Читать книгу Und zwischendurch nach Hause - Urs V. Läuppi - Страница 7

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The Way West

Im Juli 1966 nahm ich einen mehrmonatigen Urlaub zur Teilnahme am Jugend-Austauschprogramm «Experiment in International Living». Von den verschiedenen Programmen wählte ich dasjenige für einen 3-monatigen Aufenthalt bei einer Familie im Westen der USA, mit der Verpflichtung, am Aufenthaltsort Vorträge über die Schweiz, ihr politisches System, ihre Industrie und ihre Kultur, vor verschiedenen Vereinen und Organisationen zu halten. Nach einer Prüfung bei den Organisatoren wurde ich angenommen und einer Gruppe für den Austausch in eine Familie im Bundesstaat Oregon zugeteilt. Erst kurz vor der Abreise erhielt ich die Namen der Familie und den Ort: Duberow in Bend, Oregon. Am 15. Juli 1966 flog ich zusammen mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus der Schweiz von Luxemburg in die USA. Das Flugzeug, eine Douglas DC-6B von Loftleidir Icelandic Airlines. Loftleidir war vermutlich der Welt erste «Niedertarif» Fluggesellschaft. Möglich waren die niedrigen Flugpreise durch den Einsatz kostengünstiger, älterer Flugzeuge und weil die Transatlantik Flüge nicht Non-Stopp, sondern mit Zwischen-halten durchgeführt wurden. Es waren längere Flüge, die jedoch die vornehmlich jungen Passagiere nicht kümmerten, die hatten Zeit. Loftleidir war deshalb auch bekannt als Hippie-Airline oder Hippie-Express. Die DC-6B war ein klassisches Propellerflugzeug mit vier Sternmotoren, ausgelegt für maximal 89 Passagiere und wurde bis 1958 von der Douglas Aircraft Corporation in Kalifornien hergestellt. Von Luxemburg flogen wir um 21 Uhr ab Richtung Island. In mein Tagebuch habe ich damals geschrieben: «Nach einem ausgezeichneten Nachtessen mit Wein, Schnaps und allem was so dazu gehört, befinden wir uns jetzt vor Island!» Ich muss mich in den vergangenen 50 Jahren grundlegend geändert haben. Seit diesem Flug mit Loftleidir habe ich in einem Flugzeug, mit allen Fluggesellschaften, nie mehr ausgezeichnet gegessen. Hin und wieder, selten, nicht schlecht, manchmal sogar gut. Aber ausgezeichnet nie mehr! Kurz vor der Landung in Island auf dem ehemaligen Stützpunkt der US Air Force in Kevlavik, verliess der Loftleidir Captain die Reiseflughöhe, ging auf einige hundert Meter Höhe über See hinunter und flog in geringer Höhe zwei Runden um die im November 1963 entstandene, stark rauchende Vulkaninsel Surtsey. Die Insel liegt rund 30 km vor der isländischen Südküste. Mit meiner alten Kodak Retina gelang mir ein schöner Schnappschuss der rauchenden Insel und einem Flügel der DC-6B im Bild.

Auf Kevlavik durften wir die Füsse vertretenen und uns in einem barackenähnlichen Gebäude erfrischen, bis der Flieger betankt war. Um 5 Uhr morgens starteten wir zum Weiterflug über den Nordatlantik. Während diesem Flug erlebte ich erstmals ein Nordlicht, ein sehr eindrückliches Naturereignis! Grün-gelblich-blaue, helle, sich bewegende vertikale Leuchtbänder am Himmel. Unglaublich eindrücklich und nicht sehr oft aus dem Flugzeug zu sehen. Ich habe es bei vielen Transatlantikflügen nur noch zwei Mal erlebt, immer wenn der Atlantik weit im Norden überquert wurde und immer nur westwärts fliegend. Nach sieben Stunden landeten wir in der kanadischen Kleinstadt Gander in Neufundland. Während dem Zweiten Weltkrieg diente der Flughafen als Station zur Überführung der Flugzeuge der amerikanischen Streitkräfte nach Europa. Nach dem Krieg wurde der Flughafen als Zwischenlandeplatz für den aufkommenden Transaltantik-Flugverkehr mit Propellerflugzeugen ausgebaut. Die neuen Strahlflugzeuge ermöglichten es jedoch bald einmal den Nordatlantik ohne Zwischenlandung zu überqueren, Gander wurde überflüssig. Nur einmal noch wurde Gander wichtig. Nach dem Terroranschlag am 11. September 2001 wurden 39 Transatlantikflüge von New York nach Gander umgeleitet und die Stadt mit einigen tausend Einwohnern musste kurzfristig 6500 Passagiere und Besatzungen aufnehmen und verpflegen. Wir aber blieben nur so lange in Gander, bis das Flugzeug wieder aufgetankt war. Danach machten wir uns auf die letzte Etappe unserer Reise in die USA. Nach weiteren sechs Stunden Flug landeten wir um 16:15 Uhr Lokalzeit auf dem Bradley Field in Hartford im US-Bundesstaat Connecticut. Die ganze Reise dauerte 25 Stunden, davon waren 19 ½ Stunden reine Flugzeit. Drei Jahre später sollte ich wieder mit Loftleidir über den grossen Teich fliegen, auf der Hochzeitsreise mit meiner Frau Jrène im März 1969. Dieser Flug führte von Luxemburg via Kevlavik in Island zum New Yorker John F. Kennedy Flughafen. Geflogen wurde mit einer von der kanadischen Firma Canadair gebauten 4-motorigen Turboprop CL-44D4 für 189 Passagiere. Dieses Flugzeug beruhte auf der in England von den Bristol Flugzeugwerken in den 1950er Jahren entwickelten Bristol Britannia Typ 175. Der Flug nach New York dauerte immer noch lang, aber mit 14 Stunden reiner Flugzeit hielt er sich in Grenzen. Zum Vergleich: 12 Stunden dauert heute ein non-Stopp Flug von Mitteleuropa nach China oder Japan in einem modernen Airbus oder Boeing Strahlflugzeug.

