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1. Vorbemerkungen zur Insulinpumpentherapie (CSII[1])

Oft haben Diabetiker unrealistische Vorstellungen davon, was eine Insulinpumpe leisten kann. Die Insulinpumpe ist keine künstliche Bauchspeicheldrüse, die ohne eigenes Zutun den Diabetes „heilt“!

Eine Insulinpumpe ist zunächst nicht mehr als ein perfektioniertes Insulindosiergerät. Der große Vorteil für den gut informierten und geschulten Diabetiker liegt darin, dass er mit der Pumpe in allen Lebenslagen einfacher eine stabile und normnahe Stoffwechseleinstellung erreichen kann. Darüber hinaus berichten die Pumpenträger übereinstimmend, dass sich ihre Lebensqualität verbesserte und dass sie sich körperlich und psychisch wohler fühlen als zu Zeiten einer Injektionstherapie (intensivierte konventionelle Insulintherapie, ICT). Diese Vorteile stellen sich aber nur ein, wenn sich der Diabetiker aktiv und dauerhaft mit dieser Therapieform auseinandersetzt.

Bevor sich ein Diabetiker für die Insulinpumpentherapie entscheidet, sollte er sich ausführlich darüber informieren. Dann sollte im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs mit einem insulinpumpenerfahrenen Diabetesteam geklärt werden,

welche individuellen Zielvorstellungen der Diabetiker an diese Therapieform knüpft,

welche Vorteile im Einzelfall von der Insulinpumpentherapie zu erwarten sind,

welche Hoffnungen vielleicht unrealistisch sind und nicht erfüllt werden können und

welchen zusätzlichen Aufwand diese Behandlungsform erfordert.

1.1 Was hat das Interesse für die Insulinpumpentherapie geweckt?

„Denke wie eine Bauchspeicheldrüse!“ – Mit der Insulinpumpentherapie kann dieser Vorsatz auch erfolgreich in die Tat umgesetzt werden. Keine andere derzeitige Therapieform ermöglicht es insulinpflichtigen Diabetikern besser, die natürliche Insulinabgabe nachzuahmen.


Abb. 1: Entwicklung der Zahl der Insulinpumpenträger in Deutschland seit 1992 [3]. Aktuell ist die Zahl auf ca. 60.000 gestiegen (Stand 2019).

Ohne Zweifel ist „die Pumpe“ für Typ-1-Diabetiker, die mit dieser Therapieform zurechtkommen, die optimale Behandlungsform. Seit 1978 das erste noch etwas unhandliche Pumpenmodell auf den Markt kam[2], nimmt die Zahl der Insulinpumpenträger täglich zu (Abb. 1). Aktuell leben in Deutschland ca. 60.000 Diabetiker mit einer Insulinpumpe, das entspricht 15 bis 20 Prozent aller Typ-1-Diabetiker. Bemerkenswert ist die seit der Jahrtausendwende stark zunehmende Verbreitung der Insulinpumpentherapie in der Kinderdiabetologie. Mehr als 15.000 Kinder und Jugendliche mit Diabetes tragen derzeit eine Insulinpumpe, d. h. jeder zweite Patient unter 21 Jahren. Zur absoluten Standardtherapie wurde die Pumpentherapie für die Kleinkinder unter 5 Jahren, die mittlerweile zu über 90 Prozent mit Insulinpumpen behandelt werden (siehe Kap. 9.1).

Die modernen Insulinpumpen sind klein, passen in (fast) jede Hosentasche oder lassen sich an anderer Stelle am Körper verstecken. Sie können problemlos auch von Kindern getragen werden, bieten eine große Funktionsvielfalt und sind einfach zu bedienen. Das macht die Pumpentherapie heute sehr komfortabel, aber der Schlüssel zu einem optimalen Therapieergebnis ist nicht in einem technischen Gerät zu finden, sondern an komplett anderer Stelle: im Kopf!

Nur ein gut informierter und geschulter Diabetiker, der engmaschig betreut wird, kann das Potenzial der Pumpentherapie optimal nutzen.

Ist die Insulinpumpentherapie den im Vergleich zur ICT größeren Aufwand und die höheren Kosten wirklich wert? Die Antwort ist „Ja“. Mittlerweile ist wissenschaftlich zweifelsfrei belegt, dass die Insulinpumpentherapie bei geeigneten Patienten in fast allen Gesichtspunkten der ICT überlegen ist:

Die Insulinpumpentherapie ermöglicht eine stabilere und bessere Stoffwechsellage.

Solange es keine endgültige Heilung dieser Stoffwechselerkrankung gibt, schwebt das „Damoklesschwert“ der Folgeerkrankungen (diabetische Augen-, Nieren- und Nervenerkrankung, Herz-Kreislauf-Erkrankungen etc.) weiterhin über den Diabetikern. Die einzige Möglichkeit, das Auftreten von Folgeerkrankungen zu verhindern oder zu verzögern, ist bekanntlich eine möglichst normnahe Stoffwechseleinstellung. Deshalb sollte das Hauptaugenmerk der Diabetiker und Therapeuten eben darauf liegen.

Derzeit wird die Güte der Stoffwechselkontrolle am HbA1c-Wert festgemacht. Dieser repräsentiert den durchschnittlichen Blutzuckerspiegel der letzten 2 – 3 Monate. Eine Aussage über die täglichen Stoffwechselschwankungen lässt dieser Parameter nicht zu. Therapieziel ist derzeit das Erreichen eines möglichst niedrigen HbA1c-Wertes (im Normbereich für Stoffwechselgesunde), solange es dadurch nicht zu häufigen Hypoglykämien kommt (siehe Kap. nächster Unterpunkt). Bei erhöhten HbA1c-Werten steigt das Risiko für die Entwicklung diabetischer Folgeerkrankungen dramatisch an (siehe Abb. 2).


