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PROLOG Die Verschwörung

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Und, habt Ihr schon einen Plan? Wie sollen wir vorgehen?«

Die beiden Männer saßen sich in dem prächtigen Gemach gegenüber, tranken schweren roten Wein und lehnten sich behaglich in den dicken Kissen der Ruhebänke zurück.

»Ein sauberer Schuss, das ist das Einfachste«, sagte der Gast und goss sich Wein nach.

»Ein Schuss kann fehlgehen«, gab der Hausherr zu bedenken. »Wir dürfen kein Risiko eingehen.«

»Ich spreche ja nicht von diesen neumodischen Büchsen!«, erwiderte der Besucher. »Ich halte nichts von Krach und Pulverdampf. Außerdem sind sie zu unförmig und schwer und müssen irgendwo aufgelegt werden. Ich spreche von einem kleinen, gut platzierten Armbrustbolzen. Wir werden in dieser Stadt doch einen passenden Schützen auftreiben!«

»Ich weiß nicht«, sagte der Hausherr gedehnt und rückte sich die Kissen in seinem Rücken zurecht. »Ich möchte die Sache aus der Welt geschafft haben – sicher und endgültig –, und zwar bald! Ich bin für eine Klinge in den Rücken, glatt und schnell.«

Sein Gegenüber lachte. »Ja, das kann ich mir denken. Und gewiss habt Ihr jemanden bei der Hand, der sich für dieses Vorhaben anbietet. Ihr glaubt doch nicht etwa, er würde mit dieser Tat davonkommen? Nein, wenn wir es auf Eure Weise machen, muss jemand mit seinem Hals herhalten!«

»Ja sicher.« Der Hausherr nickte und gähnte gelangweilt. Er strich sich durch sein dichtes graues Haar. »Schließlich haben weder Ihr noch ich vor, selbst eine Klinge in die Hand zu nehmen. Für große Taten muss man immer Opfer bringen!«

Die Frau, die vor der Tür stand und ihr Ohr an den Spalt presste, schürzte voll Abscheu die Lippen.

Opfer bringen, ja, das müssen stets die anderen, und das Blut auf ihre Hände und ihre Seele kommen lassen, während sich die großen Herren ihre Finger höchstens mit teurem Wein beschmutzen!

Schritte näherten sich von der Treppe her. Die junge Frau war so sehr darauf konzentriert, jedes Wort zu verstehen, das hinter der Tür gesprochen wurde, dass sie erst aufschreckte, als eine Stimme sie anrief.

»He, was machst du da?«

Sie drehte sich nicht nach dem Sprecher um, so viel Geistesgegenwart besaß sie noch. Stattdessen raffte sie ihre Röcke und rannte den Gang entlang davon.

»Bleib stehen! Bleib sofort stehen!« Der Mann lief ihr nach.

Hatte er sie erkannt? Ihr Herz schlug wild. Immerhin rief er sie nicht bei ihrem Namen und er hatte sie mit dem vertraulichen »Du« angesprochen. Wie lange jedoch konnte es dauern, bis er den Kreis der möglichen Lauscherinnen so eingegrenzt hatte, dass er unweigerlich auf ihren Namen stieß? So viele Frauen gingen in diesem Haus nicht aus und ein! Was würde dann mit ihr geschehen?

Sabina lief um zwei Ecken herum, riss die Tür zu der schmalen Treppe der Bediensteten auf und eilte die Stufen hinunter. Im Hof war es dunkel. Sie ließ sich nicht die Zeit, sich nach ihrem Verfolger umzusehen. Sie wusste, dass er ihr noch auf den Fersen war. Hier, innerhalb der Mauern des Hofes, würde sie ihm nicht entgehen. Sabina rannte durch das Tor hinaus, hastete ein paar Gassen entlang und drückte sich dann in eine Nische hinter eine Scheune. Ihr Atem ging schnell und in ihrer Seite stach es. Sie versuchte, über ihren Herzschlag hinweg etwas zu hören. Näherten sich Schritte auf der Gasse? Folgte er ihr noch immer? Außer den üblichen abendlichen Geräuschen der Stadt war nichts zu hören.

