Читать книгу Das Rätsel der Königin von Saba - Ulfrid Kleinert - Страница 8

Spurensuche. Eine Einführung

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Es geht mir oft so bei Entdeckungsreisen: am Anfang steht eine Geschichte. In diesem Fall die biblische Geschichte von der Begegnung zwischen König Salomo von Jerusalem und der anonymen Königin von Saba aus dem 10. Kapitel des 1. Buchs der Könige. In ihr ergreift die Frau die Initiative: sie hat von Salomos Ruf als großem Weisen gehört und will ihn mit Rätseln prüfen. Mit imponierendem Aufgebot kommt sie nach Jerusalem, stellt ihre Fragen und erhält auf alle eine Antwort, so dass ihr der Atem stockt und sie feststellen muss, dass Salomos Weisheit alles übertrifft, was sie gehört hat. Daraufhin preist sie die Menschen glücklich, die in Salomos Nähe leben. Am Ende ihrer Begegnung steht der Gabentausch: Salomo erhält große Mengen der reichen Schätze Sabas und seines Handels an Gold, Spezerei und Edelsteinen; und er selbst schenkt der Königin alles, was sie – unausgesprochen? – begehrte, was sie – ausdrücklich – erbat, und was zu schenken eines Königs würdig ist. Die Heimkehr der Königin in ihr Land beschließt die Episode.

Etwas vom Zauber des Orients hat mich an ihr berührt. Da wird erzählt einerseits an den für die innere Dynamik der Begegnung wichtigsten Stellen in knapper Form und mancherlei Andeutungen, die der Phantasie viel Spielraum lassen – und sogar ganz schweigend da, wo man es gern genauer hätte (wie bei den Rätseln, die die Königin dem König aufgab). Andererseits wird ausgeschmückt und übertrieben in der Schilderung des äußeren Rahmens: der viele Tonnen schweren wertvollen Geschenke, die die Karawane durch die Wüste ins Land Salomos schleppt, und des Hofstaats, der die Königin beim Empfang erwartet und der von ihr glücklich gepriesen wird wegen seiner Nähe zum großen König. Zu ihm zu gelangen lohnt offensichtlich auch die beschwerlichste Reise.


Almaqah-Tempel von Sirwah im heutigen Jemen, einem großen religiösen Zentrum der Sabäer. Die Bauzeit des Tempels reicht bis auf wenige Jahrzehnte in die salomonische Zeit zurück. Der Blick geht vom 1. Propylon über den Vorhof zum 2. Propylon (Pfeilereingang). Der eigentliche Tempel dahinter war nicht überdacht und mit einer ovalen Mauer umgeben. Der Turm stammt aus islamischer Zeit.


Noch berühmter als Sirwah war in der Antike das 40 km östlich gelegene Marib. Die Einheimischen nennen den dortigen, vom DAI ausgegrabenen Bar‘an-Tempel nach dem islamischen Namen der Königin von Saba „Thron der Bilqis“. Auch seine ältesten Bauteile reichen nahe an die Salomozeit heran. In der Mitte des Fotos ist unten im Vorhof der Anlage ein Opferaltar zu sehen, zu dem drei Stufen führen.


Das kleine Foto zeigt den Opferaltar des Bar’an Tempels von den Stufen aus, die zu den 6 Pfeilern und damit ins Tempelinnere führen. Deutlich zu erkennen sind an der Seite des Altars ein Becken mit Abfluss und Trog, in dem möglicherweise das Blut des Opfers gesammelt werden konnte.


Wer heute den Bar‘an-Tempel besucht, findet auf dem erhöhten Platz hinter den sechs Pfeilern diesen schön verzierten Altarstein; ganz oben ist er von einer sabäischen Inschrift umgeben. Es handelt sich um die Widmungsinschrift an eine sabäische Gottheit, vermutlich an Almaqa. Der Altarstein wird auf ca. 6. Jh. v. Chr. datiert und stand vermutlich ursprünglich auf der Galerie des Vorhofs.


Die den Staudamm von Marib begrenzende südliche Schleusenanlage, über die das Wasser in das Maribs Gärten bewässernde Kanalsystem weitergeleitet wurde, ist noch heute gut zu erkennen; sie geht auf sabäische Zeit zurück; auf ihrem Mauerwerk finden sich zahlreiche u.a. sabäische Inschriften.


Der Staudamm zwischen den beiden Schleusenanlagen ist nicht mehr erhalten. Er wurde im 6. Jahrhundert n. Chr. endgültig zerstört. Er war 680 m breit und reichte vom Podest der Südschleuse (im Vordergrund rechts) bis zur Nordschleuse (im mittleren Hintergrund des Fotos halblinks). Mit diesem Damm sicherten die Sabäer, dass das Wasser der Regenzeiten nicht unkontrolliert ins Tal ablief und statt dauerhaften Nutzen für die Gärten nur Zerstörung brachte.


Auch die Mauern des ebenfalls aus sabäischer Zeit stammenden nördlichen Schleusenwerks sind noch heute gut erhalten und 11 km südwestlich von Neumarib zu sehen.

