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Haltung der Aufmerksamkeit
ОглавлениеEs ist davon auszugehen, dass viele Klientinnen der Sozialen Arbeit neben ihrer prekären Lebenslage und Notsituation und/oder (Lebens-)Krise fundamentale Erfahrungen in verschiedenster Hinsicht mit Missachtung gemacht haben: Missachtung ihrer Grundbedürfnisse, Missachtung ihrer Bemühungen, das eigene Leben trotz widrigsten Umständen selbstverantwortlich zu meistern, verweigerte Anerkennung dazu zu gehören, Teil einer Gemeinschaft zu sein etc. Solche Erfahrungen verweigerter Teilhabe und Anerkennung führen bei vielen Menschen zu einer tief sitzenden Scham, die sich lähmend auf die eigene Motivation auswirken und bis zu einer generellen Perspektivlosigkeit führen kann (vgl. Honneth 1992:219). Wie es auch Thiersch (1995) ausdrückt, wollen Menschen in ihrem Sosein, in ihren Bemühungen den eigenen Alltag zu meistern, ernst genommen werden. Dazu ist eine Haltung der Aufmerksamkeit gefragt, »eine Aufmerksamkeit, die durch eine würdevolle Behandlung das Ringen des Adressaten um Anerkennung um seiner selbst willen Beachtung schenkt« (Lob-Hüdepohl 2007:139). Ethisch reflektiertes Handeln verlangt eine aufmerksame Grundhaltung, die einerseits die Bedürftigkeit und Verletzlichkeit der Klientin beachtet, sie aber auch in ihrer Andersartigkeit und ihrem Anderssein respektiert. Aufmerksam sein bedeutet auch kritisch hinzuschauen, wo die Klientin Mißachtungserfahrungen ausklammert, verstärkt oder mit verursacht.