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CHEF OG IST LINKSHÄNDER

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Hinter einem der Fischzucht-Container unweit des kleinen Hafens von Baekji lag ein blutüberströmter Mann. Es war Chef Og, Inhaber der Wäscherei. Sein Gesicht war so übel zugerichtet, dass er kaum zu erkennen war. Mit gefalteten Händen murmelte er leise vor sich hin. Wer die Ohren spitzte, konnte verstehen, was er sagte:

»Lieber Gott im Himmel, bitte vergib mir, ich bin ein armer Sündiger. Wenn ich heute sterbe und ins Paradies komme, verspreche ich dir, dass ich von Amphetaminen für immer die Finger lasse, und auch das Glücksspiel werde ich sein lassen, für immer. Das verspreche ich dir, lieber Gott. Im Paradies werde ich als neuer Mensch wiedergeboren.«

Über Stunden zog sich diese Litanei nun schon hin. Dodari stand entnervt auf und gab Chef Og ein paar Tritte in den Magen. »Den ganzen Tag salbaderst du nun schon herum, du Wichser, ich hab die Schnauze voll.«

Brüllend vor Schmerz wälzte sich Chef Og auf dem Boden, unterbrach seine Gebete aber nur kurz, sogar die Hände hielt er weiter gefaltet. »Lieber Gott, endlich habe ich armer Sünder dich in dieser Stunde meiner letzten Prüfung gefunden. Am heutigen Tag, da ich sterben muss, will ich ins Paradies einkehren und flehe dich an, mich nicht abzuweisen. Wenn du dem Sünder, der ich bin, deine Barmherzigkeit zuteilwerden lässt, entsage ich dem Glücksspiel, ich werde auch keine Amphetamine mehr nehmen, und ich verspreche dir, dass ich im Paradies als neuer Mensch vor dich hintreten werde, um in deinem Reich dein Untertan zu sein.«

Dodari brach in schallendes Gelächter aus. »Machen Sie sich keine Sorgen, Chef Og, im Paradies gibt’s keine Pachinko-Automaten. Dachten Sie, im Paradies wär’s wie in Las Vegas? Also, wenn Leute wie Sie anfangen, ins Paradies zu kommen, wird’s in der Hölle echt einsam, dann können die den Laden dichtmachen.«

In diesem Moment kamen Vater Son und Huisu dazu. Huisu machte eine Grimasse, als er Chef Ogs entstelltes Gesicht sah. Vater Son trat zu ihm, und sofort umklammerte Chef Og verzweifelt sein Bein wie ein rettendes Seil, das plötzlich vor einem von der Felswand herabbaumelt.

»Lieber Gott im Himmel … äh, lieber Vater Son … ich bitte Sie, retten Sie mich!«

Vater Son betrachtete sein Gesicht und seufzte resigniert. »Nicht zu fassen, die haben den Mann buchstäblich zu Brei geschlagen.«

Er warf Dodari, der wie zufällig in die andere Richtung schaute, einen bösen Blick zu. Mit einem ärgerlichen Tss wandte sich Vater Son wieder zu Chef Og. »Tut es sehr weh, Chef Og?«

Der nickte.

Sofort nahm Vater Son wieder Dodari ins Visier. »Du Mistkerl, warum schlägst du die Leute ohne jeden Grund?«, herrschte er ihn an.

»Ich habe ihm Fragen gestellt, aber er hat ja nicht geantwortet, ich wusste nicht, was ich machen sollte«, verteidigte sich Dodari.

»Man muss die Dinge im Gespräch klären, schön eins nach dem anderen. Wenn du alles gleich mit dem Knüppel klären willst, was soll denn dann aus unserer schönen, demokratischen Gesellschaft werden?«

»Meinst du, man kann normal reden mit einem Kerl, der nicht nur drogen-, sondern auch spielsüchtig ist? Typen wie dem muss man erst mal einen auf die Rübe geben wie ’nem Stockfisch, damit sie weich und gefügig werden und anfangen zu reden. Sonst ist kein Dialog möglich. Ich hätte ihm noch mehr verpassen sollen, seht ihr nicht das Funkeln in seinen Augen?«

Bei diesen Worten begann Chef Og, der immer noch Vater Sons Bein umklammerte, zu zittern.

Vater Son sah ihn mit gütiger Miene an. »Du täuschst dich. Unser Chef Og ist nicht so. Er kann sehr gut reden und braucht keine Schläge, habe ich recht, Chef Og?«

Mit einem fahrigen Blick nach oben begann Chef Og, heftig zu nicken.

