Читать книгу CGM- und Insulinpumpenfibel - Ulrike Thurm - Страница 9
Оглавление2. Insulinpumpenschulung
Wohlan! Werft um, reißt ein!Allein die Bildung sei jetzt allgemein –als wäre Bildung eine fert’ge Größe,die man, wie ins Gefäß den feinen Wein,ein Totes in ein Unlebend’ges gösse!Wie der die Bildung aufnimmt, sie erfaßt,das macht den fremden Geist in dir lebendig;das bunte Wissen, es vermehrt die Last,ein Tor ist, wer gelehrt und nicht verständig.Wollt ihr auf festem Grund das Neue bau’n,soll Welt und Mitwelt euch’s mit Danke lohnen,denn eurer Klugheit wollen wir vertrau’n,mit eurer Weisheit mögt ihr uns verschonen.
Franz Grillparzer
Nach Einführung der Insulinpumpentherapie in Deutschland in den 1980er-Jahren wurden alle Diabetiker, die mit einer Insulinpumpentherapie beginnen wollten, in ein spezialisiertes Pumpenzentrum stationär eingewiesen. Dort wurde die Therapieumstellung unter Krankenhaus-Bedingungen durchgeführt.
Seit den 1990er-Jahren werden Insulinpumpenschulungen zunehmend ambulant durchgeführt. Ob das von Vor- oder Nachteil ist, wird von den unterschiedlichen Fraktionen (stationär oder ambulant arbeitenden Diabetesteams) verständlicherweise kontrovers diskutiert. Die Krankenkassen favorisieren aus Kostengründen meist eine ambulante Therapieumstellung oder -optimierung. Mittlerweile wird in Deutschland der Großteil der Insulinpumpenschulungen ambulant durchgeführt. Falls dies nicht möglich oder zielführend ist, kann weiterhin eine Einweisung in ein stationäres Pumpenzentrum erfolgen. Durch die Umstrukturierung der Krankenhauslandschaft in den vergangenen Jahrzehnten gibt es leider nicht mehr viele geeignete Zentren, sodass häufig längere Anreisen erforderlich sind.
Unabhängig von der Art ihrer Durchführung gilt: Damit die Teilnehmer ihre Stoffwechseleinstellung dauerhaft verbessern können, muss eine Insulinpumpenschulung qualitativ hochwertig sein. Folgende Kriterien geben Aufschluss über die Qualität einer Pumpenschulung:
Sorgfältige Auswahl der angehenden Pumpenträger (Indikationsstellung, siehe Kap. 1.6)
Durchführung der Schulung durch ein auf die Insulinpumpentherapie spezialisiertes Diabetesteam
Berücksichtigung aller relevanten Themen
Individuelle Rücksichtnahme auf jeden einzelnen Teilnehmer, bei Bedarf auch Einzelarbeit
Kompetente und strukturierte Nachbetreuung
Praxis-Tipp: Erst technische Einweisung, dann Pumpenschulung
Technische Einweisung
Aufgabe des Insulinpumpen-Herstellers (laut Medizinproduktegesetz MPG). Wird teilweise an Versandhändler oder freie Mitarbeiter delegiert. Die technische Einweisung muss im Vorfeld der Insulinpumpenschulung stattfinden und versetzt den Anwender in die Lage, die Pumpe fehlerfrei zu bedienen („Trockenübung“).
Insulinpumpenschulung
Aufgabe des Diabetesteams (Diabetologe und Diabetesberatung). Die Pumpenschulung findet ambulant oder stationär in Einzel- oder Gruppenterminen statt. Eine Pumpenschulung begleitet den Anwender beim Start der Pumpentherapie und ist auch später bei Therapieproblemen sinnvoll. Eine Pumpenschulung soll den Anwender in die Lage versetzen, die Insulinpumpentherapie unter allen Alltagsbedingungen selbstständig durchzuführen und z. B. die Bolusfaktoren und die Basalrate bei Bedarf anzupassen.