Vom Bradley Field wurden wir mit einem Bus nach Putney im Bundesstaat Vermont, in den leerstehende Campus der Greenwood Schule gebracht. Vermont ist mit gut 600000 Einwohnern der zweitkleinste US-Bundesstaat. Er grenzt im Norden an die kanadische Provinz Quebec. In Putney sollten wir uns zwei Tage lang akklimatisieren und erste Erfahrungen mit amerikanischer Kultur, den Gewohnheiten und dem Essen machen. «Expect the unexpected», erwarte das Unerwartete, hiess das Motto des Experiments in International Living. Dieses Motto sollte einer von uns schon am nächsten Morgen am eigenen Leib erfahren. Die Toiletten, und hier rede ich von den Schüsseln zur Verrichtung des grossen Geschäfts, befanden sich alle in einer Reihe in einem grossen Raum. Mit alle meine ich 12 Schüsseln ohne Trennwände zwischen den Schüsseln. Ein Überbleibsel aus Armeezeiten wie man es damals in den USA noch oft antraf, auch in öffentlichen Toilettenanlagen. Ich komme also in diesen Raum für grosse Geschäfte, da sitzt schon ein Schweizer mit hochrotem Kopf und einer Rolle Klosettpaper, «the lonely pooper» sozusagen. Er sieht mich, erschrickt, sein Kopf wurde noch röter. Aber anstatt eine Bemerkung über den «lonely pooper» zu hinterlassen sage ich nur zu ihm: «Expect the unexpected!».

In Putney erhielten wir Tickets für die Greyhound-Busse, gültig während 99 Tagen in den USA, Kanada und Mexico. Preis 99 Dollar. Greyhound-Lines, (Greyhound = Windhund), verbindet mit ihren Bussen 3800 Städte und Orte in den USA. In grossen Städten gibt es sehr grosse Greyhound Bus-Terminals, in kleinen Orten hält der Greyhound vor dem Drugstore oder dem lokalen Supermarkt. Aber überall weiss jedes Kind, wo die Greyhound Haltestelle ist. Die Busse verkehren fahrplan-mässig. Es gibt regionale Linien, überregionale Linien und Interstate-Linien und Linien von Küste zu Küste. Alles nach Fahrplan und immer mit guter Pünktlichkeit. Für uns Europäer waren die Busse luxuriös. Alle waren klimatisiert, hatten sehr bequeme Sitze mit Verstellmöglichkeiten und in der Rücklehne des Vordersitzes gab es einen Anschluss für das Bordradio. Das war nicht Hi-Fi, sondern ein flexibles Plastikröhrchen mit 4 mm Durchmesser und einem Ohrstöpsel. Das Plastikröhrchen leitete die Töne ins Ohr. Primitiv, aber es funktionierte wie so vieles in den USA, einfach aber funktionell. Viele Busse hatten eine Toilette an Bord. In den Langstreckenbussen sass man im hinteren Drittel etwa 2 Meter über der Strasse und genoss eine gute Rundumsicht. Auf langen Strecken hielt der Bus etwa alle zwei Stunden für eine halbe Stunde an einer Raststätte. In den grösseren Städten waren die Greyhound-Terminals das was bei uns Bahnhöfe sind, Knotenpunkte und Umsteigeorte einge-richtet mit Schnellimbissen, Krämerladen, Automaten und Schuhputzern.