Vater Son wandte sich an Huisu. »Huisu, du wirst jetzt ein freundliches Gespräch mit Chef Og führen. Er wird uns sicher das eine oder andere erzählen wollen. Ich muss zu einem dringenden Termin. Ich verlasse mich darauf, dass du das hier regelst.«

»Das eine oder andere erzählen, was denn erzählen, verdammt«, motzte Dodari leise vor sich hin.

Als Vater Son sich zum Gehen wandte, zuckte Chef Og zusammen und klammerte sich noch verzweifelter an sein Bein. »Ich bitte Sie, Sie dürfen nicht gehen. Wenn Sie gehen, bin ich ein toter Mann. Helfen Sie mir, bitte, Sie haben mich doch früher immer gemocht, oder?«, jammerte er.

»Was reden Sie denn da, Chef Og? Ich bin doch nicht Chun Doo-hwan! Warum sollten wir den lieben, guten Chef Og umbringen? Wir sind doch keine Barbaren, die beim geringsten Anlass Leute ermorden. Machen Sie sich mal keine Sorgen.« Und damit klopfte er ihm auf die Schulter. Mit einem Blick bedeutete er Huisu, das Ganze sauber abzuwickeln, und verließ das Gelände.

Huisu folgte ihm. »Lasse ich ihn jetzt am Leben oder nicht? Ein Minimum an Vorgaben wäre echt nicht schlecht«, sagte er, vor ihm der Hinterkopf des alten Mannes.

Vater Son verzog gereizt das Gesicht. »Chef Og und ich kennen uns seit vierzig Jahren. Willst du, dass ich ihn wegen so einer Kleinigkeit umbringe?«

»Kleinigkeit? Er hat uns wegen Yongkang fallen lassen!«

»Weil er zu nett ist. Du machst ihm Beine und versuchst herauszufinden, wie es um seine Schulden und seine Papiere bestellt ist.«

Daraufhin stieg Vater Son ins Auto und brauste davon, als wollte er die Sache schleunigst hinter sich lassen. Im aufgewirbelten Staub der sandigen Straße stand Huisu da. Er warf einen Blick über die Schulter, doch ihm war nicht danach, zur Fischzucht zurückzugehen. Er zündete sich eine Zigarette an. Die Sache verkomplizierte sich. Vor einigen Tagen hatte Yongkang in Begleitung seiner Südostasiaten die Wäscherei von Chef Og übernommen. Chef Og schuldete ihm Geld, was Yongkang als Vorwand benutzt hatte, sich den Laden einzuverleiben. Da die Spielschulden virtuell waren, hatte er den Laden mit anderen Worten geschluckt, ohne einen Cent auf den Tisch zu legen. Das Problem war nur, dass die Wäscherei in Wirklichkeit nicht Chef Og gehörte, sondern wie fast alle Läden in Guam – Spielhallen, Hotels, Go-go-Bars, Nachtlokale – den Rindsbouillon-Alten. In der Regel führten Marionetten für sie die Geschäfte, um sich vor fiskaler und juristischer Verantwortung zu schützen. So konnten sie die Gewinne einstreichen, ohne jemals in Schwierigkeiten zu geraten. Als Chef Og nach der heimlichen Übergabe der Wäscherei an Yongkang nach Seoul geflohen war, hatte Vater Son Männer losgeschickt, professionelle Tracker, die keine drei Tage brauchten, um ihn aufzuspüren.

»Wetten, er sitzt in einer Spielhalle?«, hatte Vater Son kurz vor Chef Ogs Ergreifung gesagt.

»Er weiß, dass er tot ist, wenn er geschnappt wird. An eine Spielhalle wird er ja wohl als Letztes denken, oder?«, erwiderte Huisu.

»Du kennst doch die buddhistische Idee der Reinkarnation«, lachte Vater Son. »Ob du’s glaubst oder nicht, Reinkarnation bedeutet nicht, dass man zum Beispiel in einem früheren Leben ein Schwein war und dann in diesem Leben als Mensch wiedergeboren wird. Nein, nein, es bedeutet, dass ein Mensch, wenn er doof auf die Welt kommt, Dummheiten macht, und zwar immer wieder, weil er ja doof ist, da kann er noch so oft wiedergeboren werden.«

Huisu war skeptisch gewesen, was Vater Sons Prognose betraf, doch dann war Chef Og tatsächlich in einer Spielhalle gefunden worden. Dem einzigen Ort, an dem er mit ein paar Telefonaten aufzuspüren war. Der Mensch ist dumm. Und noch dümmer, wenn er sich in die Enge getrieben fühlt.

