Читать книгу Bravourös in die Suppe gespuckt - Uli Grunewald - Страница 6

Kaltlächelnd trennte die schicke Frau den Kopf vom Rumpf

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Dieses Kapitel war beendet. Das dachten alle. Bis zu dem Tag, als es nebenan klingelte und eine hochelegante Lady mit enggeschnürter Taille, Sonnenbrille und rotem, hochhackigem Lackleder sich nach Max, dem weißen Schäferhund, erkundigte. Die Anwesenden waren verdutzt und wiesen stumm auf die letzte Ruhestätte. Die junge Tierärztin, als die sich die attraktive Besucherin herausstellte, war beauftragt, den Hingerichteten post mortem auf Tollwut zu untersuchen. Ich glaube, bei uns standen noch immer die Münder offen und die Haare zu Berge, als das Topmodel der Veterinärinnung längst ihre Pumps mit schwarzen Männergummistiefel getauscht und forsch mit der Exhumierung begonnen hatte. Nachdem der stark nach Verwesung riechende Max ans Tageslicht befördert war, bugsierte Madam die sterblichen Überreste ohne Handschuhe auf die Ladefläche ihres Autos, trennte mit dem Fuchsschwanz kaltlächelnd den Kopf vom Rumpf und verpackte den moderigen Klumpen in einem Sack. Bevor sie gruß- und wortlos entschwand, wischte sie sich noch rasch Haarsträhnen aus dem Gesicht, was Spuren hinterließ.

Wenn der schlesische Onkel seinen versteckten Amouren nachging, fuhr er beschwingt mit dem Rad über Land. Mit der Begründung, frisches Brot zu holen, da das vom hiesigen Bäcker ja praktisch ungenießbar wäre. Das klang schlüssig. Der Grund für seine Reiselust war aber keineswegs der leckere Brotlaib, sondern der vom muskulösen Bäcker im Nachbarort. Von dem nämlich ließ er sich einmal die Woche kräftig durchficken und kam dann stets sehr entspannt und heiter aufgeräumt zurück, um der erwartungsfrohen Nachbarschaft die noch warmen Brotspezialitäten gönnerhaft zu überreichen. Wenn er sich anschickte, erneut loszuradeln, um die nächste Bäckergabe gierig in Empfang zu nehmen, gab er sich adrett. Zunächst schob er beide Hosenbeine etwas nach oben und presste die schlabbrige Klamotte eng zusammen, damit sie von zwei silbernen Spangen straff gehalten wurde. Seine halbhohen, frisch geputzten Arbeitsschuhe kamen dabei hübsch zur Geltung. Die Kleidung war sauber und übersät mit bunten Flicken. Mit etwas Pomade hatte er seine Haare schmuck gekämmt. Der Onkel war hässlich. Er hatte Glatze, eine blaurote Nase und ständig Flecken im Gesicht. Das wurmte ihn, denn er besaß trotz allem eine Eitelkeit, die sicher mit seiner Neigung für die Bäckerzunft zu tun hatte. In der miefigen Küche bei ihm zu Hause stand eine graue Waschschüssel aus Emaille für alles. Das Wasser wurde nur einmal am Tag gewechselt. Verirrte ich mich als Kind besuchsweise zu ihnen, machte ich um diese schwarze Brühe, auf der gern kleine Schaumbläschen schwammen, einen großen Bogen. Auf dem Donnerbalken hing in spärlichen Fetzen Zeitungspapier. Das war glatt und ich, von Phantasien angefeuert, stellte mir vor, wie die beiden alten Männer in der Backstube abwechselnd ihre Hintereingänge benutzten. In seiner Geilheit hatte der Onkel nie bemerkt, dass seine Klamotten oft genug über und über mit Mehl, Teig und Puderzucker eingesaut waren. Einschließlich Unterhose, die ihn schließlich verriet. Als man einst dem Onkel gefolgt war und die beiden in der Backstube erwischte, knetete der stämmige Bäcker alles andere als Brotteig. Damit flog das schwule Schattenleben des Onkels auf. Damals, und noch dazu auf dem Dorfe, ein Skandal. Er hat sich erhängt, wurde aber rechtzeitig gefunden, abgeschnitten und reanimiert. Nach kurzer Ruhezeit zur Kräftigung und Neubelebung nahm er seine Aktivitäten und Radpartien über Land wieder auf. Nur die Begründung für seine Ausflüge klang jetzt etwas sperriger. Als mir meine Mutter unter dem Siegel der Verschwiegenheit genierlich davon erzählte, war ich längst ein erwachsener Mann.

Bravourös in die Suppe gespuckt

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