In New York besichtigten wir Manhattan, den Broadway, das UNO-Gebäude und fuhren im schnellsten Aufzug den ich bis anhin benutzte, auf das Empire State Building. Das war damals noch, wenn nicht das höchste, so doch eines der höchsten Gebäude der Stadt. In New York wurde die Schweizer Gruppe in kleine Reisegrüppchen aufgeteilt. Meine Gruppe, mit Bestimmung Westküste, bestieg den Bus nach Salt Lake City zur Fahrt in den Westen, durch Chicago, den Staat Illinois, bei Davenport über den Mississippi in den Staat Iowa. Über 40 Jahre später sollte Davenport eine wichtige Rolle in meinem Leben spielen. Ich war oft dort und arbeitete während vielen Jahren für eine dort ansässige Firma welche jedoch 1966 noch gegründet werden musste. Weiter ging die Fahrt durch endlos scheinende landwirtschaftlich genutzte Ebenen, entlang riesigen Feldern mit Sojabohnen und Mais. Am Abend der zweitägigen Etappe erreichten wir Des Moines, Iowas Hauptstadt. Hatten wir die gestrige Nacht im Bus verbracht, übernachteten wir heute im Hotel. Aber schon früh am Morgen nahm uns der Greyhoundbus an Bord zur Fahrt über Omaha in Nebraska, durch den Bundesstaat Wyoming mit endlosen Prärien, und danach über die Rocky Mountains hinunter nach Salt Lake City im Bundesstaat Utah. Beim Überqueren der Rocky Mountains kamen wir auf einer Passhöhe an einen Punkt, von dem aus man in der Ferne die Stadt Salt Lake City sah. Eine enorm eindrückliche Aussicht in einer gewaltigen Umgebung und Landschaft. So muss es Brigham Young, dem Nachfolger des Begründers der Mormonen, Joseph Smith, ergangen sein, als er 1847 mit seinem Volk, den Planwagen und Vieh nach unsäglichen Mühen den letzten Pass der Rocky Mountains bezwungen hatte, an diesen Ort kam und die unglaubliche Aussicht vor sich hatte. «This is the place!» soll Brigham Young ausgerufen haben (Das ist der Ort!). Von den Hängen der Rocky Mountains sieht man auf die von Bergen umrahmen Salzflächen hinunter. In Salt Lake City übernachteten wir dank einem Gönner im besten Hotel der Stadt und stellten fest, dass fast die ganze Stadt alkoholfrei war. Es gab kein Bier im Hotel und wir mussten lange nach einem Laden suchen, der uns ein Bier verkaufte. Am Abend besuchten wir ein Konzert des berühmten Mormon Tabernakel Chors in der grossen Kirche der Mormonen in Salt Lake City. Ein sehr eindrückliches Erlebnis.

Zeitig am nächsten Morgen brachen wir auf zur letzten Etappe vor dem ersten längeren Aufenthalt in den USA, der Reise über die Salzflächen hinein in den Wüstenstaat Nevada, auf endlos scheinenden Highways und Strassen in baumlosen Wüsten auf Höhen, die oft über 2000 Meter über Meer lagen. Unser Bus folgte dem kürzesten Weg und benützte die Autobahn, passierte Elko und Winnemucca und erreichte am frühen Abend die «grösste kleine Stadt der Welt», Reno im Bundesstaat Nevada. Der Spruch mit dem Slogan: «The Biggest Little City of the World” war auf einem über die Hauptstrasse gespannten Banner zu lesen. Reno ist bekannt als Heirats- und Scheidungsparadies. Beides ist ebenso einfach wie schnell möglich. Reno ist aber auch ein Spielerparadies, für Viele eine Spielhölle und die Miniaturausgabe von Las Vegas. Nevada ist der einzige US-Bundesstaat in dem Glückspiele, Bordelle und rund um die Uhr geöffnete Bars mit Alkoholausschank so gut wie ohne Beschränkung zugelassen sind. Heute wird auch in Atlantic City im Staat New Jersey und auf speziellen Glücksspielschiffen auf dem Mississippi und auf andern Gewässern in einigen Bundesstaaten mit Einschränkungen gespielt. Hier in Reno sollten wir nun an der Staats-Universität von Nevada Sommerkurse besuchen, uns mit Studenten treffen und in deren Unterkünften auf dem Campus der Uni wohnen. Im Wohnheim, indem ich hauste, lernte ich schnell, dass man Turnschuhe zusammen mit Bluejean in der Waschmaschine waschen konnte. Das einzige Problem war die schwarze und rote Farbe der Turnschuhe. Die wollte nicht auf den Turn-schuhen bleiben, sondern liess sich auf den einst blauen Jeans nieder. Unsere Schweizer Gruppe bestand aus sieben Mädchen und drei Jungs, alle zwischen 19 und 23 Jahren. Die Gastgeber von der Uni zeigten sich von ihrer besten Seite, waren aktiv und organisierten viele Ausflüge in die Stadt und Umgebung Renos. Wir waren mehr unterwegs als an den Sommervorlesungen. Aber ich fand trotzdem Zeit, um Vorlesungen über «Europäische Zivilisation», «Amerikanische Geschichte» und Journalismus zu besuchen. Selbstverständlich klapperten wir alle Spielcasinos ab und versuchten uns an den einarmigen Banditen. Für Black Jack und andere Spiele hatten wir kein Geld. Aber wir besuchten berühmte Shows und sahen in einem Casino in Lake Tahoe in der Sierra Nevada, das zu jener Zeit weltbekannte Kingston Trio singen (Tom Dooley). Lake Tahoe ist ein 150 km2 grosser, vulkanischer Kratersee und liegt an der Grenze zu Kalifornien in der Sierra Nevada auf 1897 m. Auf dem Gebiet von Nevada steht die Kleinstadt Tahoe, eine Aussenstelle Renos, die eigentlich nur aus Spielhöllen und Casinos besteht und ein beliebtes Ausflugs- und Ferienziel für viele Kalifornier ist. Am westlichen, kalifornischen Ufer des Sees befindet sich der bekannte Skiort Squaw Valley, wo 1960 die Winterolympiade stattfand. Ebenfalls in der weiteren Umgebung Renos liegt die Silberminenstadt Virginia City. Eine Stadt die heute noch so aussieht wie zur Zeit des Gold- und Silberrausches um 1860 herum, als Mark Twain dort erst als Minenarbeiter in der Silbermine Comstock Lodge und danach als Journalist bei der Zeitung Territorial Enterprise arbeitete. Wir besuchten auch die Hauptstadt Nevadas, Carson City und unternahmen einen Ausflug zum Pyramid Lake, einem See inmitten der Wüste. Kein einziger Baum, kein Gebüsch und kein Grashalm wachsen rund um diesen See, nur Sand, der so heiss ist, dass man darauf mit nackten Füssen nicht gehen kann. Aber das Wasser war herrlich warm und wir vergnügten uns einen Nachmittag lang als Anfänger mit Wasserski und dem Grillieren von Würsten und essbarem Kunststoff, Marshmallows, einer zu einer Form gegossenen, quietsch-enden, mit farbiger Stärke überzogener Gelatine- und Zuckermasse. Grausam! Pyramid Lake diente 1965 als See Genezareth im Film «The Greatest Story Ever Told» (Die grösste je erzählte Geschichte) und der berühmte Film «Die Misfits» mit Clark Gable und Marilyn Monroe wurde teilweise beim Pyramid Lake gedreht. Die Fahrt zurück nach Reno war für mich ein besonderes Erlebnis, durfte ich doch den Ford Mustang von Caroline, einer attraktiven amerikanischen Kommilitonin, zurück zur Uni fahren. Was Caroline nicht wusste: Ich war gar nicht im Besitz eines Führerscheins. Aber, who cared? Ich durfte zwar nicht Auto fahren, dafür aber fliegen. Typisch amerikanisch war auch die Eisenbahn die mitten durch Reno die Stadt durchquerte. Immer wenn einer der sehr, sehr langen Güterzüge der Union Pacific Railroad einen Güterzug im Schneckentempo von vielleicht 15 km/h, unter lauten und andauerndem Lokpfeifen durch die Stadt schleppte, war der Verkehr in Reno während 15 bis 20 Minuten vollständig blockiert. Die Züge mit Früchten und Gemüse aus Kalifornien hatten immer mehr als 100 Wagen angehängt, wobei ein Wagen doppelt so lang war wie ein europäischer Eisenbahnwagen und jeder zwei oder gar vier 4-Fuss Container geladen hatte. Eine lokale Zeitung von Reno stellte unsere Gruppe mit Bild vor und schrieb dazu, dass Urs einen Tunnel durch Reno bauen würde, hätte er das Sagen in Reno. Die Journalistin fragte mich: «Wenn du hier etwas ändern könntest, was würdest du ändern?» und ich hatte, ohne zu zögern, geantwortet: « Ich würde Unterführungen unter der Eisenbahn hindurch für den Verkehr oder vielleicht einen Tunnel für die Eisenbahn unter der ganzen Stadt hindurch bauen lassen?» An so etwas hatte bisher niemand je gedacht. Ich war 1991 erneut in Reno, geändert hatte sich nichts, aber meine Kinder und ich zählten am vorbeifahrenden «Sante-Fe-Express» 132 grosse Güterwagen.

