologischer Perspektive wahr. Sein Bild von ihnen enthielt die üblichen Ressentiments und muss vom Kontext spätmittelalterlicher und zeitgenössischer Diskussionen gesehen werden. Luthers Bild vom Judentum, mit dem er sich von seiner ersten Vorlesung bis kurz vor seinem Tod beschäftigte, war durch seine Rezeption antijüdischer neutestamentlicher Passagen geprägt. Die Juden standen für ihn unter dem Zorn Gottes, waren „das Gegenbild dessen, was für Luther Christsein bedeutete“ (Brecht 2000: 6). Die Vorstellung eines frühen judenfreundlichen, erst später wüst-judenfeindlichen Luther mag widerlegt sein. Mit Papst, Teufel, Schwärmern und Türken opponierten die Juden für Luther gegen die Christenheit. Luther versorgte sich mit antijüdischen Klischees durch die Lektüre des ehemaligen Juden Antonius Margaritha (um 1492–1542), der mit „Der gantze jüdische Glaube“ (1530) ein judenfeindliches Werk schuf.

Wenn Luther den Islam thematisierte, sprach er von den Türken. Die Wortgruppe „Türkei, Türke, türkisch“ gehörte „zu den großen Komplexen. Luthers (…) Tischreden lassen erkennen, wie häufig und wie vielfältig das Thema aufgebracht wurde. (…) Luther ist also auf jeden Fall eine Fundgrube für die Wahrnehmung und Einschätzung der Türkei im mitteleuropäischen Horizont seiner Zeit. (…) Manche seiner Veröffentlichungen brachten es zu zehn und mehr Auflagen, was Luther bereits als einen der bedeutenderen Türkenkriegsautoren ausweist“ (Brecht 2000: 10). Luther teilte die sich in so genannten „Türckenbüchlein“ des 16./17. Jh. Ausdruck verschaffende Türkenangst vieler Zeitgenossen. Er wollte kein religionswissenschaftliches „Wissen“ über den Islam verbreiten. Im Gegenteil wurde das „Wissen“ um die türkische Religion sogar zur „Turkisierung“ des innerchristlichen Gegners instrumentalisiert (Kaufmann 2008: 42). Gegen den Islam als Häresie sollte man mit dem Schwert sowie mit Argumenten und Gebet vorgehen.

Luthers Kenntnisse des Korans („ein kisten aller kätzerien“) beruhte auf übersetzten Zitaten. Er betrachtete den Koran einseitig als muslimisches Gesetzbuch. Nicht vor 1542 war Luther die lateinische Übersetzung des Robert of Ketton (1110?–1160?) zugänglich. Luthers Freund Theodor Bibliander (1509–1564) in Basel gab die deutsche Übersetzung des Korans mit einem den Islam widerlegenden Vorwort Luthers 1543 heraus.

Das „Wissen“ über den Islam (bzw. Türken, Osmanen) wurde in Spätmittelalter und früher Neuzeit in der „Türkenliteratur“ tradiert (Flugschriften, Volksschauspiele, Türkenlieder, Türkenpredigten, Hof- und Reichstagsreden). Reisende Protestanten, oft im Gefolge diplomatischer Missionen, betteten in ihren Reiseberichten das Fremde in ihr konfessionelles Weltbild ein.

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