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Kapitel 2

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Da seid Ihr ja, mein Herr und Bischof«, sagte der Narr in seiner üblichen spöttischen Art, und auch seine Verbeugung war ganz und gar nicht ehrerbietig, wie ein Fürstbischof – auch ein entmachteter Fürstbischof? – es verlangen durfte. Er hatte seinen Herrn auf der Plattform des Bergfrieds hoch über dem Grund gefunden. Dort stand Johann von Brunn mit gefalteten Händen, an denen zahlreiche Juwelen funkelten, und sah mit gerunzelter Stirn über das Land, das sich nun nach Sonnenuntergang rasch verdunkelte.

»Was ist? Habt Ihr die vielen Stufen überwunden, um Euch selbst davon zu überzeugen, dass in Euren Ländereien alles zum Besten steht? Es herrscht Ruhe, und kein Feind ist in Sicht.«

»Meine Ländereien. Ja, wie beschaulich sie zu meinen Füßen liegen«, brummte der Bischof, und sein Narr wusste genau, was er damit sagen wollte.

»Überschaubar ist das rechte Wort«, sagte er mit einem liebenswürdigen Lächeln.

»Genau«, rief Bischof von Brunn erbost. »Früher habe ich über Ländereien geherrscht, die man in mehreren Tagen nicht durchreisen konnte...«

»Bis Ihr sie dann nach und nach alle verkauft und verpfändet habt«, wagte der Narr ihn zu erinnern.

»Ach, schweig! Was verstehst du von Politik?«

Friedlein legte die Stirn in Falten. »Dass sie auszuüben viel Geld kostet und dass ihr Fehlen zu Langeweile führt, vielleicht?«

In der Miene des Bischofs stand zuerst Ärger, doch dann schmunzelte er. »Ja, vielleicht hast du wie üblich den Kern getroffen. Mir fehlt nicht nur das Geld für meine Hofhaltung, mir fehlt das ganze Leben auf dem Marienberg.«

»Und die so unterhaltsamen Streitereien mit dem Domkapitel, dem fränkischen Adel und Eurer Stadt Würzburg«, fügte der Narr hinzu.

Der Bischof lachte und nickte. »Ja, auch das, mein Lieber, auch das. Es ist lange keine Abordnung mehr bei mir gewesen, um sich zu beschweren und mich zu ermahnen, mein verschwenderisches Leben zu ändern.«

Inzwischen war es dunkel geworden.

»Wollen wir hinuntersteigen und nachsehen, ob Euer Koch nicht etwas zustande gebracht hat, das Eure Stimmung zu heben im Stande wäre? Ach, und wenn wir von gehobener Stimmung sprechen: Geradina hat nach Euch gefragt. Sie wartet bestimmt schon im Saal, um all Eure Wünsche zu erfüllen.«

Der Bischof schnaubte durch die Nase. »Ha, es liegt bestimmt nicht in der Macht dieses Weibes, mir meine Wünsche zu erfüllen! Was bildet sie sich ein?«

»Sie ist ein Weib«, sagte der Narr mit einem Schulterzucken, als sage dies alles.

»Ja, sie ist nur ein Weib«, bestätigte der Bischof und machte sich an den beschwerlichen Abstieg. »Und sie ist schon viel zu lange um mich. Sie langweilt mich. Ich werde sie wegschicken und mir etwas anderes nehmen. Ich habe da schon ein Mädchen im Blick, das sich über die Ehre, von mir erwählt zu werden, sicher beglückt zeigen wird.«

Ausnahmsweise schwieg der Hofnarr. Er ließ seinen Blick über die Gestalt des Bischofs gleiten. Alt war er, das Gesicht rot, der Leib aufgedunsen von Wein und Schlemmerei. Was allerdings viel schwerer wog: Er hatte keine Macht, keine Vergünstigungen und kein Geld mehr zu bieten, um mit seinem unzüchtigen Ansinnen Begehrlichkeit zu wecken.

»Was machst du denn für ein Gesicht?«, forschte Gret nach, als sich die Frauen nach Einbruch der Dunkelheit auf der Schütt, ihrem Lieblingsplatz, der aufgeschütteten Bastion auf der Mainseite vor dem Fürstenpalas, trafen. Der Herbst nahm bereits seinen Lauf, die Blätter fielen, und mit ihm kam die Nacht jeden Tag ein wenig früher, der Wind wurde stürmischer und kälter. Bald würden sie sich im Innern der Festung ein Plätzchen für ihre heimlichen Zusammenkünfte suchen müssen. Heute jedoch schenkte der Herbst ihnen einen schönen Abend, den man mit einem warmen Umschlagtuch um die Schultern wohl ertragen konnte. Elisabeths Umhang war aus kostbarem Stoff, bestickt und mit Pelz gefüttert, die von Gret und Jeanne aus grob gewebter Wolle.

