Читать книгу Und zwischendurch nach Hause - Urs V. Läuppi - Страница 8
ОглавлениеGood by ETH
Im Oktober 1966 war ich wieder zurück auf dem Hönggerberg im Laboratorium für Kernphysik und hatte dort viel zu erzählen. Aber nicht nur ich, sondern auch die Dozenten, die zu Vorträgen eingeladen waren, berichteten über ihre Arbeit. Mehrere Male im Jahr lud Prof. Marmier zudem einen Wissenschaftler zu einer Gastvorlesung ein. Die eingeladenen Dozenten waren in der Regel Professoren anderer Fakultäten der ETH oder anderer Universitäten, oder Wissenschafter aus der Industrie und von privaten Forschungsinstitutionen. Ein Gastdozent ist mir in besonderer Erinnerung geblieben, teils wegen seinem Vortrag, teils wegen dem langen Gespräch welches Marcel und ich mit ihm nach seiner Vorlesung führen durften. Der Dozent war Dr. Alfred Hofmann, der Entdecker des LSD, Lysergsäurediethylamid, der Basler Pharmafirma Sandoz. Hofmann arbeitete an der Entwicklung eines Mittels zur Stimulierung des Kreislaufs. Dazu experimentierte er unter anderem auch mit Pilzen die Mitarbeiter aus ihren Ferien in Mexico zurück brachten. Für seine ersten Versuche benützte Hofmann ein synthetisch hergestelltes Derivat eines Mutterkornpilzes und bemerkte bei sich eine leicht halluzinogene Wirkung. Einige Tage später, am 19. April 1943 wiederholte er den Versuch und nahm, als vorsichtiger Mensch, wie er uns versicherte, die kleinste Menge eines Mutterkornwirkstoffes ein, die eine Rauschwirkung verursacht: 250 Mikrogramm. Es stellte sich heraus, dass diese Menge das Zehnfache einer wirksamen Dosis LSD war. Hofmann fuhr nach der Einnahme des Versuchsmusters auf seinem Fahrrad nach Hause, wie er dorthin kam wusste er nicht mehr. Er war tagelang krank: «Es war schrecklich, ich will euch gar nicht erzählen was ich alles erlebt habe, alle Sinne werden mehrfach verstärkt, man sieht Farben, die man sonst nicht sieht und hört Geräusche, die man sonst nicht hört,» erzählte Hofmann. Für uns war es spannend und interessant, Alfred Hofmann persönlich kennen zu lernen, war LSD doch damals bereits in aller Munde.
Marcel und ich hatten viel Spass bei der Arbeit und wenn es gelegentlich nicht so spannend war, sorgten wir in jugendlichem Übermut für etwas Unruhe und Leben in der Bude. Einer der Physiker bat uns, ihm beim Bau einer Versuchsanordnung zu helfen. Das gehörte zu unserem Aufgaben-bereich. Der Physiker hatte eine zylindrische Kammer, in der sein Versuch eingebaut werden sollte. Die Kammer war mit einem Gas gefüllt und konnte deshalb nicht direkt an das unter Vakuum stehende Strahlrohr angeflanscht werden. Gesucht wurde nun eine Membrane, die dünn genug war, um den Ionenstrahl durchzulassen aber auch stark genug, um dem Druckunterschied zwischen Kammer und Vakuum im Strahlrohr zu widerstehen. Zusammen kamen wir auf die brillante Idee, für die Membrane ein Kondom zu verwenden. Wir besorgten uns verschiedene Kondome, dickere und dünnere, farbige und durchsichtige und eines, das als das dünnste der Welt angepriesen wurde. Zum Testen der Kondome füllten wir sie im Labor mit Wasser, bis sie platzten. Das stärkste Kondom hielt 160 Liter Wasser, bevor es zerbarst. Diesen Typ benützten wir als Membrane. Die getesteten Kondome entsorgten wir im Abfalleimer und da und dort blieb wohl auch noch ein Stück Gummi oder eine Verpackung am Boden liegen. Einige Tage später rief uns Prof. Marmier zu sich ins sein Büro, wo er uns, einigermassen verlegen fragte, was wir nachts im Labor drüben beim Beschleuniger trieben. Die Putzfrauen hätten ihm von ihren Funden erzählt und die Befürchtung geäussert, die Beschleunigerjungs würden sich nachts im Institut bei Orgien vergnügen. Marcel und ich klärten Prof. Marmier auf, der Physiker bestätigten den Sachverhalt und zusammen lachten wir ausgiebig über diese Episode.
Im Laufe der Jahre lernte ich mehrere Mitarbeiter von High Voltage Engineering Europa (HVEE), dem holländischen Tochterunternehmen von HVEC, kennen. Sie kamen für Wartungsarbeiten oder Modifikationen am Beschleuniger zu uns nach Zürich. Wir hatten es immer gut zusammen und Marcel und ich führten sie abends in das Zürcher Nachtleben ein. Einer von ihnen, Boy, suggerierte anlässlich seines Besuchs im Sommer 1968: «Komm doch zu uns arbeiten, wir suchen Leute mit Van de Graaff Erfahrung.» Im November desselben Jahres flogen meine Verlobte und ich in einer Swissair DC-9-15 von Zürich nach Amsterdam auf Einladung von HVEE. Wir besichtigten das Werk von HVEE in Amersfoort, einer Stadt mit 100000 Einwohnern, 80 km südlich von Amsterdam. Ich musste eine Eignungsprüfung bei einem Institut in Utrecht bestehen. In Amsterdam wohnten wir im Hotel Krasnapolski am Dam gegenüber dem Königlichen Palast. Wir genossen drei unbeschwerte Tage in Amsterdam und ich unterschrieb den Vertrag mit HVEE und wurde als Test and Installation Engineer, T&I Engineer in der HVEE Fachsprache, eingestellt.