Abb. 2: Relatives Risiko (RR) für das Fortschreiten der verschiedenen diabetischen Folgeerkrankungen in Abhängigkeit vom HbA1c-Wert. Als Bezugspunkt wurde ein HbA1c-Wert von 6 Prozent gewählt (RR=1). Unabhängig vom Ausgangswert verringert eine Verbesserung der Stoffwechselkontrolle das Risiko für diabetesbedingte Komplikationen.[7] Die Fachbegriffe werden im Glossar erläutert.


Abb. 3: Verlauf der HbA1c-Werte im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie an 32 Typ-1-Diabetikern über einen Zeitraum von 16 Wochen. Eine Gruppe wechselte von der ICT auf die Insulinpumpentherapie (CSII), die Kontrollgruppe blieb bei der ICT. In der Insulinpumpen-Gruppe kam es zu einer signifikanten und anhaltenden Verbesserung des HbA1c-Wertes von durchschnittlich 8,1 auf 7,2 Prozent, in der ICT-Gruppe gab es keine signifikante Änderung.[9]


Abb. 4: Je schlechter der Ausgangswert des HbA1c unter ICT-Behandlung ist, desto mehr verbessert er sich nach Umstellung auf die Insulinpumpentherapie.[10]

Es ist wissenschaftlich belegt, dass sich der HbA1c-Wert mit der Insulinpumpentherapie im Vergleich zur ICT um durchschnittlich ca. 0,6 Prozent verbessert (Beispiel siehe Abb. 3)[4], [5]. Patienten, die bereits mit einer ICT normnahe HbA1c-Werte hatten, können sie mit der Pumpe naturgemäß nur noch geringfügig verbessern. Sind die HbA1c-Werte dagegen unter der ICT deutlich erhöht, kann ein Umstieg auf die Insulinpumpentherapie zu einer deutlichen Verbesserung führen (Abb. 4).

Gleichzeitig nehmen unter der Insulinpumpentherapie die täglichen Blutzuckerschwankungen ab (Abb. 5).[6] Es kommt zu gleichmäßigeren Tagesprofilen mit besseren Nüchternwerten und geringeren Blutzuckerspitzen nach den Mahlzeiten, die Stoffwechsellage ist stabiler. Dies trägt nach aktuellen Erkenntnissen ebenfalls dazu bei, das Risiko diabetischer Folgeerkrankungen zu verringern.

Ausführliche Informationen zum Risikofaktor glykämische Variabilität: Kap. 11.4.

Weitere Informationen zu kurz- und langfristigen Schäden durch Unterzuckerungen: Kap. 8.


Abb. 5: Im Rahmen einer Beobachtungsstudie wurde an 11 Typ-1-Diabetikern mit ICT (Insulin Aspart, Glargin) und an 13 Typ-1-Diabetikern mit Insulinpumpentherapie (Insulin Aspart) regelmäßig eine verblindete kontinuierliche Glukosemessung durchgeführt (siehe auch Kap. 11.2.2 und Kap. 17). Die Insulinpumpenträger erreichten HbA1c-Werte von im Mittel 7,5 Prozent, die ICT-Patienten 8,5 Prozent. Die Diagramme zeigen, dass die Glukosewerte der Pumpenträger nicht nur niedriger, sondern auch stabiler waren als die der ICT-Patienten mit weniger hypo- oder hyperglykämischen Werten.

Bei der Insulinpumpentherapie kommt es seltener zu Unterzuckerungen.

Die besseren Blutzucker-Durchschnittswerte werden bei der Insulinpumpentherapie nicht mit einer höheren Zahl von Unterzuckerungen „erkauft“, sondern im Gegenteil: Mit einer Insulinpumpentherapie treten deutlich weniger Unterzuckerungen auf als mit einer ICT. Schwere Hypoglykämien kommen mit der Pumpe sogar um ca. 75 Prozent seltener vor.


Abb. 6: Gezeigt ist die Zahl der schweren Hypoglykämien (Ereignisse pro 100 Patientenjahre) während der ICT-Phase und deren erhebliche Reduktion nach Umstieg auf die Insulinpumpentherapie. Ergebnisse einer klinischen Studie an 55 Diabetikern mit vier Jahren Nachbeobachtungszeit.[11]

Das liegt vor allem daran, dass die basale Insulinversorgung mit der Pumpe bedarfsgerechter dosiert werden kann. Insbesondere nächtliche Hypoglykämien werden auf diese Art weitgehend vermieden. Zusätzlich kann die Basalrate bei Bedarf kurzfristig verändert werden, z. B. um der höheren Insulinempfindlichkeit im Zusammenhang mit Sport gerecht zu werden. Bei der ICT ist dagegen das einmal injizierte Basalinsulin, dessen Wirkprofil in der Regel nicht während der gesamten Wirkdauer optimal mit den individuellen Erfordernissen übereinstimmt, unwiderruflich „an Bord“.

Ausführliche Informationen zum Thema Hypoglykämien: Kap. 8.

Die Insulinpumpentherapie verbessert die Lebensqualität und ermöglicht mehr Flexibilität.

Entsprechende Schulung vorausgesetzt ermöglicht die Insulinpumpentherapie wesentlich mehr Spontaneität als die ICT. Wenn sie nicht regelmäßig zu bestimmten Zeiten Basalinsulin injizieren müssen, verbessert sich die Lebensqualität aktiver Diabetiker. Einige Aspekte:

Flexible Essenszeiten sind kein Problem, bei Bedarf können Mahlzeiten sogar ganz ausgelassen werden.

Morgendliches Ausschlafen wird nicht mit erhöhten Nüchternblutzuckerwerten bestraft.