Die persönliche Ausgangssituation jedes zukünftigen Insulinpumpenträgers muss berücksichtigt werden („den Patienten da abholen, wo er steht“). Besonders für langjährige Diabetiker bedeutet die Umstellung auf eine Insulinpumpe nicht nur eine Veränderung der Insulinapplikationsart. Die neue Therapieform definiert jahrzehntelang gelebte Prinzipien und Lebensrhythmen neu! Ängste und Widerstände können das angestrebte Verhältnis erheblich blockieren. Deshalb muss sich das Diabetesteam vor und nach jeder Schulungseinheit vergewissern, dass alle Fragen und auch geheime Befürchtungen der Diabetiker geklärt wurden. Auf diese Art wird eine Atmosphäre von Vertrauen und Sicherheit geschaffen.
Wird die Insulinpumpenschulung in Form einer mehrtägigen Gruppenschulung durchgeführt, ergeben sich einige spezifische Vorteile. Bei den Insulinpumpenkandidaten handelt es sich oft um Langzeit-Diabetiker, deren Diabetes jahrelang gut oder schlecht im Alltag nebenher lief. Vieles wird zur Gewohnheit, die ja, nach Einstein, die zweite Schwerkraft darstellt. Setzen sich diese Diabetiker mehrere Tage lang ausschließlich und intensiv mit ihrem Diabetes auseinander, können sie viele Aspekte ihrer Stoffwechselerkrankung in Ruhe unter die Lupe nehmen und verbessern. Wer nimmt sich schon im Alltag die Zeit, Kohlenhydrate nachzuwiegen, seine BE- und Korrekturfaktoren zu überprüfen oder die Therapieanpassungsstrategien zu überdenken? Dazu bekommt der Pumpenträger jetzt einige Tage Zeit – ganz exklusiv. Vor und nach den Schulungseinheiten werden die Teilnehmer nicht sofort wieder „vom Joballtag gefressen“, sondern können sich in Ruhe mit der Stoffwechselerkrankung auseinandersetzen. Die allermeisten Teilnehmer einer mehrtägigen Gruppenschulung profitieren von dieser Chance – nicht zuletzt dank der unzähligen Diskussionen und dem Erfahrungsaustausch mit den „Mitschülern“.
Welches Schulungsmodell zu favorisieren ist, ob stationär oder ambulant, soll im Folgenden nicht weiter diskutiert werden, denn auch hier gilt: „Viele Wege führen nach Rom …“ Es folgt nun der Versuch, die beiden Modelle kurz anhand von zwei Beispielen vorzustellen. Die Beispiele sind exemplarischer Natur und sollen keinesfalls vermitteln, dass es sich bei ihnen um die einzig wahre und richtige Form der Insulinpumpeneinstellung handelt. Es handelt sich dabei jedoch um Modelle, die sich in der Praxis bewährt haben (dies gilt insbesondere für das fünftägige Düsseldorfer Schulungsmodell).
2.1 Stationäre Insulinpumpenschulung
Das stationäre Behandlungs- und Schulungsprogramm der Heinrich-Heine-Universitätsklinik Düsseldorf (Prof. Dr. med. M. Berger) ist, wie die Kurse für Typ-1- und Insulin spritzende Typ-2-Diabetiker, auf fünf Tage ausgerichtet. Dieses Schulungsmodell ist bis heute das einzige, das wissenschaftlich evaluiert wurde und dessen Wirksamkeit in Studien zweifelsfrei nachgewiesen ist. Deshalb dient es auch heute noch als Grundlage zur Strukturierung stationärer Schulungen. Natürlich kann und muss der Zeitplan variiert werden: je nach Größe der Gruppe, entsprechend den individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Diabetiker und in Abhängigkeit von den örtlichen und personellen Gegebenheiten des Diabeteszentrums.
