Читать книгу Tod in Nastätten - Ute Dombrowski - Страница 11
9
Оглавление„Möchtest du noch ein Stück Schmandtorte, Herbert?“
Undine hatte ihr charmantestes Lächeln aufgesetzt. Als sie Herbert Nusel zum Kaffee eingeladen hatte, verschwieg sie ihm den eigentlichen Grund. Die Lüge mit dem Kontrollblick auf das Holzdach über dem neuen Brennofen hatte den gewissenhaften Feuerwehrmann hergelockt. Außerdem war er neugierig und hoffte, aus erster Hand etwas über die Leiche zu erfahren.
„Gerne, die Torte ist ein Gedicht, Undine. Kann ich auch noch eine Tasse Kaffee bekommen?“
Lene, die sich wie immer dezent im Hintergrund gehalten hatte, griff nach der Kanne und schenkte nach. Sie schob die Milch über den Tisch und verzauberte Herbert mit einem Augenaufschlag.
„Es ist wirklich nett von dir, an einem Samstagnachmittag herzukommen. Denkst du, ich muss über dem Ofen das Dach noch weiter öffnen?“
Undine hatte auch nicht gesagt, dass der Ofenbauer schon alles genau geprüft und der Schornsteinfeger den Bau abgenommen hatte. Und Herbert hatte verschwiegen, dass er das wusste. Geschickt lenkte er jetzt das Gespräch auf die Leiche.
„Mit dem Ofen ist alles in Ordnung. Meine Liebe, wie geht es dir denn eigentlich? Man hat ja nicht jeden Tag eine Leiche am Gartenzaun liegen. Hatte er wahrhaftig ein Messer in der Brust?“
„Oh ja, das hatte er. Und er war mausetot, als ich vom Lärm, der draußen von der Polizei veranstaltet wurde, aufgewacht bin.“
„Man sagt, ein Mädchen hat den Toten gefunden. Hast du sie gesehen?“
„Ja, du kennst die Kleine auch: die Tochter von der Heidi Hönn. Corinna.“
„Ach Gott, das muss furchtbar sein. So ein junges Ding, sie hat sicher einen Schock gehabt.“
„Nun, ich fand, sie war sehr gefasst für die Umstände. Sie hatte ihn ja nur mit Abstand gesehen.“
Lene grinste in sich hinein, denn die beiden Gesprächspartner an diesem Tisch schlichen um den heißen Brei herum wie der Fuchs um den Hühnerstall. Sie beschloss, die Sache zu beschleunigen.
„Also Herbert, du willst Einzelheiten wissen und wir wollen, dass du uns hilfst. Wir haben den Mann am Abend vorher hier auf dem Hof gesprochen. Er hatte ein Bild von einem Baby in der Tasche, die seine Tochter sein und hier leben sollte. Darum ist er aus Berlin hierhergekommen.“
Herbert nickte höchst interessiert. Dann erzählte Undine nochmal alle Einzelheiten des Abends. Den Kommissar erwähnte sie nicht, denn der überkorrekte Herbert würde nicht mitmachen, wenn er wüsste, dass die beiden sich gegen die Forderung der Polizei einmischen würden.
„Wie alt, sagst du?“
„Sie muss jetzt achtzehn sein.“
„Es gibt einige Frauen in Nastätten, die Töchter in diesem Alter haben. Ich könnte mal in der Schule nachfragen, ob mir jemand eine Liste schreibt.“
Lene zog die Augenbrauen hoch.
„Aber fällt das nicht unter den Datenschutz?“
Undine stieß sie unter dem Tisch gegen das Schienbein, aber Lene zuckte mit keiner Miene.
Herbert nickte, schaute sich um, als könne ihn jemand belauschen, aber dann flüsterte er: „Keine Sorge, ich habe da meine Quellen. Aber ihr müsst das für euch behalten. Wenn ihr es genau nehmt, ist auch Corinna achtzehn Jahre alt, oder?“
„Ja, aber sie war sicher nicht absichtlich an dem Ort“, flüsterte Lene nun auch.