Eine faszinierende Geschichte nicht nur für den aufmerksamen Leser von heute, sondern seit zweieinhalb Jahrtausenden für viele Menschen beiderlei Geschlechts, dreier Religionen und vieler Völker. Sie wird schon in der Bibel selbst in Worten Jesu und in der Weihnachtsgeschichte des Matthäus als bekannt vorausgesetzt. In mittelalterlichen jüdischen Überlieferungen, in einer Sure des Koran aus Mohammeds Zeit in Mekka, in zarten persischen Miniaturen der Safawidenzeit und in fabulierenden muslimischen Texten, auch in der Geschichte der Königsdynastien Äthiopiens wird sie auf anrührende Weise, manchmal auch in abenteuerlichsten Variationen weitererzählt. Mit hoher Kunst finden wir sie durch die Jahrhunderte hindurch gestaltet und neu entworfen in mancherlei Büchern, Skulpturen, Gemälden, Glasfenstern, Oratorien und Filmen.

Ich wollte der Geschichte auf den Grund gehen und habe dazu nicht nur die Zeugnisse der Religions-, der Literatur- und der Kunstgeschichte studiert. Ich habe auch versucht, der Entstehung dieser Geschichte auf die Spur zu kommen: wie sah sie am Anfang aus, aus welchem Anlass wurde sie erzählt, was für eine Botschaft hatte sie? Ich bin dazu in den Jemen und nach Äthiopien gereist, um die Orte zu sehen, an denen einst Könige und Königinnen der Sabäer regiert haben sollen, und um zu prüfen, was dort historisch nachgewiesen werden kann. Ich war da, wo die erste große Etappe der Weihrauchstraße entlangführt,3 wo in und bei der alten Sabäerhauptstadt Marib amerikanische und deutsche Archäologen die Tempel des sabäischen Hauptgottes Almaqua ausgegraben haben und noch ausgraben. Unumstritten sabäischen Ursprungs sind auch Tempel und Paläste in Yeha in Äthiopiens Norden, während über den sabäischen Ursprung von Ausgrabungen unter einem frühchristlichen Palast in Äthiopiens ebenfalls im Norden gelegener alter Metropole Axum gestritten wird.


Der sabäische Tempel von Yeha im Nordwesten Äthiopiens, dessen erhaltene Grundmauern bis ins 7. vorchristliche Jahrhundert zu datieren sind, ist so gut erhalten, weil in seinen Mauern ca. 1000 Jahre später eine christliche Kirche Platz fand. Heute steht eine äthiopisch-orthodoxe Kirche ein paar Dutzend Meter östlich davon. Vor dem Hauptkorpus des Tempels gab es ein Propylon, dessen Pfeiler nicht erhalten sind. Durch ihn betraten Priester bzw. Kultteilnehmer in der Regel nur einzeln, hintereinander durch die Tür schreitend, den Tempel.

Schon Jahre zuvor und heute erneut besuchte ich auf den Spuren der alten Könige Israels auch Jerusalem, das Ziel der weiten Reise von Sabas Königin. In Jerusalem können aus Pietät gegenüber dem Islam und der Al-Aksa-Moschee keine Reste des Palastes Salomos ausgegraben werden, wohl aber sind nicht weit entfernt davon einfache Grabhöhlen zu sehen, in denen König David, sein Sohn Salomo und beider spätere Nachfolger bestattet worden sein sollen.

Gefunden habe ich Erkenntnisse zur Geschichte der Völker, der Religionen, der Geschlechter, der mittelalterlichen und neuzeitlichen europäischen und islamischen Kunst. Aber auch neue Fragen stellen sich ein – vor allem zu den Überlieferungen der Äthiopier und zur Entstehung der Texte des Alten Testaments in neuassyrischer, neubabylonischer, persischer und hellenistischer Zeit. An beiden, an Erkenntnissen und an offenen Fragen möchte ich den geneigten Leser, die geneigte Leserin teilhaben lassen. Dabei setze ich darauf, dass die Geschichte ihren Zauber durch ihre genaue Analyse nicht nur nicht verliert, sondern angesichts des Reichtums ihrer vielfältigen Interpretationen neu entfaltet und dazu anregt, sie sich auf neue Weise anzueignen und weiter zu erzählen.


Unter dem Palast des christlichen Königs Dongur aus dem 6./7. Jh n. Chr. hat der inzwischen verstorbene Hamburger Archäologe Helmut Ziegert im Frühjahr 2008 diese Mauerstrukturen ausgegraben, die seiner Meinung nach bis ins 10. Jh. v. Chr. reichen. Weil er dort zahlreiche Spuren von Schaf- und Rinderopfern gefunden habe, außerdem zwei Basaltsäulen, die den Bau in Richtung des zum Sothiskult gehörenden Sirius-Sterns ausrichten (ein Säulenstumpf ist in der Mitte des Fotos zu erkennen), vermutete er hier einen Tempel des Menelik, den dieser über einem Palast der Königin von Saba gebaut habe, dessen Überreste wiederum unterhalb des Tempels (im Vordergrund des Bildes) lägen. Die deutlich älteren Mauerstrukturen, der bearbeitete Basaltstein und die Knochenfunde unter dem Dongurpalast weisen tatsächlich auf eine alte bedeutende Stätte hin, an der Tiere geschlachtet wurden. Nichts außer den mündlichen Erzählungen der Bauernfamilien aus der Umgebung legt aber nahe, dass es sich um sabäisches Mauerwerk (vgl. dazu die viel weiter entwickelte sabäische Mauertechnik S. 13–16 und 18) oder gar um Gebäude der sagenumwobenen Königin von Saba oder ihres und Salomos mutmaßlichen Sohnes Menelik handelt.

Das Rätsel der Königin von Saba

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