Elisabeth ließ den Blick den Schlossberg hinunterwandern zur Vorstadt mit ihren drei Klöstern und dann über den dunklen Main, dessen schäumende Flut die stolze Brücke überspannte. Am anderen Ufer erhob sich die Stadt. Das prächtige Würzburg mit seinen Mauern und Türmen, dem Dom, dem Neumünster und den anderen Kirchen, die sich noch vor dem zunehmend dunkleren Abendhimmel abhoben.

»Heilige Jungfrau, es ist geschehen?«, stieß Jeanne aus. »Du hast es ihm gesagt, nicht wahr?«

»Und er ist mit Entsetzen vor dir zurückgewichen«, knurrte Gret empört, obwohl Elisabeth noch keinen Ton erwidert hatte.

»Nein, ist er nicht, oder? Er ist nun vielleicht ein wenig verwirrt, aber er wird zu seinem Wort stehen. Nicht wahr? Er ist ein Ritter!« Jeanne drückte drängend Elisabeths Hand.

Gret schnaubte. »Ha, ein Ritter, mit den berühmten Tugenden, die man vielleicht in alten Sagen findet, aber nicht bei denen, die heute unter uns leben. Jeanne, du bist ein Schaf. Ritter oder nicht, er ist ein Mann, der kein Weib vor den Altar führen wird, das bereits mehr als ein anderer besessen hat.«

Elisabeth unterdrückte ein Stöhnen.

»Gret! Wie kannst du so herzlos sein, so etwas zu sagen?«, rief Jeanne.

»Was wahr ist, muss man auch sagen, sei es nun herzlos oder nicht. Ich habe sie ja gewarnt, wieder und wieder, aber du bist so blind, dass du sie auch noch in ihrem Wahnsinn bestärkt hast! Nun ist das Unglück geschehen, und keiner kann die Worte mehr zurücknehmen.«

Die beiden standen sich mit erbostem Gesichtsausdruck gegenüber, die Hände in die Hüften gestemmt, und funkelten einander an, bis Elisabeth zwischen sie trat.

»Schluss jetzt, ihr beiden! Ihr ereifert euch ganz unnötig. Nichts ist passiert, denn ich habe es Albrecht immer noch nicht gesagt.«

»Endlich ist sie zur Vernunft gekommen«, rief Gret, während Jeanne wissen wollte, was sie noch immer davon abhalte.

»Du willst doch nicht etwa auf Gret hören? Tu das nicht. Gott wird dich strafen, wenn du deine Liebe auf einer Lüge aufbaust!«

»Blödsinn!«, fiel ihr Gret ins Wort. »Alle Männer belügen und betrügen die Frauen. Hast du nicht einmal das in deiner Zeit im Frauenhaus gelernt, Jeanne? Warum sollte Elisabeth es nicht auch so halten?«

»Und wenn er es irgendwann herausfindet?«, entgegnete Jeanne.

»Das wäre nicht gut, aber dennoch nicht so schlimm, als wenn er es jetzt schon erführe und sie gar nicht erst heiratete. Er würde ihr böse sein und sich hintergangen fühlen, aber er würde nicht so weit gehen, sie zu verstoßen. Zu viel der Schande bliebe an ihm selbst hängen. Nein, es könnte nur in seinem Interesse sein, die Sache zu vertuschen und nach außen eine gute Miene zum bösen Spiel zu zeigen.«

»Nur wenn wir alleine wären, würde er mich seine Verachtung spüren lassen, ja mich hassen für das, was ich ihm angetan habe«, sagte Elisabeth leise. »Meinst du, so könnte ich leben?«

»Es ist besser, als ohne Freunde, Geld und Ehemann auf der Straße zu stehen. Du müsstest wissen, wohin das eine Frau treibt«, antwortete Gret brutal.

Elisabeth nickte. »Ja, ich habe es erfahren, und dennoch kann ich mein Leben und meine Liebe nicht auf einer Lüge aufbauen. Ich werde nicht mit ihm vor den Altar treten, ohne ihm alles gebeichtet zu haben.«

Jeanne drückte ihr warm die Hände. »Du tust das Richtige, Liebes.«

Gret dagegen schnaubte. »Dann wirst du gar nicht vor den Altar treten, so wahr ich hier stehe. Kein Mann wird dich heiraten, wenn er die Wahrheit kennt.«

»Nun, dann muss ich eben ein anderes Leben wählen.« Sie reckte sich ein wenig und sah die Freundinnen fest an. »Meine Entscheidung ist unumstößlich!«

»Sie ist so stolz und edel«, seufzte Jeanne.

»Nein, nur dumm, obwohl sie es besser wissen sollte«, widersprach Gret, doch dann lächelte sie, und ihre Miene wurde weich. »Und dennoch bin ich für immer deine Schwester, mit allem, was mir möglich ist.«

»Ich auch!«, rief Jeanne. »Ich werde immer für dich da sein, Lisa, egal, was das Schicksal dir noch bringen mag.«

Elisabeth umarmte beide. Tränen der Rührung standen ihr in den Augen. »Wenn mir früher einmal jemand gesagt hätte, ich würde die edelsten Geschöpfe auf Erden in einem Frauenhaus finden, ich hätte ihm nicht geglaubt.«

»Früher hätte niemand in deiner Gegenwart gewagt, so etwas Sündiges wie ein Frauenhaus auch nur zu erwähnen«, entgegnete Gret trocken.

