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2 Schüler

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Die Tür glitt zur Seite und ein kleiner, kahlköpfiger Junge trat herein. Sein kurzer Rock war sandfarben und schimmerte, wenn das Licht darauf fiel. Der haarlose Oberkörper war nicht muskulös, hatte aber auch kein Gramm Fett zu viel.

»Ah! Lo’on. Komm zu mir. Wie ich sehe, bist du pünktlich.«

»Ja, Meister.«

Lo’on war immer pünktlich und We’en, der Meister, war stolz auf ihn. Vielleicht war er ein Schüler, der die Wahrheit allein finden würde.

Das Quartier war klein. Es war einfach eingerichtet und die leuchtenden Wände warfen sanfte, sterile Schatten. Von der Decke hing Obst herab und auf dem Boden stand ein Trinkgefäß. Der Meister selbst saß auf einem Sofa und hielt eine schwarze Kugel in der Hand. Vor ihm waren Bilder in der Luft, die Zahlen und Symbole bildeten. Mit dem Eintreffen seines Schülers schaltete We’en das Gerät aus.

Er war nur mit einem Tuch bekleidet. Der schlangenförmige Schmuck, der gewöhnlich an seinen Oberarmen hing, lag neben ihm.

Regungslos stand der Junge in der Tür und wartete auf Anweisungen. Es gab viel zu sehen in dem kleinen Quartier, dennoch starrte er gebannt auf seinen Lehrer. Seine Haltung war gerade und edel, und doch ohne Hochmut. Er wollte seinem Lehrer gefallen, ohne aufdringlich zu wirken.

We’en beobachtete ihn eine Weile. Sein Schüler wartete einfach nur. Emotionslos stand er vor der Tür.

»Wie fühlst du dich?«, fragte der Meister.

»Ich fühle mich wohl, Meister«, antwortete der Junge wortkarg. Vielleicht war er doch noch nicht bereit für die Wahrheit.

»Du fühlst dich wohl? Warst du nicht gerade im Lehrer?« Der Lehrer war keine Person, sondern eine Maschine. Sie vermittelte ihren Benutzern Wissen. Die älteren Versionen waren so groß, dass sie ganze Räume füllten. Man wurde an allerlei Kabel angeschlossen. In die neueren, kugelförmigen Modelle konnte man einfach einsteigen und sich bequem hinsetzen. Alle mussten das über sich ergehen lassen, bis sie ein gewisses Alter erreicht hatten. Einigen Wenigen wurde dann zusätzlich die Ehre eines menschlichen Meisters zuteil.

Beim Gebrauch der Maschine kam es einem so vor, als befinde man sich schwebend in einem nachtschwarzen Raum. Die Wissensfäden wurden simuliert und man konnte zusehen, wie sie in den eigenen Körper flossen. Ohne den Lehrer würde man für einen ähnlichen Lerninhalt die einhundertfache Zeit benötigen. Es erschien offensichtlich, dass man nach dem Gebrauch geschwächt war. Bei Lo’on waren jedoch keine Anzeichen von Erschöpfung zu erkennen.

»Ich war im Lehrer. Es war nicht schwer heute.«

»Nun, ich kann mich an Tage erinnern, an denen du bewusstlos warst.«

»Ich bin jetzt älter und ich kann besser mit der Maschine umgehen.«

Lo’on war ein unglaublicher Schüler. Nicht selten hatte er die tägliche Dosis verdoppelt, als er noch jünger war. Er wollte alles wissen. Und zwar so schnell wie möglich. Dafür hatte er noch im letzten Jahr seine Gesundheit aufs Spiel gesetzt. In letzter Zeit tat er dies nicht mehr. Nicht weil er weniger lernen wollte. Im Gegenteil, wenn er zweimal am Tag in den Lehrer stieg, musste er danach fast zwei Tage schlafen und gewann dadurch gar nichts. Aus Effizienzgründen passte er sich an den normalen Rhythmus der anderen an. Aber die Zeit zwischen den Sitzungen erschien ihm immer sehr lang.

»Gut. Möchtest du ein wenig spazieren gehen?«

Es gab nichts, was Lo’on weniger mochte, als spazieren zu gehen.

»Wie Ihr wünscht, Meister.«

We’en stand auf und legte seine Hand auf die Schulter seines Schülers.

