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Auswurf in der Suppe

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Im Hause meiner Großeltern war immer etwas los, entweder war die Bude voll von wunderlichen Tanten, die bei der Erntekampagne halfen oder ein Geburtstag wurde großartig gefeiert. Und mein Cousin Heiner hatte bestimmt erneut eine verrückte Nummer abgezogen. Irgendwas Unterhaltsames gab es jederzeit. Meine Cousins waren massige Riesen, phlegmatisch und friedlichen Gemüts. Aber manchmal, wenn sie der Hafer oder sonst was stach, wurden sie zu gefährlichen Kampfmaschinen. Wenn sie sich, vor Kraft und Übermut strotzend, auf der Bodentreppe prügelten, hörte sich das an, als klärten zwei Wasserbüffel die Rangordnung. Einmal war das stabile Eichengeländer einfach durchgebrochen und beide stürzten krachend in den Flur. Die waren derart bullig auf sich und das Kampfgeschehen konzentriert und schienen ihren Absturz gar nicht zu bemerken, weil sie ohne die geringste Unterbrechung am Boden weiterrauften. Das mutige Eingreifen meiner Großmutter mit ihrem Krückstock brachte schließlich Frieden in die Kriegsarena. Auslöser für derartige Ausschreitungen war oft das köstliche Essen meiner Oma. Vor allem, wenn es besonders erstklassig gelungen war. Dann nämlich spuckte Heiner seinem Bruder sprichwörtlich und mit absichtsvoller Arglist in die Suppe. Und schon war wieder die schönste Rauferei im Gange. Am Ende kam der speiende Heini so dennoch zu seiner zweiten Portion, weil sein Bruder nur auswurffreies Essen mochte. Einmal geriet das Mittagsbrot-Scharmützel gänzlich außer Kontrolle: Oma hatte ausnehmend fein gekocht, als Heiner seine Zusatzration beanspruchte. Er spie los und wollte sich gerade die angespuckte Beute widerrechtlich einverleiben, als den Geschädigten die nackte Wut ankam. Pfeilschnell griff er seinen Teller und zerschlug mit geballter Kraft das Steingut auf dem Kopf seines zügellosen Bruders. Das Gericht flog wirbelnd durch die Küche und Heiner schreiend vom Stuhl, neben dem er schweigend liegen bleib. Nur Oma schrie noch. Ich hatte mich in die Ecke neben den abgenutzten Stubenbesen gerettet, dort standen wir beide stocksteif. Vor meine Füße waren zwei unschuldige Pellkartoffeln gerollt und in meinem Gesicht klebte warme Bratensoße. Das war nicht schlimm. Heiner hingegen musste sich wegen seines Bruders und seiner Gefräßigkeit in ärztliche Behandlung begeben. Es wurde genäht, Bettruhe verordnet und ein fürchterliches Donnerwetter losgelassen.

Ihr Vater, also mein Onkel, war überzeugter Kommunist und hasste selbst den Wind, wenn der aus Westen blies. Heiner war nicht nur sein Sohn, sondern auch das Gegenstück seines Denkens und Tuns. Sohnemann hörte, wie wir alle, am liebsten Radio Luxemburg, den erklärten Feindsender des deutschen Ostens. Auf die ständigen Attacken und Nörgeleien meines Onkels reagierte Heini schlagfertig mit gelangweiltem Sarkasmus. Treffsicher und rücksichtlos. Das konnte er glänzend und brachte damit nicht nur seinen sonst gutmütigen Vater aus der Fassung. Wir bogen uns vor Lachen. Einmal, als es die beiden besonders arg trieben, packte meinen Onkel der Rappel und er das Kofferradio meines Cousins. Er warf das unschuldige Gerät wegen des brandaktuellen Beatles-Songs Helter Skelter durch das geschlossene Küchenfenster, das Radio landete direkt auf dem Hof und dessen hartem Pflaster. Es schepperte und splitterte enorm. Der Titel von den Beatles hat überlebt, das Sternradio 111 und die Fensterscheibe nicht.

Bravourös in die Suppe gespuckt

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