Читать книгу Verschollen in Ostfriesland - Ulrich Hefner - Страница 15
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ОглавлениеKriminalpolizei Wilhelmshaven, Mozartstraße
Rote Sportwagen, Cabrios mit Kennzeichen aus der Hansestadt Bremen, Eike war der Verzweiflung nahe, denn die Suchmaske in der Datenbank des Kraftfahrtbundesamtes war nicht für eine solche Suchtiefe ausgelegt. Schon bei der Farbe gab es Probleme, denn manche dieser Fahrzeuge waren ohne Farbcode ausgewiesen. Doch das größte Problem war der Fahrzeugtyp. Mercedes, Porsche, Fiat, Alfa, Peugeot, Mazda sogar von Opel und Ford gab es Fahrzeuge, die der Beschreibung des Zeugen aus Basdorf entsprachen. Die Anzahl der angezeigten Fahrzeuge, nachdem Eike alle bekannten Parameter – und das waren nicht viele – eingegeben hatte, lag bei 4.097. Eine ungeheure Anzahl, die lediglich mit dem Hinweis, »Zu hohe Trefferzahl – Suchparameter verfeinern«, im Programm angezeigt wurde. Er überlegte, was er tun konnte, denn weitere Suchparameter waren nicht bekannt. Es half schon, wenn er wenigstens einen Teil der Fahrzeuge im Vorfeld ausgrenzen konnte, doch dazu benötigte er mehr Details.
Einen Augenblick lang dachte er darüber nach, sich anderen Dingen zuzuwenden, doch dann folgte er seiner ersten Idee. Er rief das Internet auf und ging auf das KFZ-Gebrauchtwagen-Portal Nummer eins der Republik, »Autokaufen.info«. Dort rief er alle Cabrios, egal welchen Baujahrs, auf und kopierte die Bilder, Front-, Seiten- und Heckansicht in eine Mappe. Insgesamt waren dies 76 verschiedene Firmen mit jeweils ein bis zwei Cabriomodellen. Er brauchte bis zum frühen Nachmittag, bis er alle 183 gängigen Fahrzeugtypen und Modelle in Farbe auf jeweils einem Blatt ausgedruckt hatte. Er suchte die Telefonnummer des Zeugen Jokisch heraus und rief ihn an. Der Mann war zu Hause.
Eike brauchte eine gute Stunde, bis er in Basdorf ankam und bei herrlichem Sonnenschein und warmen Temperaturen auf Jokisch’ Terrasse Platz nahm.
»Wir müssen noch einmal über den Sportwagen sprechen, den Sie an diesem Abend gesehen haben«, erklärte Eike den Grund seines Erscheinens. »Wir brauchen weitere Details, sonst ist die Suche nach dem Wagen beinahe unmöglich.«
Eike legte seinen Katalog vor dem Mann auf dem Tisch ab. Der Labrador saß vor dem Stuhl des Mannes und wedelte unaufhörlich mit dem Schwanz.
»Geh!«, befahl der Rentner seinem Hund und wies auf ein Kissen im Schatten einer hohen Magnolie, die neben der Terrasse wuchs.
Der Hund trollte sich, und Jokisch griff zu Eikes Katalog.
»Das war ein kleiner Sportflitzer, so ein Cabrio, ein richtig sattes Rot, so wie rote Rosen aussehen.«
»Tut mir leid, aber das Computerprogramm kennt nur die Grundfarben«, erklärte Eike. »War er denn schon älter, der Wagen?«
Jokisch schüttelte den Kopf. »Nein, keinesfalls, der war neu und alles blitzte und funkelte an ihm. Ich würde sagen, keine drei Jahre alt. Und er war klein, gerade mal für zwei Leute. Ollmert hatte ganz schön zu tun, bis er seine Koffer im Fond verstaut hatte. Es war ein Cabrio.«
»Mit schwarzem Verdeck?«
Jokisch zuckte mit der Schulter. »Keine Ahnung, da habe ich nichts davon gesehen. Aber die Kopfstützen, die waren wie zwei Höcker und schauten oben heraus.«
Er schlug den Katalog auf. »Der war klein, es gibt größere Cabrios, so wie der Mercedes SLK, den fährt mein Sohn, aber in Weiß. Den hätte ich erkannt.«
Eike nickte und nippte an dem Glas Sprudel, das ihm Jokisch zuvor eingeschenkt hatte. Zumindest vom Baujahr konnte er Fahrzeugtypen ausschließen, die älter als fünf Jahre waren.
