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Beispiel 4: Eine Völkerwallfahrt nach Zion (Triojesaja und Psalm 72)

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Unserer Erzählung von der Königin von Saba am nächsten kommt der sogenannte dritte Jesaja (Tritojesaja).26 Er bezieht in die freundliche Sicht auf fremde Länder ausdrücklich auch Saba ein. Im Zentrum seiner Worte steht eine Aufforderung. Der Anfang dieser Aufforderung ist manchen von uns aus der Adventszeit bekannt: „Mache dich auf, werde Licht, denn dein Licht kommt …“, heißt es in Jesaja 60 Vers 1. Aufmachen sollen sich nach diesem Wort alle Völker zu einer Prozession zum Zion nach Jerusalem. Tritojesaja schildert dann, wie aus aller Welt Völker und Könige tatsächlich zum Zion kommen (V. 3). Unter ihnen befindet sich eine Karawane aus Saba, beladen mit Gold und Weihrauch (V. 6). Sie gehört zu der großen Vision des Propheten, in der Jerusalem mit den Völkern der Fremde verbunden wird.27

Genug der Beispiele. Wir haben uns in einen größeren Zeitraum um das Jahr 500 v. Chr. herum begeben und aus dieser Zeit Texte entdeckt, die eine gleiche Weltoffenheit und freundliche Sicht auf Fremde zeigen wie unsere Geschichte von der Königin von Saba. Wir haben sogar zuletzt einen visionären Text gefunden, der direkt von einer königlichen Prozession nach Jerusalem berichtet, zu der auch eine Karawane aus Saba gehört, mit Gold und Weihrauch beladen. Wir erkennen in diesen Zeugnissen manche konkreten Züge, vor allem aber die geistige Grundhaltung unserer Geschichte wieder.

Diese Erkenntnisse erklären aber noch nicht, weshalb eine Königin aus Saba und König Salomo die Hauptakteure dieser Geschichte sind.

Versuchen wir, uns hineinzuversetzen in Menschen aus Israel, die in dieser bewegten, durch die obigen Beispiele charakterisierten Zeit gelebt haben. Den Menschen damals ist vermutlich schon seit Generationen ein Land in Arabien bekannt, in dem Frauen das Sagen gehabt haben sollen. Dass es dort Königinnen gebe, hat nämlich schon im 8. Jahrhundert Tiglat-Pileser III. berichtet. Aus seinen wahrscheinlich in der ganzen damals von Assur beherrschten Welt verbreiteten Annalen kennen wir sichere Zeugnisse von solchen Königinnen.28 Eine nun dieser Königinnen aus der Fremde29 kann in der Phantasie der Israeliten30 damals eine der Karawanen, nämlich die aus Saba, angeführt haben, von der Tritojesaja in seiner Vision berichtet. Eine solche Königin galt wie ihr durch eigene Ressourcen (Weihrauch) und durch Handel wohlhabendes Land als sehr reich und, zumindest diplomatisch, als klug.

Nun muss für eine solche Königin ein angemessener Gastgeber und Partner unter den Königen, die in Jerusalem regiert haben, gefunden werden. Geht man die Reihe der Könige und ihr Image durch, dann kommt nur Salomo für diese Rolle infrage; denn um Salomo hat sich, je später desto mehr, ein ganzer Sagenkranz gebildet, der von seiner Weisheit und seinem Reichtum handelt, von seiner Zuneigung zu Frauen aus aller Welt und von seiner Weltgewandtheit.31

Wir brauchen die beiden Linien von Sabas Prozession nach Jerusalem und der (nord-)arabischen Königinnentradition einerseits und von der Weisheit Salomos andererseits nur zusammenzuführen und schon ist mit ihrer Verbindung erzählerisch-literarisch ein großes Königspaar geboren – nicht nur für die alttestamentliche Überlieferung, sondern auch für die gesamte Kunst- und Literaturgeschichte.

Freilich: die so entstandene Skizze zum weltgeschichtlichen und literarischen Hintergrund unserer Erzählung ist noch sehr allgemein, der Zeitraum ihrer Entstehung weit bemessen.

Fachleute für die Literaturgeschichte der hebräischen Bibel haben noch genauere Konturen und Daten ausgemacht und dabei auch eine frühere Epoche der Geschichte Israels ins Spiel gebracht. Es ist an der Zeit, ihre Überlegungen nun vorzustellen.

Das Rätsel der Königin von Saba

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