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Kapitel 4

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Meisterin, ich möchte mich von dir verabschieden.« Elisabeth sprach die Wirtin am nächsten Tag nach dem morgendlichen Mus an.

»Verabschieden?« Else hob die Brauen. »Was soll denn der Unsinn? Wohin willst du gehen?«

Elisabeth hob die Schultern und machte eine klägliche Miene. »Das weiß ich noch nicht, aber hier kann ich nicht bleiben.« Sie sah, wie die anderen Frauen in ihren Arbeiten innehielten und zu ihr herüberstarrten.

»Du kannst nicht bleiben?«, wiederholte Else. »Ich denke eher, du kannst nicht gehen!«

»Warum?«

»Das werde ich dir zeigen. Bleib hier sitzen, und rühr dich nicht vom Fleck!«

Die Meisterin ging hinaus und folgte dem Trampelpfad zu ihrem Häuschen. Elisabeth sah ihr erstaunt nach, wagte aber nicht, gegen Elses Befehl zu verstoßen. Sie musste nicht lange warten, bis die Meisterin zurückkehrte, einen Stapel Pergamentblätter in den Armen. Sie ließ die beschriebenen Seiten auf den Tisch fallen. Einige waren an den Rändern eingerissen, andere fleckig, aber auf allen standen Kolonnen von Zahlen, und über jedem Blatt stand ein Name.

»Weißt du, was das ist?«

Elisabeth schüttelte den Kopf und beugte sich etwas vor, um in dem schlechten Licht etwas erkennen zu können. Else drückte ihren Zeigefinger mit dem schmutzumrandeten Fingernagel auf das oberste Blatt, das den Namen »Gret« trug.

»Das sind Schuldblätter, auf denen ich alles eintrage, was jede von euch von mir bekommen hat und was ihr mir zurückbezahlen müsst, bevor ihr ohne meine Zustimmung irgendwohin geht.«

Elisabeth las: ein Paar Schuhe – vierzig Pfennige, ein neues Hemd aus gelbem Stoff – zweiundzwanzig Pfennige, Beinlinge, warm für den Winter – zwölf Pfennige. So ging die Liste scheinbar endlos weiter. Es waren auch Mahlzeiten für jede Woche, das Bett und manches Mal ein Stück Fleisch oder Honig erwähnt und einmal der Besuch des Baders. Daneben waren Pfennige aufgelistet, die Gret anscheinend verdient hatte und die von den Schulden abgezogen wurden. Elisabeths Finger glitt die Spalten herab. Die anderen Frauen kamen heran und bildeten neugierig einen Kreis um den Tisch.

»Ein Hemd zweiundzwanzig Pfennige? Und ein Paar Schuhe vierzig?« Verwundert hob Elisabeth die Brauen. »Diese Schuhe?«, fragte sie und deutete auf die einfachen Schlupfschuhe, die Gret trug.

Die Meisterin nickte und versuchte der jungen Frau das Blatt aus der Hand zu reißen, doch Elisabeth rutschte auf der Bank ein Stück weiter von ihr weg und war nun außerhalb ihrer Reichweite.

»Das ist aber teuer. Die Schuhe sind nicht mehr wert als zwanzig, höchstens fünfundzwanzig Pfennige, und ein Hemd, wenn es nicht gerade aus Seide ist, darf nicht mehr als fünfzehn Pfennige kosten!«

»Ach, du scheinst ja sehr gut Bescheid zu wissen, dafür, dass du dich an nichts mehr erinnern kannst!«, fauchte die Wirtin.

Seltsamerweise war sich Elisabeth sicher, dass ihre Feststellungen richtig waren, auch wenn sie nicht sagen konnte, woher sie das wusste.

Mara neben ihr nickte zustimmend, und Jeanne sagte leise: »Das habe ich immer gesagt, doch was hilft es?«

»Und hier hast du dich verrechnet: Sechsundzwanzig Pfennige abzüglich zwölf ergeben eine Restschuld von vierzehn, nicht von achtzehn Pfennigen!« Sie tippte auf das Blatt. »Und hier: wenn du drei Schillinge in Pfennige umrechnest, dann ergeben sich achtzehn Pfennige Schuld und nicht zweiundzwanzig!«

»Sie kann lesen«, hauchte Anna.

»Und sogar rechnen«, stieß Jeanne beeindruckt hervor.

»Ich hab immer gewusst, dass da etwas nicht stimmt«, schimpfte Marthe.

Else bekam das Blatt zu fassen und riss es Elisabeth aus der Hand. »Sprich nicht über Dinge, von denen du keine Ahnung hast!«, keifte sie. »Und wage es nicht, Unruhe unter meinen Mädchen zu stiften. Ich führe die Schuldblätter, und was ich eintrage, das stimmt!«

Sie durchwühlte den Stapel und zog ein Blatt hervor, das weniger verfleckt und zerknittert wirkte als die anderen.

