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7.4 „Theater“ und Kosmographie

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Das „Theatrum vitae humanae“ (1565, ab 1586 mit dem genannten Titel) des Theodor Zwinger ist eine der umfangreichsten frühneuzeitlichen Wissenssammlungen eines einzelnen Autors. Zwischen 1500 und 1800 war die Theatrum-Metapher der beliebteste Titel für frühneuzeitlich-abendländische lateinisch- und volkssprachige Wissensliteratur (u.a. Medizin, Naturwissenschaften, Chemie, Kunstgeschichte, Geographie, schöne Künste). Im 16. Jh. erlebte die Kosmographie eine neue Blüte. Es gelang ihr, den alten ptolemäischen Erklärungsrahmen für die neuen „Entdeckungen“ zu öffnen. Man nahm die Neue Welt noch nicht als eigenen Kontinent wahr, sondern ordnete sie als Insel ein, was ihre Einfügung in das bestehende kosmographische System erleichterte.

Religionsfreiheit und Toleranz

Die wohl erste deutsche Kosmographie („Weltbuch: spiegel und bildtnis des gantzen Erdtbodens …“, 1542) stammte von dem evangelischen Theologen Sebastian Franck. In seiner „Türkenchronik“ (1530) stellte er die nach seiner Einschätzung wichtigsten Konfessionen vor. Dieser universalistische Spiritualist und Mystiker war davon überzeugt, dass ein und derselbe Gott in allen – nur äußerlich verschiedenen – Religionen anwesend ist. Daher trat er für Toleranz und Religionsfreiheit ein.

Eine frühe Darstellung des gesamten Wissens von der Welt (Kosmographie) schuf der Humanist und Hebraist Sebastian Münster (1489–1552). Seine „Cosmographia. Beschreibung aller Lender …“ (1544) stellte Flora und Fauna, Sitten und religiösen Gebräuche der Länder Europas (Buch 2 und 4), insbesondere Deutschlands (Buch 3), Asiens und der „neuen Welt“ (Buch 5) sowie Afrikas (Buch 6) vor. Der Abschnitt über die Türkei enthält Schilderungen Mohammeds und „der Türcken Gottesdienst“. Münster verarbeitete klassisch-antike Quellen, deren Wahrheitsgehalt er hoch einschätzte, und zeitgenössische empirische Informationen.

„Natürlicher“ Zugang zu Religion/en

Der französische katholische Jurist und Theologe Pierre Charron (1541–1603), Schüler und Zeitgenosse von Michel Montaigne (1533–1592), der Religion/en und Kirchen mit seinem religionskritischen Spott überzog, wählte einen „natürlichen“, religionswissenschaftlichen (historischen, soziologischen) Zugang zur Religion. Das katholische Christentum war für ihn die höchste Religion („Les trois veritéz“, 1593 anonym). In einem Kapitel über die „Wahre Frömmigkeit“ in Band 2 seiner Abhandlung „De la Sagesse“ („Über die Weisheit“) stellte Charron u.a. bedauernd die quantitative und qualitative historische und gegenwärtige Unterschiedlichkeit der Religionen fest. Gleichwohl erkannte er viele Gemeinsamkeiten (Prinzipien, Fundamentalia) nicht nur im Glauben (Glaube an einen Gott, Schöpfer und Regierer über alles Geschaffene, Gottes providentia, seine Liebe und Gnade gegenüber der Menschheit, Unsterblichkeit der Seele, Belohnung guter Taten, Strafen für Missverhalten), sondern auch in ihren Handlungen (Gebete, Opfer). Charrons Diskussion der Frage, ob die religiösen Opfer und damit die Religionen reines Menschenwerk oder göttlich inspiriert seien, verband ihn mit Denkern wie Niccolò Machiavelli (1469–1527), für den Religion ein natürliches Phänomen war, das dem Herrscher Vorteile brachte.

Fiktiver Religionsdialog

Ein früher Vertreter der modernen Toleranzidee war der französische Staatstheoretiker Jean Bodin (1530–1596), dessen (nie gedrucktes, sondern durch Abschriften verbreitetes) Werk „Colloquium heptaplomeres de rerum sublimium arcanis“ (1592/3) einen fiktiven freundschaftlichen Dialog zwischen sieben Religionsvertretern (Katholik, Lutheraner, Reformierter, Jude, Muslim, Vertreter der natürlichen Religion, Indifferentist) darstellt. Alle haben eine humanistische Gesinnung und pflegen Tischkonversation bei und nach dem Mahl. Da sie im Grunde vergleichende Religionswissenschaftler sind, zitieren sie kenntnisreich andere Traditionen. Sie diskutieren die Frage der Wahrheit nicht bis zur letzten Konsequenz, sondern lassen verschiedenen Positionen nebeneinander stehen.

Einführung in die Geschichte der Religionswissenschaft

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