Als Elisabeth am nächsten Morgen die Augen aufschlug, drangen ungewohnte Laute zu ihrem Gemach herauf. Sie schlug die Decke zurück und sprang aus dem Bett.

»Was ist denn dort drunten los?«, fragte sie Jeanne, die wie üblich bei der ersten ihrer Bewegungen herbeigeeilt kam, um nach den Wünschen ihrer Herrin zu fragen.

Jeanne hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich war noch nicht unten. Ich wollte nicht riskieren, dass du erwachst und ich nicht da bin.«

»Übertreibst du es nicht ein wenig mit deinen Pflichten?«

»Ist es klug, eine Magd so etwas zu fragen?«, gab Jeanne mit einem schelmischen Lächeln zurück. »Was ist, wenn ich dies als Aufforderung verstehe, meine Arbeit zu vernachlässigen?«

»Dann zause ich dir das Haar und schimpfe ganz fürchterlich mit dir«, antwortete Elisabeth mit einem Lachen. »Nun gut, dann hilf mir schnell in mein Gewand, und lass uns sehen, was der ungewohnte Aufruhr im Hof bedeutet.«

Sie mussten hinaus in die Vorburg, um eine Antwort auf ihre Frage zu finden. Im großen Burghof um die Warte trafen sie bereits auf einige ihnen unbekannte Männer, die schwer beladen mit Kisten und Bündeln scheinbar ziellos durcheinanderliefen, während ein kleines Männchen versuchte, Ordnung zu schaffen.

»Was hast du da? Nein, das muss in den Keller hinunter. Dort drüben, und stell es irgendwohin, wo es feucht ist. Feucht und dunkel, hast du gehört, sonst verdirbt alles! Und du? Halt, wohin gehst du? Ins Zeughaus? Blödsinn, trag es in die große Halle. Wir werden die Kiste später selbst auspacken. Und sei vorsichtig, du Tölpel. Lass sie auf keinen Fall herunterfallen. He, Bursche, ja, du dort drüben, komm her und fass mit an, dass er die Kiste heil die Treppe hochbekommt.« Das Männlein wischte sich den Schweiß von der Stirn und ließ den Blick schweifen, bis er an zwei Burschen hängen blieb. »Nein, was macht ihr denn? Vorsicht! Vorsicht!«, er rannte mit seltsam tippelnden Schritten davon, um dem einen eine kleine Kiste zu entreißen. Mit einem Seufzer barg er sie an seiner Brust und wiegte sie ein paar Mal, als halte er ein Kind in den Armen. Elisabeth und Jeanne tauschten belustigte Blicke. Was ging hier vor sich? Natürlich kamen hier immer wieder Händler mit Waren auf die Festung. Die Lieferungen reichten von den verschiedenen Nahrungsmitteln, die die zahlreichen Bewohner täglich benötigten, bis hin zu edlen Pferden, luxuriösen Stoffen und Geschmeide. So einen Auflauf hatte Elisabeth jedoch noch nicht erlebt.

Die Frauen passierten das innere Tor und die Barbakane und schritten über die Zugbrücke, zumindest bis zur Mitte, denn dort blieb Elisabeth wie angewurzelt stehen.

»Das ist doch nicht möglich«, hauchte sie.

Auch Jeanne blieb jetzt stehen und wandte sich ihr mit fragender Miene zu. »Was ist nicht möglich?«

»Georg«, hauchte Elisabeth, was Jeanne nicht weniger fragend dreinschauen ließ.

»Georg«, wiederholte Elisabeth ungläubig. Dann breitete sich ein Strahlen über ihrem Gesicht aus, und sie jauchzte: »Er ist zurück! Er ist tatsächlich wohlbehalten zurück!«

Jeannes Frage, von wem sie spreche, verhallte ungehört. Elisabeth raffte ihre Röcke und stürzte über die Brücke auf den Hof und in die Arme eines Mannes, der sich gerade rechtzeitig umdrehte, um sie aufzufangen und an sich zu drücken.

»Gibt es da irgendetwas, das wir nicht mitbekommen haben?«, erklang eine Stimme hinter Jeanne.

Gret trat mit hochgezogenen Brauen neben Jeanne, die anscheinend so entsetzt war, dass sie keinen Ton herausbrachte. Gret dagegen murmelte: »Ich könnte mir vorstellen, dass unser Herr Albrecht von Wertheim das nicht gerne sehen würde.« Rasch blickte sie sich um, konnte ihn aber glücklicherweise nicht entdecken. »Nun, es wird schon einen freundlichen Menschen hier auf dieser Burg geben, der ihn mit jeder unnötigen Einzelheit versorgt; davon bin ich überzeugt.«

»Ich hoffe nicht«, hauchte Jeanne, die noch immer geschockt schien.

