Читать книгу Weltenerbe / Weltenerbe. Von Gestern nach Heute - Umbrella Brothers - Страница 6
1 Eden
ОглавлениеDie Blätter wechselten die Farbe. Das hatte Rogan schon häufig gesehen und er wusste, dass es nun bald kalt werden würde. Erst wechselten sie die Farbe, dann fielen sie auf den Boden und danach wurde es kalt. Die Gerüche waren dann nicht mehr so intensiv wie in der warmen Zeit.
Heute war ein wunderschöner Tag. Das Licht schien durch die Bäume und warf merkwürdige Flecken auf das Unterholz. Rogan musste immer lächeln, wenn er sie sah. Dann besann er sich wieder auf seine Aufgabe. Seine buschigen Augenbrauen wanderten nach unten. Sein Gesicht wurde grimmig und konzentriert. Er konnte hören, wie sich Jert ein paar Meter von ihm entfernt bewegte. Das war nicht gut. Er würde ein ernstes Wort mit ihm reden müssen. Aber ihr Opfer hatte offensichtlich nichts bemerkt. Vor ein paar Wintern hatten sie gemerkt, dass es günstig war sich gegen den Wind zu nähern. Eher zufällig war es Jert aufgefallen, obwohl er noch ein Knabe war. Aber sein Geist war wach und darüber freute sich Rogan. Sein Stamm war stark und sie mussten keinen Hunger leiden, wenn es kalt wurde. Sie waren vorbereitet. Das Leben war gut.
Jetzt konnte er Jert sogar sehen. Er näherte sich wie besprochen dem Eber. Er sollte ihn ablenken, damit der starke Rogan eine gute Position zum Werfen bekam. Nicht zu auffällig, damit der Eber nicht erschrak und davonlief. Jert war sehr geschickt, aber bei weitem nicht so stark wie Rogan es sich gewünscht hätte. Der Eber entdeckte Jert und verharrte für einen Moment in seiner Bewegung. Rogan war noch weit entfernt, dennoch warf er seinen hölzernen Speer. Rogan traf den Eber in den Hinterlauf. Das war nicht gut. Wie besessen raste das Tier nun auf Jert zu. Dieser hatte auch einen Speer, aber wenn er ihn warf, konnte er damit einen Eber höchstens kitzeln. Rogan spürte, wie sich sein Herz zusammenzog. Starr vor Angst stand er da, mit leeren Händen. Gleich würde er zusehen müssen, wie Jert von dem Eber aufgespießt werden würde. Auch der Junge hatte die Augenbrauen tief ins Gesicht gezogen. Er wirkte eher konzentriert als verängstigt. Was hatte er nun wieder vor? Jert kniete sich hin und rammte das Ende des Speers in den morastigen Boden. Die Spitze zeigte schräg nach oben auf den Eber. Dieser setze zum Sprung an und rammte sich durch sein eigenes Gewicht das spitze Holz in den Hals. Blut spritzte und der Eber quiekte ein letztes Mal.
Der klammernde Griff um Rogans Herz löste sich und das Lächeln kehrte in sein Gesicht zurück.
»Du bist sehr geschickt«, sagte Rogan, als er den Jungen erreicht hatte und den blutüberströmten Eber am Boden liegen sah.
»Das war nur so eine Idee. Irgendwie kam das von ganz allein.«
»Und ich wusste irgendwie, dass es eine gute Idee war, dich nicht zu verstoßen.«
Das Leben war gut, aber hart. Und es gab Regeln. Nicht viele, aber dafür waren sie streng und es gab keine Ausnahmen. Eine Regel war, dass kein fremder Mann eine Frau aus dem Stamm nehmen durfte. Darauf achteten die Männer sehr genau. Und wenn sie zur Jagd gingen, achteten die Frauen untereinander darauf. Noch etwas genauer, als die Männer es taten.
Jerts Mutter hatte gegen diese Regel verstoßen. Ein Fremdling – klein, drahtig und mit der unverständlichen Sprache eines anderen Stammes – kam und nahm diese Frau. Sie musste gehen und war sich selbst überlassen. Wenn man nicht bei seinem Stamm bleibt, stirbt man.
