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3. Kapitel Verfahren bei WirtschaftsdeliktenIV. Besonderheiten in Wirtschaftsstrafverfahren › 1. Materiell-rechtliche Besonderheiten (Auswahl)

1. Materiell-rechtliche Besonderheiten (Auswahl)

a) Organe und Vertreter; § 14 StGB

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Im Wirtschaftsstrafrecht von besonderer Bedeutung ist die Regelung des § 14 StGB. Regelungsgegenstand ist die Organ- und Vertreterhaftung innerhalb von Delikten, die ausdrücklich oder nach Sachzusammenhang ein besonderes Tätermerkmal voraussetzen. Die Vorschrift unterscheidet hierbei zwischen der Zurechnung des Handelns von Organen und Vertretern nach § 14 Abs. 1 StGB und des Handelns von Beauftragten nach § 14 Abs. 2 StGB.

Nach § 14 Abs. 2 S. 2 steht das Unternehmen dem Betrieb gleich. Daraus folgt eine Organ-, Vertreter- und Beauftragtenhaftung welche eine Strafbarkeitslücke im Rahmen der Sonder- und Pflichtdelikte schließt, die aus dem Umstand folgt, dass in denjenigen Fällen, in denen das Unternehmen selbst Normadressat ist, dieses sich als rein juristische Person oder Personenvereinigung mangels deutschem Verbandsstrafrecht nicht strafbar machen kann.

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Nach überwiegend vertretener Ansicht stellt § 14 StGB danach einen Fall der „Verantwortungsverschiebung nach unten“[1] dar.[2] Von Bedeutung ist insbesondere § 14 Abs. 3 StGB. Danach sind die Abs. 1 und 2 auch für den Fall bestimmt, dass die Rechtshandlung, die die Vertretungsbefugnis bzw. das Auftragsverhältnis begründen sollte, zivilrechtlich unwirksam ist.[3]

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Mit dieser Regelung wird die Figur des faktischen Geschäftsführers anerkannt und einem regulären Geschäftsführer unter bestimmten Voraussetzungen gleichgestellt. Die faktische Geschäftsführung setzt schließlich voraus, dass durch den faktischen Geschäftsführer der Tätigkeitsbereich mit dem Einverständnis oder zumindest der Duldung des primären Normadressaten absolviert wird.[4] Dabei muss der faktische Geschäftsführer selbst die Geschicke der Gesellschaft allein bestimmen oder jedenfalls eine dominierende Rolle einnehmen.[5]

b) Kollegialentscheidungen

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Entscheidungen im Wirtschaftsleben, die auch strafrechtliche von erheblicher Bedeutung sein können, ergehen häufig im Kollektiv (bspw. Geschäftsführung, Vorstand oder Aufsichtsrat).[6] Im Rahmen von sog. Kollegial- oder Gremienentscheidungen[7] stellt sich häufig die Frage, wie einem Mitstimmenden die von allen getroffene Mehrheitsentscheidung zuzurechnen ist. Problematisch ist insoweit, ob die Gegenstimme strafrechtlich entlasten kann, oder etwa der Einwand, dass die eigene Stimme letztlich als Minderheit ohne Relevanz gewesen wäre, weil die Mehrheit für den deliktischen Erfolg auch ohne diese bestanden hätte. Verortet wird dieses Problem im Rahmen der strafrechtlichen Zurechnung.

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Die Rechtsprechung befasste sich erstmals 1990 in der sog. „Ledersprayentscheidung“[8] mit dieser Problematik. Gegenstand war eine Sondersitzung der Geschäftsführer des Unternehmens, in der entschieden wurde, dass die Anordnung eines Vertriebsstopps oder Rückrufaktion nicht in Betracht gezogen werden müsse. Hierzu wurde höchstrichterlich ausgeführt: Hätten in einer GmbH mehrere Geschäftsführer gemeinsam über die Anordnung des Rückrufs zu entscheiden, so sei jeder Geschäftsführer verpflichtet, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um diese Entscheidung herbeizuführen. Beschlössen die Geschäftsführer einer GmbH einstimmig, den gebotenen Rückruf zu unterlassen, so hafteten sie für die Schadensfolgen dieser Unterlassung als Mittäter. Jeder Geschäftsführer, der es unterlasse, seinen Beitrag zum Zustandekommen der Rückrufentscheidung zu leisten, setze eine Ursache für das Unterbleiben der gebotenen Maßnahme. Dies begründe seine strafrechtliche Haftung auch dann, wenn seine Gegenstimme am Widerstand der anderen Geschäftsführer gescheitert wäre.[9] Hieraus folgt, dass den Angaben des verantwortlichen Vorstandsmitglieds zwar grds. gefolgt und darauf (strafrechtlich entlastend) vertraut werden kann, der Grundsatz der Generalverantwortung allerdings dann greift, wenn es sich um Sachverhalte handelt, die für das gesamt Unternehmen von grundlegender Bedeutung sind, d.h. das Unternehmen „als Ganzes“ betroffen ist.[10]