»Es wird nicht lange dauern. Ich möchte dir nur einmal zeigen, dass nicht das gesamte Wissen unseres Volkes im Lehrer steckt.«

Das war neu. »Wieso nicht? Das ist nicht logisch! Wenn man doch weiß, dass der Lehrer nicht vollständig ist, warum gibt man die fehlenden Daten dann nicht ein?«

We’en lächelte. Was für ein kluger Schüler er war.

»Es gibt Dinge, die kann man nicht aus einer Maschine lernen. Fürsorge zum Beispiel.«

»Ich weiß viel darüber.«

We’en schloss die Augen und senkte den Kopf. »Ja, du weißt viel. Und doch weißt du nichts.«

Das verstand Lo’on nicht. Da er dies seinen Meister nicht wissen lassen wollte, sagte er gar nichts.

»Komm, wir gehen nach oben. Es ist ein herrlicher Tag. Man sollte ihn nicht in einem Zimmer verbringen.«

Lo’on wäre gerne in seinem Quartier geblieben. Die Interaktion mit einem Meister gehörte jedoch zum Lehrplan. Oft fragte sich Lo’on, ob andere Kinder mehr Glück mit ihren Meistern hatten.

Sie traten in den großen Korridor. Viele Menschen gingen geschäftig hin und her. Dennoch war genug Platz für alle. Hier konnte man fünfzig Männer nebeneinanderstellen, ohne dass sie sich berührten. Die Decke war hoch und man hatte das Gefühl von Weite, aber sie befanden sich noch tief unter der Erde.

Gelegentlich traf man auf Ansammlungen von Kunstobjekten, die rechts und links des Korridors aufgestellt waren. Gerade gingen sie an gigantischen Köpfen vorbei. Die entstellten Fratzen hatten den Mund weit geöffnet und erweckten den Eindruck, als ob sie gleich anfangen würden zu schreien. Lo’on beachtete die Kunstwerke eher von der mathematischen und technischen Seite.

Sie gingen zu einem Lift. Vor ihnen stand noch jemand, der gerade in den golden umrahmten Bereich trat. Die goldene Farbe begann zu leuchten, bis sie gleißend weiß war. Dann hob sich die Plattform an. Sie hing an einem Metallarm, sodass es aussah, als würde der Mann auf einem großen Löffel stehen, der von einem Riesen gehalten wurde. Dann öffnete sich die Wand und man konnte einen Schacht mit vielen solcher Plattformen erkennen, die mit hoher Geschwindigkeit nach oben und nach unten rasten. Der unsichtbare metallene Riese schwenkte die Plattform in den Schacht und der Mann verschwand. Nun traten We’en und Lo’on in die goldene Markierung und der Meister gab das Fahrziel in eine Computerkugel ein. Die Wand öffnete sich erneut und sie fuhren nach oben. Lo’on beugte sich ein wenig nach vorn und sah nach unten. Er konnte den Boden des Schachtes nicht einmal erahnen. We’en hatte schon in jungen Jahren damit aufgehört, von der Plattform nach unten zu sehen. Ihm bekam die Höhe nicht. Auch wenn er wusste, dass er nicht nach unten fallen konnte. Im Grunde standen sie ja gar nicht auf der Plattform, sie diente lediglich dazu, den Eindruck eines Bodens zu vermitteln. In Wirklichkeit wurden sie durch den Fangstrahl gehalten. All das Wissen war für We’en jedoch bedeutungslos, wenn er nach unten sah. Er schaute lieber nach oben. Dort konnte man schon einen blauen hellen Fleck erkennen. Bald würden sie oben sein.

»Du genießt die Fahrt?«, fragte er seinen Schüler.

»Nein. Ich sehe es nur als einen schnellen Weg, um nach oben zu kommen. Auch wenn ich nicht weiß, was wir dort oben wollen. Dort gibt es nichts, was wir nicht auch unten bekämen.«

»Du irrst. Weil du zu sehr dem Lehrer vertraust und zu wenig deinem Meister.«

Lo’on verlor für einen Moment das Gleichgewicht: »Aber ich vertraue … «

»Ich bin nicht dein Meister, weil mir nichts auffällt, Lo’on. Ich bemerke sehr wohl, dass du an mir zweifelst und meine Ideen manchmal in Frage stellst. Was in der Tat ungewöhnlich ist.«

Woher wusste dieser Mann, was er dachte, fragte sich Lo’on. Wie kann man ohne die Maschine in die Gedanken anderer eindringen?