Aber sie starb nicht. Sie verbarg sich in Höhlen und fand ein wenig Nahrung. Als die Bäume wieder Blätter hervorbrachten, kehrte sie zum Stamm zurück und gebar Jert. Sie wollte das Kind dem Stamm geben, wie sie es immer taten. Die anderen Frauen töteten die Verstoßene. Jert aber wurde aufgenommen. Kinder waren gut für den Stamm. Je mehr es gab desto besser, denn das Leben war nicht einfach. Nur jeder zehnte überlebte. Die Frauen des Stammes kümmerten sich um Jert wie um die anderen Kinder.
Jedoch war er anders. Er war viel kleiner als die anderen Jungen seines Alters und seine Stirn war klein und flach. Jert war wohl der zehnte, denn er überlebte.
Als er alt genug für die Jagd war, sagten die anderen Männer, dass er früh sterben würde, weil Jert nicht stark war. Die Jagd war gefährlich. Man musste nicht unbedingt durch ein wildes Tier ums Leben kommen, ein gebrochenes Bein reichte schon. Nicht selten musste einer der Männer eine Frucht kosten, die erst einen Tag später von den anderen gegessen werden konnte. Oder eben nicht.
Die Jagd war hart. Aber auch hierbei starb Jert nicht.
Der Junge war vorlaut. Es schien, als würde er lieber nachdenken, als zu jagen. Nur Rogan erkannte, dass es gut war, wenn jemand nachdachte. Seit Jert bei der Jagd nachdachte, gab es viel mehr zu essen. Heute gab es das Fleisch des Ebers.
»Du bist gut für den Stamm, Jert.«
»Ja«, antwortete der Junge glücklich.
Jert dachte viel nach, aber seine Gedanken kreisten nicht immer um die Jagd. Er spürte, dass er anders war. Er konnte es in den Gesichtern der Frauen sehen, wenn die Männer von der Jagd heimkehrten. Sie ignorierten ihn, wenn die Männer Erfolg hatten, aber sie gaben ihm die Schuld, wenn es nicht so war.
Der Junge fühlte sich nur bei Rogan wohl. Die anderen Männer schenkten ihm keine Beachtung, wenn der Stammesführer dabei war. Die wenigen Tage, die sie zwischendurch bei den Frauen verbrachten, waren qualvoll für ihn. Dreizehn Winter hatte er schon gesehen, sagte Rogan immer. Er selbst konnte sich nur an acht erinnern. Die anderen Jungen in seinem Alter nahmen sich Frauen, wenn sie zurückkehrten. Aber es gab keine Frau, die Jert wollte. Sie wandten die Blicke ab, wenn er sie ansah. In ihren Augen war er nicht gut für den Stamm. Er würde keine starken Kinder machen. Nein, sie würden genauso schwächlich sein wie er.
»Warum mögen die Frauen mich nicht?«, fragte er oft, wenn er sah, dass die anderen in seinem Alter nicht allein blieben.
»Weil du nicht stark bist. Aber das kommt noch. Alle Männer sind stark, oder sie sterben.«
»Ich will nicht sterben. Es gibt so viel zu sehen.«
Rogan sah in den Wald hinein. »Wenn du nicht stark genug bist, dann stirbst du. Das ist so. Man stirbt, wenn man schwach ist. Das ist besser für den Stamm. Niemand kann das ändern. Das ist kein Stammesgesetz, sondern das Gesetz aller Lebewesen.«
»Vielleicht kann ich es ändern. Ich bin nicht stark. Aber ich lebe.«
Rogan kniete sich lächelnd neben den Jungen und sah ihm in seine Augen. »Deine Augen sind wie das Wasser im Bach. Das habe ich noch nie gesehen. Niemand hat solche Augen. Ich weiß nicht, ob du deinen Platz im Stamm finden wirst. Aber solange ich lebe, wird es dir gut gehen. Ich sehe, dass du gut bist für den Stamm. Seit ich Winter zählen kann, habe ich noch nie mit solcher Freude zur dunklen Zeit geschaut. Aber wer anders ist, ist anders. Und wer schwach ist, stirbt.«
Für Rogan ist alles so klar, dachte Jert. Er erkennt, wie alles zusammenhängt. Aber auch er kann sich irren. Ich bin nicht stark, aber ich lebe.
Rogan und Jert gingen zur Lichtung, wo sie die anderen Männer trafen. Sie hatten nichts erlegt. Rogan trug den Eber über der Schulter und die anderen brachen in wildes Geschrei aus, als sie es sahen. Alle freuten sich über das Wild. Dass sie etwas erlegt hatten, bedeutete, dass sie zurückkehren konnten. Die Heimreise würde ein paar Tage dauern. Alle sehnten sich nach dem Lager und den Frauen. Ein anderer Junge mit dem Namen Ruv prahlte, dass er sicherlich die erste Frau bekommen würde, weil er so stark war.