Chef Ogs Wäscherei lieferte Feuchtservietten an Hotels, Go-go-Bars und Restaurants. Auch Bettwäsche, Oberbetten und Tischdecken wurden dort gereinigt. Da Vater Son alle Geschäfte in Guam kontrollierte, hatte die Wäscherei keinerlei Konkurrenz. Es genügte, einfach die Maschinen laufen zu lassen, die gereinigten Sachen zu trocknen, zu bügeln und wieder zurückzuschicken. Das Geld kam von selbst. Keine großen Summen, aber insgesamt doch ein verlässlicher, gar nicht so schlechter Gewinn. In Wirklichkeit diente das Unternehmen natürlich vor allem der Geldwäsche. Aufgrund der großen Kundschaft war die Buchführung relativ unübersichtlich und somit bestens geeignet, das schmutzige Geld von Guam in sauberes zu verwandeln.

Auch Yongkang hatte sich wohl überlegt, dass eine Wäscherei – in den Augen der Polizei ein wenig verdächtiger Geschäftszweig – ein guter Deckmantel war. Da der Laden zudem eine kleine Gruppe von ausländischen Arbeitern beschäftigte, konnte man die Südostasiaten problemlos daruntermischen und so deren Visaprobleme lösen. Und schließlich konnte Yongkang die Lieferung von Feuchtservietten und Tischdecken an Karaoke-Bars und Nachtlokale nutzen, um sie gleichzeitig mit Drogen zu versorgen, was sein Hauptbetätigungsfeld war. Das alles funktionierte jedoch nur mit Zustimmung von Vater Son, der in Guam die Fäden zog. Blühende Geschäfte garantierte die Übernahme der Wäscherei deshalb nicht unbedingt. Vater Son konnte einfach allen Läden von Guam befehlen, den Anbieter zu wechseln. Er konnte sogar beschließen, Waschmaschinen zu kaufen, und eine neue Wäscherei aufmachen. Insofern war es für Huisu nicht nachvollziehbar, warum Yongkang ausgerechnet die Wäscherei ins Visier genommen hatte und nicht irgendein Nachtlokal. Denn um die Wäscherei ohne Vater Sons Zustimmung erfolgreich weiterzuführen, musste er im Vorfeld alle Geschäftspartner mit Drohungen unter Druck setzen, damit sie weiter mit ihm zusammenarbeiteten, was endlose Kämpfe zwischen seinen Männern und den Gangstern von Guam zur Folge haben musste. Und Kämpfe bedeuteten Polizei. Und Polizei bedeutete Gefängnis. Eine Geschichte also, bei der es auf beiden Seiten nur Verlierer gab. Oder wollte Yongkang Vater Son offen den Krieg erklären? Aber warum? Wegen ein paar Servietten? Nein, das alles hatte weder Hand noch Fuß.

Huisu drehte sich um und ging wieder auf das Gelände der Fischzucht. Chef Og, der neben einem Trog kauerte, führte blutüberströmt seine Selbstgespräche fort. Betrübt betrachtete Huisu sein demoliertes Gesicht und drehte sich zu Dodari um. Gern hätte er auch dessen Visage einen Fausthieb verpasst, doch so einfach war das nicht: Dieser Idiot war Vater Sons Neffe, sein einziger und letzter Verwandter, denn er hatte keine Kinder. Also begnügte Huisu sich damit, Dodari außer Sichtweite von Chef Og zu zerren. Gangcheol, Dodaris rechte Hand, schlurfte hinter ihnen her. Sein Name bedeutete »der Stählerne«, was dem Mann viel Spott einbrachte, denn er war so schmal und dürr wie ein Hirsezweig.

»Ich hatte dir doch aufgetragen, ihn im Auge zu behalten, damit es keine Komplikationen gibt«, sagte Huisu ruhig.

»Ihr habt im Moment doch so viel zu tun, Großer Bruder Huisu, da wollte ich euch ein bisschen helfen.« Dodari lächelte ihn arglos an.