»Du solltest wirklich lernen, dass Maschinen nicht alles sind.«

Schon wieder. Wie funktionierte das? Mein Kopf gehört doch mir, dachte er.

Immer weniger Plattformen flogen mit ihnen. Ihr Ziel war nicht so begehrt, wie der Meister es gerne hätte. Die Fahrt wurde langsamer und schließlich hielten sie an. Der Riesenarm schwenkte ein und sie waren auf der Oberfläche. Das Licht blendete Lo’on. Wahrscheinlich war er schon mehrere Jahre nicht mehr hier oben gewesen. Es wurde Zeit, dass er etwas anderes sah, dachte der Meister.

»Hast du dich hier schon einmal umgesehen?«, fragte der Meister.

»Ja, das habe ich. Warum?«

Bei der Frage zuckte die linke Augenbraue des Meisters nach oben.

»Was siehst du?«

Der Schüler fragte sich, ob sein Meister plötzlich erblindet wäre. Sicherlich sah er genau das gleiche wie Lo’on.

»Ich sehe unsere Heimat.«

»Beschreibe sie!«

Lo’on zögerte. Dann sagte er: »Ich sehe das Terminal. Es misst fünf Stadien. Auf jeder der vier Seiten kommt man nach unten, aber für gewöhnlich nimmt man die große Treppe der Aitler.«

Der Meister wollte mehr wissen. »Beschreibe die Farbe.«

»Das Terminal hat die Farbe von Kupfer. Es ist fast golden.«

»Siehst du noch mehr? Ist hier nur das Terminal?«

»Natürlich nicht. Das Terminal ist umgeben von einem Fluss. Auf dem Fluss sehe ich einige Boote. Dahinter erstreckt sich die Basis. Sie misst dreitausend Stadien. Alles ist durchzogen mit Wassergräben, die wir für die Kühlung und die Fische benötigen. Dahinter sind die Satelliteninseln, obwohl ich sie nicht sehen kann.«

We’en nickte. »Das ist alles richtig. Und was empfindest du, wenn du das siehst?«

»Was … was ich empfinde? Wie meint Ihr das?« Der ansonsten so sichere Lo’on fühlte sich plötzlich angreifbar. Er hatte seine steife Köperhaltung aufgegeben und war verwundert. Er hatte nicht mit dieser Frage gerechnet und hatte keine Ahnung, was er darauf antworten sollte.

»An was denkst du, wenn du das hier alles siehst?«

»Ich fürchte, ich verstehe nicht.«

»Fühlst du dich mit dem Metall auf dem du stehst verbunden? Geht es dir gut, wenn du das hier siehst?«

Lo’on sagte nichts. Sicherlich konnte sein Meister wieder fühlen, was er dachte. Daher hatte es keinen Sinn, die Wahrheit zu leugnen.

»Nein, der Anblick gibt mir keine Ruhe. Ich fühle mich nicht wohl.«

We’en schaute seinen Schüler an. Dann lächelte er und sah in die Ferne. Vielleicht steckte doch mehr in dem Jungen als eine perfekte Lernmaschine. Auswendig lernen war gut. Das hieß aber noch lange nicht, dass man auch verstand, was man lernte. Dieser Junge hier hatte gerade den ersten Schritt in die richtige Richtung getan.

»Die Satelliteninseln, wie du sie nennst, erfüllen einen Zweck. Kennst du ihn?«

»Es sind nur … Nein, Meister.«

»Es sind nicht nur Inseln. Wie du sicherlich weißt, sind sie fest mit der Basis verbunden. Wir haben über fünfhundert solche Satelliten.«

»Fünfhundertzwanzig.«

»Ja, das ist richtig. Die genaue Zahl ist jedoch nicht so wichtig wie ihre Funktion.«

Lo’on sah in die Ferne und versuchte eine der Satelliteninseln zu sehen. Aber sie waren zu weit weg.