Stark, dachte Jert, das bist du. Erlegt hast du nichts. Du bist nur stark. Warum kann Ruv überleben, Jert aber nicht?
»Dich will bestimmt wieder keine«, sagte Ruv zu Jert.
»Sei still, Ruv!«, befahl Rogan. Aber der starke Junge hörte nicht auf. »So ein kleiner Mann! Keine Frau will so etwas.«
»Sei still, Ruv!«, sagte Rogan erneut. Diesmal etwas lauter. »Ohne Jert könnten wir noch nicht zurück.«
Der Junge wurde lauter: »Sagst du, dass Jert den Eber erlegt hat? Der ist doch viel zu schwach!«
»Ja, er ist schwach. Jert kann keinen Stein hochheben. Aber etwas steckt in ihm. Sei ruhig jetzt!.«
»Ich glaube nicht, dass er den Eber erlegt hat. Los, kämpf mit mir, Jert! Zeig, wie stark du bist.«
Man konnte sich nicht gegen einen Kampf wehren. Kämpfe zwischen den Männern waren gut für den Stamm. Nur so konnte man feststellen, wer für die Jagd taugte. Rogan war der Einzige, der bei Jert etwas anders dachte.
Rogan hatte das Recht einen solchen Kampf zu beenden, wenn er der Meinung war, dass es genug sei. Ihn verhindern konnte er jedoch nicht.
Der Kampf dauerte nicht lange. Jert blutete schon aus der Nase und hatte sich die Beine aufgeschürft, als Rogan die Stimme erhob.
Ruv hob einen Stein hoch, um zu zeigen, wie stark er war: »Nie hast du den Eber erlegt. Du bist zu schwach! Du bist der letzte hier. Du lebst nur, weil Rogan es will. Sonst wärst du schon tot.«
Die anderen Männer grölten und schrien vor Begeisterung. Jert hingegen nahm sich grimmig einen Ast vom Boden und brach ihn durch, während er ein Stück in den Wald hineinlief. Es war gut, dass er mit Rogan jagen durfte. Aber wenn Rogan starb, würde sich niemand mehr um ihn kümmern. Er musste einen Weg finden, um zu überleben, ohne stark zu sein. Mit dem Fell, das er um die Schulter trug, wischte er sich das Blut von seiner Nase ab. Wenige Menschen in seinem Stamm dachten über die Zukunft nach. Entweder es gab Essen, dann war es gut. Oder es gab keine Nahrung, dann war es schlecht. Alles war einfach. Nur Rogan erkannte, dass es so etwas wie eine Zukunft gab. Auch wenn er nur in Wintern dachte. Und Jert merkte immer mehr, dass seine Zukunft von Rogan abhängig war. Rogan war sein Jagdpartner. Er war sogar mehr: Er war sein Freund. Aber Jert war nicht dumm. Es würde nicht ewig so weitergehen. Etwas Winziges genügte und sein Leben wäre verwirkt. Die anderen Männer griffen ihn nur deswegen nicht an, weil Rogan den Stamm anführte. Lange würde es nicht mehr dauern und Ruv würde seinen Platz einnehmen. Jert musste vorher eine Entscheidung treffen.
Am nächsten Morgen konnte man die Sonne nicht sehen. Sie machten sich auf und zogen in Richtung der Berge. Dort war ihr Lager. Der Junge blieb stets bei Rogan, da Ruv immer wieder mit Beschimpfungen anfing. Jerts Knie schmerzte immer noch, die Schürfwunde war wohl tiefer als er dachte. Aber er wollte sich nichts anmerken lassen. Nach einer Weile gingen die Männer nur noch stumm durch den Wald und konzentrierten sich auf das anstrengende Wandern.
Am Abend hob Rogan plötzlich die Hand und alle knieten sich hin. Ihre Speere hatten sie drohend nach vorne gerichtet. Bis auf Rogan wusste niemand, was passierte. Auch er hatte sich hingekniet. Sein Speer lag neben ihm auf dem Boden. Rogan neigte den Kopf und seine dunklen Augen wurden immer kleiner. Schließlich erhob er sich und ging mit großen Schritten voran. Die anderen Männer folgten unsicher, nur Rogan lächelte. Jert war der Erste, der nach Rogan die Lage erkannte. Vor ihnen sah er eine Gruppe von Männern, die nach erfolgreicher Jagd im Kreis saßen. Jert hatte diese Männer schon vor zwei Wintern gesehen. Ihr Stamm war am großen Wasser. Sie waren weit von Zuhause entfernt.