Von Reno brachte uns der von Las Vegas herkommende Greyhound-Bus mit Bestimmung Portland, Oregon, nach Bend, dem Ort wo wir die nächsten Wochen in unseren Gastfamilien verbringen würden. Die Fahrt führte nordwestlich der Hauptstadt Kaliforniens, Sacramento, von den Höhen der Sierra Nevada hinunter nach Klamath Falls im Südzipfel Oregons und weiter nach Bend in der Hochwüste Oregons. Die Hochwüste, englisch High Desert, ist das Gebiet östlich der Cascada Gebirgskette im zentralen und östlichen Oregon. Die durchschnittliche Höhe über Meer beträgt 1200 Meter. Das Klima in der High Desert ist trocken, heiss im Sommer, Niederschläge in der Form von häufigem Regen und mit viel Schnee fallen im Winter. Die Wüste oder Prärie bietet Lebensraum für eine vielfältige Tierwelt mit Antilopen, Hirschen, Coyoten, Steppenhühner, Wüstenfalken und Pumas. In den Gärten von Bend kann man Kolibris sehen. Im Osten erstreckt sich die Prärie bis zur Grenze mit dem Bundesstaat Idaho. Sie ist bewachsen mit unzähligen Sagebrush-Pflanzen (nordamerikanischer Beifuss, ein typisches Steppengewächs), Wachholdersträuchern und Gras. Im Westen wird die High Desert abgeschlossen durch die Bergkette der Cascades mit ihren endlosen Wäldern aus Douglas-Föhren und roten Zedern, mit Ponderosa-Pinien, Sequoia und vielen anderen Bäumen. In den riesigen Wäldern leben Hirsche, Elche, Rehe, Pumas, Bergziegen und Schwarzbären. An den Flüssen kann man Biber beobachten. Es gibt viele Bäche und Seen mit klarem, sauberem Wasser. Die höchsten Berge sind auch im Sommer schneebedeckt. So zum Beispiel die «Three Sisters» bei Bend mit einer Höhe 3575 Meter oder der 2764 Meter hohe Mount Bachelor auf den Skilifts und eine Sesselbahn führen. Auf der westlichen Seite fallen die Cascades ab zum Pazifischen Ozean. Die Cascades selbst sind ein vulkanisches Gebirge und gehören zum pazifischen Feuerring. An manchen Bergen kann man an der typischen Form den Vulkan erkennen: Es fehlt oft die Bergspitze. Ein typisches Beispiel ist der «Crater Lake», ein 594 Meter tiefer Kratersee mit einer Uferlänge von 35 km. Das Wasser im See stammt ausschliesslich vom Regen und Schnee, es gehört zu den saubersten Gewässern der Welt und enthält keine Verunreinigungen. Weil das Wasser so rein ist, wird das Sonnenlicht wie in einem Prisma gebrochen. Das gesamte Farbspektrum des Sonnenlichts wird, mit Ausnahme des Blauanteils, absorbiert. Blau wird reflektiert und gibt dem See eine tiefblaue, fast kitschige Farbe. Entstanden ist der See vor 7700 Jahren durch die gewaltige Eruption des Vulkans Manama. Der Crater Lake liegt auf 1883 Metern Höhe und bildet heute den Crater Lake National Park.