»Der hatte auch dieses moderne Licht, fällt mir ein«, murmelte Jokisch nach einer Weile. »Das leuchtet blau, wenn einem der Wagen entgegenkommt. Nicht gelb wie bei den älteren Autos.«
»Xenon?«
»Kann sein«, entgegnete Jokisch. »Wissen Sie, mein Wagen ist neun Jahre alt, ein Nissan-Geländewagen. Ich bin nämlich Jäger und brauche ihn, wenn ich in den Wald fahre. Der hat noch gelbes Licht, und ich hoffe, ich brauche keinen anderen mehr. Vorher gebe ich meinen Führerschein ab. Hoppla, das könnte er gewesen sein.«
Er drehte Eike die Fotos zu. »Ein Porsche Boxter«, sagte Eike und schrieb sich die Marke in sein Notizbuch. Jokisch blätterte weiter.
Der nächste Wagen, bei dem er wiederum das Bild präsentierte, war ein Honda Cabrio. So ging es beinahe eine Stunde weiter, bis sich die Zahl der möglichen Fahrzeugtypen auf 16 reduziert hatte. Weitere Details fielen dem Mann nicht mehr ein. Eike bedankte sich und fuhr zurück auf die Dienststelle. Das würde den Kreis der verdächtigen Fahrzeuge deutlich verringern.
*
Davidshörn, Landgut Marschländer Hof
Hanna Schmidt war eine starke, entschlossene und geradlinige Frau um die 50. Das stellte Monika Sander bereits auf den ersten Blick fest, nachdem sie von der Inhaberin des Marschländer Hofes in ihrer Arbeitskluft empfangen wurden. Mit dem Traktor war sie auf den Hof gekommen, nachdem Lentje und Monika ein paar Minuten auf sie gewartet hatten. Sie empfing die beiden Kriminalbeamtinnen auf Bierbänken unter einem Sonnenschirm, direkt neben dem Hofladen.
»Sie sind wegen Enno Ollmert hier«, stellte die Frau fest, nachdem sie die bereitstehenden Gläser mit eisgekühlter Limonade gefüllt hatte. »Wissen Sie, ich weine ihm keine Träne nach, wegen mir braucht der erst gar nicht mehr zurückzukommen.«
Monika lächelte. »Ich hörte schon, dass Sie nicht gut auf ihn zu sprechen sind.«
»Ach so, deswegen sind Sie hier. Und Sie meinen, er liegt hier irgendwo unter einem Misthaufen. Na ja, verdient hätte er es, aber nur zu, Sie dürfen alles umgraben, und wenn Sie ihn finden, dann geben Sie ihm noch eine mit der Schaufel obendrauf, damit ich sicher sein kann, dass er nicht mehr zurückkommt.«
Monika runzelte die Stirn. »Er muss Sie sehr verletzt haben.«
»Was heißt verletzt, ich gebe zu, ich habe ihn damals sogar gewählt«, entgegnete die Frau. »Ich bin auf seine Wahlversprechen von wegen Ausbau der ökologischen Ressourcen und Nutzung von Brachgelände für eine ökologisch sinnvolle Landwirtschaft hereingefallen. Zu Anfang sah das auch gar nicht schlecht aus. Das Neubaugebiet in Deichshagen, das neue Industriegebiet bei Jakobssiel und der Ausbau der Rad- und Wanderwege. Doch, man konnte schon zufrieden sein, er hat in einem Jahr mehr gemacht als sein Vorgänger über die gesamte Wahlperiode.«
»Wieso dann der Bruch?«, fragte Lentje.
»Weil alles gelogen war.«
»Das müssen Sie mir erklären«, forderte Monika.