»Hallo Tugor!«, rief Rogan. »Es ist gut, deinen Stamm gesund zu sehen.«
»Hallo Rogan. Jert lebt also immer noch. Das hätte ich nicht gedacht.«
Rogan sah sich unter den Männern Tugors um. »Dein Stamm ist kleiner geworden. Wie viele sind in den letzen beiden Wintern gestorben?«
Tugor stellte sich stolz vor Rogan und rief: »Keiner. Nicht mal ein Jüngling.«
Rogan wusste, dass Tugor nicht die Wahrheit sagte. Hier waren viel weniger Männer als vor zwei Wintern.
»Wo sind dann deine Männer?«, fragte Rogan mit einem Lächeln.
»Sie stecken kleine Steine in die Erde.«
Alle Männer Rogans mussten laut lachen. Sogar Jert hatte für einen Moment seine Probleme vergessen.
Tugor lachte nicht. Das verwunderte Rogan und er fragte: »Wieso ist keiner von deinen Männern gestorben und doch sehe ich nur so wenige.«
»Wir haben Äste um unser Lager gelegt. Die Tiere des Waldes können nun unseren Stamm nicht mehr angreifen, wenn wir nicht bei unseren Frauen sind. Und wir sind viel größer geworden.«
»Äste?«
Jert konnte sich sofort vorstellen, was Tugor meinte. Das war eine hervorragende Idee.
Rogan wollte mehr wissen. »Und warum stecken deine Männer Steine in die Erde?«
»Daraus wachsen kleine Bäume, aus denen man Nahrung machen kann.«
Steine aus denen Nahrung wuchs. Das war etwas, das Rogan sich nicht vorstellen konnte. Und Tugor eigentlich auch nicht. Aber sie taten es seit einigen Wintern und es funktionierte. Die Früchte der kleinen Bäume konnte man zerreiben und mit etwas Wasser ergab sich Nahrung. Für den Winter war es gut.
»Was sind das für Steine?«
»Wir haben sie von einem Stamm am großen Wasser bekommen. Bei uns arbeiten alle auf den großen Flächen, sogar die Frauen und die Jünglinge.«
Rogan fragte verwundert: »Auf einer freien offenen Fläche? Warum greifen die Tiere sie nicht an?«
Tugor erwiderte: »Weil es auch hier Äste um die Fläche gibt. Die Tiere können nicht hindurch.«
»Niemand jagt?«, fragt Ruv dazwischen.
»Nur wenige. Es gibt viel zu essen.«
Ruv war empört: »Man muss nicht stark sein, um Steine in die Erde zu stecken.«
Rogan wollte wissen: »Woher habt ihr die Steine? Es können keine normalen Steine sein.« Rogan war auch nicht ganz sicher, ob er das Wort für Steine richtig verstand. Dieser Stamm sprach Rogans Sprache nicht sehr gut.
»Wie kannst du das gut finden?«, schrie Ruv. »Es ist keine Arbeit für Männer. Männer müssen jagen.«
Rogan blickte Ruv solange an, bis dieser sich beruhigte. »Wenn man einen Stamm führt, dann muss man dafür sorgen, dass alle genug zum Essen haben. Man muss stark sein und für andere sorgen. Nur stark sein reicht nicht.«
»Aber wir haben genug zum Essen seit Jert bei der Jagd dabei ist.«
Es verwunderte Jert, dass Ruv so etwas sagte und seine Augenbrauen hoben sich.
»Das ist richtig. Aber die Winter sind nicht alle gleich.«
Tugor erzählte, dass man lange auf die kleinen Bäume oder Äste warten müsse. Sie würden nicht immer wachsen. Es gab einen bestimmten Tag, an dem man die Steine stecken musste.
