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Soziale Gerechtigkeit, Integration und Autonomie

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Je nach theoretischem Entwurf wird der Auftrag der Sozialen Arbeit, zwischen Individuum und Gesellschaft aus der Perspektive des Subjekts zu vermitteln, mit anderen, weiteren Begrifflichkeiten umschrieben, die zugleich eine Zielsetzung beinhalten.

Es gilt als wesentliche Aufgabe der Sozialen Arbeit, soziale Integration zu unterstützen und immer wieder neu zu sichern, also den Zugang von Menschen zu allen relevanten Bereichen der Gesellschaft zu ermöglichen. Gemäß Böhnisch ist die Soziale Arbeit die gesellschaftlich institutionalisierte Reaktion in der Folge gesellschaftlich bedingter sozialer Desintegration (vgl. 2012:219). In seinem Konzept biografischer Lebensbewältigung kommt der Sozialen Arbeit die Aufgabe zu, individuelles Bewältigungshandeln zu verstehen und soziale Integration zu sichern, welche durch individuelles Bewältigungshandeln immer wieder aufs Spiel gesetzt werden muss. In systemtheoretischen Entwürfen wird die Funktion der Sozialen Arbeit bestimmt als Exklusionsvermeidung, Inklusionsvermittlung und Exklusionsverwaltung. Inklusionsvermittlung bedeutet, Zugang zu sozialen Systemen (z. B. Arbeitsmarkt, Bildungswesen, Gesundheitssystem) vermitteln und damit Exklusion zu verhindern. Gelingt die Inklusionsvermittlung in soziale Systeme längerfristig nicht, so tritt an ihrer Stelle die Exklusionsverwaltung, die Begleitung der Marginalisierten (vgl. Heiner 2004:157; Bommes/Scherr 2000:88 ff.). Basis des Integrationsgedankens ist die Vorstellung sozialer Gerechtigkeit (siehe oben, vgl. u. a. Schröer 2013; Thiersch 2002; Schütze 1992). Haupert bezeichnet die Soziale Arbeit als »Kerndisziplin der sozialen Integration«, deren Ziel die »Herstellung und Erhaltung sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit, bzw. die Kompensation entsprechender Ungerechtigkeiten« sei (2007:61 f.).

Viele Theoretikerinnen der Sozialen Arbeit benennen die Autonomie der Klientinnen oder die allgemeine Autonomie der Lebenspraxis als zentralen Wert, den es zu fördern gilt (u. a. Oevermann 2013; Heiner 2004; Dewe et al. 2001 – vgl. auch die Zusammenstellung bei Becker-Lenz/Müller 2009:60 f.). So bestimmen beispielsweise Dewe et al. Soziale Arbeit als Hilfe, »die in dialogischen Prozessen erbracht wird, und die auf die Wiedergewinnung und Steigerung der Handlungsautonomie ihrer Adressaten ausgerichtet ist« (2001:18). ›Achtung vor der Würde und dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen‹ (vgl. Müller 1991:144), Anerkennung der Klienten als »Subjekt ihres Lebens« (Thiersch 2002:11) sind weitere Umschreibungen für die Autonomie der Lebenspraxis, welche die Soziale Arbeit unterstützt ( Kap. 4.1).

Rauschenbach/Zürcher (2012:169) stellen nach ihrer Durchsicht der aktuellen theoretischen Beiträge zur Sozialen Arbeit fest, dass sich derzeit drei Richtungen unterscheiden lassen. Die Soziale Arbeit reagiere im Wesentlichen – je nach theoretischem Entwurf in unterschiedlicher Betonung – auf drei soziale Tatbestände:

• auf die ›Erziehungstatsache‹, die vielschichtiger werdenden Herausforderungen des Aufwachsens (in Schule, Familie und jenseits davon) und die unterschiedlichen Modalitäten der individuellen und gesellschaftlichen Reaktionen darauf,

• auf soziale Probleme, alte und neue Ungleichheiten, Fragen der sozialen Integration und Desintegration, der Inklusion und Exklusion,

• auf ›Risiken der individuellen Lebensführung und der alltäglichen Lebensbewältigung‹, also auf die durchschnittlichen sozialen Risiken, auf die Biografien und Lebensläufe und die damit einhergehende Gestaltung und Bewältigung von Lebenslagen.

Vor diesem Hintergrund umreißen Rauschenbach/Zürcher die gesellschaftliche Bedeutung und fachliche Identität der Sozialen Arbeit in der Summe als »öffentliche Reaktion auf einen politisch anerkannten Hilfebedarf von Personen und Personengruppen – gleich welcher Art und welchen Alters – in modernen Gesellschaften« (ebd.). Und Thole (2012a:27) resümiert, ganz allgemein gehe es in der Sozialen Arbeit um »öffentlich organisierte Aufgaben der sozialen Grundversorgung, Hilfe, Unterstützung und Bildung durch fachlich einschlägig qualifizierte Personen«.

Soziale Arbeit ist ein Moment innerhalb des Sozialstaatsprinzips, sie ist ausgerichtet darauf, soziale Gerechtigkeit in einer Gesellschaft sichern und die Würde von hilfebedürftigen Menschen und Gruppen wahren zu helfen und zur Bewältigung individueller Schwierigkeiten beizutragen. Sie leistet einen Beitrag zu sozialer Grundversorgung und Bildung, sie bietet Unterstützung in der Alltagsgestaltung und Lebensbewältigung an und trägt bei zu sozialer Integration. Im spannungsreichen Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft vermittelt sie anwaltschaftlich für das als selbsttätig und autonom verstandene Individuum. Mit den Begriffen ›soziale Gerechtigkeit‹, ›soziale Integration‹ und ›Autonomie in der individuellen Lebenspraxis‹ sehen wir die Zielsetzung Sozialer Arbeit umrissen.

In einzelnen Organisationen der Sozialen Arbeit wird dieser Auftrag der Profession in Hinblick auf eine Zielgruppe und/oder Problematik spezifiziert und beinhaltet jeweils eine bestimmte Hilfeform. Der allgemeine Auftrag der Sozialen Arbeit als übergeordnete Ausrichtung und der konkretisierte organisationsspezifische können als Leitplanken für das professionelle Handeln verstanden werden. Beide sind nicht nur beim professionellen Handeln, sondern auch beim Nachdenken über die Methodisierbarkeit dieses Handelns stets mit zu berücksichtigen.

In diesem Lehrbuch thematisieren wir das professionelle Handeln im Hinblick auf die sog. individuumsbezogene Funktion Sozialer Arbeit, mit ihrem Fokus auf die Veränderung von Lebensweise und Lebensbedingungen. Dies beinhaltet die Arbeit mit Einzelpersonen, Familien, Gruppen und Gemeinwesen. Auch wenn wir als AutorInnen die gesellschaftsbezogene Funktion der Sozialen Arbeit für wichtig erachten, so müssen wir akzeptieren, dass Einbezug und Thematisierung des politischen Mandats die Grenzen dieses Lehrbuches sprengen würde.

Kooperative Prozessgestaltung in der Sozialen Arbeit

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