»Unterschätze nicht die Bosheit der Menschen. Er wird es erfahren!«

Nun schwenkte der Fremde Elisabeth gar im Kreis, dass sie hell aufjauchzte. Fröhlich wie ein unbeschwertes Kind, das die Härte des Lebens noch nicht erfahren hat. So hatten die beiden Frauen Elisabeth noch nie erlebt. Ihr Lachen schallte über den Hof. Langsam traten die beiden näher. Endlich löste sich Elisabeth von dem Fremden und trat einen Schritt zurück. Ihre Wangen waren gerötet, und ihr Atem ging ein wenig schneller. Ein Strahlen ließ ihre graugrünen Augen aufleuchten. Einige Strähnen ihrer honigblonden Locken hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und ringelten sich um ihren Hals bis über die Schultern.

»Georg!«, stieß sie aus und lächelte zu dem jungen Mann hoch, der kaum älter schien als sie. »Der Tag hätte mir keine größere Freude bringen können als deine Rückkehr.«

»Nun, ich war gerne weg, das will ich nicht verhehlen, aber dich wieder in die Arme schließen zu können, darauf habe ich mich gefreut, seit wir Persien verlassen haben. Und ich bin froh, dass die Gerüchte, die mich in fernen Landen erreichten, du habest dich in ein Kloster zurückgezogen, der Wahrheit entbehren.«

Elisabeth senkte den Blick. »Das ist eine komplizierte Geschichte.« Sie war erleichtert, dass er nicht darauf einging.

»Dann wirst du also doch noch unseren heißblütigen Rittersmann Albrecht ehelichen, wie ich es schon vor vielen Jahren prophezeite, als du noch ein Fratz warst und Zöpfe trugst?«

»Wenn er mich noch haben will«, sagte Elisabeth leise, ohne den Blick zu heben. Der Fremde lachte.

»Da müsste vorher die Welt untergehen und das Jüngste Gericht über uns kommen, ehe Albrecht etwas von seiner Vernarrtheit verliert. Von jeher war er völlig blind gegenüber deinen zahlreichen Fehlern und Makeln«, sagte er in scherzhaftem Ton und zupfte an einer ihrer Locken.

Elisabeth sah ihn empört an und knuffte ihm in die Rippen. »Wie kannst du so etwas behaupten? So viele Makel habe ich nicht...« Sie brach ab. »Hatte ich nicht«, fügte sie schwach hinzu.

»Ach, ich habe dich vermisst«, rief er unvermittelt und zog sie noch einmal in seine Arme. Elisabeth schloss die Augen und legte ihre Wange mit einem Seufzer an seine Schulter. »Ich dich auch«, hauchte sie.

Jeanne und Gret sahen einander an. »Jetzt verstehe ich gar nichts mehr«, stieß Gret aus, doch plötzlich begann ein Lächeln ihre Lippen zu heben und breitete sich dann über ihr ganzes Gesicht aus.

»Ich wüsste nicht, was es da zu grinsen gibt«, herrschte sie Jeanne an.

»Ich schon«, gab Gret zurück, und das Lachen wurde noch breiter. »Sieh ihn dir genau an. Sein Gesicht, die Nase, das blonde Haar und seine Augen. Ein schöner junger Mann, nicht wahr?«

»Ich wüsste nicht, was das zur Sache tut«, fauchte Jeanne, doch dann stutzte sie und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Er ist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.«

»Ja, das finde ich auch. Er hat Glück, dass er nicht nach seinem Vater gerät«, fügte Gret lästerlich hinzu.

In diesem Moment löste sich Elisabeth aus den Armen des jungen Mannes, und ihr Blick glitt zu den beiden Freundinnen, die noch immer auf der Brücke standen. Sie winkte sie zu sich.

»Gret, Jeanne, begrüßt meinen Bruder Georg, der von einer langen Reise zurückgekehrt ist. Georg, das sind meine vertrauten... äh... Mägde Gret und Jeanne, die sich stets um mein Wohlergehen bemühen.«

Während Gret und Jeanne vor dem Sohn des Bischofs artig knicksten, gönnte er ihnen nur ein flüchtiges Nicken.

Ein Mann mit einem Sack auf dem Rücken trat zu ihnen. »Verzeiht, dass ich störe, Meister Georg, aber wohin soll ich diesen Sack bringen, den Ihr in Indien erworben habt?«

Georg überlegte kurz. »Bring ihn in die leere Kammer neben dem Gemach, das Meister Thomas bewohnen wird. Wir werden dort eine kleine Alchemistenküche einrichten müssen.«

Der Mann nickte und strebte mit seiner Last auf die Zugbrücke zu.

»Wer ist Meister Thomas?«, fragte Elisabeth neugierig.

