Читать книгу Als die Kaffeemühle streikte - Ulrike Strätling - Страница 7
Tischsitten
ОглавлениеDer kleine Jens war gerne bei seinen Großeltern zu Besuch. Opa Heini spielte mit ihm „Mensch ärgere dich nicht“ oder las ihm spannende Geschichten vor. Oma Anni backte Kuchen, und den gab es dann nachmittags am Küchentisch, mit leckerem Kakao. Und genau an demselben, begann Opa Heini dann jedes Mal mit seinen Belehrungen. Kaum saß der kleine Jens, so hörte er auch schon den Opa sagen: „Sitz gerade, Junge.“
So auch an einem Sonntagnachmittag im August. Es war ein schöner warmer Sommer und Oma Anni hatte etwas Erfrischendes gebacken. Es war fünfzehn Uhr und dreißig Minuten, als die drei Platz nahmen.
Opa Heini sagte: „Sitz gerade, Junge, sonst bekommst du später einen Buckel.“
Jens setzte sich so aufrecht, wie es nur ging, damit er endlich anfangen konnte. Jens trank einen Schluck Kakao und Opa Heini sagte: „Nicht schlürfen, mein Junge, sonst bekommst du Luft in den Bauch.“
„Ja, Opa“, sagte Jens höflich.
Opa Heini sagte: „Und die Hände liegen beide auf dem Tisch, neben dem Teller.“
„Ja, Opa“, meinte Jens und legte beide Hände auf den Tisch.
Opa Heini sagte: „Nicht schmatzen, mein Junge, das gehört sich nicht.“
„Nein, Opa. Kann ich endlich essen?“
Opa Heini meinte: „Binde dir die Serviette um, damit du dich nicht bekleckerst.“ Auch das tat Jens.
Oma Anni mischte sich ein und sagte: „Nun lass den Jungen doch endlich essen, er muss doch schon gleich wieder nach Hause.“
Opa Heini sagte: „Er muss Tischsitten lernen, sonst kann er sich später in Gesellschaft nicht richtig benehmen.“
Jens sagte: „Opa, ich habe Hunger.“
Inzwischen zeigte die Küchenuhr sechzehn Uhr an. Opa Heini sagte energisch: „Du sitzt schon wieder krumm. Sitz gerade, so wie es sich gehört.“
Jens nahm eine Gabel voll Kuchen. Doch noch bevor er den Kuchen im Mund hatte, rief Opa Heini: „Halt! Man führt die Gabel zum Mund, nicht den Mund zur Gabel. Warte, ich mache es dir vor.“
Opa Heini beobachtete Jens genau. Er ließ ihn nicht aus den Augen. Doch plötzlich stand er auf und kam kurze Zeit später mit einem Besenstiel zurück.
Verdutzt fragte Oma Anni: „Was hast du vor, Heini?“ „Den bekommt Jens jetzt in den Rücken, unter den Pullover. Dann sitzt er gerade“, sagte Opa Heini und machte sich an Jens zu schaffen. Inzwischen war es sechzehn Uhr und fünfzehn Minuten.
Jens stand auf. „Ich muss nach Hause, Opa. Du kannst meinen Kuchen essen, aber sitz gerade dabei, schmatz nicht, schlürf nicht und führ die Gabel zum Mund. Und außerdem steht man nicht einfach vom Tisch auf und läuft weg, um einen Besenstiel zu holen. Ach ja, und vergiss die Serviette nicht, falls du kleckerst.“ Dann war er fort.
Opa Heini hatte keinen Appetit mehr. Er hatte nur noch ein schlechtes Gewissen.