»Hier, viel wichtiger für dich ist, was auf diesem Pergament steht, denn das sind deine Schulden, die du bei mir abarbeiten musst. Wenn du dich weigerst, dann übergebe ich dich dem Henker. Der wird dich dann eine Weile im Turmverlies schmoren lassen, bis du es dir anders überlegst.«

Mit einem mulmigen Gefühl im Magen zog Elisabeth das Blatt zu sich und sah auf die Liste herab, die trotz der kurzen Zeit schon erstaunlich lang war. Hemd und einfacher Rock, die Kleider, die sie am vergangenen Abend getragen hatte, Beinlinge und Schuhe, Essen, ihr Anteil an Fackeln und Ölleuchten, das Bett und natürlich die Münzen, die der Bader gefordert hatte, wobei sie sich nicht vorstellen konnte, wofür er so viel verlangt haben sollte.

Langsam sah sie auf und betrachtete das Gesicht der Meisterin, die siegessicher dreinblickte.

»Ich werde dir dein Geld zurückgeben, das verspreche ich! Ich werde schon einen Weg finden, es aufzutreiben. Du kannst auf mein Wort vertrauen.«

Else lachte spöttisch. »Das Wort eines Wesens, das nicht einmal eine Familie oder eine Vergangenheit hat? Das ist ein bisschen wenig. Nein, mein Täubchen, du wirst schon hierbleiben müssen, bis du deine Schulden beglichen hast. Dann kannst du tun und lassen, was du willst.«

Else raffte die Papiere zusammen und trug sie in ihr Häuschen zurück. Niedergeschlagen blieb Elisabeth am Tisch sitzen, den Kopf in beide Hände gestützt.

Je näher der Abend kam, desto stürmischer klopfte ihr Herz. Ihre Hände fühlten sich schweißig an, und sie merkte, dass auch ihr Hemd unter den Achseln feucht wurde. Die Angst schien sie wie Nebel einzuhüllen. Gehetzt sah sich Elisabeth um, als die Frauen begannen, ihre Gewänder für die Nacht anzulegen. Gret trat zu ihr, die farbigen Kleider in der Hand.

»Zieh es an«, sagte sie. »Es ist nicht ratsam, die Meisterin zu verärgern. Noch hat sie dich geschont, aber ich fürchte, ihre Geduld wird bald ein Ende haben.«

Elisabeth zögerte, entschied sich dann aber doch zu gehorchen und überließ sich Grets Händen, die kraftvoll, aber nicht grob waren. Jeanne kam herüber, kämmte ihr Haar und bemalte ihre Lippen.

»Du bist wunderschön«, sagte sie voller Bewunderung, und obwohl sich Elisabeth dagegen sträubte, fühlte sie sich dennoch geschmeichelt.

Bald schon trafen die ersten Männer ein. Die Stimmung und die Wärme stiegen. Wie gestern versorgten die Frauen die Gäste mit Wein und Brot, scherzten und würfelten mit ihnen und zogen sich immer mal wieder mit einem von ihnen auf ein Bett oder die Matratzen zurück. Ein fetter Kerl, der beim Würfeln ständig verlor, zog Mara rittlings auf seinen Schoß. Er schob ihre Röcke und seinen Wams hoch und öffnete die Bruech. Elisabeth konnte sein aufgerichtetes Geschlecht sehen, ehe er Maras nacktes Hinterteil darüberschob. Sie bewegte sich sacht hin und her. Er trank seinen Becher leer, dann schloss er die Augen und grunzte. Der leere Becher fiel in die Binsen.

Elisabeth saß im dunkelsten Eck auf einem Schemel und versuchte, ihren Blick starr auf den Boden gerichtet zu halten und weder auf die Worte noch auf die Geräusche um sich zu achten. So wäre ihr beinahe entgangen, wie einer der Gäste, der ein wenig nachlässig gekleidet war, den die Meisterin jedoch mit »Junker« ansprach, zu Else trat und auf die blonde Frau im tiefen Schatten deutete.

»Gib mir die Neue dort mit dem honigblonden Haar, sie scheint ein wenig trübsinnig zu sein. Es gelingt mir bestimmt, sie aufzuheitern!« Er kramte in seinem Beutel. Die Meisterin wiegte zögernd den Kopf hin und her.

