Читать книгу Begleitung und Versorgung von Menschen mit Demenz nach Silviahemmet - Ursula Sottong - Страница 43
Оглавление4 Altersphänomene
Demenzielle Erkrankungen kommen bevorzugt in der Gruppe der hochaltrigen Menschen vor, die zudem häufig unter typischen Alterseinschränkungen und Erkrankungen leiden. Um die verschiedenen Symptome abgrenzen und die gegenseitige Beeinflussung beurteilen zu können, ist jeweils eine kritische Überprüfung der beobachteten Symptome notwendig.
alterstypische Erscheinungen
Demenzielle Erkrankungen kommen zwar in allen Altersgruppen vor, finden sich aber bevorzugt bei alten bis hochaltrigen Menschen. Da kann es durchaus passieren, dass altersbedingte Einschränkungen fälschlicherweise als Demenzsymptome interpretiert werden. Von daher ist es wichtig, immer wieder zu überprüfen, ob das beobachtete Symptom auf eine Demenz zurückzuführen ist oder auf eine alterstypische Einschränkung, die durch Hilfsmittel wie etwa ein Hörgerät ausgeglichen werden kann.
Aus dem Alltag
Zu laut …
Julia M., 91 Jahre, ist schwerhörig. Sie hat zwar Hörgeräte, zieht sie jedoch nur zu besonderen Gelegenheiten wie Familienfeste an. Wenn dann aber dort der Geräuschpegel zu hoch geht, nimmt sie regelmäßig die Hörgeräte raus, weil ihre Ohren nicht mehr an diese Lautstärke gewöhnt sind und auch das Hörverständnis nachgelassen hat. Mit dem Erfolg, dass sie in diesen Runden nicht mehr viel versteht oder auch missversteht. Ihre Töchter denken, dass diese Probleme ein Zeichen einer beginnenden Demenz sind. Erst als ein Akustiker ihnen die Situation der hochaltrigen Mutter erklärt und die Hörgeräte neu anpasst, überlegen sie gemeinsam, wie Julia M. wieder an das Hören mit den Hörgeräten herangeführt werden kann.
Hör- und Sehvermögen
Vom Alterungsprozess sind alle Organsysteme betroffen (Völter et al. 2021). Denn nicht nur das Hörvermögen lässt durch die Abnahme der zuständigen Nervenzellen mit zunehmendem Alter nach. Auch das Sehvermögen ist betroffen. Viele Menschen haben bereits früh Probleme mit der Umstellung von Weit- auf Nahsehen (Akkomodation) und benötigen beim Lesen zunehmend mehr Licht und eine Lesebrille.
Betroffen vom Alterungsprozess sind auch das Herz-Kreislaufsystem, das an Leistungsfähigkeit abnimmt, und der Magen-Darmtrakt, dessen Aufnahmefähigkeit sich verändert, was bei der Verabreichung von Medikamenten eine große Rolle spielt. Typisch sind zudem ein schwächer werdendes Immunsystem, das nur verzögert reagiert, und Alterserkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Osteoporose und vieles mehr.
das Gedächtnis ist nicht gestört
Auch das Gehirn verändert sich mit zunehmendem Alter. Der normale altersbedingte Substanzverlust bewirkt, dass die Reaktionszeit sich verlängert und vieles – wie Neues lernen – mehr Zeit braucht. Doch, und das ist entscheidend, das Gedächtnis ist nicht gestört, was bedeutet, dass deutliche Einschränkungen in der Gedächtnisleistung Anlass zur Überprüfung durch einen Arzt oder eine Ärztin geben sollten.
Die typischen Alterserkrankungen in Kombination mit einer Demenz sind eine enorme Herausforderung, vor allem dann, wenn Menschen mit Demenz noch allein leben und auf eine regelmäßige Einnahme von Medikamenten wie Hochdrucktabletten oder auch Insulingaben angewiesen sind. Falsche Dosierungen, aber auch ein Vergessen der Einnahme kommen häufiger vor und führen zu entsprechenden Komplikationen.
Auch andere akute Erkrankungen werden immer wieder übersehen. Für alle diejenigen, die Menschen mit Demenz durch ihren Alltag begleiten, gilt es deshalb, aufmerksam zu werden, wenn von einem auf den anderen Tag sich plötzlich etwas im Verhalten verändert. Das kann auf eine akute Erkrankung hindeuten oder auf eine fehlerhafte Medikamenteneinnahme und sollte unbedingt ärztlich abgeklärt werden.
Bedarf an kontinuierlicher ärztlicher Begleitung
Da der Arzt oder die Ärztin unter anderem auf Informationen seitens der Patientinnen und Patienten bzw. deren Angehörigen angewiesen sind, ist gerade bei Menschen, die zusätzlich zu ihren alterstypischen Erkrankungen an einer Demenzerkrankung leiden, die kontinuierliche ärztliche Betreuung durch ein und dieselbe Person sehr hilfreich. Denn sie kennt diesen Menschen und weiß im Idealfall auch um die häusliche Situation und die Notwendigkeiten. Auch wenn die eigentliche Demenz-Diagnostik zunehmend durch Neurologinnen/Neurologen, Neuropsychologinnen/-psychologen, Geriaterinnen und Geriater und/oder Gerontopsychiaterinnen und -psychiater erfolgt, bietet sich deshalb die hausärztliche Begleitung durch einen Allgemeinmediziner oder Geriater, eine Geriaterin an (Landendörfer 2010).