Körperliche Aktivität erfordert keine so langfristige Vorausplanung wie unter der ICT.

Mittlerweile wird der Insulinpumpentherapie auch in Studien eine wesentliche Steigerung der Lebensqualität attestiert.[12], [13] Ein seit 8 Wochen auf eine Pumpe umgestellter Diabetiker (29 Jahre, seit 13 Jahren Diabetiker) hat seine Erfahrung mit der neuen Therapieform wie folgt beschrieben:

Mit der intensivierten Insulintherapie war ich keinesfalls schlecht eingestellt, das Wirkprofil des Verzögerungsinsulins machte jedoch gewisse Einschränkungen in meinem Lebensrhythmus unvermeidbar. Die Freiheit, die ich durch die Pumpe im privaten und beruflichen Leben erfuhr, hatte ich nie mehr für möglich gehalten. Durch sie habe ich ein völlig neues Lebensgefühl und somit auch eine größere Akzeptanz gegenüber meinem Diabetes gewonnen.“

1.2 Grundprinzipien der Insulinpumpentherapie

Der Insulinbedarf des Erwachsenen besteht je zur Hälfte aus einem basalen, mahlzeitenunabhängigen Anteil und einem mahlzeitenabhängigen Anteil (Abb. 7).

Die Ursachen für den basalen Insulinbedarf, der auch ohne Nahrungsaufnahme besteht, sind vielfältig. Die Leber schüttet zwischen den Mahlzeiten Glukose aus, um wichtige Zellen mit Energie zu versorgen (z. B. Gehirn- und Nervenzellen). Daher wird Insulin auch unabhängig vom Essen benötigt. Tageszeitenabhängig bildet der Körper Hormone, die den Blutzucker erhöhen, z. B. Kortison, Wachstumshormon, Adrenalin und Glukagon. In diesen Phasen wird beim Stoffwechselgesunden entsprechend mehr Insulin ausgeschüttet.

Zu den Mahlzeiten wird Insulin benötigt, damit die zugeführten Kohlenhydrate in die Zellen aufgenommen und gespeichert werden können. Dadurch bleibt der Blutzuckerspiegel normal. „Schnelle“ Kohlenhydrate brauchen Insulin nur für ca. 0,5 bis 2 Stunden, „langsame“ Kohlenhydrate für bis zu 4 bis 6 Stunden. Fett- und eiweißreiche Speisen erhöhen den Insulinbedarf für bis zu 9 Stunden.


Abb. 7: Insulinspiegel im Blut beim Nichtdiabetiker über 24 Stunden. Gezeigt ist der Mittelwert von 14 stoffwechselgesunden, normalgewichtigen Probanden. Um 9:00, 13:00 und 18:00 Uhr wurden gemischte Mahlzeiten eingenommen, und zwar zum Frühstück 20 %, zum Mittag- und Abendessen je 40 % der täglichen Kalorienzufuhr.[14]


Abb. 8: Bei der Insulinpumpentherapie wird der Insulingrundbedarf durch die Basalrate gedeckt (dunkelblau). Zu den Mahlzeiten wird zusätzliches Insulin in Form von Bolusgaben abgerufen (hellblau). Je nach Nahrungszusammensetzung können verschiedene Bolusformen genutzt werden. In diesem Beispiel wurde um 5:00 und um 17:00 Uhr ein Normalbolus abgegeben, um 10:30 Uhr ein kombinierter Bolus (siehe Kap. 5.3). Die rote Linie symbolisiert den vermuteten Insulinspiegel im Blut (siehe auch Kap. Praxistipps in 1.8 und 5.7).

Die Insulinempfindlichkeit ändert sich im Tagesverlauf. Die meisten Menschen benötigen nachts und mittags relativ wenig, in den frühen Morgenstunden und am späten Nachmittag dagegen mehr Insulin (Dawn- und Dusk-Phänomen). Auch der nahrungsabhängige Insulinbedarf ist abhängig von der Tageszeit. Körperliche Aktivität erhöht die Insulinempfindlichkeit. Zur Vermeidung von Unterzuckerungen muss daher im Zusammenhang mit Sport die Insulinversorgung reduziert werden.

Bei der Insulinpumpentherapie wird der basale Insulinbedarf (Basalrate) vom mahlzeitenabhängigen Insulinbedarf (Bolus) getrennt, um dem Vorbild des Stoffwechselgesunden so nah wie möglich zu kommen (Abb. 8):

Basalrate: In der Insulinpumpe kommt ausschließlich schnell wirkendes Insulin zum Einsatz (in der Regel kurzwirksames Analoginsulin). Der basale Insulinbedarf wird in Form einer individuell programmierten Basalrate kontinuierlich abgegeben. Die Basalrate ersetzt das Verzögerungsinsulin der ICT und wird vom Diabetiker in Absprache mit seinem Diabetesteam in die Pumpe einprogrammiert. Die tageszeitlichen Schwankungen der Insulinempfindlichkeit können durch ein entsprechend programmiertes Basalratenprofil optimal berücksichtigt werden.

Auf Zustände mit vorübergehend erhöhter (z. B. Bewegung) oder verringerter Insulinempfindlichkeit (z. B. Infekt) wird mit einer vorübergehenden Absenkung oder Erhöhung der Basalrate reagiert. Ändert sich der Insulinbedarf über einen längeren Zeitraum, z. B. durch Gewichtsreduktion oder andere Faktoren, muss die Basalrate erneut ausgetestet und ggf. umprogrammiert werden.

Ausführliche Information zur Basalrate: Kapitel 4.