Zeitplan der stationären Pumpenschulung
In der Universitätsklinik Düsseldorf hat sich bei der Insulinpumpen-Neueinstellung der abgebildete fünftägige Zeitplan bewährt, um alle relevanten Themen zu besprechen (siehe Abb. auf der vorhergehenden Seite). Die meisten Diabetiker fragen sich vor Beginn einer solchen Schulung, was um alles in der Welt bei einer Umstellung auf die Insulinpumpe so lange dauert. Gegen Ende des Kurses wird sich das keiner mehr fragen, denn so ziemlich alle Langzeit-Diabetiker mit einer ICT entdecken individuelle „Lücken“ in ihrem Diabeteswissen und sind dankbar für die intensive Auffrischung und Vertiefung spezieller Themen.
Gemeinsame Blutzucker-Visite
Im Rahmen der stationären Insulinpumpenschulung finden fünfmal täglich Blutzuckerbesprechungen statt: vor dem Frühstück, nach dem Frühstück um 9 Uhr, vor dem Mittagessen um 12 Uhr, vor dem Abendessen um 17 Uhr und vor der Nachtruhe um 23 Uhr. Bei dieser Gelegenheit diskutieren die Patienten, Diabetesberaterinnen und der betreuende Arzt gemeinsam die Blutzuckerkurven jedes einzelnen Diabetikers. Die gemessenen Werte und ggf. Kurven werden betrachtet und die Ursachen diskutiert. Die erforderlichen Anpassungen von Basalrate und Bolusgaben werden ermittelt und in der gemeinsamen Besprechung für alle Teilnehmer nachvollziehbar erklärt. Dabei werden die individuellen Unterschiede deutlich, und die Diabetiker erleben, dass es unmöglich ist, allgemeingültige Empfehlungen zu geben. Nach kurzer Zeit stellt sich die Erkenntnis ein, dass es nötig ist, ausgehend von persönlichen Erfahrungen auf aktuelle Blutzuckerwerte individuell zu reagieren.
Selbstständige Therapieanpassung
In den letzten Schulungstagen sollten die Diabetiker selbstständig ihre Therapie anpassen und in Anlehnung an die Schulungsinhalte begründen können, wobei Arzt und Diabetesberaterin auch in schwierigen Fällen nur noch Hilfestellung leisten. Durch die Motivation der Diabetiker zu aktiver Mitarbeit können ihre Schwierigkeiten im Umgang mit der Insulinpumpentherapie erkannt und im weiteren Verlauf der Schulung berücksichtigt werden.
Individualisierte Schulung
Ferner werden in diesen Besprechungen die jeweils vorausgegangenen Themen wiederholt. Fragen oder Verständnisschwierigkeiten werden aufgegriffen und sofort oder zu Beginn der nächsten Stunde ausführlich besprochen. Wenn der Wissensstand der Gruppe sehr unterschiedlich ist oder wenn ein Schulungsteilnehmer Hemmungen hat, bestimmte Themen innerhalb der Gruppe anzusprechen, sind Einzelgespräche notwendig. Nur so kann ein mehrtägiges Behandlungs- und Schulungsprogramm für alle Seiten sinnvoll und zufriedenstellend durchgeführt werden.
Alltagsnahe Aktivitäten
Um die theoretischen Inhalte erfahrbar zu machen, werden sie im Rahmen des Schulungsprogramms auch in die Praxis umgesetzt. Aus diesem Grund sind nach der theoretischen Schulung dieser Themen eine Sportstunde und ein gemeinsamer abendlicher Restaurantbesuch fester Bestandteil des Programms. Diese gemeinsamen Aktivitäten fördern darüber hinaus auch das Zusammengehörigkeitsgefühl und den privaten Erfahrungsaustausch innerhalb der Gruppe.