»Verflucht, das nennst du helfen? Was hat Chef Og denn jetzt deiner Meinung nach noch zu verlieren? Der Typ ist völlig am Ende. Wenn er in diesem Zustand aus der Sache rauskommt, dich verklagt und sich hinter dem Staatsanwalt versteckt, hockst du wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung für mindestens drei Jahre im Knast. Und danach hat uns die Justiz auf dem Kieker und guckt sich alles, was wir machen, mit der Lupe an. Wir leben in gefährlichen Zeiten, Dodari. Wir müssen sehr vorsichtig sein.«

Huisu hätte ihm noch einiges sagen wollen, verkniff sich das aber. Es hatte keinen Sinn, er würde es ohnehin nicht verstehen.

»Dann soll er also nach dem Gespräch nicht unter die Erde gebracht werden, oder was? Also, ich hab gedacht, er soll. Deshalb hab ich mich ein bisschen locker gemacht.« Dodari zuckte flapsig mit den Schultern.

Huisu sah ihn eisig an. »Sind wir ein Trupp marodierender Straßenräuber, oder was? Wo hast du nur deinen Verstand? Vor gerade mal zehn Jahren haben wir noch ›Großer Bruder Og‹ zu ihm gesagt und ihn respektiert. Und jetzt, wo er alt und wehrlos ist, polierst du ihm die Fresse?«

»Okay, tut mir leid, sei nicht sauer.«

Durch Huisus frostigen Ton abgeschreckt, gab sich Dodari unterwürfig und fing an, ihm devot die Schultern zu massieren. Dann holte er eine Zigarette heraus und gab sie Huisu, der sie widerwillig annahm. Sich selbst steckte Dodari auch eine ins Gesicht. Gangcheol klappte beflissen sein Zippo auf, zündete aber zuerst Dodari die Zigarette an, was Huisu mit einem kurzen, ungläubigen Lachen quittierte.

»Wer von euch beiden hat zugeschlagen«, fragte er Dodari.

»Hallo, so einfach ist das nicht, jemanden zu schlagen. Deshalb haben wir’s zusammen gemacht. Wir haben ihn halt jeder ein bisschen durchgewalkt.«

Dodari wandte sich zu Gangcheol und fügte feixend hinzu: »Ich hab ihn öfter geschlagen, aber du härter.«

Gangcheol nickte strahlend.

Huisu funkelte ihn böse an. »Ach, und das freut dich, was? Da musst du lachen, wie? Verdammt!«

Schlagartig verfinsterte sich Gangcheols Miene.

»Du willst es wohl einfach nicht kapieren, oder?«

Huisu machte einen großen Schritt auf ihn zu und verpasste ihm mit der Faust direkt einen auf die Nase. Gangcheols langer Oberkörper schwankte wie ein Schilfrohr im Wind. Seine Nase, jetzt rot wie eine dicke Erdbeere, begann zu bluten.

Dodari hielt Huisu am Arm zurück. »Großer Bruder Huisu, bitte beruhig dich. Weißt du, unser guter Gangcheol hat nicht gelacht, das sah nur so aus. Als er klein war, hatte er mal Typhus, seitdem ist sein Gesicht einfach so. Der sieht immer so aus, ein bisschen doof halt.«

Gern hätte Huisu diesen Typen genauso übel zugerichtet wie Chef Og, aber Dodari hielt ihn weiter am Arm zurück. Erst als Huisu einlenkend nickte, ließ Dodari ihn los.

»Chef Og soll sich waschen, und dann schickst du ihn mir ins Büro. Und du auch, mach das Blut weg. Schlamperei, so viel Blut in einem sauberen Betrieb, der frische Fische züchtet!«, sagte Huisu zu Gangcheol.

»Jawohl«, antwortete der und wischte sich mit dem Handrücken das Blut ab, das ihm aus der Nase lief.

Der Container, in dem sich das Büro befand, war leer. Huisu setzte sich aufs Sofa und stand sofort wieder auf. Was für ein Gestank. Wahrscheinlich hatten die Arbeiter in ihren Overalls darauf gesessen, das Sofa roch übelst nach Fisch. Klebten nicht sogar schon Schuppen an seiner Hose? Draußen am Wasserhahn hatte Chef Og begonnen, sich in Zeitlupe zu waschen. Etwas dümmlich stand Gangcheol daneben.