„Ach was!“, rief Undine. „Erstens müsst ihr hier nicht flüstern, zweitens geht das Mädchen jeden Morgen hier joggen. So eine Verbrecherstadt ist Nastätten nun auch nicht, dass man ihr absichtlich eine Leiche in den Weg legt. Und die Heidi hat sich doch erst später von dem Vater ihrer Tochter getrennt. Nein, Corinna kann auf keinen Fall das Mädchen vom Foto sein.“
Herbert winkte ab.
„Das kann ich mir auch nicht vorstellen. Und wenn sie es doch ist, dann weiß man immer noch nicht, warum der Mann jetzt tot ist. Ich komme übermorgen wieder, dann habe ich die Informationen.“
Das klang vielversprechend, jetzt konnte sich Herbert wieder der Schmandtorte zuwenden. Die drei sprachen noch über andere wichtige Neuigkeiten: Wer ist gestorben? Wer hat sich scheiden lassen? Wer ist schwanger? Für solche Informationen war Herbert genau der Richtige. Er wusste immer über alles und jeden Bescheid und er gab auch gerne Auskunft.
Nachdem er gegangen war, machten sich Undine und Lene Notizen. Sie hatten eine Liste angelegt, in die sie jetzt unter Punkt eins Corinna eintrugen.
„Vielleicht ist der Mann von der Heidi doch nicht abgehauen, weil er eine andere hatte.“
Undine fragte: „Was willst du damit sagen?“
„Na, vielleicht ist Corinna das Ergebnis eines Fehltritts von Heidi und er hat es herausgefunden?“
„Nein, das glaubst du doch selbst nicht? Heidi ist doch so eine super Korrekte. Die hätte ihn nie betrogen. Und ich hasse diese vielen Vielleichts.“
„Gut, dann eben nicht. Leuchten wir halt die Freundinnen ab. Wer sind denn ihre Freundinnen?“
Undine überlegte kurz und schrieb: „Lina Liekos. Cheyenne Bötzke.“
Lene schaute ihr dabei auf die Finger.
„Henner Liekos ist definitiv der Vater von Lina. Und die Frau Lehrerin ist auch seit vielen Jahren allein. Die fallen auch raus.“
„Leider“, murmelte Undine und war enttäuscht. „Dann müssen wir doch auf die Liste von Herbert warten. Psst!“
In diesem Moment war Jasmin aus dem Haus gekommen und setzte sich zu den beiden an den Tisch. Undine hatte schnell den Block unter dem Kissen neben sich verschwinden lassen. Nun schwiegen die drei.
„Ich weiß, warum ihr Herbert geholt habt“, entfuhr es Jasmin nach zwei Minuten.
Sie war sauer, dass Lene hier jeden Tag herumhockte und dass die beiden Frauen Geheimnisse vor ihr hatten. Zwar missfiel ihr das Detektivspiel, aber sie wollte wenigstens wissen, was bis jetzt herausgekommen war.
„Was sagt er denn?“
„Ich denke, du willst gar nichts davon wissen?“, fragte Undine pikiert.
„Ja, das habe ich zwar gesagt, aber ich bin auch neugierig.“
Lene sagte: „Wir haben ihm versprochen, dass wir nichts sagen.“
Undine setzte lachend hinzu: „Aber ich hatte hinter dem Rücken die Finger überkreuzt. Er besorgt uns eine Liste mit den Namen von Mädchen, die jetzt achtzehn sind.“
Puh, dachte Jasmin, der Herbert. Normalerweise hielt er sich immer an die Regeln, aber anscheinend war er bereit, diese Grenze zu überschreiten. Dieser Mord hatte einiges verändert.
„Na, da bin ich ja gespannt“, sagte sie nur und ging wieder ins Haus.
„Findest du auch, dass Jasmin komisch ist?“, flüsterte Lene.
„Ach nein, die ist nur eifersüchtig, dass du jetzt jeden Tag hier bist. Sonst haben wir um diese Zeit unsere Einkäufe erledigt oder waren spazieren. Vielleicht sollte ich sie mal wieder mit einbeziehen. Was denkst du?“
„Ich denke mal gar nichts und gehe nach Hause. Übermorgen komme ich wieder, dann hast du den Sonntag, um Jasmin wieder gnädig zu stimmen.“
Die beiden umarmten sich und eilig verschwand Lene durch den Garten.