2.2 Ambulante Insulinpumpenschulung
Dieses Kapitel beginnt mit einer sehr privaten Einleitung der Autorin, einer Diabetesberaterin, die zuvor mehr als 15 Jahren lang in Universitäts-Diabeteskliniken arbeitete:
Für mich war die Vorstellung völlig undenkbar, eine Insulinpumpenschulung ambulant durchzuführen. Natürlich bin ich als überzeugte Vertreterin der Düsseldorfer ‚Berger-Schule’ nicht wirklich vom fünftägigen Schulungsprogramm abgewichen, habe aber einige Modifikationen vorgenommen. Dennoch erschienen mir die Risiken anfangs viel zu groß. Was könnte nicht alles passieren? Die erste Basalrate könnte viel zu niedrig oder viel zu hoch angesetzt sein. Die Patienten würden massiv entgleisen, es könnten technische Probleme oder Alarme auftreten, mit denen die frischen Pumpenträger alleine noch überfordert wären, Katheterprobleme, die sie nachts nicht alleine bewältigen würden. Wahre Horrorszenarien liefen in meinem Kopf ab.
Daher mussten sich die Teilnehmer meiner ersten ambulanten Schulung nach dem Abendessen wieder mit mir in der Praxis treffen und um 23 Uhr nochmals mit mir telefonieren, um die aktuellen Werte durchzugeben. Ich habe in dieser Nacht kein Auge zugetan, habe wie ein hypnotisiertes Eichhörnchen auf mein Pumpennotfallhandy gestarrt und auf die oben ausgemalten Katastrophen gewartet. Es passierte … nichts.
Am nächsten Morgen erschienen die Patienten vollzählig und allesamt wohlbehalten zur Schulung, gut gelaunt und deutlich ausgeschlafener als ich. Inzwischen kann ich in der ersten Schulungsnacht wieder besser schlafen.“
Technische Einweisung bereits im Vorfeld
Ganz entscheidend für den Nachtschlaf des Diabetesteams und die Therapiesicherheit ist, dass die Pumpenträger bereits zu Beginn der Insulinpumpentherapie ihren neuen Begleiter sicher bedienen und selbstständig einen neuen Katheter legen können. Zwar hat die Technik der Insulinpumpen im modernen Handyzeitalter deutlich an Schrecken verloren. Dennoch macht es einen entscheidenden Unterschied, ob man sich bei einer SMS vertippt oder ob man aus Versehen einen zu großen Bolus abgibt. Aufgrund der möglicherweise gravierenden Konsequenzen einer Fehlbedienung ist eine gute und ausführliche Technikschulung eine wesentliche Grundlage der Pumpentherapie.
Die technische Einweisung ist Aufgabe des Pumpenherstellers (siehe Praxis-Tipp, Kap. 2) und soll den Patienten dazu in die Lage versetzen, selbstständig die Insulinpumpe zu bedienen. Manche Hersteller delegieren die technische Einweisung an Versandhändler oder freie Mitarbeiter. Die technische Einweisung sollte immer mindestens eine Woche vor Schulungsbeginn durchgeführt werden, damit die Pumpenträger einige Tage Zeit haben, sich ganz in Ruhe und in ihrem individuellen Tempo mit der Technik ihres neuen Begleiters anzufreunden. Wichtige Grundfunktionen wie Basalratenprogrammierung, Bolusgabe und Bolusvarianten, temporäre Basalratenänderung und Legen eines Insulinkatheters sollten in „Trockenübung“ so lange durchgespielt werden, bis dies schlafwandlerisch sicher beherrscht wird.
Wer die neue Therapieform mit einer solchen Techniksicherheit beginnt, dem werden Blutzuckerschwankungen durch eine Fehlbedienung erspart bleiben.