»Wo soll ich anfangen?«, seufzte die Frau mit dem geblümten Kopftuch. »Ich würde sagen, der erste Schlag ins Kontor war der Großmarkt in Wiesenstede. Eigentlich wollte ich meinen Hofladen dort eröffnen. Kleine Geschäfte sollten da unterkommen, ein Blumenladen, ein Optiker, ein Schuhladen. Und was macht der Herr Bürgermeister über den Kopf des Gemeinderates hinweg? Er siedelt den ›Nordkauf‹ dort an. Das war vor zwei Jahren, und danach ging es gerade so weiter. Nehmen wir die Salzwiesen. Fruchtbares Land, vermacht vom alten, kinderlosen Deichhofbauern als Erbe an die Gemeinde. Mehrere Hektar, die mir für meine Rinderzucht gut geholfen hätten. Eigentlich war ich mit der Gemeinde schon ziemlich klar. Es gab einige im Gemeinderat, die mich unterstützten. Doch dann, urplötzlich, wie aus dem Nichts, der Bürgerpark. Windräder sollen dort entstehen, und der halbe Stadtrat ist dafür. Ollmert jagt dem Profit hinterher und nichts anderes. Klar, dass sich dann plötzlich keiner mehr für die Milchwirtschaft interessierte. Und da gibt es noch so ein paar Geschichten. Ich bin froh, wenn dieser Mann nächstes Jahr abgewählt wird. Ich glaube, wenn der über 20 Prozent kommt, dann hat er noch Glück gehabt.«
»Können Sie sich vorstellen, dass ihm jemand etwas angetan hat?«, fragte Lentje ins Blaue hinein.
Die Frau wirkte erschrocken. »Das ist nicht Ihr Ernst! Ihn umbringen, das glaube ich nicht. Er hatte oft Streit, und es gibt genügend, die es freuen würde, wenn er die Wahl verliert, aber Mord ist eine andere Sache. Wenn Sie mich fragen, dann liegt er mit irgendeiner fremden, aber verheirateten Frau im Bett und kommt bald wie ein geprügelter Hund zurück. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn jemand aus unserer Gemeinde umgebracht haben soll.«
»Wo waren Sie letztes Wochenende?«, fragte Monika.
Die Frau breitete ihre Arme aus. »Das ist mein Reich. Hier bin ich morgens, mittags und abends und an Werktagen sowie an Sonntagen und Feiertagen. Wenn man sich für dieses Leben entschieden hat, muss man wissen, dass der Tag 24 Stunden hat. Oder glauben Sie, meine Kühe nehmen auf einen Sonntag Rücksicht? Das hat ihnen der Schöpfer nicht beigebracht, als er die Welt erschaffen hat.«
Die Frau schmunzelte.
»Zeugen?«, fragte Lentje.
Wiederum wies die Bäuerin auf ihren Hof. »Vielleicht hat mich Stanis oder Pjotr gesehen, meine Angestellten, die wohnen dort drüben. Das sind Polen, aber ganz feine Leute, und die wissen wirklich, wie man anpackt. Ansonsten müssen Sie meine Tiere fragen.«
»Entschuldigen Sie, wir müssen das fragen.«
»Dann notieren Sie: Hanna Schmidt vom Marschländer Hof – kein Alibi!«
»Können Sie Boot fahren, segeln?«
Die Frau schaute verwundert. »Ein Motorboot könnte ich über die Priele steuern, aber gesegelt bin ich noch nie, und wenn Sie weiterfragen, nein, ich habe Ollmert nicht über die Reling geschubst und bin dann nach Baltrum gesegelt.«
Lentje runzelte die Stirn. »Woher wissen Sie …?«
Hanna Schmidt wies auf die Zeitung, die zerknittert auf dem Tisch lag, und schlug die erste Seite auf. »Das ›Küstenblatt‹ spekuliert darüber.«
Sie unterhielten sich noch eine geraume Zeit, und Ollmert kam nicht gut bei diesem Gespräch weg, aber dass diese Frau eine Mörderin war, das wollten weder Monika noch Lentje glauben. Zwei Stunden später verließen sie den Marschländer Hof.