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Darüber hinaus wurde 1994 erstmals höchstrichterlich die Figur der mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft anerkannt.[11] Danach kommt eine Strafbarkeit als mittelbarer Täter für denjenigen in Betracht, der sich einer Organisationsstruktur bedient, die die unbedingte Ausführung seiner Befehle garantiert. Dies soll auch dann gelten, wenn der handelnde Tatmittler dabei uneingeschränkt verantwortlich handelt.[12] Diese Rechtsprechung ist gegebenenfalls unter strengen Voraussetzungen auch auf die Organisationsstruktur eines Unternehmens übertragbar.[13] Im Jahr 2000 nahm der Bundesgerichtshof zur strafrechtlichen Verantwortungsverteilung in Bankgremien bei Kreditvergaben Stellung. Werde die Entscheidung über eine Kreditvergabe von einem mehrköpfigen Gremium getroffen, so kämen auch im Falle des Einstimmigkeitsprinzips unterschiedliche Verantwortlichkeiten der Beteiligten in Betracht. So dürfe sich beispielsweise ein Bankleiter regelmäßig auf den Bericht des zuständigen Vorstandsmitglieds oder Sachbearbeiters verlassen, soweit keine Zweifel oder Unstimmigkeiten ersichtlich seien. Einer eigenen Nachprüfung bedürfe es ansonsten nur bei Kreditvergaben, die ein existenzielles Risiko für die Bank bedeuten könnten.[14]

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In der Mannesmann/Vodafone-Entscheidung machte das Landgericht Düsseldorf 2004 Ausführungen zu der Verantwortlichkeit eines sich enthaltenden Organmitglieds.[15] Hierbei könne es dahinstehen, ob eine Enthaltung grds. als kausal für das Zustandekommen eines Beschlusses angesehen werden könne, denn jedenfalls im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, da das Gremium ohne eine Teilnahme des betreffenden Organmitglieds an der Beschlussfassung nicht beschlussfähig gewesen wäre und sich das enthaltende Mitglied zudem nicht gegen den Inhalt der Entscheidung habe stellen wollen. Nach Ansicht des BGH entsprach die Enthaltung des Arbeitnehmervertreters objektiv wie auch subjektiv im Ergebnis einer „Ja-Stimme“, die mit Rücksicht auf seine Stellung als Arbeitnehmervertreter lediglich nach außen hin nicht erkennbar sein sollte.[16]

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Zusammenfassend kann demnach festgestellt werden, dass derjenige, der an einer Gremienentscheidung teilnimmt und einem Beschluss mit strafrechtlich relevantem Inhalt zustimmt, hierfür strafrechtlich infolge der mittäterschaftlichen Zurechnung der Beschlussfassung verantwortlich ist. Dabei bleibt unberücksichtigt, ob für die Entscheidung mehr Stimmen abgegeben wurden, als dies gesellschaftsrechtlich erforderlich gewesen wäre.

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Ein überstimmtes Mitglied kann hingegen wegen seiner bloßen Abstimmungsmitwirkung mangels Schaffung eines unerlaubten Risikos nicht durch individualisierendes Zuschreiben einer Kollektivverantwortung des Gesamtgremiums für Folgen des rechtswidrigen Beschlusses verantwortlich gemacht werden.[17] Voraussetzung ist, dass der Betroffene in der Gremiensitzung seine Stimme gegen den Beschluss erhoben hat und hierbei alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um einen Beschluss mit den strafrechtlichen Folgen zu verhindern.[18] Bei der Beurteilung der Stimmenthaltung begründet diese zunächst keinen Tatbeitrag im Sinne eines positiven Tuns. In Betracht kommt hingegen ein garantenpflichtwidriges Unterlassen, da das sich der Stimme enthaltende Mitglied seine Pflicht, im Rahmen des Beschlussverfahrens alles Mögliche und Zumutbare zur Verhinderung des strafrechtlichen Erfolges getan zu haben, verletzt.[19]