Ablauf einer ambulanten Pumpenschulung
Nach welchem Zeitplan eine ambulante Insulinpumpenschulung durchgeführt wird, hängt nicht nur von den personellen Kapazitäten und Möglichkeiten jeder einzelnen Schwerpunktpraxis bzw. Diabetesambulanz ab. Auch die Überzeugungen und Vorlieben der jeweiligen Diabetesteams spielen eine große Rolle. Folgender Aufbau hat sich in der Praxis bewährt:
Im Vorfeld: Eine Woche vor Beginn der Insulinpumpentherapie sollten im Rahmen eines intensiven Schulungsabends die Vorgespräche, die Technikeinweisung und das Anlegen eines Insulinkatheters stattfinden („Trockenübungen“, laut Stundenplan aus Kap. 2.1 das Programm vom dortigen Montag).
Zeitplan der Schulung: Mehrere Modelle sind denkbar:
–Beginn der Pumpenschulung mit ein oder zwei ganzen Tagen (einige Praxen schreiben die Diabetiker für diesen Zeitraum krank) und Weiterführung der Schulung in Form von Abendkursen, oder
–abendliche Schulungsstunden über ein bis vier Wochen neben dem normalen Alltagsleben der Teilnehmer.
Abfolge der Schulungsthemen: Diabetesberaterinnen, die ihr „Handwerk“ im stationären Bereich erlernt haben, bauen ihre ambulanten Schulungen in der Regel ähnlich auf wie die stationären Schulungen (Themenabfolge entsprechend dem fünftägigen Stundenplan; siehe Kap. 2.1)
Blutzuckervisiten:
–Die intensiven und häufigen Blutzuckerbesprechungen sollten immer den zentralen Mittelpunkt jedes Schulungskurses darstellen.
–Die Bed-Time-Runde findet aus organisatorischen Gründen meist nicht mehr vis à vis, sondern per Telefon statt.
–Außerhalb der Präsenzzeiten werden die Blutzuckerwerte und Therapieentscheidungen per Telefon besprochen.
Gemeinsame Alltagsaktivitäten: Das gemeinsame Abendessen wird oft aus organisatorischen Gründen zu einem gemeinsamen Mittagessen umfunktioniert.
Telefonischer Bereitschaftsdienst rund um die Uhr
Im Idealfall erhält jeder Schulungsteilnehmer eine Notfallhandynummer des behandelnden Diabetologen oder der schulenden Diabetesberaterin, um sie bei akuten Problemen jederzeit erreichen zu können. Aus Kapazitätsgründen ist das von den Beteiligten nicht immer zu leisten. Dabei stellt sich oft die Frage, wen die Telefonbereitschaft mehr beruhigt: die Pumpenpatienten oder das Diabetesteam. Zwar gilt das Regenschirmprinzip (wenn man einen dabei hat, braucht man ihn nicht), doch ist die ständige telefonische Erreichbarkeit des Diabetesteams bei einer ambulanten Pumpenschulung das A und O in Bezug auf die Therapiesicherheit und zur Schaffung einer soliden Vertrauensbasis.
Praktische Probleme für Schwerpunktpraxen
Viele diabetologische Schwerpunktpraxen haben Schwierigkeiten, den immensen Schulungsaufwand organisatorisch und finanziell zu schultern, da es leider bis heute keine Abrechnungsziffer für eine Insulinpumpenschulung gibt. Viele rechnen bei diesen Schulungen dann Ziffern einer ICT-Nachschulung ab. Zweifelsohne gehört eine Portion Idealismus dazu, wenn Diabetesteams ihren Patienten die Insulinpumpentherapie ermöglichen.
2.3 Schulungsmaterialien
Im Wesentlichen stehen den Schulenden derzeit zwei aktuelle und systematische Schulungsprogramme zum Thema Insulinpumpentherapie zur Verfügung. Diese sind curricular ausgearbeitet, verfügen über die nötigen Schulungsmaterialien (Präsentationsfolien etc.) und sind herstellerneutral. Die beiden Programme sind für verschiedene Zielgruppen gedacht:
INPUT: Im Jahr 2018 publiziertes, herstellerunabhängiges und -neutrales Schulungsprogramm für Menschen ab 16 Jahren mit moderner optischer Erscheinung und Didaktik. Entwickelt vom Forschungsinstitut der Diabetes-Akademie Bad Mergentheim (FIDAM). Nach einer Evaluationsstudie ist die Zertifizierung von INPUT beim Bundesversicherungsamt geplant. Dann könnten Diabetes-Schwerpunktpraxen erstmalig (!) eine Pumpenschulung offiziell abrechnen.