Bolus: Die für eine Mahlzeit oder zur Blutzuckerkorrektur notwendigen Insulineinheiten werden zusätzlich als Bolus über die Pumpe abgegeben. Die aktuellen Insulinpumpenmodelle verfügen über verschiedene Bolusformen (sofort/verzögert/kombiniert), um das Insulin-Wirkprofil der Nahrungszusammensetzung anzupassen. Teilautomatische Bolusrechner unterstützen den Diabetiker bei der Kalkulation der nötigen Bolushöhe und berücksichtigen Faktoren wie den aktuellen Blutzucker, die BE-Menge, die tageszeitliche Insulinempfindlichkeit und die von den zurückliegenden Bolusgaben noch wirksame Insulinmenge.

Ausführliche Information zum Bolus: Kapitel 5.

1.3 Wie funktioniert eine Insulinpumpe?

Konventionelle Insulinpumpen und Insulinkatheter sind in Deutschland seit den 80er-Jahren in Gebrauch und damit sehr gut bewährt. Seit dem Jahr 2010 sind auch sogenannte „Patch-Pumpen“ erhältlich, die ohne Insulinkatheter auskommen.

Prinzip der konventionellen Insulinpumpe

Das Funktionsprinzip einer Insulinpumpe ist einfach (Abb. 9): Der eingebaute Computer steuert einen elektrischen Motor, der mit enormer Präzision den Stopfen der Insulinampulle nach vorne schiebt. Über einen angeschlossenen Insulinkatheter wird das Insulin ins Unterhautfettgewebe gepumpt. Der Insulinkatheter besteht aus einem flexiblen Plastikschlauch, der in einer dünnen Stahlnadel oder einer Kunststoffkanüle (Teflon) endet. Der Katheter wird vom Diabetiker selbst gewechselt und mit einem Pflaster meist an der vorderen oder seitlichen Bauchwand befestigt.

Prinzip der Patch-Pumpe

Im Unterschied zur konventionellen Insulinpumpe kommt eine Patch-Pumpe ohne Insulinkatheter-Schlauch aus. Das System besteht aus zwei Komponenten: der eigentlichen Insulinpumpe, die mit einem Pflaster (engl. „patch“) direkt auf die Haut geklebt wird, und einem Steuergerät in Form eines Minicomputers, der drahtlos mit der Insulinpumpe kommuniziert (Abb. 10).

Wie sich schon aus dieser groben Funktionsbeschreibung ergibt, ist die Insulinpumpe lediglich ein Infusionsgerät, das vom Diabetiker selbst nach seinen individuellen Bedürfnissen programmiert und bedient wird. Eine traditionelle Insulinpumpe hält den Blutzucker nicht selbsttätig im Normbereich. Blutzuckermessungen und entsprechende Insulinanpassungen müssen vom Pumpenträger weiterhin eigenständig vorgenommen werden.

Ausführliche Information zur Zukunft der Insulinpumpentherapie: Kap. 11.2.2 (Sensorunterstützte Pumpentherapie) und 11.2.3 (Erste Schritte auf dem Weg zum geschlossenen Regelkreis).


Abb. 9

1.4 Vor- und Nachteile der Insulinpumpentherapie

Viele Wege führen nach Rom … In der Diabetologie führen viele Wege zu einer befriedigenden oder sogar guten Stoffwechselkontrolle.

Bereits in den 1930er-Jahren vertrat Elliot P. Joslin die These, jeder Diabetiker müsse so gut geschult werden, dass er selbst sein bester Diabetologe sei. In Anlehnung an diesen Leitgedanken, der sich leider bis heute noch nicht in allen Diabetes-Zentren durchgesetzt hat, müssen die Diabetiker auch aktiv an der Auswahl ihrer individuellen Therapieform beteiligt werden. Nur gut informierte und geschulte Diabetiker können von der Pumpentherapie optimal profitieren.


Abb. 10

Die folgenden Pro- und Contra-Argumente sollen dem Diabetiker helfen, die für ihn persönlich besser geeignete Therapieform auszuwählen. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Vorteile der Insulinpumpentherapie

+In großen Studien wurde beim Umstieg von der ICT auf die Insulinpumpentherapie eine HbA1c-Verbesserung um durchschnittlich ca. 0,6 Prozent erreicht, bei stark erhöhten Ausgangswerten auch um deutlich mehr. Entscheidend ist, dass die Diabetiker sorgfältig ausgewählt werden (siehe Kap. 1.6), in spezialisierten Zentren eine umfassende Schulung durchlaufen und ambulant weiter betreut werden.

+Mit der Insulinpumpe ist ein gleichmäßigerer Blutzuckerverlauf mit weniger hypo- und hyperglykämischen Entgleisungen zu erreichen. Insbesondere Diabetiker, die bisher trotz hoher Motivation mit allen anderen Therapieformen extrem schwankende Blutzuckerverläufe hatten, können mit der Insulinpumpe meist eine stabilere Stoffwechsellage erzielen.

+Aufgrund der besseren Stoffwechselkontrolle haben Pumpenträger weniger Unterzuckerungen. Das liegt vor allem daran, dass die basale Insulinversorgung wesentlich bedarfsorientierter erfolgt als bei der Injektion von Basalinsulin, insbesondere nachts.

+Der Insulinverbrauch ist durch die natürlichere Abgabeform deutlich geringer als bei der ICT (bis minus 30 Prozent).

+Bei der ICT befindet sich der Insulinvorrat unter der Haut (Injektion von Basalinsulin ein- bis dreimal pro Tag). Insulinpumpen werden dagegen ausschließlich mit schnell wirkendem Insulin befüllt, der Insulinvorrat befindet sich in der Pumpe. Daher ist das Unterzuckerungsrisiko geringer und das Leben wird flexibler. Es besteht kein Zwang mehr, zu bestimmten Zeiten Basalinsulin zu injizieren oder zu essen.