»Wenn es solch einen Tag gibt, was machen die Männer dann an den anderen Tagen?«
»Die Bäume kommen nur aus den Steinen, wenn der Boden nass ist. Die Männer bringen Wasser vom Fluss.«
Jerts Augen und Ohren wurden immer größer. Diese Menschen hatten Ideen. Vielleicht gehörte er zu denen, die am großen Wasser wohnten? Nein, das war unmöglich, sein Stamm war Rogans Stamm. Niemand verließ den Stamm. Man musste sterben, um ihn zu verlassen. Jert blickte zu Ruv. Es konnte sein, dass dieser Junge dafür sorgen würde, dass er starb.
Aber Ruv hatte Recht. Jert lebte nur, weil Rogan es wollte. Einen anderen Grund gab es nicht. Der Führer des Stammes würde nicht lächeln, wenn Jert ging. Wenn er nicht ging, würde er sterben. Es war nicht leicht.
Ruv schrie erneut: »Das ist nicht so wie jagen. Männer müssen jagen. Der Bach soll das Wasser tragen. Ich werde es nicht tun.«
Rogan dachte nicht so viel nach wie Jert. Dennoch sah er für die Zukunft des Stammes eine gute Zeit. Auch wenn es bald dunkel werden würde. Die fehlenden Blätter waren das eine. Das andere waren die Vögel, die in der Richtung der hohen Sonne zogen.
Rogan wollte mehr wissen: »Und woher hat der andere Stamm diese Steine? Tugor, ich habe noch nie von Steinen gehört, die Bäume machen. Wie kann das sein? Ich möchte es sehen!«
»Man kann nicht daneben stehen und zusehen. Es dauert viele Tage, bis der Baum zu sehen ist. Und dann dauert es noch mehr Tage, bis man die Frucht nehmen kann.«
»Und dann?«
»Die Frucht kann man nicht essen. Sie liegt im Magen wie Sand. Aber wenn man sie zerreibt mit einem Stein und etwas Wasser nimmt, dann kann man sie essen. Sie ist ganz weiß.«
»Eine weiße Frucht habe ich noch nie gesehen.«
Jert sah in die Ferne. Plötzlich fragte er: »Warum bist du nicht bei den Steinen auf der Ebene, Tugor?«
Alle sahen Jert an. Er blickte weiterhin stumm in die Ferne. Irgendwo in dieser Richtung war das große Wasser, das kein Ende hatte.
»Es gibt viele Aufgaben in meinem Stamm. Diese Männer hier jagen mit mir, um junge lebende Tiere zu sammeln. Ich stecke nur ungern Steine in die Erde.«
Jert vermutete: »Vielleicht bringt es kein Lächeln in dein Gesicht. Du bist wie Ruv. Du bist lieber auf der Jagd, als dass du siehst, wie dein Opfer in deinen Mund wächst.«
Niemand sagte etwas. Es war nicht üblich, dass Jünglinge etwas sagten. Tugor jedoch blieb ruhig. »Ja, ich bin wie Ruv, ich jage und diese Männer hier jagen mit mir.«
»Ja«, sagte Jert. Jetzt war alles klar. Es gab starke Menschen, die auf die Jagd mussten. Und es gab einige, die Wasser trugen. Beide Arten von Menschen waren gut für den Stamm. Vielleicht würde auch Rogan ein paar Stammesbrüder für die Arbeit mit den fruchtbaren Steinen abstellen. Das würde aber noch eine Weile dauern. Es war möglich, dass Jert diese Zeit nicht mehr erleben würde.
Tugor sagte aber auch: »Wenn der Winter kommt, kommen keine Bäume mehr. Dann können wir nur die Frucht zerkleinern.«
»Wie viel musstest du für die Steine geben?«
»Nichts.«
»Nichts?«, rief Rogan. »Für solche Steine würde ich dir diesen Eber geben.«
Ruv schrie auf. Er sah den Wert solcher Baumsteine nicht. Den Eber jedoch konnte er sehen und anfassen. »Du kannst ihm nicht den Eber geben. Der gehört dem Stamm. Du bist nicht gut für den Stamm!«
Rogan holte aus und schlug Ruv so hart ins Gesicht, dass er für einige Zeit nichts mehr sagte.
Tugor meinte: »Ich kann dir keine Steine geben. Die sind alle in der Erde.«
»Warum hast du nichts dafür geben müssen? Man muss tauschen.«
Tugor erzählte weiter: »Die Steine haben wir einfach so bekommen. Aber wir müssen etwas von der Frucht abgeben. Nicht alles was wir zerreiben bleibt für uns.«
»Wem müsst ihr etwas abgeben?«, wollte Rogan wissen.