»Ich weiß nicht, ob sie etwas für Euch ist.«

»Warum?«

»Sagen wir, sie ist zu jung.«

Der Junker sah erstaunt in Elisabeths Richtung. »Mir scheint, sie hat schon mehr Sommer gesehen als Anna, und ich versichere dir, unser gut genährtes Mäuslein schafft es durchaus, einem Mann einzuheizen.«

»Nun, ja, ich meine...« Else suchte nach Worten. »Was, wenn sie noch von keinem Mann berührt worden wäre?«

Der Junker grinste. »Eine Jungfrau in deinem Haus? Du machst mir Spaß, Else!«

»Ich schwöre es, Ritter von Thann! Als ich am Sonntag nachsah, war sie es noch, und seitdem habe ich sie gehütet wie meine Geldschatulle.«

Der Ritter neigte den Kopf. »Dann konnte nicht einmal ein unsichtbarer Dämon Hand an sie legen! Aber sag mir, Meisterin, ist es dir nicht untersagt, Jungfrauen feilzubieten?«

»Habe ich sie Euch angeboten? Ich kann mich nicht erinnern. Ihr begehrt sie, aber ich habe nicht zugesagt«, stellte die Wirtin richtig.

Das Grinsen des Mannes wurde breiter. »Ach Else, wir wissen beide, wo man graben muss, um deine Schwachstelle zu finden, nicht wahr?« Er öffnete das Band seines Geldbeutels und ließ die Münzen klirren.

»Wie viel? Aber bedenke, ich tue dir damit einen Gefallen. Danach hast du keine Jungfrau mehr in deinem Haus und kannst dem nächsten Besuch des Henkers gelassen entgegensehen.«

Die Meisterin zog spöttisch die Oberlippe hoch. »Ach ja, und Euch wäre es eine unangenehme Last, die Ihr nur übernehmen würdet, um mir zu Gefallen zu sein?«

Der Junker schüttelte den Kopf. »Nein, das sage ich nicht. Ich würde nicht wagen, so dreist zu lügen. Die Liste der Verfehlungen, die ich am Sonntag zu beichten habe, ist bereits lang genug. Da muss ich mir nicht noch eine Lüge aufhalsen. Also, zier dich nicht länger, sondern nenn mir den Preis!«

»Drei Schillinge«, stieß Else hervor.

Der Edle schnitt eine Grimasse. »Du bist ein geldgieriges Weib. Zwei Schillinge und zwei Pfennige, und keinen Pfennig mehr!«

»Wenn Ihr drei zahlt, könnt Ihr mit ihr in mein Haus gehen«, bot Else dem Ritter von Thann an. »Dort seid Ihr ungestört, und ich verspreche, dass ich nicht nach einer halben Stunde drängen werde, Ihr möget zum Ende kommen.«

Der Mann griff in seinen Beutel, holte drei Schillinge heraus und drückte sie der Meisterin in die Hand. »Und lass mir einen Krug ordentlichen Wein rüberbringen«, sagte er und wandte sich ab.

Elisabeth presste sich gegen die Wand, aber das half ihr nichts. Der Junker nahm ihre Hand.

»Nun komm und zier dich nicht«, sagte er nicht unfreundlich und zog sie hinter sich her zum Haus der Meisterin.

Elisabeth fühlte sich wie gelähmt. Das Blut pochte ihr in den Ohren, und nur ein einziger Gedanke schallte durch ihren Geist: Das ist nicht richtig! Das darf nicht sein! Hölzern wie eine Puppe tappte sie den erdigen Trampelpfad entlang. Ritter Philipp von Thann öffnete die Tür und zog Elisabeth mit sich in Elses Häuschen. Ein kleines Binsenlicht stand auf dem Herd. Der Mann ließ sie los, entzündete den Docht einer Öllampe und trug sie um die Trennwand herum, wo das Bett stand. Er hängte die Lampe an einen Haken und ließ sich dann auf die Matratze fallen.

»Ah, die Wirtin schläft bequem«, sagte er und sah zu Elisabeth auf, die sich noch nicht gerührt hatte.

»Komm her, nicht so schüchtern.«

Elisabeth zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Im Licht der Flamme waren sie wie das grüne Wasser eines Waldsees. Der Junker seufzte, erhob sich und trat zu ihr. Er legte die Arme um ihre Taille.

»Nun komm schon, ein wenig nett könntest du zu mir sein. Es kostet mich drei Schillinge!« Er küsste sie auf den Mund und versuchte seine Zunge zwischen ihre Zähne zu schieben. Elisabeth biss zu. Der Junker stieß einen Schmerzensschrei aus und sprang zurück, Elisabeth schrie ebenfalls. Sie wich zur Wand zurück und kreischte, dass es in den Ohren gellte.

»Sei still, du blödes Weib«, rief der Junker und presste sich wieder die Hand vor den Mund. Er schmeckte Blut. Elisabeth schrie weiter.

»Sei endlich ruhig«, brüllte er über ihre Schreie hinweg. Er gab ihr eine Ohrfeige, aber sie schrie weiter.