Oregon, an der pazifischen Nordwestküste der USA, grenzt im Norden an den Bundesstaat Washington, im Osten an Idaho und im Süden an Kalifornien. Der 33. Staat der USA wurde 1848 als Territorium festgelegt und 1859 offiziell als Bundesstaat der USA gegründet. Es ist ein junger Staat, rund sechs Mal grösser als die Schweiz, hat jedoch zwei Mal weniger Einwohner. Im Norden bildet der von den Rocky Mountains her fliessende, 2000 km lange Columbia River, die Grenze zum Staat Washington, im Osten der ebenfalls in den Rocky Mountains entspringende Snake River die Grenze zum Staat Idaho. 163 km nach Oregons einziger Grossstadt, Portland, fliesst der Columbia in den von Zentral-Oregon kommenden Williamette River und zusammen fliessen die beiden Flüsse, teilweise in getrennten Betten, in den Pazifik bei St. Helens. Dank seinen unterschiedlichen geographischen Gegebenheiten ist Oregon einer der vielfältigsten Staaten der USA. Pazifikküste, hohe Berge, viele Seen und Flüsse, Prärie und Wüste sowie eine unglaubliche Vielfalt an Tieren und Pflanzen ziehen immer mehr Menschen aus Kalifornien nach Oregon.

Bend liegt am Deschutes River, am östlichen Rand der Cascade Gebirgskette, dort wo das trockene, dürre Land der High Desert mit ihren Wachholderbäumen, den Sagebrush-Büschen und anderen typischen Gewächsen, Sträuchern und Gräsern, in die grossen Wälder mit Ponderosa Pinien und Douglas Föhren übergeht. Entstanden ist der Ort um 1900 aus einer Holzfäller-Niederlassung, die unter der Bezeichnung Farewell Bend bekannt war. 1904 wurde die Stadt gegründet und ein Jahr später, am 4. Januar 1905 fand die erste öffentliche Gemeindeversammlung seiner 300 Einwohner statt. Die US-Post kürzte später den Ortsnamen zu Bend. 1966 zählte Bend erst rund 12000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Bevölkerungszahl hat seitdem schnell zugenommen. 2019 wohnten bereits mehr als 80000 Menschen in Bend und machten Bend zur grössten Stadt in Zentral-Oregon. In der Stadt erhebt sich ein etwa 100 Meter hoher, erloschener Vulkan, der Pilot Butte. Der Hügel besteht aus Vulkanasche, dient als Aussichtspunkt und wird abends gerne von Pärchen als ruhiger Ort für ungestörte Zweisamkeit aufgesucht. Da wir jedoch am späten Nachmittag in Bend ankamen, war niemand auf dem Butte, sondern mindesten 100 Menschen bei der Greyhound-Station zur Begrüssung der exotischen Besucher aus der 9000 km entfernten Schweiz. (Die Umwege über Island und Neufundland und die Fahrt im Greyhound quer durch die USA mitgerechnet müssen wir eher 12000 km zurückgelegt haben.) Von «meiner» Familie warteten mit Rosanna (Mom), Barney (Dad), Gerry (18), Fred (16), Marianne (12) und Robin (10) Duberow sechs Personen an der Greyhound-Station. Duberows wohnten in einem grösstenteils selbst erstellten, bungalowartigen, niedrigen Holzhaus mit einem grossen baumbewachsenen Rasenplatz vor dem Haus und einem Grundstück mit Rasenplatz, einem riesigen Gemüsegarten, Kaninchenstall und einer Pferdeweide hinter dem Haus. Barney war ein begnadeter Handwerker und Bastler. Rosanna pflegte mit Hingabe und einem sehr grünen Daumen ihren Gemüsegarten, indem ein grosser Teil mit «Corn», dem amerikanischen Grundnahrungsmittel Mais und mit Kartoffeln bepflanzt war. Aber ich lernte dort auch die Jerusalem-Knolle oder den Topinambur kennen. Die älteren Jungs und ich hatten einen gemeinsamen Raum unter dem Dach über der Abstellkammer, die wohl einmal als Garage gedacht war. Fast den ganzen rechten Teil des Hauses im Erdgeschoss nahm der gemütliche, aber nur bei speziellen Gelegenheiten benutze Wohnraum mit offenen Kamin ein. Zwischen dem vorderen Eingang ins Haus und der Küche gab es so etwas wie eine Eingangshalle und dort stand ein Klavier. Einen Fernseher gab es im ganzen Haus nicht! Marianne und Robin hatten eigene Zimmer im Erdgeschoss. Die Küche bildete zusammen mit dem Esszimmer einen urgemütlichen, gemeinsamen Raum der sowohl zum Essen als auch zur Erledigung der Hausaufgaben und zum gemeinsamen Spielen diente. Barney arbeitete als Forest Ranger bei der staatlichen Forstverwaltung. Dort war er zuständig für den Holzschlag in den Cascades im Bezirk von Bend. Barney bestimmte wo, wann, welche Bäume gefällt werden sollten. Sein Gebiet erstreckte sich über mehr als 100 km Länge und umfasste die Cascade-Berge von der Wüste bis hinauf zu den Bergspitzen. Holz war und ist ein äusserst wichtiger Industrie-zweig Oregons und der Wald wird sehr nachhaltig gepflegt. Der Schutz vor Waldbränden und die fortlaufende Wiederaufforstung sind Aufgaben denen sich sowohl Barney als auch Rosanna mit Hingabe widmeten. Sie hatten sich in ihrer Jugend als Feuerwächter in den Wäldern Oregons kennengelernt. Die Feuerwächter sitzen im Sommer tagelang einsam in einem gut und bequem eingerichteten, erhöhten Feuerwächterturm und überwachen den Wald. Beim kleinsten Anzeichen von Rauch oder Feuer wird mittels eines ausgeklügelten Systems Alarm geschlagen. Die Beobachtungs-türme sind eingerichtet mit Bett, Tisch, Kochgelegenheit, Ferngläsern und Signalanlagen. Rosanna und Barney haben mir mit leicht geröteten Köpfen «ihren» Feuerwächterturm gezeigt, in dem sie beide zusammen vor Jahren eine gute Zeit verbrachten. Die Feuerwächtertürme haben untereinander Sichtverbindung. Durch die Wälder in den Cascades zieht sich ein Netz von einfachen naturbelassenen Strassen, angelegt zum Abtransport der mächtigen Baumstämme, aber auch als Zugangswege für die Feuerwehren. Verursacht werden die Feuer meistens durch Blitzschlag, oft aber auch durch Nachlässigkeit der Menschen beim Umgang mit Feuer. Sehr beeindruckt hat mich zu sehen, wie schnell der Wald nach einem Brand wieder nachwächst. Durch die grosse Hitze bei Waldbränden öffnen sich die Samenkapseln der Pinienzapfen der Douglasföhren und entlassen den Samen auf den nun jungfräulichen Boden, wo er sich sehr schnell entwickelt. Bereits zwei Jahre nach einem Waldbrand sind die ersten jungen Triebe von Douglasföhren sichtbar und der verbrannte Boden ist wieder vollständig begrünt.

