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3. Die Treuepflichten

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Seit langem ist anerkannt, dass die Gesellschafter einer Personengesellschaft, also BGB-Gesellschaft, OHG, KG und Partnerschaftsgesellschaft, im Verhältnis zur Gesellschaft und untereinander durch Treuepflichten verbunden sind. Derartige Treuepflichten sind auf die Wahrung der Interessen der Gesellschaft und auf die Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Gesellschafter gerichtet.[39] Die gesellschafterliche Treuepflicht geht über die in jedem Rechtsverhältnis bestehenden allgemeinen Loyalitätspflichten nach § 242 BGB deutlich hinaus. Sie besteht in einer allgemeinen Förder- und Interessenwahrungspflicht, die sich zu konkreten Pflichten, etwa einer Zustimmungspflicht zu bestimmten Geschäften verdichten kann. Ihre Grundlage findet sie im Gesellschaftsvertrag i.V.m. §§ 705 Abs.1, 242 BGB.

Mit der Gründung oder dem Beitritt zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts übernehmen die Gesellschafter die gemeinsame Verpflichtung, ihr Handeln an dem von der Gesellschaft verfolgten Zweck auszurichten und seine Verwirklichung zu fördern.[40] Diese gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist eine Nebenpflicht der Gesellschafter, die gegenüber der Gesellschaft die Pflicht einschließt, deren Interessen zu wahren und gesellschaftsschädliche Handlungen zu unterlassen.[41] Die Gesellschafter sind also neben ihrer konkreten Beitragspflicht auch ganz allgemein gehalten, die Verwirklichung des gemeinsamen Zwecks nicht zu hintertreiben und die Belange der Gesellschaft und auch die ihrer Mitgesellschafter zu berücksichtigen[42].

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Die Intensität der Treuepflicht ist unterschiedlich je nachdem, ob es um die Ausübung eigennütziger oder uneigennütziger Rechte geht. Zu den uneigennützigen Rechten werden vor allem die Geschäftsführungsangelegenheiten gezählt. Für sie ist die „ausnahmslose Bevorzugung des Verbandsinteresses“ zu verlangen, weil die Geschäftsführung der unmittelbaren Durchführung des gemeinsamen Zwecks dient. Der Gesellschafter hat gerade in Geschäftsführungsangelegenheiten die eigenen Interessen strikt hinter das Gesellschaftsinteresse zurückzustellen. Treuepflichtig sind daher vor allem, aber nicht nur, die die Geschäfte führenden Gesellschafter[43].

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Hingegen kann eine vergleichbare Rücksichtnahme nicht gefordert werden, wenn es etwa um die Gewinnverwendungsbeschlüsse, Gesellschaftsvertragsänderungen oder die Auflösung der Gesellschaft geht. Bei diesen sog. Sozialakten steht der gemeinsame Zweck und seine Reichweite gerade zur Abstimmung, und hier kann man die Gesellschafter gerade nicht mehr per Treupflicht an diesen Zweck zurückbinden, da der gemeinsame Zweck sonst nicht mehr freiwillig wäre und damit aus einer Gesellschaft ein Zwangsverband oder eine Anstalt würde. Soweit die Ausübung eigennütziger, den Gesellschaftern im eigenen Interesse verliehener Gesellschafterrechte in Frage steht, hat die Treuepflicht aber noch eine Schrankenfunktion. Sie verpflichtet den Gesellschafter zur Wahl des schonendsten Mittels bei der Verfolgung seiner Interessen. Daraus können sich Unterlassungspflichten, wie z.B. Wettbewerbsverbote, aber von Fall zu Fall auch Pflichten zu aktivem Tun, wie z.B. ausnahmsweise zur Vertragsanpassung, ergeben.

Beispiel:

A, B, C und D haben sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen, die auf dem Grundstück der X-GmbH die „Rathausgalerie“, ein Einkaufszentrum, errichten und auch für die Vermietung der zu schaffenden Ladenlokale sorgen soll. C und D gründen ohne Wissen der übrigen Gesellschafter eine weitere BGB-Gesellschaft, die „M-GbR“, zu dem Zweck, Marketing für die Rathausgalerie zu betreiben. Für die gelungene Anwerbung von Mietern verlangt die „M-GbR“ von diesen eine „Verwaltungsgebühr“ von 5 % pro vermieteten Quadratmeter Ladenfläche. Mit diesem Verhalten haben C und D gegenüber der ABCD-Altgesellschaft und gegenüber deren Gesellschaftern gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen. Die Treuepflicht gebot es C und D, die Mitgesellschafter A und B über solche Vorgänge vollständig zu informieren, die deren mitgliedschaftliche Vermögensinteressen berühren. Darüber hinaus waren sie kraft der Treuepflicht gehalten, die Interessen der Gesellschaft zu wahren und ihre eigenen Belange zurückzustellen. Dazu gehört im konkreten Fall, dass C und D Geschäftschancen auf dem Betätigungsfeld der Altgesellschaft nicht für sich und zum eigenen Vorteil, sondern zu Gunsten der Gesellschaft nutzen mussten.[44] Wegen Verletzung der Treuepflichten haben die Altgesellschaft und A und B einen Anspruch auf Unterlassung der Marketingaktivitäten und im Zweifel auch einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB gegen C und D, gerichtet auf die ihnen entgangenen „Verwaltungsgebühren“.

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Ohne einen gemeinsame Zweckverfolgung gibt es keine Gesellschaft – wenn die Treuepflicht also das Korrelat zum gemeinsamen Zweck ist, indem sie Rücksichtnahme auf die übrigen Gesellschafters gebietet, dann ist sie zwingender Bestandteil jeder Gesellschaft. Die Gesellschafter mögen sie im Gesellschaftsvertrag konkretisieren[45] (letztlich ist jede im Gesellschaftsvertrag genannte Beitragspflicht nur eine Konkretisierung der allgemeinen Treuepflicht); ihre Abbedingung käme einer Leugnung des Zwecks der Gesellschaft gleich, sie kann daher nicht zulässig sein.[46]

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