In diesem Moment ging die Tür auf, und die Eselswirtin trat mit einem Krug Wein ein. »Ich wollte sehen, ob hier...« Sie verstummte. »Nun, offensichtlich ist hier nicht alles in Ordnung!«

Ritter von Thann ließ sich auf das Bett fallen und hielt sich die Ohren zu, Elisabeth schrie noch immer.

Die Meisterin stellte den Wein behutsam auf dem Tisch ab, ehe sie sich drohend vor der jungen Frau aufbaute.

»Du hörst sofort mit diesem Geschrei auf«, zischte sie. Elisabeth klappte den Mund zu und starrte die Hausherrin an, als sei sie eben aus einem Albtraum erwacht.

»Was fällt dir ein?«, zeterte Else.

»Sie hat mir die Zunge blutig gebissen!«, beschwerte sich der Junker. »Auf solche Überraschungen verzichte ich gern!«

Else nahm einen Riemen von der Wand. »Ritter von Thann, wollt Ihr sie strafen?«, fragte sie den Mann. Der schüttelte den Kopf.

»Das überlasse ich dir. Ich bin gekommen, um mich auf ein weiches Weib zu legen, nicht um einen Rücken blutig zu schlagen, also schick mir etwas, das mich nicht beißt oder mir in die Eier tritt!«

Else verbeugte sich. »Ja, Herr Junker, es tut mir sehr leid, dass Ihr Unannehmlichkeiten hattet. Ich werde es in Ordnung bringen und dafür sorgen, dass Ihr diese Nacht doch noch in guter Erinnerung behalten werdet.«

»Das hoffe ich, für mich und für dich, Eselswirtin!«, erwiderte er, und Else war nicht so dumm, die Drohung in diesen Worten nicht zu hören.

»Nur einen Augenblick. Trinkt so lange, das wird Euch Eure schmerzende Zunge vergessen lassen. Ich lasse Euch noch mehr von diesem Tropfen bringen. Er ist an den sonnigsten Hängen über Würzburg gereift.«

Sie packte Elisabeth an den Handgelenken und zerrte sie grob mit hinaus. »Warte hier auf mich, und wage es nicht, dich auch nur einen Schritt fortzubewegen. Ich muss erst sehen, wie ich deine Dummheit aus dir rauskriegen kann.« Sie lief mit gerafften Röcken zum Frauenhaus zurück. Elisabeth hörte sie mit schriller Stimme nach Gret und Marthe rufen.

»Seht zu, dass er zufrieden ist und nicht hinterher seine Münzen zurückhaben will. Er könnte mir die Büttel auf den Hals hetzen, wenn es ihm danach wäre! Marthe, setz dein Lächeln auf, dann bist du so hübsch wie Lisa. Anscheinend bevorzugt er blonde Frauen. Gret, du siehst zu, dass er diesen Vorfall vergisst. Ich verlasse mich auf euch!«

Else schob ihre beiden Dirnen durch die Tür und schloss sie hinter ihnen. Dann wandte sie sich Elisabeth zu. In ihrer Rechten hielt sie immer noch den Riemen.

»Und nun zu dir, du undankbares Geschöpf. Was denkst du dir eigentlich, einen solch edlen Herrn zu beleidigen und zu verletzen? Ich habe dich halb tot aufgenommen, gekleidet, dir zu essen und ein Bett gegeben, und dafür willst du mich ruinieren? Es wird Zeit, dass du das in deinem Kopf behältst: Du hast genau zwei Möglichkeiten: den Henker und den Turm oder ein Leben unter meinem Dach, bei dem du dich ordentlich aufführst und meine Anweisungen befolgst. Man bekommt im Leben nichts geschenkt, und deshalb wirst auch du für deine Münzen arbeiten.«

»Er hat mich geküsst und – es war so ekelhaft!«, wimmerte Elisabeth.

»In deiner Lage kannst du dir solche Zimperlichkeiten gewiss nicht leisten. Gefühle wie Ekel und Abscheu gewöhnst du dir am besten sofort ab. Das macht es für alle Seiten leichter. Der Gast muss zufrieden sein und gerne wiederkommen. Das ist deine Aufgabe, die du so gut wie möglich zu erfüllen hast. Hast du das verstanden?« Elisabeth nickte stumm.

»Nun, damit du das nicht bei der nächsten Gelegenheit gleich wieder vergisst, werde ich es dir ein wenig nachdrücklicher ins Gedächtnis schreiben.« Sie griff nach den Bändern des Rockes und löste die Schnürung. Else zog Rock und Hemd so weit herunter, dass Elisabeth mit nacktem Oberkörper dastand.

»Dreh dich um!«

Der Riemen sauste durch die Luft und klatschte auf ihren Rücken. Elisabeth wimmerte, Tränen rannen über ihre Wangen. Sie biss sich die Lippen blutig. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, bis die Meisterin den Riemen endlich sinken ließ.