+Körperliche Aktivität kann dank der kleineren subkutanen Insulindepots spontaner erfolgen als bei der ICT.

+Durch die verschiedenen Bolusformen kann die Abgabe des Mahlzeiteninsulins optimal auf die Nahrungszusammensetzung abgestimmt werden, sodass die Blutzuckerspitzen nach dem Essen nicht so groß sind. Das ist unter der ICT nicht möglich.

+Die Korrektur erhöhter Blutzuckerwerte gelingt häufig besser als unter der ICT. In die Insulinpumpe integrierte Bolusrechner (siehe Kap. 5.7) berücksichtigen die noch wirksame Insulinmenge „an Bord“ und reduzieren die Gefahr überlappender Bolusgaben.

+Bei korrekter Basalrate können problemlos Mahlzeiten verschoben werden, z. B. zum Ausschlafen am Wochenende oder bei berufsbedingt unregelmäßigen Essenszeiten.

+Deutliche Vorteile zeigen sich z. B. in der Behandlung von Diabetikern mit unregelmäßigem Lebensrhythmus (Extremfall: Schichtdienst) oder bei Diabetikern, die beruflich stark eingebunden sind oder häufig Dienstreisen antreten müssen.

+Auch ein sehr geringer basaler Insulinbedarf wie z. B. bei Kindern und Jugendlichen kann mit der Insulinpumpentherapie kontinuierlich abgedeckt werden. Dies gelingt bei der ICT häufig nicht, da Verzögerungsinsulin in kleinen Mengen nur relativ kurz wirkt.

+Für Kinder und Jugendliche ist die Insulinpumpentherapie zudem von Vorteil, da spontan z. B. auf unvorhersehbare Mahlzeitengrößen oder körperliche Aktivität reagiert werden kann.

+Diabetikerinnen, die eine Schwangerschaft planen oder die bereits schwanger sind, können mit der Insulinpumpentherapie ihre Stoffwechsellage besser optimieren.

+Die Insulinpumpentherapie reduziert die Zahl der „Piekser“. Bei der ICT sind 5 – 8 Nadelstiche pro Tag nötig, ein Insulinpumpenträger muss sich nur alle 1 –3 Tage zum Wechsel des Insulinkatheters stechen.

+Persönliches Wohlbefinden und physische und psychische Belastbarkeit verbessern sich. Fast alle Pumpenträger berichten über eine deutliche Steigerung des Gesundheits- und Selbstwertgefühls und der Lebensqualität.

+Von Patientenseite besteht eine hohe Akzeptanz für die Insulinpumpentherapie, da sie damit bei guter Blutzuckereinstellung ein „fast normales Leben“ führen können.

Nachteile der Insulinpumpentherapie

Die Insulinpumpe muss 24 Stunden täglich am Körper getragen werden.

Die Möglichkeit eines technischen Defektes der Pumpe kann latente Unsicherheit verursachen.

Mangelnde Hygiene beim Legen des Infusionssets oder zu lange Verweildauer der Kanüle können Hautirritationen oder Infektionen verursachen. Sehr selten kommen Allergien gegen das Pflaster oder Katheterbestandteile vor.

Bei fehlender oder unzureichender Glukosekontrolle oder bei mangelhafter Schulung der Insulinpumpenträger ist die Gefahr für ketoazidotische Stoffwechselentgleisungen erhöht.

Die Insulinpumpentherapie ist erheblich teurer als die ICT. Die Tageskosten bei der Insulinpumpentherapie liegen bei ca. 12 Euro, bei der ICT ca. 6 Euro.

Das „Versorgungsmanagement“ ist aufwendiger: Insulinkatheter, -ampullen, Batterien etc. müssen rechtzeitig besorgt und ein „Notfallset“ muss ständig mitgeführt werden.

Die Krankenkassen verlangen zur Genehmigung einer Insulinpumpentherapie einen hohen Dokumentationsaufwand. Das Antragsverfahren ist kompliziert.

Die Neueinstellung auf eine Insulinpumpentherapie und die damit verbundene Schulung kosten Zeit.

1.5 Hilfe bei Ängsten und Vorurteilen gegenüber der Insulinpumpentherapie

Diabetiker, die sich für die Insulinpumpentherapie interessieren, sollten ein ausführliches Gespräch über die Vor- und Nachteile dieser Therapieform mit ihrem Diabetesteam führen. Dies kann in Anlehnung an die in Kapitel 1.4 angeführten Argumente erfolgen. Erfahrungsgemäß wird als Hauptanliegen der Wunsch nach stabilerer Blutzuckereinstellung und nach größerer Flexibilität im Alltag genannt. Angst vor technischen Defekten oder die Tatsache, dauerhaft eine „Nadel“ im Bauch oder ein Gerät am Körper zu tragen, sind die häufigsten Bedenken. Bei den Diskussionen werden in der Regel viele Fragen gestellt wie:

Was mache ich nachts mit der Pumpe? (Siehe Kap. 3.2.)

Kann ich mit der Pumpe Sex haben? (Siehe Kap. 10.8.)

Muss ich wegen der Pumpe auf meinen Strandurlaub verzichten? (Siehe Kap. 10.7.6.)

Wohin mit der Pumpe beim Duschen, Schwimmen oder in der Sauna? (Siehe Kap. 10.3.)

Kann ich mit dem Gerät Tennis spielen? (Nein, dafür nimmt man weiterhin einen Tennisschläger! Siehe Kap. 10.4.)

Ängste und Vorurteile wie diese sollten gleich zu Beginn der Schulung offen geäußert bzw. erfragt werden. In der Regel werden sie durch das eigene Erleben nach einigen Tagen von selbst entkräftet. Zudem werden diese Fragen im Verlauf der Insulinpumpenschulung zu gegebener Zeit nochmals ausführlich besprochen.