Zwanzig Jahre zuvor war Chef Og einer der wichtigsten Partner von Vater Son gewesen. Als ausgebildeter Ingenieur, also eher Geschäftsmann als Gangster, hatte er eine Baustofffirma gegründet, einen kleinen, soliden Betrieb. Hätte er nicht in der Unterwelt verkehrt, wäre er wohl immer noch Chef dieses inzwischen gigantischen Unternehmens. Doch aus reiner Bequemlichkeit hatte er sich damals mit den Gangstern zusammengetan. Mit Drohungen schaltete er die Konkurrenz aus, zog dadurch sämtliche Ausschreibungen an Land und erlangte das Monopol über die Baustellen von Guam und Umgebung. Ob dabei Wasser in den Reis oder Reis ins Wasser gerührt wurde, war ihm egal, denn alles lief ja bestens. Doch in allem Süßen steckt auch Gift, und genauso wenig, wie man ein Ferkel mästet, weil es so niedlich ist, hatten die Gangster Chef Og natürlich nicht ohne Hintergedanken so gut versorgt. Je besser seine Geschäfte liefen, desto mehr begannen ihn die Parasiten auszusaugen. Chef Og war viel zu naiv, um die Blutsauger kommen zu sehen und zu vertreiben. So kam es, dass er sich in Drogen und im Glücksspiel verlor, und der Sturz ins Bodenlose nahm seinen Lauf.

Als Gangcheol endlich mit Chef Og im Büro eintraf, befahl ihm Huisu, sofort Leine zu ziehen. Chef Og bot er eine Zigarette an, die dieser mit Daumen und Zeigefinger entgegennahm, den einzigen Fingern, die er an der Rechten noch hatte. Huisu zündete ihm die Zigarette an. Einen Finger hatte sich Chef Og selbst abgeschnitten, um seinen Entschluss, mit dem Glücksspiel aufzuhören, zu bekräftigen; die beiden anderen hatte man ihm nach einem seiner Täuschungsversuche abgeschnitten. So hatte er sich, anstatt sich vom Glücksspiel loszusagen, wegen des Glücksspiels von drei seiner Finger losgesagt.

»Wenn ich das richtig sehe, hat Yongkang die Besitzurkunde und alle relevanten Papiere bereits, oder?«, fragte Huisu.

Chef Og nickte schuldbewusst.

»Wie hoch waren Ihre Schulden?«

»Eine Milliarde. Also, geliehen hatte ich mir fünfhunderttausend, der Rest waren die Scheißzinsen.«

»Dann hat Yongkang die Wäscherei also für eine Milliarde won gekauft, stimmt das so?«

Chef Og schwieg verlegen.

»Ganz egal, was wir jetzt machen – ob wir noch versuchen, ihn umzustimmen, oder ob wir eingreifen –, wir müssen die genaue Summe kennen, verdammt. Wir schenken Yongkang doch nicht einfach so ein ganzes Geschäft!«

»Die genaue Summe ist eine Milliarde und fünfzig Millionen won

»Und woher kommen die fünfzig Millionen?«

»Das war ein Dankeschön von Yongkang.«

»Wofür?«

»Dafür, dass ich die Wäscherei in seiner Spielhalle verpulvert habe.«

»Das verdient wirklich ein Dankeschön«, sagte Huisu sarkastisch. »Und mit dem Geld haben Sie dann in Seoul weitergespielt?«

Chef Og senkte schweigend den Kopf.

»Wie viel ist Ihnen davon geblieben?«

»Kann ich noch eine Zigarette haben?«

Chef Og nahm sich eine aus der Packung, die auf dem Tisch lag, und zündete sie an. Dann drehte er sich um, und sein Blick wanderte langsam über das leere Fass und die Zementsäcke, die hinter ihm auf dem Boden lagen. Wenn die Gangster von Busan früher jemanden umgebracht hatten, steckten sie die Leiche in ein Fass, das sie mit Zement füllten. Sobald der Zement getrocknet war, wurde das Fass auf ein Schiff geladen und dann, sobald das Meer eine Tiefe von etwa hundert Meter erreichte, über Bord gekippt. In dieser Tiefe war es schwierig, ein Fass zu bergen, selbst mit bestem Gerät. Inzwischen war man von diesem aufwendigen Verfahren abgerückt, weil es zu viele Arbeitskräfte mobilisierte; je mehr Zeugen, desto größer die Gefahr undichter Stellen.

»Das Fass da, ist das für meine Leiche?«

Chef Og starrte das Fass an.