»Ich hoffe, das hat sich dir nun nachhaltig eingeprägt. Es wird eine Weile wehtun, aber du wirst keine Narben davontragen. Die Haut ist nur an wenigen Stellen aufgeplatzt. Jeanne kann dir auf diese Striemen eine Salbe auftragen. Ich achte stets darauf, meine Mädchen nicht zu verletzen, wenn ich sie strafe. Weder Bürgersmänner noch Junker wollen vernarbte Körper in ihrem Bett. Und auf diejenigen, die sich an so etwas aufgeilen, lege ich keinen Wert. Solche Männer sind wie ein Fass Pulver, neben dem eine Fackel brennt. Ehe man sich's versieht, machen sie einem richtig Schwierigkeiten.«

Elses Hand wies zur Tür des Frauenhauses. »Du legst dich nun in dein Bett und rührst dich bis morgen nicht von der Stelle. Und morgen Abend will ich dich gefälliger antreffen!«

Elisabeth zog sich mit steifen Bewegungen Hemd und Rock hoch und wankte zum Frauenhaus zurück. Else warf noch einen Blick in ihre Schlafkammer und folgte ihr dann mit zufriedener Miene. Anscheinend stand in ihrem Bett alles zum Besten, und Marthe und Gret erledigten ihre Arbeit ordentlich.

Elisabeth schlich zu ihrem Bett, das einer der Wandschirme vor den Blicken der Gäste verbarg. So, wie sie war, legte sie sich auf den Bauch und zog die Decke bis über den Kopf. Niemand sollte sehen, dass sie weinte, vor Schmerz und Scham, vor Verwirrung und Einsamkeit.

Den ganzen nächsten Abend und die Nacht, bis die letzten Gäste sich verabschiedet hatten, erwartete und fürchtete Elisabeth, dass die Meisterin zu ihr treten und sie zu einem der Männer führen würde, aber nichts geschah. Ihr Rücken schmerzte nur noch leicht von den Schlägen, dafür waren ihre Schultern nun völlig verkrampft, und in ihrem Schädel pochte es. Bleich war sie und hatte Ringe unter den Augen, als sie mit den Frauen am nächsten Tag am Tisch saß.

»Du siehst scheußlich aus«, sagte Marthe und warf mit einer herausfordernden Bewegung ihr langes, blondes Haar auf den Rücken. »Noch ein paar Tage, und dich würde nicht einmal mehr ein Blinder wollen.«

»Ach, höre ich Erleichterung in deinem Ton? Hat da jemand Angst, vom Thron der Schönsten im Haus gestoßen zu werden?«, stichelte Gret.

»Dummes Geschwätz«, fauchte Marthe. »Von der da bestimmt nicht!«

»Ich finde, sie ist schön«, verteidigte Jeanne ihre Banknachbarin und strich ihr über die stumpfen, verklebten Locken. »Sie wird sich schon noch eingewöhnen, nicht wahr, Lisa? Ich wasche dir nachher dein Haar, und wenn wir heute Abend etwas Puder unter die Augen legen, dann wird keiner mehr dieses gehässige Geschöpf dort drüben auch nur beachten!« Sie streckte Marthe die Zunge heraus. Diese trat wütend unter dem Tisch nach Jeannes Schienbeinen, doch die Französin kannte ihre Gegnerin und hatte ihre Beine längst in Sicherheit gebracht. Elisabeth lächelte schwach. Sie wollte gar nicht schön sein und würde alles darum geben, wenn die Männer Marthe statt ihr alle Aufmerksamkeit schenkten, aber da sie die freundliche Jeanne nicht kränken wollte, ließ sie es zu, dass sie ihr Haar von Schmutz befreite und nach dem Trocknen liebevoll kämmte, bis die Locken glänzten.

Es war schon fast Mitternacht, als der Junker von Thann wieder ins Frauenhaus kam. Else begrüßte ihn strahlend.

»Nun, verehrter Ritter, wollt Ihr es noch einmal versuchen? Ich habe sie für Euch aufgehoben.«

Er zögerte und sah zu Elisabeth hinüber, die, wenn es ihr möglich gewesen wäre, sich unsichtbar gemacht hätte. Der Flammenschein der Lampe an der Wand schmeichelte ihrem Teint und ließ ihr Haar golden schimmern. Ihre Figur wirkte zerbrechlich, die grünen Augen waren weit aufgerissen.

Der Junker zögerte. »Fehlt mir dann nachher ein Ohr oder Schlimmeres?«

»Aber nein, Ritter von Thann, sie wird Euch heute eine reine Freude sein.« Dabei sah sie Elisabeth prüfend an, ob die ihre Worte hörte.