»Was willst du werden, wenn deine Ausbildung abgeschlossen ist, Lo’on?«

Das war sicheres Terrain für den Schüler. Das wusste er schon seit einigen Jahren. »Ich will einen besseren Lehrer bauen. Ich habe schon ein paar Ideen in meinem Quartier. Die Konstrukteure habe ich schon kennengelernt. Sie haben mir technische Daten für meinen Computer gegeben.«

»Warum willst du das machen?«

»Ich will die Maschine verbessern. Ich weiß, dass man auch schneller lernen kann.«

We’en verzog den Mund und sah sich seinen Schüler von oben bis unten an. »Es ist normal, wenn man sich mit einer Sache sehr beschäftigt, dass man sich vorstellt, man könne etwas verbessern. Aber du hast in deinem Leben noch zu wenig gesehen, um zu wissen, ob das deine Bestimmung ist.«

»Man kann doch nicht immer bei den alten Ideen bleiben. Neues ist immer besser.«

We’en erklärte: »Es ist nicht gut in der Vergangenheit zu leben. Aber es ist das Leben im Jetzt, das hinderlich für den Fortschritt ist. Und es gibt keinen Fortschritt, wenn man sich der Vergangenheit nicht gegenwärtig ist.«

Komische Worte, dachte der Junge.

»Was soll ich denn Eurer Meinung nach tun, Meister?«, fragte Lo’on, obwohl er sich bereits entschieden hatte. »Oh, ich werde dir nicht sagen, was du werden sollst. Das musst du allein entscheiden. Ich will dir nur sagen, dass du noch zu wenig gesehen hast, um in so jungen Jahren schon eine Entscheidung treffen zu können.«

Lo’on glaubte dem Meister nicht. Er hatte seiner Meinung nach schon alles gelernt.

»Und nun kann man noch nicht sehen, was Aktionen im Jetzt für Auswirkungen in der Zukunft haben werden.«

»Wieso?«

»Alles was du tust, hat Auswirkungen. Auch wenn du glaubst, dass du etwas Gutes für jemanden tust, können andere vielleicht darunter leiden. Alles eine Frage der Sichtweise.«

Das konnte Lo’on noch nicht begreifen.

Der Meister fragte: »Und was soll dein verbesserter Lehrer den Schülern beibringen? «

»Das Richtige natürlich!«, sagte Lo’on. Seine Stimme überschlug sich fast. Was waren das für merkwürdige Fragen? Worauf wollte sein Meister hinaus?

»Der Lehrer würde seinen Schülern also das mitteilen, was du für richtig hältst?«

»Ja.«

»Siehst du das Problem?«, fragte We’en.

»Nein.«

»Du würdest deinen Schülern – denn letztendlich wären die Benutzer des Lehrers ja deine Schüler – das beibringen, was du für richtig erachtest. Doch was ist, wenn du dich irrst? Wenn dein Wissen schon auf Fehlern beruht? Wenn du schon Dinge gelernt hast, von denen andere Meister vor dir wollten, dass du sie lernst?«

»Warum sollte man so etwas tun? Das ist nur schwer vorstellbar.«

Eigentlich nicht, dachte der Meister, aber er wusste, dass es dafür noch zu früh für den Jungen war.

»Und doch kennst du die Funktion der Satelliteninseln nicht, mein Schüler.«

Lo’on wurde wütend. Wut entsteht aus Angst, das wusste er. Wovor hatte er Angst? Er hatte Angst davor, einen Fehler zu machen. Allerdings …

»Was ist, wenn Ihr mir nicht die Wahrheit sagt? Wenn diese Satelliteninseln einfach nur Inseln sind? Wenn sie nichts anderes sind?«

We’en lachte: »Wie ich sehe lernst du nicht nur, sondern du begreifst auch. Weißt du woher das Wort begreifen kommt? Früher glaubte man nur Dinge, die man auch anfassen konnte. Was hältst du von einem kleinen Ausflug?«

»Wohin?« Lo’on wollte noch mit einem Konstrukteur sprechen, der ihm technische Details des Lehrers zeigen sollte.

»Wohin? Na, zu einer der Inseln natürlich!«

Lo’on wusste nicht, was er sagen sollte. Aber er wollte auch wissen, wovon sein Meister hier die ganze Zeit sprach.

»Ich weiß nicht recht.«

»Das freut mich zu hören.«

Ohne sich umzusehen, ging er zu der großen Treppe der Aitler. Lo’on blieb noch einen Moment stehen. Woher wusste sein Meister nur, dass er ihm folgen würde. Seine reguläre Zeit war längst um. Der Konstrukteur wartete sicherlich schon.

