Читать книгу Der Trauermantel - Ein Norwegen-Krimi - Unni Lindell - Страница 12
ОглавлениеNach der Vernehmung betrat Ellen Grue Cato Isaksens Büro. Sie musterte ihn mit ihren dunklen Augen.
»Willst du mir nicht gratulieren?« Der Kommissar bereute sofort, das gesagt zu haben. Einen blöderen Spruch hätte er gar nicht anbringen können. Idiotisch war das.
»Du denkst an deine Hochzeit. Meinen Glückwunsch«, sagte sie kalt.
Cato Isaksen stand auf und lief im Zimmer hin und her. Nach ihren wenigen hektischen erotischen Begegnungen hatte sich vieles geändert. Aber die ganze Zeit waren sie sich darüber einig gewesen, dass die Affäre für beide keine Bedeutung haben sollte. Ellen Grue hatte klargestellt, dass sie sich nicht für ihn interessierte, dass es ihr nur um Sex ging. Trotzdem musste er immer an ihre nackte Haut und ihren Duft denken, wenn sie sich begegneten.
»Wann bekommen wir den Bericht«, fragte er, »mit den technischen Ergebnissen und allem?«
Sie schüttelte resigniert den Kopf. »Du weißt doch, wie lange das dauert. Du bekommst ihn, sobald er vorliegt. Mit dem vorläufigen Bericht kannst du bestenfalls in ein paar Tagen rechnen. Wir arbeiten wie gehetzt, da seid ihr nicht die Einzigen. Ich bin seit heute morgen um halb sechs am Werk.« Sie gähnte ausgiebig.
»Ja, ich weiß.« Cato Isaksen fuhr sich müde über die Stirn.
Die Tür wurde aufgerissen und Roger Høibakk erschien im Zimmer. Er blickte seinen Chef mit triumphierender Miene an und reichte ihm ein Mobiltelefon. »Preben«, sagte er. »Er ist bei den Eltern auf dem Hof.«
Preben Ulriksens Stimme schrillte aus dem Hörer. »Lønn hat ihren Exmann zweimal wegen Belästigung und Körperverletzung angezeigt. Und ein drittes Mal wegen Morddrohung«, berichtete er.
Cato Isaksen ließ sich in seinen Sessel sinken und begegnete Ellen Grues Blick. »Wann?«, fragte er kurz.
»Das erste Mal am 15. Juni 1998, dann im vorigen Frühling und die Morddrohungen kamen dann Mitte Dezember.«
»Und was haben wir deshalb unternommen?«
»Das musst du überprüfen«, sagte Preben Ulriksen am anderen Ende der Leitung. »Sie hatte sich auch ans Frauenhaus gewandt. Ihre Eltern sagen, dass etwas unternommen werden sollte. Sie sollte wohl umziehen, ihren Sohn mitnehmen. Das ist doch eine ganz schön harte Kiste.«
Cato Isaksen sah Roger Høibakk an. Der war zum Fenster gegangen und schaute hinaus. Es war schon dunkel und unten auf der Straße sahen die Autoscheinwerfer aus wie gelbe und rote Augen.
»Das hat uns gerade noch gefehlt«, sagte Cato Isaksen, beendete das Gespräch und drückte auf den Aus-Knopf. »Einfach klasse! Roger, sieh mal nach, was wir wegen dieser Anzeigen unternommen haben, und sag mir dann sofort Bescheid.«
Roger Høibakk verschwand. Cato Isaksen schaute auf die Uhr. Er war noch immer nicht dazu gekommen, zu Hause anzurufen.
»Warum haben wir das nicht sofort festgestellt?« Er musterte Ellen Grue, die noch immer auf der anderen Schreibtischseite saß und ihn betrachtete, mit resignierter Miene. »Frauenmisshandlung, Mord, das ist doch nichts Neues«, seufzte er.
Eine Viertelstunde später war Roger Høibakk wieder da. »Wir haben keinen Finger gerührt«, sagte er. »Es stimmt, dass sie insgesamt drei schriftliche Anzeigen erstattet hat, die letzte wegen Morddrohungen.«
»Verdammt!« Cato Isaksen schlug mit der Faust auf den Tisch und ließ sich die Computerausdrucke reichen, die sein Kollege ihm mitgebracht hatte. Sonja Pettersen, die Leiterin des Frauenhauses, hatte einen Brief beigelegt und bat um einen Termin mit Lønn und der Polizei. Der Brief stammte vom 30. Juni 1998. Beantwortet worden war er nicht.
Cato Isaksen schloss für einen Moment die Augen. »Hier brauchen wir wohl nicht mehr viel zu ermitteln. Ich werde selbst mit Sonja Pettersen reden.« Er erwähnte den anderen gegenüber nicht, dass sie mit Sigrid befreundet war, seiner Exfreundin.
Das Telefon schellte. Es war Stein Billington, der mitteilen konnte, dass Bjørn Tore Lønn direkt zum Campingplatz Bogstad gefahren war. Dort hatte er aus einer Hütte etwas geholt, war wieder ins Auto gestiegen und in Richtung Innenstadt gefahren.
Randi Johansen schaute zur Tür herein. »Sollen wir Johnny Svendsen zur Fahndung ausschreiben?«, fragte sie müde.
Cato Isaksen beendete das Gespräch mit Billington und schüttelte energisch den Kopf. »Wir wissen, dass er bei der Straßenbahn arbeitet. Wir haben zwei Leute hingeschickt, für den Fall, dass er dort auftaucht. Anne Grethe Juvik, du weißt, die blonde Neue, und noch einen. Mehr können wir im Moment nicht tun. Die Adresse, unter der er noch gemeldet ist, stimmt nicht mehr. Die Wohnung hat inzwischen eine pakistanische Familie bezogen. Wir warten noch ein wenig, ehe wir die Medien verständigen. Ich glaube, dass Bjørn Tore Lønn uns zu ihm bringen wird. Er weiß mehr, als er vorhin verraten wollte.« Cato Isaksen schaute zu Randi Johansen hinüber, die gerade eine Nummer in ihr Mobiltelefon eingetippt hatte.
Sie nickte zustimmend und teilte ihrem Mann kurz mit, dass sie bald zu Hause sein werde.
»Ich begreife nicht, wieso Bjørn Tore Lønn seinen Schwager zu decken versucht. Denn das hat er eindeutig getan.«
»Seinen Exschwager«, korrigierte Roger Høibakk.
»Jedenfalls hat er das versucht«, betonte Cato Isaksen noch einmal.
Ellen Grue erhob sich. »Ich muss los«, sagte sie. »Wir reden morgen weiter.«
Er nickte kurz. »Roger, schnapp dir Preben, wenn er aus Østfold zurückkommt, dann könnt ihr Thorsen und Billington ablösen.«
»Der Bruder war eher wütend als traurig«, sagte Randi Johansen und übernahm den Stuhl, auf dem Ellen Grue gesessen hatte.
»Genau.« Cato Isaksen erhob sich. »Er war eher wütend als traurig«, wiederholte er. »Er war stocksauer, er kochte vor Wut. Er konnte ja fast nicht still sitzen.«