»Kurz gesagt, heute ein guter Freund; zu Anfang nur ein Mann, der sich dem Kaufmann, der mich in die Lehre nahm, auf seiner Reise angeschlossen hat. Du wirst Thomas kennenlernen. Lass mich aber zuerst dafür sorgen, dass alle Waren gut versorgt sind, dann können wir uns zum Mahl zusammensetzen, und ich werde dir alles erzählen. So lange wirst du deine Ungeduld wohl noch bezähmen müssen, auch wenn es dir schwerfällt.« Er strich ihr noch einmal über die Wange und lächelte verschmitzt. »Ich nehme an, Geduld gehört noch immer nicht zu deinen Tugenden, liebste Schwester?«

»Nein, gehört sie nicht«, seufzte Elisabeth, »und du hast sie verdammt lange strapaziert.«

»Schwester, ich bin entsetzt, ein Fluch aus deinem zarten, jungfräulichen Mund!«, spottete Georg gutmütig.

»Ja, ein Fluch ist hier durchaus angemessen. Drei ganze lange Jahre, die du auf Reisen warst und während derer ich nicht einmal wusste, ob du noch lebst!« Eine Träne rollte über ihre Wange. Georg hob die Hand und wischte sie ab.

»Ich werde es wiedergutmachen, Schwesterherz, ich verspreche es. Von nun an kannst du auf mich zählen. Ich bin als zorniger Jüngling aus Würzburg gezogen, und ich komme als gemachter Mann wieder. Ja, sieh mich nicht so ungläubig an. Trotz meiner Jugend habe ich viel erreicht. Von nun an werde ich meine eigenen Handelsreisen unternehmen. Ich habe alles gelernt, was Meister Johann mir beibringen wollte. Doch nun lass mich meine Arbeit tun. Später ist Zeit, zu allem Rede und Antwort zu stehen.«

Er wandte sich ab und trat zu einem Wagen, von dem gerade kleine hölzerne Kästchen abgeladen wurden. Elisabeth und die beiden Mägde sahen ihm noch eine Weile zu, dann schritten sie in die Burg zurück, um ein Mahl für die Männer der Handelskarawane zubereiten zu lassen.

»Ich werde ihm etwas ganz Besonderes kochen«, versprach Gret. »Wenn dieser Tyrann von einem Küchenmeister mich lässt«, fügte sie düster hinzu, ehe sie die Treppe zur Küche hinunterlief.

Viermal eilte Elisabeth in die Küche, und der Koch war nahe daran durchzudrehen, bis die Tafel in der Stube endlich ihren Wünschen entsprach. Sie hatte diesen kleinen, prächtigen Raum gewählt, in dem auch der Bischof zuweilen gespeist hatte, wenn er keine Gäste erwartete und nur wenige seiner engsten Vertrauten mit ihm zu Tisch saßen. Was in den vergangenen Jahren allerdings nicht häufig vorgekommen war. Elisabeth dagegen bevorzugte diese intime Runde und hoffte, ihr Bruder werde nicht zu viele seiner Reisegefährten mit zum Mahl bringen. Sonst würde sie womöglich alles in den großen Saal bringen lassen müssen.

Noch einmal umrundete sie die Tafel mit kritischem Blick. Heute war schließlich ein besonderer Tag. Hatte der Vater in der biblischen Geschichte nicht auch das Beste auftischen lassen, als der verlorene Sohn in die Heimat zurückkehrte?

Nun gut, Georg war nicht verloren gewesen, obwohl Elisabeth die meiste Zeit über nicht einmal gewusst hatte, durch welches ferne Land er gerade reiste, ja, ob er überhaupt noch am Leben oder vielleicht einem tückischen Leiden oder einer Bande Wegelagerer zum Opfer gefallen war. Und er war auch nicht gegen den Willen des Vaters mit dem Kaufmann Meister Johann von Würzburg davongezogen. Der Bischof hatte ihm seinen Segen erteilt, oder zumindest dem Drängen seines Sohnes nachgegeben.

Elisabeth ließ prüfend den Blick über die Tafel schweifen. Es war alles bereit. Nichts, was ihr Bruder begehren konnte, fehlte. Sie hatte alle Speisen herrichten lassen, die er früher gern gegessen hatte – soweit sie sich derer noch erinnerte.

Ein Geräusch ließ sie herumfahren. Johann von Wertheim stand in der Tür und ließ den Blick über die Tafel schweifen. Er sagte kein Wort, aber Elisabeth wurde es abwechselnd heiß und kalt. Wie hatte sie das auch nur einen Augenblick vergessen können? Sie war nicht mehr die Tochter des Hauses, die auf dem Marienberg schalten und walten durfte, wie es ihr beliebte. Ihr Vater saß auf seiner Burg in der Verbannung, und dem neuen Herrn musste sie gar dankbar sein, wenn er sie noch eine Weile duldete.

»Ich habe gehört, Besuch sei angekommen?«, begann der Pfleger, nachdem Elisabeth noch immer nichts sagte.