Diabetes bei Jugendlichen – ein Behandlungs- und Schulungsprogramm: Das von der Arbeitsgemeinschaft pädiatrische Diabetologie der DDG (AGPD) herausgegebene Programm richtet sich speziell an Diabetesteams, die Jugendliche mit Typ-1-Diabetes schulen. Im neuen Heft 4 geht es um Insulinpumpentherapie und CGM (3. Auflage 2017). Im Rahmen des DMP Typ-1-Diabetes werden die Schulungsmaterialien einmalig für Jugendliche finanziert.
Teilweise noch in Gebrauch sind die Programme Subito (Fa. Roche) und Conclusio (Fa. Medtronic). Diese Programme sind nicht mehr auf dem aktuellen Stand und nicht abrechenbar.
2.4 Abschluss der Insulinpumpenschulung
„Pumpenführerschein“
Am letzten Schulungstag stehen sowohl die Diabetiker als auch das Schulungsteam auf dem Prüfstand. Im Rahmen der „Insulinpumpen-Führerscheinprüfung“ werden die Qualität der Schulung sowie das darin erlangte Grundwissen abgefragt (Beispielfragen siehe Kap. 19.5). Die Prüfung kann gemeinsam in der Gruppe abgelegt werden oder man gibt, gerade bei ambulanten Schulungen, den Teilnehmern den Prüfungsbogen mit nach Hause. Die Beispielfragen können auch „in Etappen“ nach jeder Schulungseinheit beantwortet werden.
Sollten bei der Auswertung schwerwiegende Wissenslücken zutage treten, muss das betreuende Diabetesteam gemeinsam mit dem Insulinpumpenträger entscheiden, ob der stationäre Aufenthalt bzw. die ambulante Intensivbetreuung um einige Tage bzw. Schulungseinheiten verlängert werden muss, um die erkannten Schwachstellen zu beheben. Dieses „Nachsitzen“ darf nicht als Strafe oder persönliches Versagen empfunden werden. Der hier vermittelte Stoff ist extrem komplex und umfangreich. Das Diabetesteam darf den Diabetiker zu seiner eigenen Sicherheit erst dann ins Alltagsleben entlassen, wenn keine Zweifel daran bestehen, dass er alle denkbaren Schwierigkeiten der neuen Therapieform eigenverantwortlich bewältigen kann.
In Hinblick auf das Qualitätsmanagment einer anerkannten Schulungseinrichtung und aus juristischen Gründen sollten die Prüfungsbögen in der Patientenakte dokumentiert werden. So kann bei eventuellen medizinischen Notsituationen (z. B. Ketoazidose) nachgewiesen werden, dass der Insulinpumpenträger umfassend zu diesem Themenkomplex geschult wurde und die Schulungsinhalte zumindest theoretisch verinnerlicht waren.
Abschlussgespräch
Im Rahmen eines gemeinsamen Gesprächs mit allen Teilnehmern und Mitarbeitern wird am Ende der Schulung die Gelegenheit geboten, Erfahrungen und Verbesserungsvorschläge zu artikulieren.
Viele Schulungsteilnehmer haben während dieser Zeit einen intensiven Kontakt zueinander aufgebaut und häufig besteht das Interesse, diese Beziehungen auch nach der Schulung nicht abreißen zu lassen. In einem solchen Fall ist es zu begrüßen, wenn die Termine für die notwendigen ambulanten Wiedervorstellungen unter den Teilnehmern koordiniert und mit einem Gruppentreffen verbunden werden.