Langsam beruhigten sich Herzschlag und Atem, doch ihr Geist blieb in Aufruhr. Er trug nun ein tödliches Geheimnis in sich – tödlich für andere und vielleicht auch für sie selbst. Sie hatte die Stimme des Dienstmannes erkannt, der sie beim Lauschen erwischt hatte. Es war der Leibdiener des Hausherrn. Er machte nicht den Eindruck, als wäre er sonderlich hell im Kopf. Die Frage aber war: Würde er seinem Herrn von diesem Vorfall erzählen? Sie konnte nur hoffen und beten, dass der Diener zu große Angst vor dem Zorn des Herrn hatte und daher lieber schwieg. Denn der Herr war unberechenbar und wusste seinen Verstand wohl zu gebrauchen. Allein der Blick aus seinen kalten blauen Augen ließ alle erschaudern. Es war, als könne er die geheimsten Gedanken lesen und den Menschen bis in die Seele sehen. Sabina liebte ihn nicht gerade und ging ihm, wann immer es möglich war, aus dem Weg. Dabei konnte er durchaus angenehm sein. Wenn er seine Stimme freundlich klingen ließ, dann trat ein glückliches Leuchten in das Antlitz der Angesprochenen, und sie beeilten sich, seinen Wünschen Folge zu leisten. Ja, sie waren sogar dankbar, ihm dienen zu können. Sabina hatte sich in den vergangenen Monaten oft gefragt, ob es ein Engel oder ein Dämon der Hölle war, der ihm diese Gabe verlieh. Heute wäre sie bereit gewesen zu schwören, dass es nur ein Höllenfürst sein konnte.

Bei ihr allerdings ging der Herr stets sparsam mit seiner einschmeichelnden Stimme um. Der jungen Frau wurden meistens nur seine schroffen Befehle zuteil, die jeden, der sie hörte, den Kopf ein wenig tiefer zwischen die Schultern ziehen ließen. Wenn er erfuhr, dass sie seinen schrecklichen Plan belauscht hatte, was würde er dann mit ihr machen? Waren ihr Name und ihre Herkunft Schutz genug? Oder würde er entscheiden, dass das Risiko, sie am Leben zu lassen, zu groß für ihn wäre? Würde er kalt lächelnd den Befehl geben, ihr ein Messer ins Herz zu stoßen oder ihr den Giftbecher zu reichen? Würde er den Mord gar selbst ausführen? Wäre das Letzte, was sie auf dieser Erde sehen würde, seine Gestalt? Groß und aufrecht, wie ein König, Silberfäden im dichten Haar, die Haut im Gesicht noch straff. Und diese blauen Augen, aus denen er sie ansah, ohne auch nur einmal mit den Wimpern zu zucken.

Sabina schloss gequält die Lider. Für einen Moment erwog sie, nicht mehr zum Hof zurückzukehren. Wohin jedoch sollte sie sich dann wenden? Gab es andere Verwandte, bei denen sie Unterschlupf finden konnte? Würden sie sie nicht zurückschicken, wenn sie die Wahrheit nicht kannten? Oder würde er sie selbst verfolgen und zurückholen?

Bedauernd kam sie zu dem Schluss, dass es in dieser Welt keinen Platz gab, zu dem sie fliehen konnte. Vielleicht hatte der Diener sie ja gar nicht erkannt, versuchte sie, sich Mut zuzusprechen. Dann würde sie mit einer Flucht den Stein erst ins Rollen bringen. Jede Minute, die sie dem Hof länger fernblieb, erhöhte das Risiko, dass man sie suchen und nicht finden würde. Wie sollte sie ihre Abwesenheit erklären? Nein, es blieb ihr nichts anderes übrig. Sie musste zurück.

Sorgfältig ordnete Sabina ihre Röcke und machte sich gemessenen Schrittes auf den Weg. Sie schlüpfte durch eine Seitentür in den verlassenen Hof und schlich ins Haus. Als Erstes wechselte sie ihr Gewand und verstaute ihr blondes Haar in einem bestickten Netz. Dann wandte sie sich mit einem bemüht sorglosen Lächeln ihrer Handarbeit zu.

Die Maske der Verräter

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