Sie nickte. »Ja, mein Bruder Georg und sein Meister, der Kaufmann Johann von Würzburg, sind von einer langen Reise zurückgekehrt. Sie konnten nicht wissen, dass sich die Verhältnisse hier im Land verändert haben; daher führte sie ihr Weg in der Heimat sogleich auf Unser Frauenberg.«

Der Blick des Pflegers ruhte noch immer auf der üppigen Tafel und den wenigen Stühlen, die um den Tisch gruppiert waren. Elisabeth spürte seinen Vorwurf, obwohl er nichts dazu sagte.

»Nun, dann werde ich mich später ein wenig zu Euch gesellen, um zu hören, welch Waren und Geschichten die Kaufleute von ihren Reisen mitbringen«, sagte er schließlich und verließ dann den Raum.

Elisabeth stand da, den Blick auf die Tafel gerichtet, die sie mit so viel Freude für ihren Bruder gerichtet hatte, doch nun wollte sich dieses Gefühl nicht mehr einstellen. Sie sah nur die Verschwendung, den unnötigen Überfluss, in dem sie am Hof ihres Vaters aufgewachsen war. Hatte ihre Zeit im Frauenhaus sie gar nichts gelehrt? Hatten dort nicht eine Schale Suppe und ein wenig Brot am Abend genügt, und sie war dankbar für Gottes Gabe gewesen? Deshalb war der Pfleger von Wertheim von den Domherren eingesetzt worden, um der Verschwendung Einhalt zu gebieten.

Wie gut, dass ihr Bruder diesen Augenblick für sein Erscheinen wählte und alle trübsinnigen Gedanken wie eine Sturmböe vertrieb. Sie spürte, wie ihr Gesicht erstrahlte, als sie seinen Schritt auf der Treppe vernahm. Er überquerte den Vorplatz und strebte auf sie zu.

»Ah, das duftet ganz vortrefflich. Was hast du nicht alles aufgetischt! So hatte ich die Festmähler stets in meiner Erinnerung, wenn ich bei kargem Mus auf einer öden Ebene frierend in meinem Zelt saß und mich fragte, welcher Dämon mich geritten hat, die Heimat zu verlassen. Thomas, komm schnell, und labe dich an diesem Anblick, ehe wir es uns schmecken lassen.«

Er sah den Freund an, der nun vortrat und sich artig vor Elisabeth verbeugte. »Thomas Klüpfel, gebürtig aus Bamberg«, stellte er sich vor. Das war also der angekündigte Reisegefährte, der sich zum Freund gewandelt hatte. Neugierig musterte Elisabeth ihn, während sie die anderen Männer aufforderte, Platz zu nehmen und kräftig zuzugreifen, was diese sich nicht zweimal sagen ließen.

Georg nannte ihr auch die Namen der anderen Gäste. Das kleine Männchen, das sie bereits im Hof angetroffen hatte, war der Kaufmann Johann Roderer, der Georg in die Lehre genommen hatte. Ein weiterer jüngerer Mann, größer gewachsen und schlanker in der Erscheinung, wurde als Johanns Sohn Eberhard vorgestellt. Neben ihm nahmen noch zwei weitere Männer Platz, die hauptsächlich mit chinesischer Seide handelten und die sich unterwegs mit ihren beiden Karren dem Zug des Würzburger Kaufmanns angeschlossen hatten. Elisabeth richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Freund ihres Bruders.

Thomas Klüpfel war ein großgewachsener Mann, schlank, ja fast ein wenig hager, und einige Jahre älter als ihr Bruder. Elisabeth vermutete allerdings, dass er die dreißig noch nicht erreicht hatte, obwohl sein Blick davon sprach, wie viel er bereits erlebt hatte. Gutes, aber auch die Härte, zu der das Schicksal fähig ist. Die Augen waren blau. Von einem tiefen, dunklen Blau. Sein intensiver Blick wanderte immer wieder zu ihr herüber. Sein erst kürzlich sauber geschnittenes Haar zeigte einen hellen Braunton, dem vermutlich die Sonne des Südens einen Goldton verliehen hatte. Die Wangen des harmonischen und doch männlich markanten Gesichts waren frisch rasiert. Außerdem trugen sowohl ihr Bruder als auch die Gäste saubere, farbenprächtige Gewänder aus teuren Stoffen mit Pelzverzierungen an den Säumen. Ganz so direkt hatte ihr Weg sie also nicht aus den wilden Ländern ihrer Reise auf den Marienberg geführt. Obwohl Elisabeth nur eine vage Vorstellung davon hatte, wie es bei solch einer Handelskarawane zuging, war sie sich dennoch sicher, dass sich die Männer nicht die Mühe machten, regelmäßig einen Barbier aufzusuchen oder auf saubere Kleider zu achten.