c) Schadensbestimmung

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Maßgeblich sowohl bei der Frage, ob überhaupt ein strafbares Verhalten vorliegt,[20] als auch bei der Frage, in welchem Umfang eine Schädigung eingetreten ist, ist die Schadensbestimmung.[21] Diese ist häufig umstritten und Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die zentralen Punkte sollen nachfolgend kurz beleuchtet werden.

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Es entspricht der herrschenden Auffassung, dass der Vermögensnachteil i.S.d. § 266 StGB (Untreue) dem Schaden des § 263 StGB (Betrug) entspricht.[22] In diesem Zusammenhang ergaben sich in der Vergangenheit erhebliche Unstimmigkeiten über die Ermittlung des jeweiligen Vermögensschadens. Unter anderem wurde die Einhaltung des verfassungsrechtlich in Art. 103 Abs. 2 GG verorteten Bestimmtheitsgebots in Zweifel gezogen. Dem ist das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen vom 10.3.2009[23] und vom 23.6.2010[24] nur sehr eingeschränkt gefolgt. Selbst die sog. schadensgleiche Vermögensgefährdung wurde als Rechtsfigur aufrechterhalten.

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Nach ständiger Rechtsprechung des BGH. . . ergibt [grds.] ein Vergleich der Vermögenslage vor und nach dem Vertragsschluss, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist.[25] Eine solche Nachteilsermittlung beinhaltet also, dass zunächst – auf einer geldwerten Bemessungsgrundlage – Vor- und Nachteile einer Handlung gegenübergestellt werden und sich hieraus eine Inkongruenz ergeben muss.[26]

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Durch das Bundesverfassungsgericht wurden die Anforderungen an den Nachweis des Nachteils konkretisiert. Formulierungen wie die aufs Äußerste gesteigerte Verlustgefahr“ oder das Handeln nach Art eines Spielers sind als Begründung für das Merkmal des Vermögensnachteils nunmehr unzureichend. Vielmehr bedarf es einer konkreten Ermittlung des Vermögensschadens. Der Vermögensnachteil muss dem Grunde und der Höhe nach in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise konkret anhand anerkannter Berechnungsmethoden festgestellt werden. Zur Ermittlung des Mindestwerts bedarf es erforderlichenfalls der Hinzuziehung eines Sachverständigen.[27]

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Die Annahme eines Vermögensnachteils scheidet auch dann aus, wenn der Vermögensverlust unmittelbar durch die treuwidrige Handlung kompensiert wurde.[28] Dies ist der Fall, wenn Nachteile, die durch die Untreuehandlung eingetreten sind, durch erlangte Vorteile gleichfalls wieder ausgeglichen werden. Der Vermögenszuwachs muss hierbei eine wirtschaftlich vollwertige Kompensation darstellen.[29] Davon ist auszugehen, wenn der Geschäftsherr im Rahmen eines treuwidrigen Austauschvertrags für sein Vermögensopfer eine gleichwertige Gegenleistung erhält, oder er infolge der treuwidrigen Erfüllung einer Schuld – unabhängig von der Durchsetzbarkeit der Forderung – von einer Verbindlichkeit befreit wird, oder wenn ohne einen rechtlich begründeten Anspruch künftige Vorteile dergestalt zu erwarten sind, dass mit Wahrscheinlichkeit ein Vermögenszuwachs eintreten wird.[30]

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Die schadensgleiche Vermögensgefährdung[31] stellt einen vollendeten Schadenseintritt dar, in Form der konkreten Gefährdung des Gesamtvermögenswerts. Nach wirtschaftlicher Betrachtung liegt danach zwischen Gefährdung und Schaden nur ein quantitativer Unterschied und die Entstehung des endgültigen Schadens stellt einen prozesshaften und sukzessiven Vorgang dar.[32] Ein Gefährdungsschaden ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit eines endgültigen Verlusts so groß ist, dass dies schon gegenwärtig eine objektive Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat.[33]

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