Rosanna war Hausfrau und hatte mit Haus, Kindern, Garten und dem Einmachen von Früchten und Gemüsen die Hände voll zu tun. Sie war auch aktiv in der Baptistenkirche und sang dort im Chor. Die ganze Familie war sehr sportlich und der Schuppen voll mit Sportgeräten. Alpinskis, Langlauf-skis, Schneeschuhe, Kanus, Ski- und Bergschuhe usw. Wir waren denn auch oft mit der ganzen Familie mit den Kanus im Deschutes und Metolius River unterwegs oder haben einsame Bergseen aufgesucht. Immer verbunden mit einem Picknick bestehend aus Hamburgern, Hotdogs gegrillten Maiskolben und als Dessert Marshmallows. Bei den Duberows war immer etwas los. Rosannas Ururgrossvater, John Bonsor, war einer der ersten Siedler Oregons. Die Duberows hatten, speziell auf Rosannas Seite, viele Verwandte, von denen wir einige besuchten. Der Swiss Boy musste vorgeführt werden. So auch Rosannas Grossmutter, die in einem alten Farmhaus bei Prineville wohnte. Beim Stöbern in der Scheune fand ich in einer Truhe ein Manuskript mit der Geschichte des Bonsor Treks. John Bonsor, Farmer bei Springfield im Bundesstaat Illinois, machte sich im Herbst 1846 mit seiner Frau Rebecca, vier Söhnen, drei Töchtern und einigen anderen Familien auf den Weg in den grossen Nordwesten der USA. Dort gab es kostenlos Land unter der Voraussetzung, dass man es bebaute. Das Land sei fruchtbar und das Klima mild, hiess es. John Bonsor und sein Trek zogen los mit mehreren von Ochsen und Pferden gezogenen Planwagen, mit Kühen, Setzlingen für Obstbäume, Sträucher und Gemüse, mit Küchengeräten und Werkzeugen, kurz, mit allem was man zum Aufbau eines neuen Lebens als Siedler benötigt. Der Weg in den Westen durch endlose Prärien und über die Rocky Mountains war beschwerlich und voller Gefahren. Im Oktober 1847 erreichten sie den Columbia River bei Dalles im Norden Oregons. Rosannas Urgrossmutter, Martha Bonsor Armstrong, war als junges Mädchen auf dem Auswandererzug dabei. Hundert Jahre später, 1947, diktierte Martha ihrer Tochter Rosanna Armstrong Bonsor die Geschichte, die sie aufschrieb und mit einer klapprigen Remington Schreibmaschine auf Papier abtippte. Dieses Manuskript fand ich unter viel Gerümpel verborgen, vergessen in einer alten Truhe. Es ist ein faszinierender Bericht erzählt von einer Frau so, wie sie diesen schweren Auswandererzug erlebte. Unterwegs wurden Kinder geboren, wurde Butter gemacht, schlug man sich mit Ureinwohnern herum, erlitt Unfälle und Krankheiten und war der Natur bei Wind und Wetter und der oft nicht immer harmlosen Tierwelt ausgesetzt.