»Wartet auf mich, Meister.«

We’en wartete nicht, sondern ging mit gemäßigtem Schritt weiter. »Neugier«, sagte er, »kann auch ausgenutzt werden.«

Lo’on sagte: »Ich möchte die Inseln sehen.«

»Ich weiß.«

Das Konzept des Begreifens erschien Lo’on auf einmal sehr uneffizient. Er dachte an ein Programm für den Lehrer, mit dem man virtuell zu den Inseln fahren konnte.

»Müssen wir wirklich dorthin fahren? Ich meine wirklich?«

»Du wirst im Lehrer kein Programm finden, das dir die Wahrheit über die Satelliten zeigen würde.«

»Das verstehe ich nicht. Wenn ich die Informationen prüfen würde, könnte ich doch sofort sehen, dass etwas nicht stimmt.«

Jetzt schaute We’en ein wenig besorgt, wenn nicht gar traurig. »Der Lehrer vermittelt nicht nur Wissen, Lo’on. Er mindert auch deine Lust an abenteuerlichen Aktivitäten.«

Lo’on griff nach dem Arm seines Meisters. »Der Lehrer kontrolliert meine Gedanken?«

Sie gingen die große Treppe hinunter und betraten dann ein Boot. Das Gefährt schwebte über dem Wasser. Als sie aufstiegen, glitt es in die Mitte des ringförmigen Grabens um das Terminal.

»Satellit Nummer 519!«, befahl We’en und aus dem Boden fuhren zwei Sitzgelegenheiten nach oben. Die Schale setzte sich in Bewegung und gewann schnell an Fahrt.

Lo’on ließ nicht locker: »Ihr müsst mir sagen, wenn es über meine Gedanken bestimmt.«

We’en seufzte: »Wieder einmal eine Frage, die du selbst beantworten könntest. Sagt dir der Lehrer jetzt, dass du nicht zur Insel fahren solltest?«

Der Schüler überlegte kurz. »Nein«, sagte er schließlich. »Was tut er dann mit mir?«

»Er stumpft dich ab. Er reduziert deine Interessen. Das ist ziemlich einfach. Er simuliert dir alles, was dich interessiert und sorgt dafür, dass du träge wirst. Du akzeptierst einfach das, was du siehst. Niemals wärst du auf die Idee gekommen, selbst zu den Satelliten zu fahren. Dafür wirken sie zu uninteressant.«

»Ja, das denke ich tatsächlich.«

»Und warum kommst du dann mit, obwohl du einen Termin mit Zuta’ol hast?«

Lo’on erschrak schon wieder. Woher wusste sein Meister all das?

»Ich weiß es nicht. Vielleicht, weil es mich doch interessiert?«

We’en lächelte. Er lächelte oft. »Ja. Neugier kann sehr mächtig sein. Sie ist ein Bestandteil des Menschseins. Man sollte diesen Teil nicht unterdrücken oder versuchen, ihn auszuschalten. Das ist meine Meinung. Vielleicht liege ich falsch damit.«

Der Meister tat sehr geheimnisvoll. Warum sagte er nicht einfach, was es war, das er noch herausgefunden hatte?

Die Schale mit den beiden Sitzen hatte mittlerweile auf Höchstgeschwindigkeit beschleunigt. Nun würden sie wieder stetig langsamer werden. Beide Passagiere spürten vom Beschleunigen und dem Abbremsen allerdings nichts, dafür sorgten die Gravitationskompensatoren. Nach ein paar Minuten war Lo’on verwundert, dass er nur so wenige Menschen sah. Immerhin legten sie eine Strecke von eintausendfünfhundert Stadien zurück. Aber außer ein paar Technikern, die an den Bewässerungsgräben und den Kanälen arbeiteten, sah er niemanden. Bald hatten sie das Ende der Basis erreicht.

Dass Lo’on sich bereit erklärt hatte, seinen Meister bis zu den Satelliten zu begleiten, hatte er schon nach den ersten zehn Stadien bereut. Am Computer wäre man innerhalb von ein paar Augenblicken in einer Simulation, die identisch ausgesehen hätte. Als sich die Fahrt ihrem Ende neigte, sah er jedoch etwas, mit dem er nicht gerechnet hatte. Es verschlug Lo’on die Sprache und er wusste sofort, was das Gebilde vor ihm war.

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