Außerdem ist ein Erfahrungsaustausch mit anderen, erfahreneren Pumpenträgern anzuregen. Einige Schulungszentren haben zu diesem Zweck regelmäßige Treffen, sogenannte Pumpenstammtische, ins Leben gerufen. Bei diesen Zusammenkünften sind in der Regel auch nicht-diabetische Lebenspartner willkommen. Auch unter dem Dach unabhängiger Selbsthilfegruppen werden spezifische Stammtische für Pumpenträger organisiert (z. B. DDB, Deutsche Diabetes Hilfe – Menschen mit Diabetes e. V.; Kontaktadressen siehe Kap. 19.7).
2.5 Ambulante Nach- und Weiterbetreuung
Eine regelmäßige Nachbetreuung auf hohem Niveau ist für den langfristigen Erfolg der Insulinpumpentherapie genauso wichtig wie die erste Pumpenschulung.
Prof. Spraul führte bei 47 Insulinpumpenträgern, die in den Jahren 1990 – 1993 an der Universitätsklinik Düsseldorf (Prof. Dr. med. M. Berger) geschult worden waren, Jahre später eine Nachuntersuchung durch.[28] Es zeigte sich, dass nur Pumpenträger, die im Anschluss an die initiale Schulung auch eine engmaschige Weiterbetreuung in ihrem Pumpenzentrum in Anspruch genommen hatten, die verbesserte Stoffwechseleinstellung aufrechterhalten konnten. Bei den anderen Diabetikern verschlechterte sich die Einstellung im Lauf der Jahre wieder.
Bei der Weiterbehandlung der Insulinpumpenpatienten gelten immer dieselben Gesetzmäßigkeiten, egal ob diese von einer Schwerpunktpraxis oder einer Universitätsklinik durchgeführt wird. Sie muss von einem erfahrenen und spezialisierten Diabetesteam engmaschig, zumindest quartalsweise, durchgeführt werden. Bei den Konsultationen sollten neben den für alle Diabetiker obligatorischen Untersuchungen (HbA1c, Blutfette, Mikroalbuminurie, Blutdruck, Körpergewicht etc.) folgende Aspekte berücksichtigt werden:
Anamnese
Gab es seit der letzten Konsultation spezifische diabetologische Probleme oder Unklarheiten?
Häufigkeit der Katheterwechsel?
Dokumentation der aktuellen Basalrate und der tageszeitlichen BE- und Korrekturfaktoren
Körperliche Untersuchung
Bei jedem Ambulanzkontakt Kontrolle der Katheter-Einstichstellen
–Zeichen einer lokalen Infektion? (Siehe Kap. 3.3.7.)
–Narbenbildung? (Siehe Kap. 3.3.6.)
–Zeichen einer Lipohyper- oder -hypotrophie? (Siehe Kap. 3.3.6.)
Verwendeter Insulinkatheter, Kanülenlänge
„Pflegezustand“ der Insulinpumpe
Therapieoptimierung anhand des Diabetestagebuchs
Natürlich können nicht bei jedem Ambulanzkontakt alle Punkte der folgenden Liste abgearbeitet werden. Die Punkte sollten jedoch zumindest angesprochen und bei entsprechendem Bedarf vertiefend besprochen werden.
Hypoglykämien (siehe Kap. 8)
–Häufigkeit? Fremdhilfe?
–Entstehung aus einer vorangegangenen Blutzuckerkorrektur / aus einem falsch kalkulierten Mahlzeitenbolus / bei Bewegung?
–„Passende“ Therapie oder übermäßige Einnahme von Not-BE mit nachfolgender Hyperglykämie?
Zu hohe Blutzuckerwerte (siehe Kap. 6)
–„Passende“ Korrekturregeln oder übermäßige Korrekturinsulingaben mit nachfolgenden Hypoglykämien?