Huisu lächelte süffisant. »Nein, Chef Og, das wäre zu teuer. Das bleibt den VIPs vorbehalten, die unbedingt inkognito verschwinden müssen. In die Kategorie gehören Sie nicht. Für Sie wird eine kleine Inszenierung reichen, sagen wir ein Messerstich in den Bauch mitten in Guam. So kriegen die anderen Ladeninhaber Angst und schrecken vor Deals mit Yongkang zurück.«

»Du hast recht. Wie ein Popanz des Inhabers, der das Unternehmen verballert und dann fröhlich weiterlebt, als wäre nichts gewesen, das bringt nur Chaos«, sagte Chef Og in neutralem Ton.

»Wenn Sie das wussten, warum haben Sie es dann trotzdem so weit kommen lassen? Sie hätten auf uns zugehen müssen, als Sie die ersten Spielschulden hatten, wir hätten darüber reden können. Druck hin oder her, Sie hätten nicht aus einer Laune heraus diesen Deal mit Yongkang machen dürfen.«

»Ich habe nicht nachgedacht. Die Schlinge um meinen Hals zog sich immer mehr zu, und irgendwann dachte ich nur noch, dann soll es halt so sein … Mein lieber Huisu, ich werde dich nicht bitten, mich zu verschonen. Wenn ich weiterlebe, nehme ich nur wieder Drogen und fange wieder mit dem Glücksspiel an. Weißt du, ich habe lange über mein Schicksal nachgedacht: Aus mir wird nie ein korrekter Typ.«

Er nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. »Aber für dich muss es doch ziemlich unangenehm sein, jemanden wie mich umzubringen, oder?«

»Und weiter?«

»Na ja, ich könnte das Arschloch Yongkang ja auch abstechen und mich dann selbst umbringen«, sagte Chef Og, und hinter seinen Lidern zuckte es verräterisch.

Ungläubig schüttelte Huisu den Kopf.

»Als Gegenleistung hätte ich nur gern, dass du meinen Kindern jeden Monat zwei Millionen won schickst, damit sie ohne ihren Vater zurechtkommen.« Bei diesen Worten brach Chef Og in Tränen aus. »Meine armen Kinder! Ihre Mutter ist wegen meiner Spielsucht davongelaufen. Seit Jahren habe ich nicht einen Pfennig heimgebracht. Ich bin ihr Vater und weiß nicht mal mehr, wovon sie jetzt leben. Bin ich überhaupt ein Mensch? Habe ich es verdient zu leben? Nein, lass mich sterben. Ich sollte besser verschwinden, damit meine Familie leben kann. Wenn ich tot bin, wird auch ihre Mutter zurückkommen.«

Chef Og hörte noch eine ganze Weile nicht mit dem Gejammer auf. Huisu nahm sich betreten eine Zigarette, zündete sie an und blickte zum Fenster hinaus. Draußen hatten Arbeiter begonnen, Futter in die Fischbecken zu schaufeln. An der Wasseroberfläche herrschte ein Gewimmel aus Tausenden von Rotbarschen. Wie Pailletten glänzten ihre Schuppen im Sonnenlicht. Sie hatten die Kraft und Energie derer, die um jeden Preis weiterleben wollten.

»Lass es uns doch so machen, Huisu. Ich verspreche dir, dass ich Yongkang töte.«

Huisu dachte nach. Auf das Wort eines spielsüchtigen Drogenabhängigen konnte er nichts geben. Chef Og hatte sicher nicht vor, Yongkang umzubringen, er versuchte nur, seine eigene Haut zu retten. Wenn er aber doch die Wahrheit sagte, wäre es die ideale Lösung.

»Hören Sie, Yongkang ist ein harter Brocken.«

»Kommt drauf an. Er sagt schon seit einiger Zeit, dass ich für ihn arbeiten soll, weil er sich mit Wäsche nicht auskennt. Wenn ich Ja sage und für ihn arbeite, wird sich doch wohl irgendwann eine Gelegenheit ergeben, oder? Er hat ja keine Eisenplatte vorm Bauch, wenn ich da, so fest es geht, mit einem Sashimimesser reinsteche, warum sollte das nicht funktionieren?«

»Aber Ihre Hände zittern. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie mit Ihren zwei Fingern genug Kraft haben«, sagte Huisu kopfschüttelnd, alles andere als überzeugt.

Plötzlich riss Chef Og die rechte Hand mit den beiden verbliebenen Fingern hoch, schüttelte sie und ballte gleichzeitig die linke zur Faust. »Die hier? Meinst du diese Hand? Ich bin Linkshänder! Ich schwöre, die rechte Hand benutze ich nur beim Kartenspielen.«

Heißes Blut

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