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b) Ausübungskontrolle
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Ist der Ehevertrag nicht sittenwidrig, kann dennoch die Berufung auf den Ehevertrag gegen Treu und Glauben § 242 verstoßen. Anknüpfungspunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe.[137] Eine unzumutbare Lastenverteilung kommt bei einer erheblichen einvernehmlichen Abweichung von der ursprünglich geplanten und dem Vertrag zugrunde liegenden Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse in Betracht.[138]
Beispiel
Beide Ehegatten gehen im Zeitpunkt der Eheschließung und des Abschlusses des Ehevertrags davon aus, dass sie unfruchtbar sind und ihre Ehe kinderlos bleiben wird. Sie schließen in dem Ehevertrag gegenseitige Unterhaltsansprüche und damit auch den Betreuungsunterhalt aus, da sie beide berufstätig sind. Während der Ehe bekommt die Ehefrau dennoch ein Kind und gibt ihre Erwerbstätigkeit auf. Nach der Ehescheidung verlangt sie von ihrem Ehemann Betreuungsunterhalt nach § 1570. Der Verzicht auf den Betreuungsunterhalt war im Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags nicht sittenwidrig, da die Ehegatten davon ausgegangen sind, dass sie kinderlos bleiben. Im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe ist indes die ursprünglich geplante Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse, kinderlos zu bleiben, weggefallen. Die Berufung auf den Verzicht auf den Betreuungsunterhalt stellt sich als rechtsmissbräuchlich dar. In diesem Fall wird die Rechtsfolge angeordnet, die den berechtigten Belangen der Ehegatten am ehesten Rechnung trägt. Hierbei erfolgt keine Beschränkung nach § 1570 auf den Notunterhalt.[139]
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Bei einem Verzicht auf den Versorgungsausgleich, der der Ausübungskontrolle nicht standhält, sind nach dem BGH[140] die ehebedingten Nachteile in der Altersvorsorge auszugleichen. Der benachteiligte Ehegatte wird so gestellt, als hätte er während der Ehe Vorsorgeanwartschaften erworben.
Nach §§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360a Abs. 3 i.V.m. § 1614 ist ein Verzicht auf künftigen Trennungsunterhalt unwirksam und daher nach § 134 nichtig. Die Vorschrift hat sowohl individuelle als auch öffentliche Interessen im Blick und will verhindern, dass sich der Unterhaltsberechtigte während der Trennungszeit durch Dispositionen über den Bestand des Unterhaltsanspruches seiner Lebensgrundlage begibt und dadurch gegebenenfalls öffentlicher Hilfe anheimzufallen droht. Ein sogenanntes pactum de non petendo, d.h. die Verpflichtung oder das Versprechen des unterhaltsberechtigten Ehegatten, Trennungsunterhalt nicht geltend zu machen, berührt zwar den Bestand des Unterhaltsanspruches nicht, doch begründet dieses eine Einrede gegen den Unterhaltsanspruch, die wirtschaftlich zu dem gleichen Ergebnis führt wie ein Unterhaltsverzicht. Das gesetzliche Verbot des Verzichts auf Trennungsunterhalt kann durch ein pactum de non petendo nicht umgangen werden.[141]
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Mit der Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbrauchskontrolle § 242 sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden; sind solche Nachteile nicht vorhanden oder bereits vollständig kompensiert, dient die richterliche Ausübungskontrolle nicht dazu, dem durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich entgangene ehebedingte Vorteile zu gewähren und ihn dadurch besser zu stellen, als hätte es die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehenden Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit nicht gegeben.[142]
Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrags eingehen zu wollen, begründet für sich genommen auch bei Vorliegen eines Einkommens- und Vermögensgefälles für den anderen Ehegatten noch keine (Zwangs-)Lage, aus der ohne Weiteres auf eine gestörte Vertragsparität geschlossen werden kann. Etwas anderes gilt aber ausnahmsweise dann, wenn der mit dem Verlangen nach dem Abschluss eines Ehevertrags konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderen Maße auf die Eheschließung angewiesen ist. Ein solcher Fall kann gegeben sein, wenn dem ausländischen Vertragspartner die Ausweisung droht. Ergibt sich das Verdikt der Sittenwidrigkeit aus der Gesamtwürdigung eines einseitig belastenden Ehevertrags, erfasst die Nichtigkeitsfolge notwendig den gesamten Vertrag, ohne dass eine salvatorische Klausel hieran etwas zu ändern vermag. [143]