Thomas Klüpfel lachte und bestätigte Elisabeths Verdacht, als sie ihn laut äußerte. Er zwinkerte ihr zu. »Wir sahen gar aus wie die Wegelagerer, als wir das Schiff in Genua verließen, das kann ich Euch versichern, und unser Zug über die Alpen hat die Sache nicht besser gemacht. Nein, die Wächter hätten uns vermutlich mit vorgestreckten Hellebarden davongejagt und nicht einmal den verlorenen Sohn Georg wiedererkannt. Das konnten wir nicht riskieren!« Er lächelte verschmitzt. »Außerdem wollte Georg schließlich mit stolz geschwellter Brust unter seinem teuren Tuch hier erscheinen, um zu zeigen, dass sich die Jahre in der Fremde ausgezahlt haben, nicht wahr, guter Freund?«

Georg ging nicht auf die Neckerei seines Freundes ein. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich die Köstlichkeiten von den zahlreichen Platten und Schüsseln auf den Teller zu häufen. Auch die anderen Männer griffen eifrig zu.

»Ah, Thomas, sieh nur, ein in Honig knusprig gebratener Kapaun, dort Wachteln in Wein gekocht und ein Rebhuhn mit süßen Beeren gefüllt.« Er seufzte und tat sich gleich zwei Stücke auf, ehe sein Blick weiterwanderte und er mit seiner Aufzählung fortfuhr. »Eine Mandelspeise mit Reis, saftige Würste und ein Braten, dem das Fett noch aus allen Poren quillt. Sieh dir die dicken, braunen Zwiebeln an, in bestem Essig eingelegt, dort der Salzfisch aus dem Norden und hier die gebratenen Fische im Kräutermantel direkt aus dem Main samt der Krebse, die liebevoll um sie herumdekoriert wurden. Vom Quittenmus und den kandierten Früchten erst gar nicht zu reden! Greift zu, liebe Freunde, es muss an nichts gespart werden. Esst und trinkt, und vergesst die kargen Tage, ja die Monate, die wir darben mussten.«

Er beugte sich vor und legte auch seinem Freund dicke Scheiben vom Braten und einige Zwiebeln auf. Elisabeth reichte duftendes warmes Brot. Ihr Bruder biss herzhaft in den knusprigen Schenkel des Kapauns. Gret trat ein und schenkte die hohen, mit Edelsteinsplittern besetzten Zinnbecher voll kühlen, roten Wein. Georg trank und ließ sich dann mit einem Seufzer in seinem Stuhl zurücksinken.

»Es hat sich nichts verändert. So habe ich es in meiner Erinnerung gesehen, wenn die Schwärze der Nacht über mir zusammenstürzte und Zweifel und Ängste mich frösteln ließen. Wie gut tut es, endlich zu Hause zu sein.«

Er hob den Becher und prostete ihnen zu. Sein Freund erwiderte die Geste und trank dann durstig, während Elisabeth nur an ihrem Wein nippte.

»Sosehr es mich schmerzt, dir das sagen zu müssen«, begann sie zaghaft, »aber nichts ist mehr so, wie es war, und dies ist auch nicht mehr unser Zuhause. Der Bischof, unser Vater...«

Georg fiel ihr ins Wort. »... wurde abgesetzt und verbannt, ja, ich habe es bereits erfahren. Johann von Wertheim hat nun mit Segen des Kapitels und des fränkischen Adels hier das Sagen. Ich habe ihn im Hof getroffen und es nicht versäumt, ihm die Spezereien, die Seiden und Stoffe, Perlen und andere Kostbarkeiten aus China und Indien anzubieten. Er lehnte mit dem Hinweis ab, das Bistum habe keinen einzigen Gulden für solch unnützen Luxus übrig.« Ihr Bruder zog eine Grimasse. »Wenigstens konnte ich ihn für den Weihrauch aus dem Land der Königin von Saba begeistern, den ich unterwegs eingetauscht habe. Ich überlege mir, ob ich ihn nicht ein wenig teurer anbiete, um ihn für den Dom dadurch wertvoller zu machen. – Das ist nur ein Scherz, Kleines! Du musst mich nicht so entsetzt ansehen. Ich werde ihn den Domherren zu einem angemessenen Preis überlassen. Und vielleicht auch ein wenig Myrrhe, wenn sie meine Seide schon nicht wollen.« Sein Blick hob sich von seinem noch einmal gut gefüllten Teller zu seiner Schwester, die ihm gegenübersaß.

»Es ist mir also nicht entgangen, dass hier nun ein anderer Wind weht. Doch lass uns davon schweigen, Schwesterherz, und uns nicht diesen ersten Tag in der Heimat davon verderben lassen. Morgen ist auch noch ein Tag, an dem wir überlegen können, wie es weitergehen soll.« Er erhob seine Stimme. »Feuerkopf, wo bist du? Mein Becher ist leer!«

Die Magd huschte herbei und schenkte ihm ein. »Mein Name ist Gret, Meister Georg«, sagte sie und sah ihn fest an.

Er erwiderte ein wenig erstaunt ihren Blick. »Gret, gut, sollte ich mir das merken?«

»Es ist immer gut, wenn man weiß, mit wem man es zu tun hat, Herr«, antwortete die Magd mit ehrerbietiger Stimme, doch Elisabeth bemerkte das kriegerische Funkeln in ihrem Blick, das anscheinend auch ihrem Bruder nicht entging.