Ein besonderes Erlebnis für mich waren die zwei Tage auf der Ranch eines befreundeten Ranchers beim Round-Up, dem Zusammentreiben von einigen hundert Rindern und Kälbern. Auf seiner immensen 96-Ranch, so hiess sie, hatte er einige Tausend frei weidende Rinder. Und ein kleiner Teil dieser Rinder musste zusammengetrieben werden, damit sie kontrolliert und die Kälber mit dem Brandstempel des Eigentümers versehen werden konnten. Reiten konnte ich einigermassen, aber reiten in den Western-Sätteln machte es einfacher und bequemer. Das Pferd war gut abgerichtet und wusste haargenau, wie man die störrischen Rinder und Kälber zwischen den Sagebrush-Büschen hindurch zusammentrieb und sie zusammenhielt. Wenn man einmal eine Gruppe zusammen hatte, machten sich die Rinder allein auf den Weg zum Wasserloch, wo die Cowboys und ein Tierarzt mit dem Brandeisen wartete. Es war, wie im Film und so wie sich ein Bub ein Leben als Cowboy vorstellt. Nach zwei Tagen im Sattel ging ich breitbeinig, wie ein Cowboy, weil mich der Hintern schmerzte und nicht, weil ich es so cool fand. Mit dem echten Film und Hollywood kam ich durch eine andere Begegnung, zu der mir Rosanna und Barney verhalfen, in Kontakt.

Rosanna fand, dass ein junger Mann wie ich nicht ohne Freundin sein könne. Da aber die Töchter ihrer Freundinnen alle schon «steady» gingen, alle hatten bereits einen Freund, musste was anderes gefunden werden. Mit Hilfe einer Bekannte wurde für mich ein «blind date», ein Rendez-vous zwischen zwei Unbekannten organisiert. Die junge Dame, welche dem «blind-date» zugestimmt hatte, und ich trafen uns zu einem gemütlichen Abend in der einzigen Einrichtung in Bend die einer Bar oder einem Nachtclub ähnlich war, in dem eine Band spielte und man tanzen konnte. Jessica war etwa gleich alt wie ich, arbeitete als Stewardess bei Pan Am American Airlines und war im Urlaub bei ihren Eltern in Bend. Wir verstanden uns gut und verbrachten einen angenehmen Abend. Irgendwann suchte ich die Toiletten auf. Wie ich dort stand und in die Schüssel plätscherte, sprach mich der Mann neben mir, der mit derselben Tätigkeit beschäftigt war, an. Da ich nicht gleich verstand was er von mir wollte, drehte ich mich zu ihm. Der Mann war sicher einen Kopf kleiner als ich, aber irgendwie kam er mir bekannt vor. Ich hatte ihn schon mal gesehen, da war ich mir sicher. Aber wo? Meiner Sprache entnahm er, dass ich nicht Amerikaner sei, und er wollte wissen, woher ich komme. Ich erzählte ihm ich sei Schweizer und hier in Bend mit einem Austausch-Programm und fragte nun meinerseits, was er denn hier tue: »We are shooting a movie!» antwortet er. In der Sekunde, in der er mir sagte, dass er hier einen Film mache, wusste ich auch, wer mein Pissoir-Nachbar war: Kirk Douglas! Wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir, dass sie hier einen Film über die Besiedlung Oregons drehten. Der Film sollte «The Way West» heissen, der Weg nach Westen, eine Art Western Film aber basiert auf den tatsächlichen Ereignissen des Oregon Trails um 1840 herum. Ich erzählte ihm von meinem Fund in der Scheune der Grossmutter meiner Gastfamilie und fragte, ob wir den Drehort besuchen könnten. «No problem!» meinte er und gab mir eine Telefonnummer. «Ruf da morgen an, wir werden euch abholen und zum Set bringen.» Und genau so war es auch. Ich rief tags darauf an und einen Tag später wurde meine ganze Gastfamilie in einer grossen Stretch-Limousine abgeholt und zum Drehort am Metolius River etwa 30 km ausserhalb von Bend gefahren. Dort war das gesamte Filmteam mit dutzenden von Leuten, vielen Planwagen, einer ganzen Rinderherde und vielen Pferden an der Arbeit. Der Film wurde entlang der gesamten Route von Chicago durch den mittleren Westen, über die Rocky Mountains hinunter nach Oregon gedreht und war nun letztlich an seiner Endbestimmung angelangt. Die Aufnahmeleitung empfing uns freundlich, erklärte was hier abgedreht wurde und ermöglichte uns bei den Aufnahmen zuzusehen und Fotos zu schiessen. Wir sahen Richard Widmark, Lolo Albright und natürlich Kirk Douglas am Werk. Der Film kam später unter dem Namen «The Way West» in die Kinos, wo ich ihn sah und Erinnerungen an Oregon auffrischte. Erst kürzlich wurde der Film wieder am Fernsehen in der Schweiz und in Deutschland ausgestrahlt.