»Nun gut, Wirtin, aber dieses Mal bezahle ich erst hinterher. Und ich sage dir, wenn es mir nicht gefällt, dann geht das aufs Haus!«

Else gelang es nicht, ihre säuerliche Miene zu verbergen. So weit kannte Elisabeth die Meisterin inzwischen, dass ihr klar war, dass Else Eberlin solche Worte am wenigsten zu hören wünschte. Und ihr war klar, sollte sich der Junker hinterher über sie beschweren und ohne zu bezahlen davongehen, würde sie selbst es sein, die dafür zu büßen hatte und nicht der feine Adelsmann. Dann wäre Elses Wut vielleicht so groß, dass sie nicht mehr darauf achten würde, ihre Haut unversehrt zu lassen. Elisabeth schluckte trocken, knickste und reichte dem Junker die Hand.

»Wirst du mich wieder beißen, wenn ich dich jetzt küsse?«, fragte er, als er mit ihr vor Elses Bett stand. Elisabeth schüttelte den Kopf. Es würgte sie zwar fast, doch sie zwang sich, den Mund offen zu halten, während seine Lippen sich auf ihren bewegten und seine Zunge die ihre abtastete. Seine Hände drückten gegen ihren Rücken und wanderten dann tiefer.

»Du schmeckst herrlich«, seufzte er. »Es wäre eine Sünde, dir nur kurz die Röcke zu heben und dem Druck abzuhelfen. Ich weiß nicht, ob ich der Wirtin heute noch ihr Bett überlassen kann.« Er lachte. Elisabeth brannten Tränen hinter den Lidern, aber sie schluckte sie tapfer hinunter. Um sich abzulenken, betrachtete Elisabeth den fremden Mann, der sich nun an ihren Bändern zu schaffen machte und sie zu entkleiden begann.

Der Junker war vielleicht um die dreißig und hatte sicher ein Weib und Kinder im heimischen Stadthaus oder in seiner Burg oder wo er sonst lebte. Seine Augen waren grau, Kinn und Wangen gründlich rasiert. Seine Nase neigte sich ein wenig nach rechts, und seine Lippen waren rissig und schmal, aber er sah nicht abstoßend aus. Sein braunes Haar hing ihm nun glatt auf die Schultern herab, nachdem das Band, mit dem er es gebändigt hatte, zu Boden gefallen war.

Nackt stand sie nun vor ihm. In seinen Augen schimmerte eine wachsende Gier, die zu ertragen Elisabeth all ihre Kraft abverlangte, um nicht zurückzuweichen. Hastig riss er nun auch seine Kleider vom Leib. Sicher übte er sich regelmäßig im Schwertkampf, wie seit Jahrhunderten bei den Rittergeschlechtern üblich, denn an Armen und Beinen zeichneten sich deutlich seine Muskeln ab, und sein Bauch wurde nicht von weichen Speckringen verunziert. Die Brust war nur wenig behaart, dafür ragte sein aufgerichtetes Glied aus einem Busch von braunem Kraushaar. Er drückte seinen glühend heißen Körper gegen sie, küsste ihre Ohren und den Hals. Dann beugte er sich herab und nahm eine ihrer Brustwarzen zwischen die Zähne. Elisabeth wurde steif vor Angst. Sie befürchtete, er würde zubeißen. Wollte er sich nun für die ihm zugefügte Verletzung rächen? Doch er spielte nur mit seiner Zunge und seinen Zähnen, während sein Atem immer schneller ging.

»Ich halte das nicht länger aus«, stöhnte er. »Du bist ein prächtiges Weib. Ich muss dich haben!«

Seine Hände griffen nach ihren Hüften und schoben Elisabeth zum Bett. Er drückte sie darauf nieder und ließ sich neben sie fallen.

»Zeig mir deine jungfräuliche Grotte, bevor ich sie mir nehme«, keuchte er.

Selbst wenn sie versucht hätte, ihre Schenkel zusammenzupressen, gegen diese kräftigen Männerhände hätte sie keine Chance gehabt. Mit Leichtigkeit spreizte er sie auseinander. Elisabeths Hände krallten sich in die Federdecke. Sie kniff die Augen zu und hielt vor Angst die Luft an. Seine Hand strich über die Innenseite ihres Schenkels und näherte sich ihrer Scham.

»Welch zartes, blondes Haar!«, seufzte er, während seine Finger die krausen Locken zerwühlten. Daumen und Zeigefinger spreizten ihre Schamlippen. Sie spürte, wie er sich aufrichtete und sich über ihren Schoß beugte.