Ein ICT-behandelter Diabetiker, der mit dem Gedanken spielt, auf die Insulinpumpentherapie umzusteigen, kann auch den Austausch mit aktiven Pumpenträgern suchen, z. B. im Rahmen einer Insulinpumpen-Selbsthilfegruppe oder in entsprechenden Online-Foren. Er wird erstaunt feststellen, dass die meisten Insulinpumpenträger anfangs exakt die gleichen Befürchtungen hatten – und nun glaubhaft und überzeugend versichern, dass sie völlig unbegründet waren („lebende Beweise“).

1.6 Voraussetzungen für die Insulinpumpentherapie von Patientenseite

Die Insulinpumpentherapie ist nicht für jeden Diabetiker die optimale Lösung. Sollte ein Diabetiker seine Diabetesbehandlung an die Pumpe „abgeben“ wollen, ist er definitiv KEIN geeigneter Insulinpumpenkandidat! Folgende Bedingungen seitens der angehenden Insulinpumpenträger sind für einen erfolgreichen Start der Pumpentherapie unerlässlich:

Ein hohes Maß an Motivation, sich intensiv mit der eigenen Erkrankung auseinanderzusetzen.

Der eigenständige Wunsch, auf die Insulinpumpentherapie umzusteigen.

Umfangreiche Kenntnisse in der Behandlung des Diabetes mellitus mit der ICT (Insulindosisanpassung, Verhalten in besonderen Situationen wie Sport, Krankheit usw.). Sie sollten in einer intensivierten Schulung erlangt und mindestens ein halbes Jahr erfolgreich angewendet worden sein (eine Ausnahme bilden hier kleine Kinder, siehe Kap. 9.1).

Glukosemessungen mindestens vor jeder Mahlzeit, vor der Nacht und zusätzlich z. B. im Rahmen körperlicher Aktivität müssen durchgeführt und dokumentiert werden, ggf. auch nächtliche Messungen. Diese können mit Blutzuckermessungen oder Glukosesensoren durchgeführt werden. Wird erstmalig eine Insulinpumpentherapie bei der Krankenkasse beantragt, muss in der Regel eine ausführliche Dokumentation vorgelegt werden (siehe Kap. 1.9).

Technische Fähigkeit und Sorgfalt im Umgang mit der Insulinpumpe und ihrem Zubehör.

Bereitschaft zur dauerhaften Kooperation mit dem betreuenden Diabeteszentrum

Ausschlaggebend für den Therapieerfolg ist die Motivation des Diabetikers. Dem angehenden „Pumper“ muss völlig klar sein, dass er weiterhin für seine individuellen Therapieziele arbeiten muss. Die Insulinpumpe ist dafür nur das Handwerkszeug.

Zu Beginn löst die Pumpe fast immer einen Motivationsschub aus. Das alltägliche „Spritzen“ wird gegen modernstes „Hightech“ ausgetauscht. Hinzu kommen vermehrtes Interesse und Zuwendung seitens der Ärzte, Diabetesberater, Mitpatienten und besonders des persönlichen Umfeldes. Die anfängliche Euphorie kann jedoch nach einiger Zeit durch die Erkenntnis gedämpft werden, dass auch durch den Einsatz komplizierter Technik das ursächliche Problem nicht „heilbar“ ist. Hier ist das Schulungsteam gefordert, psychologisch einfühlsam eine Basis zu bilden, damit eventuell entstehende Enttäuschungen nicht zum Abbruch der Therapie führen.

1.6.1 Indikationen für die Insulinpumpentherapie

Die meisten Diabetiker, die sich für eine Insulinpumpentherapie interessieren, erhoffen sich davon zu Recht eine Steigerung der Lebensqualität. Leider nehmen die Kostenträger auf dieses Argument nur selten Rücksicht. Der Medizinische Dienst der Krankenkassen, der in der Regel die Insulinpumpenanträge zur Kostenübernahme bearbeitet, äußert sich öffentlich wie folgt:

Lebensqualität gehört nicht mehr zu den Grundlagen der Verordnung von Hilfsmitteln. Auch Patienten mit einer ICT können gleichberechtigt am Leben teilhaben.“[15]

Folglich muss bei der Indikationsstellung zur Insulinpumpentherapie ausschließlich mit harten medizinischen Kriterien argumentiert werden. Im Sinn der Krankenkassen und des MDK bestehen folgende Indikationen für die Insulinpumpentherapie:

Diabetiker, die unter der ICT trotz aller Anstrengungen und Modifizierungen (auch langwirksame Analoginsuline) unter Verwendung mehrfacher täglicher Insulininjektionen keine stabile normoglykämische Stoffwechseleinstellung erreichen,

Diabetiker mit häufigen schweren Unterzuckerungen, besonders nachts und bei verminderter Hypoglykämiewahrnehmung,

Diabetiker mit erhöhtem Insulinbedarf in den Morgenstunden (ausgeprägtes Dawn-Phänomen),

Diabetiker mit einem sehr unregelmäßigen Lebensrhythmus, falls dabei eine Einstellung mit der ICT nicht möglich ist (z. B. Schichtdienst, oder beruflich/privat/sportlich aktive Menschen),

Diabetikerinnen mit Kinderwunsch und während einer Schwangerschaft, falls unter der ICT keine perfekte normoglykämische Stoffwechsellage erreicht wird,

Diabetiker mit ausgeprägten Symptomen einer Folgeerkrankung, die eine normoglykämische Stoffwechseleinstellung erfordert, insbesondere bei einer schmerzhaften Neuropathie,

Säuglinge und Kleinkinder erhalten eine Insulinpumpe bereits nach Diagnosestellung des Typ-1-Diabetes (im Gegensatz dazu müssen Erwachsene vor einer Kostenübernahme zunächst eine missglückte ICT-Phase durchmachen),

ältere Kinder mit einem Tagesinsulinbedarf von weniger als 10 (bis 20) Einheiten,

Patienten mit einer ausgeprägten Insulinempfindlichkeit und einem geringen Insulinbedarf (weniger als 20 Einheiten pro Tag),

Patienten mit einer ausgeprägten Insulinresistenz.