»Gret mit dem Feuerschopf, ich werde es nicht vergessen«, sagte er und blickte der Magd nachdenklich hinterher, als sie mit dem leeren Krug den Raum verließ. Der Moment der Spannung verwehte, und Georg wandte sich wieder dem Essen zu, während Thomas zu Elisabeth hinübersah.

»Und, Meister Thomas, was habt Ihr aus den fernen Ländern mitgebracht?«, fragte sie ihn. Der intensive Blick verunsicherte sie. »Habt auch Ihr feine Stoffe und Geschmeide in Eurem Gepäck, mit denen die Männer Herz und Verstand der Frauen zu verwirren versuchen?«

Thomas schüttelte den Kopf, doch ehe er etwas sagen konnte, fiel ihm Georg ins Wort. »Nein, er trägt keine Dinge bei sich, die von Frauen heiß begehrt werden. Da musst du dich schon an mich wenden. Mein Freund dagegen hat einen seltsamen Geschmack. Thomas kauft tote Käfer und getrocknete Skorpione, Mohnkapseln und übel riechende Pasten, kistenweise Pflanzen, die ich noch niemals zuvor gesehen habe, aber auch Steine mit leuchtend grünen oder blauen Flecken, Schwefel und Kristalle von den Flanken eines feuerspeienden Berges, sündhaft teure Glaskolben und gar Porzellanbehälter, die aus dem fernen Japan stammen. Und er hat sich nicht gescheut, Teile von monströsen Tieren, die – nach den Staubschichten zu urteilen – schon ziemlich lange nicht mehr unter den Lebenden weilen, für ganze Berge an Münzen zu erwerben!« Er lachte, während sein Freund protestierte.

»Das ist nicht gerecht, Georg, ich habe weder das ausgestopfte Krokodil gekauft noch den Löwenkopf, dem die Motten schon zu sehr zugesetzt hatten, als dass man dessen Mähne noch als prächtig hätte bezeichnen können.«

»Und was ist mit der Mumie aus Ägypten, die sie dir in Konstantinopel aufgeschwatzt haben?«

»Sie ist sehr interessant, nicht wahr?«

»Und was ist gar mit diesem langen, gedrehten Horn? Ich will nicht wiederholen, welch Vermögen du dafür ausgegeben hast. Bei dem Gedanken wird es mir noch immer schlecht«, fuhr Georg fort und leerte rasch seinen Becher. Vielleicht um die angekündigte Übelkeit zu bekämpfen. Der Blick seines Freundes nahm etwas Verträumtes an.

»Ach ja, das Horn, das war ein echter Glücksgriff. Was zählt da der Stapel Goldgulden, den ich dafür hinlegen musste?«

Elisabeth wusste nicht, ob die Männer sie auf den Arm nehmen wollten. »Ihr habt das alles, was mein Bruder aufgezählt hat, wirklich gekauft und einen Berg Gulden für ein gedrehtes Horn bezahlt?«

»Aber ja«, rief der Gast aus und strahlte sie an. »Das Horn ist nun mein wertvollster Besitz. Nein, schaut nicht so ungläubig drein, verehrtes Fräulein Elisabeth. Es ist das echte Horn eines unicornus

»Oh!« Elisabeth hatte selbst noch keines dieser fabelhaften Wesen gesehen, und sie kannte auch keinen, der dies für sich behaupten konnte. Doch obgleich niemand genau sagen konnte, wo diese Tiere zu finden waren, zweifelte keiner an ihrer Existenz.

»Habt Ihr mit eigenen Augen ein Einhorn gesehen, Meister Thomas?«

Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Nein, ich habe leider nur das Horn erworben, aber das wird mir für eine Weile meinen Wohlstand sichern.«

»Wie das, und was wollt Ihr mit all den anderen seltsamen Dingen anfangen, die Ihr in der Ferne erworben habt?«

Thomas deutete eine Verbeugung an und sagte dann in feierlichem Ton: »Sie zu Pulver und Pasten verarbeiten, zu Tinkturen und Tränken, mit denen ich Menschen von ihren Leiden erlösen und Kranke zu heilen vermag.«

Elisabeth nickte. »Ja, das hätte ich mir denken sollen. Seid Ihr ein Medicus?«

»Nein, ein Apotheker auf Reisen, immer auf der Suche nach Heilmitteln und den Stoffen, die die Ärzte ihren Patienten verordnen.«

»Dann wisst Ihr, wie man diese geheimnisvollen Medizinen braut und wie sie den Körper wieder gesunden lassen?«

Thomas nickte. »Aber ja. Habe ich Euer Interesse geweckt? Dann will ich Euch gerne einladen, Euch meine seltenen Waren anzusehen und zu hören, was für Mittel man daraus herstellen kann.«

Elisabeth spürte, wie ihre Wangen glühten. »Oh ja, gerne. Ich bin schon sehr gespannt!«

Beschwingt griff sie nach der Mandelspeise und lud sich auch noch ein paar kandierte Früchte auf den Teller.

Das Antlitz der Ehre

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