»Da ist er, der Schatz der Jungfrauen, der so eifrig behütet wird.«

Rau, feucht und heiß glitt es zwischen ihren Lippen hindurch. War das etwa seine Zunge? Elisabeth wagte nicht die Augen zu öffnen. Sie versuchte gleichmäßig ein- und auszuatmen. Ihr Magen rumorte und schlingerte. Oh Gott, sie durfte sich nun nicht übergeben. Das würde er ihr sicher nicht verzeihen, und dann würde er nicht bezahlen und sich bei der Meisterin beschweren, und dann würde diese toben und sie bestrafen.

Sie merkte nicht, dass er sich wieder aufrichtete, bis sein Flüstern warm um ihr Ohr wehte. Seine Lippen pressten sich wieder auf die ihren, dann schwang er sich auf sie. Die Matratze bog sich unter dem Gewicht durch. Seine Knie stützten sich zwischen ihre leicht gespreizten Beine. Er schob sie ungestüm noch ein wenig weiter auseinander und drang dann mit einem einzigen Stoß in sie. Er stöhnte auf. Der jungen Frau unter ihm entrann ein Schrei, und sie riss die Augen auf. Sein Gesicht war dicht über dem ihren, er bedeckte es mit Küssen, während er in schnellen Bewegungen seine Hüfte gegen die ihre stieß. Es brannte wie glühende Kohlen in ihrem Schoß, und sein Gewicht schien sie jeden Moment zu zerbrechen.

»Ah, ich halte das nicht aus«, stöhnte er und bäumte sich auf. Sie spürte sein Glied in ihr zucken, dann erschlaffte sein ganzer Körper. Der Junker ließ sich auf sie fallen und seufzte befriedigt.

So lag er eine ganze Weile. Elisabeth fürchtete zu ersticken, so tief presste er sie mit seinem Gewicht in die Matratze. Schlief er? War das normal? Ihre Lunge schmerzte, aber sie wagte nicht, ihn von sich zu stoßen – falls sie das überhaupt geschafft hätte.

Plötzlich kam wieder Leben in den Ritter, und er wälzte sich von ihr herunter. Er stützte den Kopf in seine Hand und betrachtete die junge Frau. Seine Miene war entspannt.

»Ich fürchte, ich werde meine Münzen entrichten müssen«, sagte er und grinste.

Elisabeth räusperte sich. »Dann... dann wart Ihr mit mir zufrieden?« Ihre Stimme klang dünn und höher als sonst.

»Nun ja, für den Anfang...«

Elisabeth griff nach ihrem Hemd, aber er hielt ihr Handgelenk fest. »Nein, bleib so. Du bist ein schöner Anblick.« Er stand auf. Seine Männlichkeit war nun klein und hing verschrumpelt herunter.

»Möchtest du Wein?« Er goss einen Becher voll, trank einen Schluck und reichte ihn ihr dann. Elisabeth fiel es schwer zu schlucken. Ihre Scham brannte noch immer. Sie schaute an sich herab. Auf dem Deckbett waren zwei Flecken von Blut und einer weißlich schmierigen Substanz. Auch zwischen ihren Schenkeln rann ein rötliches Rinnsal herab.

Elisabeth wurde blass. »Oh nein, sie wird wütend sein. Was soll ich nur tun?«

Der Junker winkte ab. »Nun reg dich nicht auf. Die Wirtin wird das nicht kümmern. Wäre kein Blut geflossen, dann müsste sie sich Gedanken machen.«

»Darf ich jetzt gehen?«, wagte Elisabeth zu fragen, ohne den Junker anzusehen.

»Gehen? Aber nein. Nun lass uns noch ein wenig Wein zusammen trinken. Ich merke schon, wie es sich wieder in mir regt. Ich will dich noch einmal haben. Dieses Mal werde ich dich von hinten nehmen! – Ah ja, der Tisch eignet sich vorzüglich.«

Sie öffnete tonlos den Mund und schloss ihn wieder. Widerstandslos ließ sie sich um die Flechtwand herum in die Küche ziehen. Seine Hand in ihrem Rücken drückte ihren Busen auf die Tischplatte. Dann kamen der Schmerz und das Gefühl, er würde sie in Stücke reißen. Sie konnte es nicht verhindern, dass Tränen ihre Wangen herabrannen. Dieses Mal fing er mit kreisenden Bewegungen an, die mit seinem schneller werdenden Atem zu immer tieferen Stößen wurden. Seine Hände umfassten ihren nackten Hintern. Bei jedem Stoß rutschte ihr Bauch über der rauen Tischplatte vor und zurück. Sicher war er bereits von Holzspreißeln gespickt.

Wie lange das noch so gehen würde? Dieses Mal brauchte er viel länger, bis er zuckte und erschlaffte. Er zog sich zurück, beugte sich vor und küsste ihre Pobacken.