Wünschenswert wäre eine Kostenübernahme auch für folgende Patientengruppen:

Diabetiker mit dem Wunsch nach mehr Spontaneität und Lebensqualität,

Diabetiker, die beruflich mehr Flexibilität benötigen,

Diabetiker mit sich abzeichnenden diabetischen Folgeerkrankungen.

Die explizite ärztliche Qualifikation zur Verordnung einer Insulinpumpe und zur Betreuung dieser Patienten muss gegeben sein (Diabetologe, Endokrinologe, pädiatrischer Diabetologe oder Endokrinologe). Wichtige Hinweise zum Kostenübernahmeverfahren haben wir in Kap. 1.9 zusammengestellt.

1.6.2 Kontraindikationen der Insulinpumpentherapie/Problemgruppen

Unter welchen Bedingungen sollte von der Insulinpumpentherapie Abstand genommen werden? Eine klare Kontraindikation ist gegeben, wenn eine der Voraussetzungen (siehe Kap. 1.6) nicht erfüllt ist bzw. wenn psychische oder intellektuelle Störungen eine vernünftige Stoffwechselführung unmöglich machen.

Der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) sieht folgende psychiatrischen Begleiterkrankungen als Kontraindikation für die Insulinpumpentherapie:[16]

floride Psychose,

Schizophrenie,

schwere Depression,

Essstörung,

Suchterkrankung (Alkohol oder andere Drogen).

Weitere problematische Begleiterkrankungen, die der MDK nicht explizit nennt, können z. B. sein (Bezeichnung der Diagnosen nach ICD-10):

Angst- und Panikstörungen,

Persönlichkeitsstörungen mit selbstschädigenden Verhaltensmustern (z. B. emotional-instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ oder vom impulsiven Typ),

posttraumatische Belastungsstörung, z. B. bei Tendenz zu häufigen Dissoziationen.

Alle genannten Begleiterkrankungen bedeuten nicht zwangsläufig das „Aus“ für die Pumpentherapie. Im Einzelfall ist eine differenzierte fachärztliche Beurteilung notwendig. Ist nach Ansicht des behandelnden Psychiaters der Zustand unter Therapie stabil und der Patient sozial integriert, kann nach Ansicht des MDK eine Insulinpumpenerprobung genehmigt werden.

Eine fortgeschrittene Demenz stellt sicherlich eine absolute Kontraindikation für den Neubeginn einer Insulinpumpentherapie dar, wenngleich der MDK dies nicht gesondert erwähnt. Entwickelt sich dagegen bei einem langjährigen Insulinpumpenträger eine Demenz, muss je nach Stadium und sozialer Situation im Einzelfall entschieden werden, ab wann er mit einer weniger aufwendigen Injektionstherapie möglicherweise besser versorgt ist.

Eine Sehstörung oder Erblindung ist dagegen keine Kontraindikation. Im Gegenteil: Für diese Diabetiker ist die Insulinpumpentherapie häufig einfacher durchzuführen als eine ICT. Auch eine Gehörlosigkeit stellt keine Kontraindikation dar, denn alle modernen Insulinpumpen verfügen über Vibrationsalarme.

1.7 Individuelle Auswahl des Insulinpumpenmodells

Neulingen sei angeraten, sich vor Beginn einer Pumpenschulung anhand der folgenden Seiten einen ersten Überblick über die verfügbaren Insulinpumpenmodelle zu verschaffen.


Werner Neumann, Diabetesmuseum München

Von den Anfängen bis zur ersten Pumpe mit Sensor-Integration …

Die verfügbaren Insulinpumpenmodelle haben zahlreiche Gemeinsamkeiten (siehe Kap. 1.7.1), unterscheiden sich jedoch im Detail in ihren jeweiligen technischen Möglichkeiten, im Tragekomfort, in der Bedienbarkeit (mehr oder minder logische Software), in der technischen Ausführung (Stabilität), in spezifischen Zusatzfunktionen sowie im Design (siehe Kap. 1.7.2). Ausgehend von persönlichen Funktionswünschen und Vorlieben favorisieren sowohl Pumpenträger als auch Diabetesteams verschiedene Geräte.

Ein Beispiel: Auch beim Autokauf muss sich der Käufer zwischen vielen verschiedenen Herstellern und Modellen entscheiden. Nach eingehender Recherche und einer Testfahrt geben individuell unterschiedliche Faktoren wie Fahrsicherheit, schnittige Karosserie oder sparsamer Verbrauch den Ausschlag für die Kaufentscheidung. Ähnlich wie in diesem Beispiel ist es auch bei der Auswahl eines Insulinpumpenmodells nicht möglich, eine allgemein verbindliche Empfehlung auszusprechen.

Zur Entscheidung zwischen einer konventionellen und einer Patch-Pumpe gibt es keine allgemeingültigen Empfehlungen.

Für Patienten mit einem sehr geringen Insulinbedarf scheinen Patch-Pumpen weniger gut geeignet, da die Dosiergenauigkeit der Schlauch-Pumpen tendenziell besser ist.

Es zeigt sich, dass Pumpen-Neulinge häufiger eine Patch-Pumpe favorisieren, während erfahrenere Pumpenträger die Vorteile einer Schlauch-Pumpe schätzen (z. B. Pumpe kann besser „versteckt“ werden, kein Steuergerät nötig).