Nachdem ich mich in Bend von allen neuen Freunden und Bekannten und allen Duberows ausgiebig, lange und gebührend verabschiedete, machte ich mich auf die Solo-Reise mit dem Greyhound-Bus durch die USA. Meine erste Station war San Francisco, damals in der Hippieblüte und Flower-Powerzeit. Von San Francisco zog ich weiter südwärts nach Los Angeles, wo ich einen Bekannten am CalTech, dem California Institute of Technology in Pasadena besuchte. Da ich schon nahe der Grenze zu Mexico war, liess ich es mir nicht nehmen, nach der wunderbaren Hafenstadt San Diego in El Paso die Grenze zu Mexico zu überqueren und Ciudad Juárez zu besuchen. Wieder zurück in den USA ging es weiter mit dem Greyhound nach Flagstaff im Bundesstaat Arizona zu einem Abstecher in den Grand Canyon National-Park. Im Greyhound-Bus und unterwegs traf ich immer sehr viele Menschen und da die Amerikaner im Allgemeinen sehr umgängliche und gesellige Leute sind, wurde es mir nie langweilig und ich erfuhr immer viel über Land und Leute. In Dallas, Texas, begab ich mich zu dem Ort, an dem am 22. November 1963 John F. Kennedy ermordet wurde. Nach Besuchen in Nashville, der Hauptstadt des Bundesstaates Tennessee und die Country-Music Kapitale der USA, reiste ich weiter nach Memphis in Tennessee am Mississippi, von wo aus viele Aussiedler ihre gefährlichen Züge mit den Planwagen nach Westen begannen. Auf dem Weg nach New York machte ich noch Halt in der Hauptstadt der USA, Washington D.C. Dort sah ich das Weisse Haus und suchte im Arlington Friedhof das Grab von John F. Kennedys auf. Rechtzeitig zur Abfahrt des Schiffes nach Europa fand ich mich in New York ein. Am 13. September 1966 verliess ich New York an Bord der «MS Seven Seas» der Europe Canada Line den Hudson River hinunter, um Richtung Rotterdam in See zu stechen. Bei der Fahrt auf dem Hudson kreuzten wir die «MS Statendam» der Holland-Amerika Linie auf ihren letzten Meilen auf der Fahrt nach New York.

Die «MS Seven Seas» war mit ihren 13500 Brutto-Register-Tonnen ein kleines, dafür umso älteres Schiff. Ursprünglich als Frachter gebaut, wurde sie nach dem 1. Weltkrieg zum ersten Flugzeugträger der Welt umgebaut und nach dem 2. Weltkrieg zum Transport von Passagieren erneut umgebaut. Unsere Reise nach Rotterdam war die letzte Fahrt der «MS Seven Seas». Sie liegt seit der Ankunft in Rotterdam im Hafen von Rotterdam vertäut an der Kade und dient als Studentenhotel. Eine weitere Reise hätte sie wohl nicht überstanden! An Bord waren auf dieser Reise 600 junge Leute aus 26 Nationen im Alter zwischen 18 und 30 Jahren, alles Studenten und Schüler von Austauschprogrammen auf dem Weg nach Hause oder zu ihren Gastfamilien in Europa. Von den 600 Passagieren waren 400 Mädchen und 200 Jungs. Grossartig! Meine Kabine auf dem untersten Deck teilte ich mit 5 Italienern. Auf dem Schiff gab es eine Bibliothek, der Speisesaal diente als Kino, wobei man auf den Tischen sitzen musste, um die Leinwand zu sehen. Viele Passagiere hatten ihre Musikinstrumente dabei und abends bildeten sich spontan Bands und spielten in verschieden Räumen zum Tanz auf. Da ging dann die Post ab. Aber nur so lange, bis ein Sturm alle Aktivitäten und die meisten Passagiere lahmlegte. Es begann an einem Abend während der Filmvorführung. Das Schiff begann sich zu bewegen. Während der Nacht nahm der Sturm an Stärke zu, die Italiener in meiner Kabine begannen zu jammern und sich zu übergeben. Ich flüchtete auf obere Decks. An die frische Luft konnte man bereits nicht mehr, alle Türen nach Aussen waren entweder verriegelt oder von Matrosen bewacht. Beim Frühstück am Morgen waren vielleicht noch 200 Passagiere an-wesend, bei Frühstück am Morgen danach sassen keine 30 Passagiere mehr. Ich wurde nicht seekrank und bin auch später nie seekrank geworden. Nur der Duft von Erbrochenem, vor allem in den Kabinendecks und, ganz schlimm, in den Toiletten, konnte bei mir einen Brechreiz auslösen. Die Wellen waren am zweiten Sturmtag so hoch, dass sie über die Brücke schlugen und der Kapitän die Dieselmotoren zwar nicht abstellen liess, sondern die Antriebschraube auskuppelte, weil sie bei den hohen Wellen aus dem Wasser ragte und zu überdrehen drohte. Der Sturm legte sich aber einen Tag vor Ankunft im englischen Southampton. Dafür explodierte einer der Zylinder des Dieselmotors um 2 Uhr nachts. Das Geräusch der Explosion weckte auch die Langschläfer und die von der Seekrankheit ermüdeten und schlaffen Passagiere. Bei der Einfahrt in Southampton kreuzten wir wiederum die «MS Statendam». Sie war inzwischen in Rotterdam gewesen und war bereits wieder unterwegs nach New York. Nach 11-tägiger Fahrt kamen wir in Rotterdam an. Bei der Fahrt auf der Ems hinauf zum Hafen sang der Chor der glücklich überlebenden Passagiere, dem Kapitän das Lied «We shall overcome!»

Und zwischendurch nach Hause

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