»Prachtweib! Ich schwöre dir, das ist nicht das letzte Mal, dass wir Spaß miteinander hatten.«

Das war zu viel! Ein ersticktes Schluchzen schüttelte sie. Zum Glück kam in diesem Augenblick die Meisterin herein und drückte dem Junker einen vollen Becher Wein in die Hand.

»Nun, Ritter von Thann?«, sagte sie strahlend. Ungeniert stand der Adelsmann nackt vor ihr und trank Wein.

»Ja, auch wenn es mir um meine Münzen leid tut«, sagte er. »Ich werde sie dir wohl geben müssen.«

Else grinste und nickte Elisabeth zu, die sich verstohlen die Tränen von den Wangen wischte.

»Geh und hol deine Kleider, und dann schnell in dein Bett.« Zu dem Ritter gewandt machte sie eine entschuldigende Geste. »Der Henker war schon wieder da, mich zu mahnen, dass um diese Zeit keiner mehr von seiner eigenen Stube fern sein sollte. Ihr seid der letzte Gast, und ich muss Euch bitten, nun auch zu gehen.«

Philipp von Thann wusste, dass der Oberrat strenge Regeln für das Frauenhaus erlassen hatte und dass der Henker dafür sorgte, dass diese eingehalten wurden. Er traute es sich zwar zu, es mit der streitbaren Wirtin aufzunehmen, mit dem Henker jedoch wollte er nichts zu tun haben. Einerseits weil es nie ratsam war, einem Mann, den die Unehrlichkeit umgab, zu nahe zu kommen. Schließlich konnte allein die Berührung des Henkers einen Bürger oder Junker seiner Ehre berauben. Aber auch, weil er den Henker kannte und wusste, dass niemand so dumm war, mit diesem Mann leichtfertig einen Streit vom Zaun zu brechen. Wider Willen empfand er Respekt vor dem ausführenden Diener des Blutgerichts. Wäre dieser Mann nicht in eine Henkersfamilie hineingeboren worden, wer weiß, vermutlich wäre er dann heute ein einflussreicher Ratsherr im Oberrat des Bischofs.

Gemächlich zog sich der Junker an, legte der Wirtin drei Schillinge in die ausgestreckte Hand, nickte ihr zu und verschwand in der Nacht.

Else ging hinüber ins Frauenhaus, um noch einmal nach dem Rechten zu sehen, die Lampen zu löschen und die Tür zu verschließen. Die meisten der Frauen schliefen bereits. Wie gewöhnlich herrschte auf dem Boden ein wildes Durcheinander von achtlos fallen gelassenen Kleidungsstücken, Kissen und leeren Weinbechern. Die Wirtin stieg darüber hinweg. Es kümmerte sie nicht. Die Frauen würden am Morgen alles säubern müssen.

Else trat an das letzte Bett an der Wand. Elisabeth saß aufrecht auf der Bettdecke und starrte geradeaus. Sie schien nichts Bestimmtes zu sehen. Ihr Blick verlor sich in der Leere des Raumes. Mit einem unterdrückten Seufzer setzte sich die Meisterin neben sie.

»Man kann die Dinge immer von verschiedenen Seiten betrachten«, sagte sie. Elisabeth reagierte nicht, aber Else war sich sicher, dass sie ihr zuhörte. »Du kannst nun mit deinem Schicksal hadern und dich in deiner unglücklichen Seele suhlen wie die Schweine der Bäcker im Schlamm der Gassen. Beweine dich nur! Bald werden deine Züge sich verhärmen, und dein Geist wird sich trüben. Doch dann denke daran: Du bist es, die sich für diesen langsamen Tod entschieden hat. Dann zerbrichst du und stirbst, lange bevor dein Körper aufhört, sich zu regen. Du kannst aber auch den Platz annehmen, an den dich Gott geführt hat. Nichts geschieht ohne seinen Willen! Dann wirst du die unangenehmen Dinge ohne Gejammer ausführen und deine Arbeit tun, wie jeder Handwerker oder jede Magd auch. Sieh die anderen Frauen an. Sie lachen und zanken und hadern nicht mit Gott und dem Schicksal. – Du hast die Wahl! Lass es dir von einer alten Frau sagen, die schon mehr Jahre hier verbracht hat, als du auf dieser Welt weilst: Der Schmerz vergeht, und du wirst dich daran gewöhnen, wenn du es zulässt.«

Sie tätschelte kurz Elisabeths Hand, erhob sich schwerfällig und ging zur Tür. Die letzte Lampe erlosch. Der Schlüssel knarzte im Schloss, das Frauenhaus versank in Dunkelheit. Wider Willen hallten die Worte der Meisterin in Elisabeths Geist wider:

Stirb oder lebe, zerbrich oder gewöhne dich daran – du hast die Wahl!

Die Dirne und der Bischof

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