Letztlich entscheiden hier die individuellen Präferenzen der Pumpenträger und des Diabetesteams.

1.7.1 Standardeigenschaften der aktuellen Modelle

In Deutschland sind Insulinpumpen der Hersteller Insulet Corporation (Omnipod), Medtronic, Medtrum, Roche, Sooil (Dana) und Ypsomed erhältlich (alphabetisch sortiert, Stand Herbst 2019). Die aktuellen Modelle ähneln sich in vielen Bereichen. Zum „Standard“ gehören unter anderem folgende Eigenschaften und Funktionen:

Die Insulinpumpen entsprechen der europäischen Medizinprodukte-Gesetzgebung und haben entsprechende Sicherheitstests bestanden.

Die Insulinpumpen haben ein differenziertes Überwachungs- und Alarmsystem, das z. B. bei Batterieversagen, Katheterverstopfung, leerer Ampulle oder Elektronikstörungen anschlägt.

Die Funktionstöne können auf Wunsch abgestellt und durch einen Vibrationsalarm ersetzt werden.

Die Insulinpumpen sind klein und leicht am Körper zu tragen, mehr oder weniger robust und stoßfest.

Es ist nahezu unmöglich, einen Bolus aus Versehen abzugeben oder die Basalrate versehentlich zu ändern, da die Pumpen Eingaben dieser Art erst nach Bestätigung durch einen weiteren Knopfdruck umsetzen.

Ein beleuchtetes Display stellt sicher, dass die Pumpe auch nachts oder in anderen Situationen mit schlechten Lichtverhältnissen bedient werden kann.

Die basale Insulinzufuhr erfolgt mit großer Genauigkeit und in kurzen Zeitabständen in kleinsten Mengen. Die Basalrate ist fein dosierbar, je nach Modell in Schritten von 0,01 bis 0,1 Einheiten pro Stunde.

Alle aktuellen Modelle bieten die Möglichkeit, die Basalrate über einen definierten Zeitraum prozentual zu senken oder zu erhöhen (temporäre Basalrate) und alternative Basalratenprofile zu programmieren.

Der Bolus kann in kleinen Schritten von meist 0,1 bis 1,0 Einheiten dosiert werden und die Bolusabgabe erfolgt unauffällig (leise).

Alternative Bolusformen wie verzögerter oder dualer Bolus gehören inzwischen zum Standard jeder Insulinpumpe.

Uhrzeit, aktuelle Basalrate, in der Ampulle verbleibende Insulinmenge sowie Zeitpunkt und Menge der letzten Bolusgaben können jederzeit abgerufen werden.

Die Insulinpumpen speichern alle Pumpen- und Anwenderaktionen für einen längeren Zeitraum. Mit einem PC können die Daten ausgelesen werden. Hierfür sind in der Regel ein Spezialkabel und herstellereigene Software nötig.

1.7.2 Technische Besonderheiten der einzelnen Modelle

Die Basisfunktionen der erhältlichen Insulinpumpenmodelle sind weitgehend identisch (siehe Kap. 1.7.1). Die Pumpen unterscheiden sich jedoch nicht nur optisch, sondern auch durch herstellerspezifische Zusatzfunktionen (siehe Tab. 1; Reihenfolge alphabetisch nach Herstellernamen, alle Angaben ohne Gewähr, Stand Herbst 2019).

Fernbedienung: Einige Modelle sind fernbedienbar. Es gibt große Unterschiede in Bezug auf Art, Größe und Möglichkeiten der Fernbedienung. Einige Pumpen können über eine Smartphone-App des Herstellers bedient werden.

In die Pumpe eingebautes oder per Funk kommunizierendes Blutzuckermessgerät: bei einigen Herstellern.

Kombination mit kontinuierlicher Glukosemessung (CGM): Zwei Pumpenmodelle können bei gleichzeitiger Verwendung der herstellereigenen CGM-Sensoren aktuelle Glukosewerte und weitere CGM-Daten im Display anzeigen (siehe Kap. 1116).

Automatische Abschalt-Funktionen: Zwei Pumpenmodelle bieten bei gleichzeitiger Anwendung von CGM die Möglichkeit einer automatischen Basalraten-Pause bei drohender oder bestehender Hypoglykämie (siehe Kap. 11.2.3).

Tabelle 1 gibt eine ausführliche Übersicht über die zum Zeitpunkt der Drucklegung in Deutschland erhältlichen Insulinpumpenmodelle. Die Tabelle wird regelmäßig aktualisiert und kann im Online-Anhang heruntergeladen werden (siehe Kap. 20.1).

Online-Anhanghttps://www.kirchheim-shop.de/out/media/Thurm_Gehr_Pumpenfibel_Onlineanhang.pdf

Broschüren und detaillierte Informationen sind direkt bei den Herstellern erhältlich (Kontaktadressen siehe Kap. 19.7). Einige Diabetesfachhändler bieten eine neutrale Vorstellung der aktuellen Insulinpumpenmodelle, Vergleichstabellen und eine herstellerneutrale Pumpenberatung (z. B. www.diaexpert.de, www.diashop.de, www.mediqdirekt.de).





Tab. 1: Übersicht über die technischen Eigenschaften verschiedener Insulinpumpenmodelle. Die Modelle sind alphabetisch nach Herstellernamen sortiert, die Reihenfolge impliziert keinerlei Bewertung. Stand der Informationen: Herbst 2019. Alle Angaben unter Vorbehalt, keine Garantie für Vollständigkeit. Diese Tabelle wird in regelmäßig aktualisierter Form im Online-Anhang bereitgestellt (siehe 20.1).

CGM- und Insulinpumpenfibel

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