–Wird bei BZ-Werten über 250 mg/dl ein Ketontest durchgeführt?
–Häufigkeit und Menge von Kohlenhydratzufuhren ohne Bolusgabe?
Ausmaß der Blutzuckeranstiege nach den Mahlzeiten (siehe Kap. 5)
–Wird ein Spritz-Ess-Abstand eingehalten?
–Wird nach Art der Kohlenhydrate differenziert?
–Realistische BE-Schätzung?
–Werden größere Mengen Fett und Eiweiß bei der Bolusgabe berücksichtigt?
Dokumentation der BE- und Korrekturfaktoren
–Werden die Faktoren tageszeitlich variiert?
–Überprüfung der Einstellungen des Bolusrechners (siehe Kap. 5.5)
Morgendlicher Nüchternwert
–Bei zu hohem Nüchternwert: Wurde die Ursache mit nächtlichen Blutzuckermessungen geklärt (unbemerkte Hypoglykämien)?
Basalrate (siehe Kap. 4)
–Konstante Basalrate: Diabetesdauer, Nüchtern-Blutzucker, Nachtwert?
–Basalrate stundenweise von 0 I.E.?
•Extrem niedriger Insulinbedarf?
–Große Sprünge in der Basalrate von Stunde zu Stunde?
–Basalrate in der Nacht erheblich höher als am Tag?
•„Später Fett- und Eiweiß-Esser“?
•Gastroparese?
–Basalrate am Tag erheblich höher als in der Nacht?
•Kompensation zu geringer Mahlzeitenboli durch zu hohe Basalrate?
•Kortisondauertherapie über längere Zeit?
•Erheblicher Alltagsstress?
–Basalratentest durch Mahlzeitenauslassversuch (siehe Kap. 4.1)
•Wann zuletzt durchgeführt?
•Patienten zu quartalsmäßigen Basalratentests ermuntern, bei Unklarheiten kurzfristig häufiger.
Verhältnis der Basalrate (Tagessumme) zu den Bolusgaben (Tagessumme)
–Zu erwarten ist ein Verhältnis von ca. 1 : 1 (gilt für Erwachsene mit „normaler“ körperlicher Alltagsaktivität)
–Zu großer Bolusanteil: Häufige Korrekturinsulingaben / zu hoher I.E./BE-Faktor / Basalrate zu niedrig?
–Zu großer Basalratenanteil: Häufige Hypoglykämien / sehr häufige Zufuhr geringer BE-Mengen („snacken“) / fehlende Fett- und Eiweißabdeckung mit verzögerten Bolusgaben (siehe Kap. 5.3) / kohlenhydratarme Ernährung?
Temporäre Bedarfsänderungen (siehe Kap. 4.2)
–Therapieanpassung an Sport, Krankheit, zyklusabhängige Schwankungen?
Allgemeines Maß der Glukoseschwankungen unter Berücksichtigung der Tageszeiten
–Einfachstes Maß: Standardabweichung (bei Auswertung mit spezieller Software), Time in Range
–Visuelle Beurteilung der Kurven (mit Software: Standardtag, tageszeitliche Tortendiagramme etc.)
Basalraten-Überprüfung
Für eine instabile Stoffwechsellage oder große Blutzuckerschwankungen kommen zwei Ursachen infrage: Entweder die Basalrate stimmt nicht oder die Bolusgaben sind nicht korrekt (tageszeitliche BE- und Korrekturfaktoren, BE- und FPE-Schätzungen, Spritz-Ess-Abstand etc., siehe Kap. 5). Da im Alltag häufig Basalratenfehler durch zu hohe oder zu geringe Bolusgaben oder Kohlenhydratzufuhr ausgeglichen werden, sollte bei deutlichen Blutzuckerschwankungen zuerst die Basalrate ausgetestet werden. Dies geschieht, genau wie bei der Ersteinstellung, mit einem Mahlzeitenauslassversuch (siehe Kap. 4.1).